15. Kapitel
Am nächsten Tag, bei der Arbeit, verhielt sich Redd wie üblich. Als wäre gestern Nacht nichts geschehen. Entweder er konnte sich schnell von solchen Panikattacken erholen, oder er versteckte seine wahren Gefühle - wie er es des öfteren tat.
Die Glocke der Ladentür bimmelte, als ein weiterer Kunde eintrat. Tom blickte von den Waren auf, die er gerade in die Regale einräumte. Ein blaugrauer Fuchs blickte sich neugierig um. Redd, der an der Kassa stand, spitzte aufmerksam die Ohren und eilte zu ihm hinüber.
"Guten Tag, Genosse! Kann ich dir behilflich sein?" Der grau Fuchs wandte sich an den Ladenverkäufer. "Ich habe gehört, dass ihr Gemälde verkauft", sagte er. "Wo finde ich die?" Redd grinste und rieb aufgeregt seine Pfoten aneinander.
"Hier lang, Cousin!" Er führte den Kunden in den hinteren Teil des Ladens. "Ich habe erst vor kurzem ein neues Meisterwerk kreiert. Das wird dich garantiert umhauen! Nur in diesem Laden gibt es solche einzigartigen Kunstwerke."
Tom wandte sich wieder seiner Arbeit zu und schmunzelte vor sich hin. Er fragte sich immer wieder, woher Redd nur diesen extrovertierten Charakter hat und wie er es schaffte so optimistisch und lebhaft zu sein, obwohl er es in seinem Lebn nicht leicht gehabt hatte.
Trotzallem hatte Redd immer ein Lächeln auf den Lippen. Dennoch wusste Tom, dass der Fuchs nicht immer ganz ehrlich zu ihm war. Wenn ihm etwas durch den Kopf ging, oder Sorgen bereitete, behielt er es für sich.
Meistens konnte er es hinter seinem Lachen verbergen, obwohl es ihn eigentlich bedrückte. Tom glaubte - nein, er war sich sicher, dass Redd jemand brauchte, der für ihn da war, ihm zuhörte, ihm Zuneigung schenkte. All das, was ihm als Kind gefehlt hatte.
Der Tanuki riss sich aus seiner Grübelei, als Redd um die Ecke geschossen kam, mit einem strahlenden Gesicht. "Ein weiteres Gemälde hat seinen Besitzer gefunden! Wenn das so weiter geht, komm ich mit dem malen nicht mehr hinterher."
Tom kicherte. "Dann musst du dich wohl noch mehr anstrengen." Redd hob stolz das Kinn. "Jawohl, Chef!"
Stunden später - gegen halb acht - beendeten die zwei Ladenbesitzer ihren Arbeitstag und machten Feierabend. Draußen prasselte der Regen gegen das Fenster und der Wind pfeifte durch die Stadt.
"In letzter Zeit spielt das Wetter wie verrückt", bemerkte Redd und beobachtete den tobenden Sturm. "Ich hoffe dieser Regen hat bald ein Ende", murmelte Tom, während er sich seinen Mantel anzog.
Als die beiden aus dem Laden traten, stach ihnen der Regen wie Nadeln ins Gesicht. Dazu kam noch der eiskalte Wind, den Tom frösteln ließ. Er presste die ohren gegen seinen Kopf, kringelte seinen Schwanz fest um seine Beine und kniff die Augen zusammen.
"I-ist das ka-kalt!", stotterte er und grub sich tiefer in seine Jacke. Redd warf sich die Kapuze über den Kopf und schüttelte sich Regentropfen von seiner Schnauze. "Dann beeilen wir uns lieber, bevor wir noch klitschnass werden."
Tom grummelte, bei den Gedanken den ganzen Weg, im Regen, nach Hause zu laufen. Seine Füße schienen am Asphalt festgefroren zu sein, er konnte sich nicht mehr bewegen. Am liebsten hätte er im Laden gewartet, bis das Gewitter vorüber war.
"Worauf wartest du?" Redd, der schon ein paar Schritte gelaufen war, drehte sich nun um, als er merkte, dass Tom ihm nicht folgte. "Will nicht...", murmelte der Tanuki. Er stand immer noch unter dem Dach des Ladens, damit er vom Regend geschützt war.
"Komm schon, Kumpel", sagte Redd aufmunternd. "Wenn wir nach Hause rennen, wird dir bestimmt warm!" Ehe Tom wiedersprechen konnte, packte der Fuchs ihn an der Pfote und rannte los. Seine Augen weiteten sich überrascht, als er mitgezerrt wurde.
Doch er folgte, dem Jüngeren, da er sowieso keine Wahl hatte. "Nicht so schnell!", jammerte der Tanuki, der sich bemühen musste, mit Redd schritt zu halten, da er ansonsten stolpern würde. "Stell dich nicht so an!", sagte der Fuchs belustigt.
"Vielleicht solltest du ein bisschen mehr Sport machen, Nooky!" Tom knurrte beleidigt, doch konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
Dicke Flocken rieselten lautlos vom Himmel herab und bedeckten Bellington unter einer weißen Schicht. Es war Winter. Tom seufzte. Er hasste diese Jahreszeit, da er kalte Tage einfach nicht ausstehen konnte. Man musste in die eisige Kälte hinaus und durch hohen Schnee stapfen, der einem im Fell kleben blieb.
Am liebsten würde Tom sich einfach in eine dicke Decke einrollen und den ganzen Winter über schlafen.
Der Tanuki nahm seinen Kaffee in die Pfote, den er gerade zubereitet hatte, und tappte in das Wohnzimmer.
Redd saß im Schneidersitz auf dem Boden und arbeitete an seinem neuesten Kunstwerk. Tom setzte sich neben ihn und sah ihm interessiert zu, "Was machst du da?", fragte Redd, ohne aufzublicken.
"Den Künstler beobachten", antwortete der Ältere. Der Fuchs schmunzelte. "Hör auf damit. So kann ich mich nicht konzentrieren." Der Tanuki besah sich das Bild genau. Es war eine Winterlandschaft. Ein vereister See befand sich in der Mitte und der Hintergrund war mit Tannen gesäumt.
Redd zog gekonnte Pinselstriche über die Leinwand, sehr darauf bedacht keinen Fehler zu begehen. Er war voll und ganz auf das Gemälde fixiert und ließ sich von nichts ablenken. Das war immer so, wenn er malte.
Dann war der Fuchs unglaublich ruhig und verlor sich in seine eigene Welt. Diese seriöse und stille Art gefiel Tom. Ansonsten war Redd immer aufgedreht und kann manchmal sogar nervig sein, doch diese Seite war eine willkommene Abwechslung.
"Warum lächelst du mich so an?" Tom riss sich aus seinen Gedanken. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Redd ihn verwirrte ansah. "Ich lächle doch gar nicht!", wiedersprach der Tanuki und merkte dabei, wie er leicht errötete.
"Doch hast du", erwiderte der Fuchs und grinste neckisch. "Gefalle ich dir denn so sehr?" Er legte eine Pfote auf seine Wange. "Oh Nooky, du bringst mich in Verlegenheit!" Tom boxte ihm sanft gegen den Arm und lachte.
"Du bist verrückt!"
"Nicht umsonst nenne ich mich Crazy Redd!", sagte der Fuchs und schnitt eine alberne Fratze. "Und nun hör auf mich abzulenken."
Tom schnaubte belustigt. "Ist ja gut, Picasso." Er erhob sich und lief auf den Balkon zu. "Ich geh rauchen", teilte er mit und trat hinaus in die bittere Kälte. Er zog eine Zigarette aus der Packung hervor, steckte sie in den Mund und kramte sein Feuerzeug aus der Hosentasche.
Nach mehreren Anläufen, erglühte die Kippe endlich und er blies eine dicke Rauchwolke in die Luft.
Der Wind war kühl und wehte ihm um die Ohren. Er kniff die Augen zusammen und kuschelte sich tiefer in seinen Kapuzenpulli.
"Brrr...ist das kalt...!"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro