Jennie und das Notizheft
Der Beamte ließ sich Zeit. Und zwar mit allem; außer mit Essen. In der letzten Stunde hatte er zwei Sandwiches, einen Donut und einen Bagel verschlungen und nun schenkte er sich aus einer Thermoskanne zum dritten Mal Kaffee nach.
Jennie sah zu wie die dampfende, dunkelbraune Flüssigkeit in die Tasse floss. Die ganze Zeit hatte sie darauf gewartet, dass er ihren Chef anrief; doch bisher: vergebens. Dabei hatte sie fünfmal betont, wie wichtig es ist, dass sie pünktlich um Acht im Büro ist. Nun war ihr klar, dass es genau seinen Geschmack traf, sie in der Zelle schmoren zu sehen.
Er würde gar nichts tun, wenn sie ihn nicht irgendwie dazu brächte. Und die Wanduhr zeigte bereits zehn nach 6 Uhr.
„Fangen Sie dann auch mal an zu ermitteln?" Sie gab sich gar nicht erst Mühe zu verbergen, wie genervt sie war.
„Tue ich doch." Mit dem Becher in der Hand drehte er sich auf dem Drehstuhl in ihre Richtung, dazu musste er allerdings die Beine vom Tisch nehmen, was Jennie schon als Triumph verbuchte. „Ich observiere die Verdächtige."
„Was werfen Sie mir denn vor? Das Ganze war ein Unfall!" Jennie war mittlerweile so ausgetrocknet, dass das Sprechen sie im Hals kratzte und das letzte Wort nur noch ein heiseres Krächzen war.
Trotzig klammerte sie sich an die Gitterstäbe.
Der Polizist lehnte sich über den Tisch und zog einen Zettel heran. Seine dunklen Augenbrauem hüpften ein Stück höher. „Mal sehen. Wir haben hier: Raserei, Fahrerflucht, Diebstahl und Spionage." Seine Augen blitzten diebisch. „Habe ich etwas vergessen?"
„Spionage?" Obwohl sie nicht wollte, dass er ihr Entsetzen sah, schnappte sie nach Luft. Die anderen Dinge geschenkt; mit genügend Böswilligkeit und Fantasie (beides hatte er offensichtlich) konnte er ihr das vorwerfen – aber Spionage? Ernsthaft? Wie kam er denn auf sowas?
Ihre stummen Fragen waren ihm nicht entgangen.
„Oder wie erklärst du, dass Notizen zu brisanten Bauplänen in deiner Handtasche stecken?"
Plötzlich winkte er mit etwas, dessen bloßer Anblick Jennie die Luft abschnürte.
Ihr wurde siedend heiß. Gott nein! Ihr Notizbuch, in dem sie die Anmerkungen ihres Chefs notiert hatte, wenn er mit Details auf ihren Zeichnungen nicht zufrieden war. Sie hatte gehofft, so dieselben Fehler zukünftig vermeiden zu können.
Doch jetzt könnten genau diese Notizen ihren Tod bedeuten!
Zumal da auch noch andere, WIRKLICH brisante Dinge drin waren; Zeichnungen von ihrem Chef, mit Geiernase, Ohren bis zur Decke und einem winzigkleinen Kinn. Irgendwo musste sie ihren Frust schließlich rauslassen.
„Es ist schon mehr als verdächtig, dass ein Mensch (er betonte das, als wäre das bereits das Verbrechen), der für A.I.Earth arbeitet, und dann auch noch als Chefsekretärin, nachts allein mit dessen Flugkapsel unterwegs ist und das mit Bauplänen, die streng geheim sind! Das ist ...." Seine dunklen Augen nahmen Jennies gefangen. „Hochbrisant."
Mit dem Blatt Papier und ihrem Notizbuch, das Jennie ihm am liebsten aus der Hand gerissen hätte, erhob er sich endlich vom Schreibtisch.
„Ich ruf jetzt deinen Chef an!", flötete er.
Mit Tränen in den Augen sah Jennie ihn zum Hörer greifen. Kang Yeosang war ihre einzige Chance hier rauszukommen, gleichzeitig aber fürchtete sie nichts mehr, als seine Reaktion.
Und jetzt wird noch verraten, wer hier der Polizist ist:
Yunho :)
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