Es ist soweit
„Im Laufe des Tages werden wir erstaunlicherweise doch noch, mit den ersten Sonnenstrahlen rechnen können. Verabschieden sie sich von dem wochenlangen Regen." Juhuu, endlich. Nicht, dass ich etwas gegen den Regen hätte, es gefiehl mir sogar sehr ihm zuzusehen. Aber langsam begann ich die Sonne zu vermissen.
Mein Blick wanderte weg vom Fernseher nach rechts, Richtung Fenster. Im Moment konnte man jedoch rein gar nichts erkennen, was die Aussage des jungen Mannes bestätigen würde.
Die Tropfen flossen wild an der Glasscheibe entlang und lieferten sich spannende Wettrennen, während weiter weg die einsamen Pfützen auf dem Aspfalt zu schlummern versuchten, jedoch vom Regen aufgeschreckt wurden.
Von dem Anblick wurde mein Hals auf einmal sehr trocken und ich bekam einen höllischen Durst. Doch sobald ich meinen Kopf nach links, Richtung Leonie gedreht hatte, die neben mir auf der alten Couch saß, begrüßte mich ein unerwarteter Blick.
Das Mädchen starrte mich an, als hätte sie einen Geist gesehen. „Was ist?", fragte ich verwirrt. „Sophie,", sprach sie mich dann an, „dein Nacken er, er ist". Kaum hatte meine beste Freundin die Worte über ihre Lippen gebracht, fasste ich unter meinen Hinterkopf, er fühlte sich glatt an, zu glatt. Daraufhin schrie ich leise auf. Ich tat das erste was mir in den Sinn kam. Schnell rannte ich zu dem Spiegel, der an der gegenüberliegenden Seite von uns an einer modrigen Wand hing. Auf mein Spiegelbild achtend, bewegte ich meinen Kopf leicht zur Seite und entdeckte einen grünen Fleck. Geschockt fasste ich zu meinem Haargummi und ohne groß nachzudenken öffnete ich meinen Dutt. Angespannt stülpte ich es wie ein Armband über mein Handgelenk neben meine alte Armbanduhr. Danach schaute ich mich prüfend im Spiegel an. Aber sonst sah ich normal aus, mit meinen Langen roten Haaren die über meinen Schultern hingen, den grünen leuchtenden Augen, dem grauen T-Shirt, meiner blauen Jeans und mit den weißen ranzigen Turnschuhen.
Dann drehte ich mich zu meiner Freundin, die den Fernseher bereits ausgeschaltet hatte. Zusammen gingen wir zum Mädchen Klo, doch egal wie sehr ich mit dem feuchten Tuch rubbelte, der Fleck ging einfach nicht weg. Meine Haut rund herum wurde schon rot, doch vergebens. „Ich verstehe das nicht", murmelte ich und verschränkte meine Arme, „Wie hast du das gesehen? Meinst du jemand hat mir einen Streich gespielt?" „Nein", antwortete sie blass, „ich hatte kurz zu dir geschaut, als ich später wieder guckte war der Fleck wie aus Zauberhand da...Oh schreck, lass uns jetzt erst mal schnell kochen gehen!" Tatsächlich, als ich auf meine Armbanduhr sah, war es schon halb drei. Schnell liefen wir zum Essens-Raum.
Kaum waren wir angekommen, kam Iris, eine kräftige Frau, die sich um die Küche kümmerte, schon angestapft. „Ihr seid zu spät! IHR solltet heute kochen anstatt Olli. Übrigens, ich würde mich bei ihm bedanken, hätte er dies nicht getan, hättet ihr jetzt Arrest." Nachdem wir uns entschuldigten, suchten wir Blickkontakt mit ihm. Als ich ihn weiter hinten neben einem Tisch stehen sah, lächelte der Junge Leonie an, welches sie erwiderte und mit ihren Lippen „Danke" formte. Seit ich ihn kannte, war er verliebt in sie gewesen, eigentlich waren so gut wie alle das. Die bezaubernde Leonie, das hatte mich schon immer genervt. Ein Tippen riss mich aus meinen Gedanken. „Hilfst du mir jetzt Tischdecken, oder was ist los?", fragte sie irritiert. Stumm nahm ich einen Stapel Schüsseln und verteilte sie.
Während wir aßen trat auf einmal Herr Patterson, der Leiter des Waisenhauses vor uns, „Sophie, kommst bitte mal mit, ach und Leonie du kannst auch mitkommen." Ich schluckte, stand dann aber auf und wir folgten ihm. Als Herr Patterson stehen blieb, trat ich fast in seine Fersen. Er machte einen Schritt zu Seite. Ein großer Mann mit grauem Ansatz, einem gepflegtem Bart und einem schicken Anzug kam auf uns zu. Einen Meter vor uns blieb er stehen. Der Mann reichte mir seine Hand und sagte, „Hallo, du musst Sophie sein, ich heiße Lennard Jackson." Lächelnd entgegnete ich ihm, „Hallo." „Und ich bin Leonie", warf sie schnell ein.
Zu dritt verbrachten wir den Tag. Während ich ihn rum führte und wir über uns redeten, versuchte Leonie sich dauernd einzumischen. Gerade standen wir im Wohnzimmer, als er mich fragte, „Und wie alt bist du?" Darauf antwortete ich, „14, in genau einem Monat 15, also am 11. Mai." Leicht entsetzt sah er mich an „Schon?" Ich sah wie Leonie sich verkniff zu sagen, dass sie jünger war. Was ist bloß los mit ihr? Dann sagte er hastig, „Ich komme später wieder." Und schon war er weg. Verwundert sah ich in die Richtung, in welcher er verschwunden war. Habe ich etwas Falsches gesagt?
Im Fernseher lief nur langweiliges Zeug, stellte ich fest, nachdem ich auf der Fernbedienung rum gedrückt hatte. Auch Leonie interessierte nichts, die desinteressiert neben mir saß. Gelangweilt schaute ich durch die Gegend und irgendwann blieb mein Blick an einem Bücherregal hängen. Erst dachte ich darüber nach aufzustehen, entschied mich dann aber doch sitzen zu bleiben, was mir Leonie gleich tat.
Nach einer Stunde kam Lennard schließlich wieder und trat vor mich mit den Worten „Sophie ich adoptiere dich." Er kniete sich runter und schloss mich sanft in seine Arme. Kurz danach sprang Leonie auf und rief: „Wieso sie?! Wieso nicht ich? Ich bin viel hübscher als Sophie!" Mein Herz verkrampfte sich, die Worte schmerzten sehr. Zwar wusste ich, dass Leonie arrogant war, aber dass sie so etwas sagen würde, hätte ich nie gedacht, vor allem da sie meine beste Freundin war und wusste, dass ich mich unwohl in meinem Körper fühlte, da ich übergewichtig war. Deswegen rannte ich auf mein Zimmer, um meine Sachen zu packen, während mir Tränen auf den Wangen runter kullerten. Zu der hellblauen Tasche, mit rosa Sternchen, die mir Iris zum 10. Geburtstag geschenkt hatte. Als ich gerade meine Socken rein packen wollte, stieß ich auf mein Herzamulett, das ich dort versteckte. Einen kurzen Moment hielt ich inne, bevor ich weiterpackte. Es war das einzige, was ich von meinen Eltern besaß, deswegen trug ich es nie, damit die Kette nicht verloren ging. Dann guckte ich nochmal unter mein Bett, bis ich mich schließlich aufrappelte und aus dem vertrauten Schlafzimmer ging. All dies hinter mich zu lassen, fühlte sich schrecklich an. Dennoch freute ich mich, endlich eine richtige Familie zu haben. Im Flur wartete Lennard schon auf mich, „tut mir sehr leid wegen Leonie", sagte er und nahm mir lächelnd die Tasche aus der Hand. Als ich mich von allen verabschiedet hatte, gingen wir raus, aber Leonie fand ich leider nicht mehr, was mich etwas traurig machte. Auch wenn sie echt fies sein konnte, war sie doch sechs Jahre meine beste Freundin gewesen.
Er ging mit seinem Regenschirm voraus, während ich ihm da drunter folgte. Die Temperatur war draußen ziemlich kühl, weshalb ich eine Gänsehaut bekam. Noch ein letztes Mal drehte ich mich zu dem kleinen gelben Gebäude um, bevor ich in seinem schwarzen Porsche verschwand.
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