9. Kapitel
Einige Tage später - an einem Samstagvormittag - lief Tom mal wieder durch Bellington. Er war immer noch so fasziniert von dieser Stadt, wie am Tag seiner Anreise, und er war sich sicher, dass er noch nicht alles gesehen hatte.
Diese Stadt war riesig, er wollte so viel wie möglich auskundschaften. Schließlich musst er wissen, wo sich die meisten Bewohner am Liebsten aufhielten, welche Plätze am beliebtesten waren. Dort würde er dann seinen Laden aufbauen, damit er möglichst viele Kunden anlocken konnte.
Ich habe mir noch gar nicht überlegt, wie ich meinen Laden eigentlich nennen soll... Tom wurde aus seiner Grübelei gerissen, als er plötzliche zorniges Geschrei hinter sich hörte. "Haltet den Dieb!", brüllte eine tiefe Stimme, nicht weit entfernt.
Als der Tanuki sich umdrehte, erblickte er einen Fuchs, der geschwind die Gasse entlangrannte. Ein Braunbär war dicht hinter seinen Fersen. In seiner Pranke hielt er einen langen Stock, den er wild um sich schwang. "Stop, du Mistkerl!", schrie er.
Der Fuchs flitzte an Tom vorbei und hätte ihn fast angerempelt, wenn der Tanuki nicht ausgewichen wäre. In diesem Moment erkannte er den roten Räuber wieder. Das ist doch dieser Fuchs, der mir vor ein paar Tagen ein Gemälde andrehen wollte...
Ihm war außerdem aufgefallen, dass er irgendwas in der Pfote hielt, konnte aber nicht rechtzeitig erkennen, was es war. Der Bär holte auf und packte den Dieb am Schwanz, worauf dieser zu Boden stürzte und seine Beute fallen ließ.
Es war ein Laib Brot. Der Fuchs versuchte sich zitternd aufzurappeln, scheiterte jedoch, als der Braunbär den Stock hob und auf ihn einschlug. "Du dreckiger Fuchs!", brummte er. "Was fällt dir ein mich zu bestehlen?!"
Der Fuchs schlang seine Arme um seinen Kopf und jaulte schmerzvoll auf, sobal der Stock gegen seinen Körper prallte. Einige Tiere blickten mit großen Augen zu den beiden hinüber, doch keiner unternahm etwas.
Tom konnte das nicht länger mitansehen. Kochend vor Wut schritt er auf den großen Bär zu und stellte sich schützend vor den Fuchs hin, mit dem Gewissen, dass der nächste Schlag nun ihn treffen könnte. Doch der Bär hielt inne, als der Tanuki sich plötzlich einmischte.
Er ließ den Stock sinken, seine Augen blitzten angriffslustig auf. "Was willst du denn?!", fragte er barsch. "Verschwinde, bevor ich dir auch noch eins überbrate!"
"Lassen Sie den Fuchs in Ruhe!", fauchte Tom.
"Wegen einem Stück Brot müssen Sie nicht gewalttätig werden! Sehen Sie nicht, dass er hunger hat?!" Der Fuchs hob vorsichtig den Kopf und starrte Tom überrascht und gleichzeitig dankbar an. Hastig griff er nach dem Brot, welches nun ziemlich schmuzig war, und stürmte davon.
Gut so, renn schnell weg!
"Was fällt dir ein, du verdammter Waschbär!?", beschwerte sich der Braunbär. "Nun ist er entkommen!"
"Tanuki", korrigierte Tom kalt. "Ich bin ein Tanuki! Und was fällt Ihnen ein, ein unschuldiges Tier zu verletzen?!"
"Von wegen unschuldig!", erwiderte der Ältere schroff. "Dieser Wicht hätte bestimmt meine ganze Bäckerei geplündert, wenn ich ihn nicht rechtzeitig beim Stehlen erwischt hätte!" Tom warf ihm einen vernichtenden Blick zu, begann daraufhin in seiner Hosentasche zu kramen und holte ein paar Münzen hervor.
Er drückte dem Bär die Sternis in die Pfote. "Das müsste reichen", schnaubte der Tanuki. "Ist für das Brot." Der Bäcker starrte ihn wortlos an. "Aber im Gegenzug lassen Sie den Fuchs in Frieden, klar?!"
Ohne auf eine Antwort zu warten machte Tom kehrt. Jedes Haar in seinem Pelz kribbelte vor Zorn. Was fällt dem denn ein?! Bescheuerter Idiot! Dem hätte ich am Liebsten eine reingehauen! Toms Wut legte sich, als er sich fragte, wo der Fuchs wohl sein mag.
Weit konnte er ja nicht sein. Tatsächlich fand er ihn in einer dunklen Seitengasse, zusammengekauert am Boden. Er aß sein gestohlenes Brot mit gierigen Bissen. Der muss seit Tagen keine richtige Mahlzeit mehr zu sich genommen haben.
Der Fuchs war schrecklich dünn, sein Fell stumpf und glanzlos und die spärliche Kleidung, die er trug war dreckig und zerissen. "Hey", begann Tom vorsichtig. Der Fuchs hielt inne, riss den Kopf herum und starrte den Tanuki erschrocken an.
Im selben Moment rutschte er knurrend zurück, drückte sein Brot an sich, als hätte Tom vor, es ihm zu klauen. "Keine Angst. Ich tu dir nichts", versprach Tom und lächelte freundlich. Der Fuchs musterte ihn zuerst argwöhnisch, doch sein Blick wurde dann weicher.
"Du bist doch der Tanuki von neulich."
"Du erkennst mich noch?"
"Natürlich. Es leben nicht viele Tanukis hier in der Gegend." Er zögerte einen Moment. "Danke, für deine Hilfe...", murmelte er dann. "Ich schätze das sehr."
"Kein Ding." Toms Blick wurde ernst. "Was für ein verfluchter Mistkerl. Wie kann man nur so herzlos sein?" Der Fuchs antwortete nicht sondern knabberte weiter an dem Brot. "Wie heißt du eigentlich?", fragte Tom und setzt sich neben ihm, jedoch nicht zu nah.
"Redd", antwortete der Fuchs. "Redd Tsunekichi." Der Tanuki nickte erfreut. "Ich bin Tom Nook. Freut mich!" Er streckte ihm die Pfote hin. Redd nahm sie zögerliche entgegen. "Lebst du...auf der Straße?", fragte Tom weiter.
Der Fuchs nickte stumm. "Wie lange denn schon, wenn ich fragen darf?" Redd überlegte eine Weile. "Es müssen jetzt ungefähr vier Jahre sein", antwortete er schließlich. "Mein Vater hat mich von Zuhause vertrieben, als ich fünfzehn war."
Tom blinzelte mitfühlend. "Das tut mir schrecklich Leid." Der Jüngere zuckte nur mit den Schultern. Mit fünfzehn Jahren musste er schon ums Überleben kämpfen. Wie furchtbar.
"Ich verdiene mein Geld mit den Gemälden, die ich male", erzählte Redd weiter. "Aber es läuft nicht immer so gut. Manchmal läuft es so schlecht, dass ich nicht mal genug Sternis habe, um mir etwas zu Essen zu kaufen. Wie heute."
Toms Herz zog sich vor Mitleid zusammen. "Ich nehme an, dass du kein eigenes Zuhause hast, richtig?", erkundigte sich der Tanuki. "Ein Zuhause habe ich schon", erklärte Redd. "Nur kann man das nicht wirklich Zuhause nennen...Ein kleine, verlassene Hütte, etwas abseits der Stadt. In diese Gegend kommt normalerweise niemand vorbei."
Er starrte nachdenklich in die Ferne. "In der Nacht ist es in der Hütte verdammt kalt...und unheimlich. Besonders, wenn es regnet, da fürchte ich, dass das Dach einbricht." Redd legte die Ohren an. "Ich hasse Gewitter...Es jagt mir total Angst ein. Da kann ich nie schlafen..."
Tom musterte ihn interessiert. Ist das wirklich derselbe Redd, wie der vor ein paar Tagen? Damals hat er viel selbstbewusster gewirkt, viel...lebhafter. Doch jetzt sehe ich erst, wie er wirklich drauf ist. Traurig, niedergeschlagen und ängstlich...Jeder hat wohl eine Schattenseite, die er nicht gerne zeigt.
Redd zuckte nervös mit den Ohren. "Sorry, Cousin. Ich nerve dich mit meinem Geplapper, nicht wahr?" Er grinste leicht. "Ich hatte schon lange niemanden, mit dem ich ein Gespräch führen konnte." Tom blinzelte freundlich. "Du nervst überhaupt nicht", versicherte er.
"Weißt du was?" Der Tanuki erhob sich. "Du kannst mir später noch mehr erzählen, wenn du willst." Redd sah verwirrt zu ihm auf. "Möchtest du zu mir nach Hause?", bot der Ältere an. "Ich kann dir eine vernünftige Mahlzeit zubereiten. Du siehst so schrecklich abgemagert aus...und...ich möchte dir gerne helfen, also..."
Er zögerte. Hoffentlich klang es nicht zu aufdringlich. Schließlich kannten sich die beiden erst seit wenigen Minuten. "Wenn du willst...kannst du eine Weile bei mir bleiben." Redd starrte den den Tanuki sprachlos an.
Tom hielt ihm eine Pfote hin. "Nun?"
"Das...das würderst du wirklich tun...?", hauchte der Fuchs. "Na klar! Ich ertrage es nicht, andere Tiere leiden zu sehen."
Redd verharrte noch einen Moment, ehe er nach Toms Pfote griff und sich von ihm hochziehen ließ. "Komm." Der Tanuki schnippte mit dem Schwanz, als Aufforderung ihm zu folgen. "Meine Wohnung ist nicht weit entfernt von hier."
Tom lief los und Redd folgte ihm unsicher. Als er dann jedoch merkte, dass der Fuchs immer langsamer wurde - und manchmal sogar zögerlich stehen blieb - wandte er sich mit einem fragenden Blick an den Jüngeren.
"Was ist?" Eigentlich konnte Tom verstehen, dass Redd noch etwas misstrauisch war. "Du bringst mich wirklich nicht zu den Cops?", wollte Redd wissen. Der Tanuki sah ihn verblüfft an und musste dann lachen.
"Warum sollte ich? Weil du ein Stück Brot geklaut hast?!" Der Fuchs kratzte sich am Nacken. "Man kann ja nie wissen..."
"Keine Sorge. Du kannst mir vertrauen", versicherte Tom ihm. Ein kleines Lächeln schlich sich auf Redds Lippen. "Okay."
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