Schneekugel
Stöhnend öffnete Hiram die Augen, um sie gleich wieder zusammenzukneifen, als das grelle Tageslicht ihn blendete.
»Wer zum Henker hat die Vorhänge aufgezogen?«, knurrte er und rieb sich die Schläfen. Er hatte einen Schädel, als wäre er gestern Abend total betrunken gewesen, was mitnichten möglich war. Vampire konnten sich nicht besaufen, jedenfalls nicht auf die herkömmliche Weise. Trotzdem fühlte es sich genauso an. Aus der Küche hörte Hiram das Klappern von Geschirr und leises Summen. Wer ...?
Sein Blick wanderte zu seinem Smartphone, das auf dem Nachttisch lag. Das Display zeigte dem Vampir an, dass es schon fast Mittag war. Außerdem war heute Montag und das hieß, dass Hirams Putzfrau da war. Okay. Das erklärte den Radau unten. Der Vampir seufzte. Mit einem erneuten Blick auf sein Mobiltelefon registrierte er, dass Alex dreimal versucht haben musste, ihn anzurufen.
»Scheiße«, fluchte Hiram und setzte sich auf. Sein Kopf pochte, als ob ihn jemand mit einem Hammer bearbeiten würde. Der Vampir erhob sich von der Matratze, schlüpfte in seine Jogginghose und schleppte sich die Treppe hinunter.
»Guten Morgen, Mary«, begrüßte er seine Haushälterin, die in der Küche werkelte. Die ältere Frau erwiderte den Gruß mit einem Lächeln, bevor sie weiter ihrer Arbeit nachging. Hiram nahm eine Kopfschmerztablette aus dem Schrank und schluckte diese mit etwas Wasser, bevor er im Badezimmer verschwand. Eine heiße Dusche würde ihn hoffentlich wieder halbwegs lebendig machen.
Tatsächlich fühlte er sich um Welten besser, als er nach einer Weile, in ein großes Handtuch gehüllt, das Bad verließ. Ein Blick auf die Uhr hatte ihm verraten, dass Mary bereits gegangen war. So bestand keine Notwendigkeit, sich etwas überzuziehen. Hiram ging hinüber in die Küche, um sich einen Tee aufzubrühen sowie ein paar Brote zu schmieren.
Bewaffnet mit beidem, marschierte der Vampir schließlich in den Wohnbereich des Lofts und warf sich auf das Sofa. Während er von einer Scheibe Toast abbiss, fiel sein Blick auf das Bücherregal an der gegenüberliegenden Wand. Dort stand das Geschenk, das Alex ihm kurz vor dem Streit gegeben hatte. Seufzend erhob sich der Vampir und nahm die hübsche Schneekugel von dem mittleren Brett. Kurz strich er mit den Fingern über das Glas, bevor er mit ihr zu seinem Frühstück zurückkehrte. Wieder auf der Couch sitzend, schüttelte er die kleine Halbkugel und berieselte so den winzigen Teddybären darin mit Schnee. Ein seltsames Gefühl machte sich in Hirams Inneren breit. Brummend musste er sich eingestehen: Er vermisste Alex.
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