Leb wohl, Ability School
„Versprecht mir, dass ihr auf euch aufpasst!"
„Natürlich und du auch auf dich!", erwiderte Luis verzweifelt.
Wir alle standen in Gruppenknuddel-Position draußen vor den Bussen.
Mittlerweile begannen Tränen zu fließen und selbst mich riss es mit. Die Traurigkeit die sich in ihren Augen wiederspiegelte, musste ich in meinen gar nicht spielen. Sie so zusehen, allein das nahm mich schon mit, auch wenn ich wusste, dass ich die ganze Zeit über bei ihnen sein würde.
„Ich werde euch so vermissen!", schluchzte ich. Denn in unser Beziehung würde ich sie auch nicht erleben. Ich als Typ würde Abstand halten müssen, damit sie mich und meinen Charakter nicht erkannten.
„Wir dich auch!", entgegnete Tim.
„Abfahrt!", rief die tiefe Stimme von Frau Ludwig.
Wir traten auseinander.
„Nein!", schrie Claire, „Was soll ich nur ohne dich machen Sophie?? Was wenn..."
Mit meiner zittrigen Hand wischte ich die salzige Flüssigkeit unter ihren rot angeschwollenen Augen weg.
„Alles wird gut. Du bist ein starkes Mädchen, bald sehen wir uns wieder."
Auch ihre zirliche Hand näherte sich meinen nassen Wangen und streichelte mich. Wir zogen uns in eine feste Umarmung und weinten hinein.
Doch dann wurde sie weggezogen, in einen Bus geschleppt, bis dann die Motoren aujaulten und ich nur noch traurig hinterher winkte.
Jetzt bin ich dran.
Wie bereits geplant, ging ich zu meinem Zimmer, holte den fertig gepackten gelben Rucksack und setzte ihn auf. Jetzt musste ich mich nur noch vom Gelände schmuggeln und dann wäre ich in Sicherheit. Von meinen Emotionen durfte ich mich hierbei nicht leiten lassen. Hätte ich dies getan, würde ich entweder noch schreiend und heulend auf dem Parkplatz knien oder dasselbe unter meiner Bettdecke tun.
Im Foyer angekommen, wurde ich plötzlich angesprochen.
„Ich weiß, dass dir der Abschied Schwergefallen ist, es tut mir wirklich leid. Dennoch ist es das bes... Was machst du da mit deiner Schultasche?", Jasmin unterbrach sich selbst und sah mich irritiert an.
„Äh, ich äh benutze sie um, äh Spielzeug zu transportieren, ich spiele was mit den sechstklässern", dachte ich mir schnell aus.
Wow, tolle Ausrede Sophie...
Im ersten Moment beäugte sie mich ungläubig, doch dann strahlte sie, „Mich freut es wie zügig du neue Freunde gefunden hast."
Grinsend nickte ich ihr zu.
Oh, das war ja mal einfach.
„Soll ich dich begleiten?"
Mit einem heftigen Kopfschütteln wendete ich mich von ihr ab.
„Entfernt euch nicht zu sehr vom Gebäude! In so gefährlichen Zeiten muss man acht geben. Und pass auf die Kleinen auf!", rief die schwarzhaarige Frau mir noch hinterher. Wenn sie nur wüsste...
Seufzend verließ ich das Gebäude und hechtete vorsichtig von einem Gebüsch zum anderen und von einem Baum zum nächsten. Irgendwann ließ ich die Äste und das Laub unter meinen Füßen zurück und spürte das harte Asphalt schmerzen.
Am Rand der Straße, auf der ich nun lief, wucherten Bäume in die Höhe, durch deren Blätterdecken mich die Sonne anfunkelte. Sie zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht und ließ meine Reise gar nicht mehr so triste wirken. Doch trotz der Ablenkung, die die warmen Sonnenstrahlen und mein Gesumme verursachten, war es ein langer Weg, den ich ganz allein entlang der weiten Landstraße zurücklegen musste.
Alles tat mir weh und kleine Schweißperlen sammelten sich auf meiner Stirn. Da war die Freude um so größer, als ich endlich den Second-Hand Laden erreichte, in dem ich einkaufen wollte.
Nach langer Sucherei, verwirrter und angewiderter Blicke anderer Kunden verließ ich wieder das Gebäude, eine große, vor allem mit Klamotten, gefüllte Tasche tragend.
Draußen schmiss ich den gelben Rucksack weg, dessen Inhalt ich bereits zu den gekauften Dingen, in die neue rote Tasche gepackt hatte. Außerdem versteckte ich unter die ganzen Sachen ein Kästchen, indem sich das Amulett befand. Nun konnte ich es ja nicht mehr tragen, aber gleichzeitig durfte es auch auf keinen Fall jemand finden.
Seufzend huschte ich hinter einen großen Busch. Es war Zeit.
Versteck dich, schluck es und warte ab... Rief ich mir Alinas Worte in Erinnerung. Nach kurzem zögern, setzte ich das rote Fläschchen an meinen Mund an. Ich nahm einen tiefen Atemzug
Also gut.
Und dann kippte ich es meinen Rachen auch schon runter. Es brannte unglaublich stark und schmeckte nach einer Mischung aus Lakritze und Gurke.
Angeekelt verzog ich das Gesicht und und wedelte mit meiner Hand vor meinem hechelnden Mund.
Dann spürte ich wie mein Gesicht und Körper taub wurde und sich langsam verformte. Angespannt holte ich einen Klappspiegel heraus, der mir bei meinem Anblick sofort aus den Händen fluschte.
Fluchend hob ich ihn wieder auf und hätte das blaue Ding beinahe schon wieder fallen gelassen. Ich konnte es einfach nicht fassen. Verzweifelt tastete ich mein Gesicht ab. Es war nicht gerade hübsch. Eine knollige Nase ragte heraus, strubbige Brauen ließen die braunen Augen dadrunter noch kleiner wirken. Und der Mund war breit, geziert von schmalen Lippen.
Meine Figur war auch nicht die Schönste. Sie hatte sich einfach meiner vorherigen angepasst und war somit recht pummelig. Das gute jedoch war, dass mein grüner Fleck verschwand.
Trotzdem kamen mir die Zweifel.
Hätte ich das wirklich tun sollen? Soll ich das Gegenmittel nehmen und wieder umkehren? Ist dieser Plan nicht eigentlich total egoistisch? Wieso habe ich nicht auf Jasmin gehört?
Unentschlossen trat ich von einem Bein auf das andere und kaute dabei nervös auf meiner Unterlippe. Eine Weile ging es so weiter, bis ich stockte.
Nein Sophie, atme durch, leere deinenen Kopf und... gib nicht auf!
Du wirst doch nicht allein im Internat bleiben und mit irgendwelchen Knirpsen spielen!
Du wirst doch nicht deine Freunde im Stich lassen!
Du wirst dich doch nicht von irgendwelchen mächtigen Leuten beschützen lassen, wenn du das auch selber tun könntest!
„Ich komme!", brüllte ich und hielt mir sofort die Hand vor den Mund. Abgesehen von meiner ungewohnten, unangenehmen Stimme, war das vielleicht ein bisschen zu laut.
Schnell holte ich mir ein braunes Shirt und eine Jeans aus der Tasche und zog mich um. Die vorherigen Klamotten schmiss ich zu dem gelben Rucksack in einen Müllcontainer.
Mit neuer Motivation setzte ich meine Reise fort. Es ging weiter zur speziellen Busstation. Laut Alina gäbe es in jeder Stadt eine, die alle Bengaloen und Twaner zum Camp bringen würde.
~~~~~~~~~~~~~~~
„Alles einsteigen! Letzter Bus für heute!"
„Warten Sie, ich komme!"
Nach einem langen Fußmarsch war ich endlich angekommen und hatte daraufhin beinahe den Bus verpasst.
„Und wer bist du, junger Mann?", fragte mich ein Bursche mittleren Alters in einem dunkelblauen Anzug.
Ich war kurz davor mich zu beschweren, was ihm wohl einfiele mich "junger Mann" zu nennen, als es mir wieder in Erinnerung trat. Stimmt ja, ich bin männlich... juhu, meine Tarnung klappt anscheinend! Aber äh... wie heiße ich?
„Ich bin äh", ich räusperte mich „Sven, Sven... McConner"
Der Mann zog seine Augenbrauen hoch.
„Ein Gaitasuno. Aus dem Süden angereist und äh gerade 16 geworden, noch nicht meine Fähigkeit erlangt."
„Du stehst nicht in meinen Daten", erwiderte er knapp.
Woher weiß er das? Was wohl seine Gabe ist?
„Ähm ja... Meine Familie und ich sind hier her geflüchtet und äh nicht eingetragen."
„Deine Familie?", fragte der große Mann ungläubig.
„Äh ja, die McConners, aus ähm den USA."
Noch immer musterte der Dunkelhaarige mich kritisch, „kannst du dich ausweisen?"
Oh nein! Daran habe ich ja überhaupt nicht gedacht! Ich spürte ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend.
„Sven!"
Verwirrt drehte ich mich um.
Ein gut aussehender Junge mit einem braungebrannten Teint, markanten Gesicht, Grübchen am Kinn und einem Quiff Haarschnitt, welcher mich an Jacobs erinnerte, nur das dieser noch Locken besaß, kam auf uns zu gelaufen.
„Logan, geh wieder in den Bus!", rief mein Gesprächspartner und richtete seine strengen Augen zurück auf mich.
„Nein, das ist doch der gute alte Sven!" Mittlerweile stand der Junge neben mir und richtete seinen Mund zu meinem Ohr, „hol etwas heraus."
Erst zögerte ich, doch was blieb mir anderes übrig?
Also nahm ich das erste was mir in die Finger kam, meinen blauen Spiegel und streckte ihn mit zusammengekniffenen Augen dem Kontrolleur entgegen.
Als der Gegenstand aus meiner Hand gezogen wurde, stellte ich geschockt fest, dass er einen Ausweis in den Händen hielt.
Bevor der Bursche ihn jedoch aufklappte, schweifte sein Blick nochmal zu dem Jungen neben mir. Beide sahen sich für einen Moment intensiv in die Augen. Der Typ gegenüber misstrauisch und genervt, Logan eher relaxet. Letzendlich gab der große Mann nach und musterte aufdringlich das geschriebene.
„Einsteigen, aber zügig!", rief er schließlich seufzend und gab mir das "Papier" zurück.
„Wow, danke... Mann", entgegnete ich neben Logan laufend. Redet man so als Junge??
„Kein Ding, aber sag mir, was treibt dich mit falscher Identität hier her?"
War es so offensichtlich?
„Lange Geschichte"
Mit einer abwinkenden Geste grinste er mich schief an „schon gut, aber du bist mir was schuldig"
Wir setzten uns im Bus nebeneinander.
Das kann ja heiter werden...
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