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3. Ein Zimmer für Zwei

»Das ist deine Hälfte des Zimmers«, erklärt Reece und wirft meine Reisetasche, die er bis eben noch getragen hat, aufs Bett neben meinen Koffer. Ich starre ihn mit offenem Mund an, was er sofort bemerkt. Er runzelt die Stirn. »Was ist?«

»Das ist gerade nicht dein Ernst, oder?« Ich stehe da mit aufgerissenen, entsetzten Augen, total fertig von meinem stundenlangen Flug und was bekomme ich? Ein verdammt kleines Zimmer, das ich mir mit einem arroganten Typen teilen darf, der anscheinend schon vor meiner Ankunft entschieden hat, mich zu hassen. Ich wusste zwar schon, dass Reece und ich uns ein Zimmer teilen werden, doch irgendwie habe ich mir mehr Platz und Privatsphäre vorgestellt.

Vielleicht mag ich mich gerade wie die letzte Diva aufführen und vielleicht sollte ich mich glücklich schätzen, dass ich ein Bett bekomme und ein Dach über dem Kopf habe, ich sollte froh sein, hier bleiben zu dürfen und so freundliche Gasteltern zu haben, aber das hier ist nicht das, wovon ich all die Jahre geträumt habe.

Klar, Reece ist offensichtlich auch nicht gerade scharf darauf, mich als neue Mitbewohnerin gutheißen zu dürfen, aber das ist mir egal. Er ist mir egal. Mir ist alles egal, was mit diesem Idioten zusammenhängt. Und verdammt ja, ich habe ihn schon als Idioten abgestempelt. Genauso wie er mich wahrscheinlich schon bei unserer ersten Begegnung als nervige Zicke abgestempelt hat. Eigentlich ziehe ich keine voreiligen Schlüsse, aber dieser Junge hat nichts anderes verdient. Seitdem ich angekommen bin, ist er ununterbrochen unfreundlich zu mir. Vielleicht sollte man ihn mal darüber aufklären, was Gastfreundschaft bedeutet, da er scheinbar noch nie etwas von diesem Wort gehört hat. Immerhin habe ich versucht nett zu sein, habe auf der Fahrt hierhin ein Gespräch aufbauen wollen, doch er hat mich mit nur einer Handbewegung zum Schweigen gebracht und seine Kopfhörer aufgesetzt. Und irgendwann treffe selbst ich auf meine Grenzen.

Laut schnaubend, wende ich mich von ihm ab, ohne eine Antwort abzuwarten. Sind wir mal ehrlich, so gesprächig wie Reece mir gegenüber ist, kann ich wohl warten bis ich alt und grau bin.

Ich werfe meine Handtasche direkt neben meine Reisetasche auf das Bett und schaue mich in dem kleinen Zimmer um, in dem ich nun das gesamte nächste Jahr verbringen werde. Es ist nicht nur klein, sondern mindestens genauso langweilig eingerichtet. Von den weißen Wänden, bis hin zu den schlichten und tristen Möbeln. Doch die wenigen Möbel können nichts retten, denn das Zimmer wirkt trostlos. Es sind keine Bilder, keine Poster und auch sonst keine persönlichen Gegenstände zu sehen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, es sei unbewohnt. Im Gegensatz zu diesem Zimmer sieht selbst ein Hotelzimmer persönlicher aus. Nichts, wirklich nichts, deutet darauf hin, dass es bewohnt ist. Dieses Zimmer könnte genauso gut das Ausstellungszimmer eines Möbelhauses sein.

Gähnend lasse ich den Blick über meinen Koffer wandern und schließlich über mein Bett. Wo soll ich mich denn ab jetzt umziehen?

Diese Frage ist mehr als berechtigt. Es ist schon spät und ich würde mich am liebsten direkt aufs Bett fallen lassen und schlafen. Ich schlucke. Mein Bett ist gerade mal einen

Meter von seinem entfernt. Sie liegen jeweils an der gegenüberliegenden Wand, dazwischen ist etwa ein Meter. Ich müsste nur hüpfen, um von meinem Bett auf seines zu kommen.

Mein Blick fällt wieder auf Reece, der sich inzwischen auf seine Seite des Zimmers zurückgezogen hat. Meine Kinnlade klatscht beinahe auf dem Boden auf, als mir bewusst wird, was er da macht. Er zieht sich sein T-Shirt über den Kopf, als wäre nichts dabei. Als sei er alleine in seinem Zimmer, was er offensichtlich nicht ist. Und ganz plötzlich steht er halbnackt vor mir.

Ich schaue auf seine leicht gebräunte Haut. Nicht, weil ich es will oder sie mir besonders gefällt - es liegt einzig und alleine an der Tatsache, dass er sich mir so präsentiert, obwohl wir uns noch nicht einmal kennen.

Als er meinen Blick schließlich bemerkt, heben sich seine Mundwinkel zu einem breiten, frechen Grinsen. »Starrst du Typen immer so an?«

Ich beiße mir auf die Zunge, schließe schnell den Mund, um mir einen bissigen Kommentar zu verkneifen. Immerhin bin ich hier nur ein Gast und muss mich dementsprechend vorbildlich verhalten. Ich möchte keinen Streit anzetteln, denn im Gegensatz zu diesem Teufelsjungen, sind die anderen Familienmitglieder nett und zuvorkommend. Reece versucht mich offensichtlich, nur zu provozieren, doch diese Genugtuung werde ich ihm nicht geben. Und obwohl ich mir von außen nichts anmerken lasse, koche ich innerlich. Ich funkele ihn zornig an. »Was hältst du davon, dass nächstes Mal einfach nicht halbnackt im Zimmer herumläufst?«

»Ach komm, tu nicht, so als würde dir der Anblick nicht gefallen«, er dreht sich wieder um, sodass ich nur noch einen Blick auf seinen Rücken und die breiten Schultern habe.

Falls er vorhat jeden verdammten Tag oberkörperfrei herumzulaufen, drehe ich durch. »Mich interessiert dein Körper nicht. Ich habe einen Freund zu Hause«, sage ich, nur um überhaupt irgendetwas gekontert zu haben. Er soll bloß nicht glauben, dass sein arrogantes Obermacho-Getue bei mir zieht.

Ich warte seine Antwort ab, denn mir ist klar, dass er mich nicht einfach so davonkommen lässt. Doch als er sich schließlich auf sein Bett fallen lässt, fallen mir beinahe die Augen aus dem Kopf, denn er knöpft einfach so seine Hose auf, als würde ich überhaupt nicht existieren. Ich fasse es nicht.

Entsetzt reiße ich die Augen auf, doch gleichzeitig versuche ich wegzuschauen und meinen Blick abzuwenden. Ich habe das Gefühl Max zu betrügen, während ich diesen fremden Jungen dabei beobachte, wie er sich vor mir umzieht, als sei nichts dabei. Hastig wende ich den Blick ab, richte ihn stattdessen an die kahle Wand. Verzeih mir Max.

Ich höre Reece einige Sekunden später hinter mir amüsiert auflachen. »Ich bin fertig.«

»Du lügst doch«, murmele ich. Ich warte zuerst einige Sekunden, doch als Reece nicht antwortet, halte ich es nicht mehr aus und drehe mich schließlich doch wieder um. Nur um ihn in Boxershorts und immer noch oben ohne auf seinem Bett liegen zu sehen.

Super, denke ich, hoffentlich hat er nicht vor, jede Nacht so zu schlafen. So kann sich doch niemand aufs Schlafen konzentrieren.

»Du brauchst keine Angst zu haben, Küken. Ich habe nicht vor mich an dir zu vergreifen. Ich stehe mehr so auf...«, er zieht mit seinen Händen kurvige Bewegungen in der Luft nach,»richtige Frauen.«

Autsch. Das hat vielleicht gesessen. Nicht, dass mir seine Meinung wichtig wäre – es ist einfach nur so, dass ich weiß, dass er Recht hat. Leider war und bin ich noch nie zufrieden gewesen mit meinem Körper. Ich bin dünn - schön und gut - aber sind wir mal ganz ehrlich, was ist schon schön daran, dünn zu sein und einen Körper wie ein Kleinkind zu haben? Ich bin nicht stolz auf mein Aussehen. Manchmal wünschte ich mir wirklich, mehr auf die Waage zu bringen. Ich hätte gerne Kurven, weibliche Rundungen an den richtigen Stellen. Doch sind wir nicht alle unzufrieden? Jeder hat etwas, dass ihm nicht gefällt. Manche sind unzufrieden, weil ihre Nase zu groß ist, weil ihre Lippen zu schmal oder ihre Augen zu klein sind. Manche halten sich für zu dick, manche für zu dünn. Es gibt wahrscheinlich immer etwas, dass wir Menschen finden, um uns selbst schlecht zu machen, aber manchmal sollten wir einfach glücklich mit dem sein, was wir haben und uns so hinnehmen und vor allen Dingen akzeptieren, wie Gott uns geschaffen hat.

Ich rolle genervt mit den Augen, in dem Versuch mir vor Reece nicht anmerken zu lassen, wie sehr seine Worte mich getroffen haben, doch innerlich koche ich immer noch. Irgendetwas in mir möchte ihn unbedingt verletzen, möchte ihm etwas an den Kopf werfen, sowie er es gerade eben getan hat, aber mir fällt nichts ein.

»Du bist so ein... verdammter Idiot. Und nenn mich nicht Küken«, ist das einzige, dass ich in diesem Moment zustande bringe. Kennt ihr diese Momente, in denen ihr so wütend seid, in denen euch so viele Wörter und Sätze im Kopf herumschwirren, die ihr eurem Gegenüber an den Kopf werfen wollt, ihr es aber nicht schafft sie laut auszusprechen, weil euch die Kraft oder sogar die Sprache fehlt? Genauso fühle ich mich in diesem Moment.

Ein freches Grinsen spielt um seine Lippen. Ein Grinsen, das ich jetzt schon anfange zu verabscheuen. »Sorry, wird nicht mehr passieren, Küken.« Er spricht das letzte Wort provozierend langsam und ruhig aus, als würde er jede einzelne Silbe, jeden verdammten Buchstaben genießen. Kü-Pause-ken.

Der Junge macht mich noch fertig, denke ich. Dabei ist das gerade mal meine erste Nacht hier.

Laut seufzend lasse ich mich auf mein Bett fallen, dabei versuche ich, meine aufschäumende Wut hinunter zu schlucken und mich nicht auf sein Niveau herabzulassen. Küken, pff.

»Was soll dieser bescheuerte Spitzname überhaupt?«, frage ich genervt. Ich mustere ihn von meiner Position aus. Er zuckt mit den Schultern, als wäre nichts dabei. »Du wirkst so klein und unschuldig, wie ein Küken.«

Atme tief ein und aus und lass dich unter keinen Umständen provozieren!, schreie ich mir innerlich zu. Ich tue, wie mir selbst befohlen und ignoriere sein überhebliches Grinsen, das ich ihm am liebsten aus dem Gesicht schlagen würde, doch dazu bin ich viel zu müde und schwach.

»Könntest du dich wenigstens umdrehen oder dir die Augen zuhalten, während ich mich umziehe?«, frage ich mit einem genervten Unterton. Der einzig andere Ort, an dem ich mich umziehen könnte, wäre das Badezimmer, aber ich höre gerade die Dusche laufen, deshalb fällt diese Idee wohl wortwörtlich ins Wasser. Haha.

Ich könnte natürlich warten, doch das würde mir alles zu lange dauern, denn ich habe höllische Kopfschmerzen und möchte einfach nur noch in dieses frisch bezogene, einladende Bett, das schon seit meiner Ankunft nach mir ruft. Emma! Emma! Komm zu mir!

Reeces Lippen heben sich zu einem spöttischen Grinsen, als er, mit vor Ironie triefender Stimme, sagt: »Alles was du möchtest, Küken.«

Er legt sich den Unterarm über die Augen. Ich bleibe wie angewurzelt sitzen.

Da ich dem ganzen nicht so wirklich traue, was bei einem Kerl wie Reece mein gutes Recht ist, tapse ich leise auf meinen Zehenspitzen rüber zu seinem Bett. Bei ihm angekommen, schlage mit der Faust vor seinen Augen herum. Falls er zusammenzucken sollte, weiß ich, dass er mich bloß anlügt, überraschenderweise aber, bewegt er sich keinen Zentimeter.

»Wie sieht's aus, Küken, fertig?«, fragt er so plötzlich, dass ich mich erschrecke. Hastig renne ich wieder zu meiner Seite des Zimmers und suche in meinem Koffer nach meinem Pyjama, während ich antworte: »N-noch nicht.«

Ich krame schnell meine Shorts und mein T-Shirt - oder besser gesagt Max' Bandshirt, das ich von ihm bekommen habe, bevor ich abgereist bin - heraus. Es ist komplett schwarz, abgesehen von dem Linkin Park Logo in der Mitte, aber mir ist sowieso egal wie es aussieht und auch, dass mir das T-Shirt zwei, drei Nummern zu groß ist, einzig und allein Max' Geruch, der in diesem Stoff lebt und mich an seine liebevollen Berührungen erinnert, ist es es wert, getragen zu werden.

Ich werfe einen letzten Blick auf Reece, der immer noch mit den verdeckten Augen auf seinem Bett liegt und knipse, nur um auf Nummer Sicher zu gehen, das Licht noch aus. Es ist nicht so dunkel, wie ich erwartet - oder gehofft - habe, doch ich halte mich an Reeces Worten fest. Er muss halten, was er gesagt hat, egal wie gemein er ist.

Ich ziehe mein T-Shirt aus und Max' Bandshirt über, dasselbe Prozedere wiederhole ich mit meiner Jeans und den kurzen Schlafshorts, die ich eingepackt habe.

Nachdem ich nun auch erfolgreich meine Shorts angezogen habe, schaue ich mit einem Lächeln wieder zu Reece, um sicherzugehen, dass er nicht doch noch seine Meinung geändert hat. Völlig unerwartet begegnet mir sein Blick aus grünen Augen. Mein Herzschlag setzt für eine Sekunde aus, vielleicht auch für zwei oder drei, ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts, bis auf die Tatsache, dass Reece mich dabei beobachtet hat, wie ich mich umgezogen habe.

Entsetzt springe ich zurück, was natürlich nichts an der ganzen Sache ändert, doch ich habe das Gefühl, zu explodieren, wenn ich weiterhin dumm dastehe. Unmengen an Blut fließt in meinen Kopf, sodass ich das Gefühl nicht loswerde, dass mein Gesicht sich ganze zehn Grad heißer anfühlt, während Reece und ich uns unentwegt anstarren. Er wirkt, im Gegensatz zu mir, sichtlich amüsiert. Jedenfalls lässt das Lächeln in seinem Gesicht darauf deuten, dass ihm die ganze Sache Spaß zu machen scheint.

»Du hast gelogen, du Spanner«, zische ich nur so laut, dass Mr. und Mrs. Baldon uns hoffentlich nicht hören können. Ich bin eigentlich nicht der Typ, der andere Menschen beleidigt oder sich schnell provozieren lässt, dementsprechend erkenne ich mich selbst kaum wieder, aber ich kann meinen Zorn einfach nicht hinunterschlucken und egal wie oft ich es auch tue, Reece treibt andauernd einen neuen Grund auf, mich zur Weißglut zu bringen. Rasend vor Wut und aus schierer Verzweiflung greife ich nach einem Kissen, das auf meinem Bett liegt, um es nach ihm zu werfen. Er fängt es mit einer Hand auf, als hätte er damit gerechnet, dass ich das tun würde und lacht dabei. Inzwischen macht mich sein Lachen aggressiv.

»Egal wie unsexy du bist, Küken, du bist immer noch ein Mädchen und ich ein Junge.«

Will er sein Verhalten damit rechtfertigen? Dieser Junge ist nicht nur fies und vorlaut, sondern auch noch pervers. Meine Verzweiflung treibt mir beinahe Tränen in die Augen. Tränen, die ich zurückzuhalten versuche. Von so einem Jungen werde ich mich ganz bestimmt nicht unterkriegen lassen.

Ich stampfe die zwei Schritte zu seinem Bett herüber, dabei funkele ich ihn zornig an, bevor ich mir mein Kissen wieder zurücknehme. Als ich gerade wieder zu meiner Seite zurückgehen möchte, entscheide ich mich ihn wenigstens noch ein letztes Mal zu schlagen, einfach nur um meiner Wut Luft zu machen und mich besser zu fühlen. So ganz ungestraft kann er schließlich auch nicht davonkommen. Ich hole mit dem Kissen aus und schlage dann auf ihn ein, doch er lacht nur weiter. Er lacht nicht etwa nur, nein, er lacht mich aus, was mich nur noch umso rasender macht. Ohne ihm weiterhin Beachtung zu schenken, schnappe ich mir mein Kissen wieder, stecke es mir unter meinen Arm und gehe zurück auf meine Seite des Zimmers. Mein Körper schreit nach Ruhe und Schlaf.

Jetzt und hier ist mir alles andere egal, ich möchte einfach nur die Augen schließen können und schlafen.

Ich verdränge jegliche Gedanken und Geräusche, auch wenn es mir schwer fällt Reeces Lachen auszublenden, aber irgendwann schlafe ich doch noch ein.

~*~

Als ich mich am nächsten Morgen schlaftrunken im Bett umdrehe, fühle ich mich mit einem Mal beobachtet. Es ist das bloße Gefühl, als würde etwas Schweres auf mir liegen. Ich versuche es zu ignorieren und wieder einzuschlafen, doch irgendwann schaffe ich es nicht mehr, dieses Gefühl zu verdrängen. Meine Nackenhaare stellen sich auf.

Ich stöhne leise, während ich ganz langsam die Augen öffne, als würde ich befürchten, ein Monster könnte sich unter meinem Bett verstecken, dabei bin ich schon lange aus dem Alter raus, in dem man noch geglaubt hat, dass sich das große, grüne Schleimmonster im Wandschrank oder unter dem Bett verstecken würde. Doch so abwegig scheint meine Vermutung mit dem Monster nicht zu sein, denn als ich die Augen öffne, schaue ich in zwei strahlend grüne Augen. Statt unter meinem Bett zu liegen, liegt es neben mir auf dem Bett. Erschrocken reiße ich die Augen auf. Ein lauter Schrei entschlüpft mir. Ich stoße mich so heftig vom Bett ab, dass ich den Halt verliere. Für eine Nanosekunde rudere ich mit den Armen in der Luft herum, um mich an etwas Standhaftem festzuhalten, doch leider geht mein Plan nicht ganz auf, denn ich greife nur in die Luft und falle im nächsten Moment vom Bett. Ich lande ziemlich unsanft auf dem harten Dielenboden.

Während ich auf dem Boden liegend schmerzerfüllt vor mich hin stöhne, höre ich ein helles, lautes Lachen über mir. Ich versuche das idiotische Lachen zu ignorieren und mich um meinen dröhnenden Kopf zu kümmern, der sich anfühlt, als würden sich Hände um ihn legen und versuchen zu zerdrücken.

Nachdem das Lachen jedoch nicht abnimmt, schaue ich mich langsam im Zimmer um und in der nächsten Sekunde fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Die kahlen Wände und das leere Bett neben meinem. Erst jetzt realisiere ich wieder, dass ich gar nicht mehr zu Hause in Deutschland, sondern bei meiner Gastfamilie in Amerika bin.

Ich wende den Blick wieder meinem Bett zu, um zu sehen wer das Monster auf meinem Bett ist, dabei können diese grünen Augen nur einem ganz bestimmten Jungen gehören.

Reeces brauner Haarschopf taucht über der Bettkante auf, während ich immer noch leise vor mich hin stöhnend neben meinem neuen Bett, auf dem Boden liege und leide. Er schaut mich von oben herab an. Ein freches Grinsen umspielt seine Lippen, wodurch ich einen Blick auf seine Grübchen erhaschen kann. Grübchen, die mir gestern Abend nicht aufgefallen sind. Genauso wie das Lippenpiercing, das in der rechten Ecke seiner Unterlippe hängt. Ich starre ihn ungläubig an. Wie konnten mir diese Dinge gestern Abend nicht auffallen? Kann ich wirklich so müde und erschöpft gewesen sein, dass ich weder seine Grübchen, noch sein Lippenpiercing bemerkt habe? Vielleicht hat mir der lange Flug doch mehr zu schaffen gemacht, als ich gedacht hätte. Der gestrige Tag ist nun wirklich keiner gewesen, den ich rot markiert und mit ganz vielen Herzchen in meinem Kalender verewigen werde. Der Flug und die Verwechslung am Flughafen sind zu viel für mich gewesen.

»Guten Morgen, Küken.« Reece hat immer noch dieses selbstgefällige Grinsen auf den Lippen. Ein Grinsen, das ich ihm am liebsten aus dem Gesicht schlagen würde.

Ich schließe die Augen und zeige ihm den Mittelfinger, weil mir die Kraft fehlt, mich verbal gegen ihn zu behaupten und ich mir meine Energie aufsparen muss, denn so wie es momentan aussieht, ist nicht viel davon übrig.

Reece lacht sich halbtot auf meinem Bett. Im Gegensatz zu mir, scheint er definitiv Spaß zu haben. Genießt er es etwa mich leiden zu sehen? Ist er ein Sadist? Oder Satanist?

»Hast du gestern Abend beschlossen, mir das Leben zur Hölle zu machen?«, frage ich in einem beißenden Ton und öffne langsam wieder die Augen, als der ziehende Schmerz in meinem Kopf langsam verebbt.

Er liegt immer noch in derselben Stellung auf meinem Bett und schaut mit einem frechen Grinsen zu mir herunter, während er langsam nickt. »Ja, so in etwa.«

»Weißt du was ich festgestellt habe?«, frage ich. Er legt den Kopf schief, schaut mir dabei genauso intensiv in die Augen, wie ich ihm. Das Grün seiner Augen wirkt noch intensiver als zuvor, als er antwortet: »Dass du unsterblich und ausnahmslos in mich verknallt bist, weil ich so ein verdammt heißer Kerl bin?«

Für eine Sekunde habe ich damit gerechnet, dass er das hier ernst nimmt. Und wer weiß, vielleicht glaubt er tatsächlich daran, dass ich es tue. Unsterblich und ausnahmslos in ihn verknallt zu sein, meine ich.

»Nein, das scheine ich wohl übersehen zu haben«, antworte ich augenrollend. »Ich mag dich nicht und du scheinst mich auch nicht zu mögen, aber ich werde das Jahr überstehen. Und du wirst es mir auf keinen Fall versauen. Denn das hier ist mein Traum.«

Reece hebt abwehrend die Hände und sieht mich gespielt beleidigt an, als hätte er mich nicht an meinem ersten Morgen hier zu Tode erschreckt. »Ich habe doch nur versucht, nett zu sein.«

Dann will ich ihn lieber nicht dabei erwischen, wenn er mal versucht, nicht nett zu sein.

Ich ignoriere seinen Kommentar und stehe auf, denn langsam aber sicher bekomme ich echt Hunger. Bevor ich die Tür öffne, um nach unten zu gehen, werfe ich ihm einen letzten tödlichen zu. »Wehe, du versuchst mich jeden Morgen so zu erschrecken. Auf so einen Wecker wie dich kann ich liebend gerne verzichten.«

Er erwidert nichts darauf, doch sein schiefes Grinsen spricht mehr als tausend Worte. Ich koche innerlich.

Hinter mir knalle ich lautstark die Tür zu und gehe dann mit hastigen Schritten nach unten.

Als ich die Küche, aus der es schon himmlisch duftet, betrete, schaut Jack von seiner Zeitung auf. Er lächelt mich herzlich an. Seine Stimme klingt müde und gleichzeitig so aufgeweckt, als er ruft: »Guten Morgen!«

Jack ist ein großgewachsener, schlaksiger Mann. Ich schätze ihn auf Ende dreißig, vielleicht auch Anfang vierzig. Doch abgesehen von den wenigen grauen Haaren und seinen Augen, hat er sich gut gehalten. Seine blauen Augen wirken wissend und müde, als hätten sie schon zu viel gesehen.

Ich lächle, noch halb schlaftrunken und reibe mir über die müden Lider, damit sie nicht zufallen. »Morgen.«

Jetzt erst bemerke ich Maria, die am Herd steht und die kleine Madison, die neben Jack am Esstisch sitzt. Die beiden Frauen rufen mir ebenfalls ein Guten Morgen zu. Ich lächle und antworte.

Das ist das, was ich mir immer unter einer typischen amerikanischen Familie vorgestellt habe. Der Mann in Hemd und Hose am Esstisch sitzend, die Zeitung in der Hand, während die Frau lächelnd, in Schürze Pancakes macht.

Ich weiß nicht, ob das typisch amerikanisch ist, aber es ist das, was uns diese ganzen Filme aus den Staaten vermitteln.

»Hast du gut geschlafen, Emma?«, fragt Maria mich, während sie den Teig in die Pfanne gießt. Ich gähne und lasse mich auf einen Stuhl fallen. Bis auf die Tatsache, dass ich von Reece geärgert wurde? »Ja, sehr gut, danke.«

Maria dreht sich zu mir um und schenkt mir ein flüchtiges Lächeln, während sie sich die Hände an ihrer Schürze abwischt. »Ich weiß, Reece kann manchmal schwer sein, aber wenn du ihn besser kennenlernst, wirst du merken, dass er eigentlich ganz anders ist.«

Ich mag Maria wirklich gerne, trotzdem muss ich innerlich lachen. Natürlich muss sie so etwas sagen, immerhin ist sie seine Mutter. Sie liebt ihn und steht immer hinter ihm, selbst wenn er anfangen würde Frauen zu entführen, um sie an Kamelzüchter zu verkaufen. Dafür sind Mütter schließlich da.

Maria seufzt und ein dunkler Schatten weht über ihre Züge. »Emma, weißt du, er hat eine schwere-«

»Ist gut Mom, ich glaube das interessiert Em herzlich wenig.«

Ich zucke erschrocken zusammen, als ich Reeces Stimme plötzlich hinter mir wahrnehme. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Maria im Begriff war, mir etwas anscheinend sehr Privates zu erzählen oder ob es an Reeces bissigem Ton liegt, der mir immer noch durch Mark und Bein geht.

Mein Blick fällt auf Maria, die Reece mit ihren großen, braunen Augen anstarrt.

Langsam drehe ich mich in die Richtung, in die auch Maria ihren Blick gerichtet hat. Ich sehe natürlich keinen anderen als Reece am Türrahmen lehnen, der mich überhaupt nicht beachtet. Er hat den Blick auf seine Mutter gerichtet. Meine Augen dagegen können sich nicht von Reece losreißen.

Irgendwann höre ich Maria, die ich schon fast vergessen habe, seufzen. »Es tut mir leid, Reece. Ich dachte, sie dürfte-«

»Nein darf sie nicht«, sagt er bestimmt, aber dennoch schwingt etwas sanftes und liebevolles in seiner Stimme mit.

Langsam wendet er den Blick von ihr ab und setzt sich auf den Stuhl zwischen Madison und mir, als sei nie etwas gewesen. Mich beachtet er nicht weiter, dreht sich zu seiner Schwester und küsst sie auf die Wange. Madison kichert. »Guten Morgen, Prinzessin«, flüstert Reece liebevoll in ihr Ohr.

Wow. Ich werfe einen unauffälligen Blick auf Reece und bin mehr als überrascht. Gleich zwei Seiten durfte ich an ihm kennenlernen - und das in nicht mal fünf Minute.

»Hör auf Reece!« Madison kichert wieder. »Mama, Reece spielt mit seinem Essen!«

Mit den zwei Pancakes in seinen Händen bringt Reece durch Faxen und einer verstellten Stimme seine kleine Schwester zum Lachen. Selbst Maria und Jack lächeln stumm vor sich hin. Und ich? Ich kann nicht anders als breit zu grinsen. Zugegeben, wie er mit seiner Schwester umgeht, ist rührend mit anzusehen.

Doch ich kann nicht leugnen, dass ich nur zu gerne wüsste wovon Maria geredet hat. Was wollte sie über Reece erzählen? Und warum ist er so wütend gewesen? Diese Fragen lassen mich einfach nicht mehr los. Ich male mir die schlimmsten Dinge aus. Ist er vielleicht vorbestraft? Hat er jemanden verletzt, ausgeraubt oder vielleicht sogar umgebracht? War er vielleicht schon einmal im Jugendknast? Hat er mit Drogen gedealt und wurde dabei erwischt? Tausende absurde Ideen fallen mir ein, aber ich finde keine Antwort.

»Erde an Em«, sagt jemand und wedelt mit der Hand vor meinen Augen herum. Ich schrecke auf, als hätte man mich bei einer Straftat erwischt. Verwirrt schaue in zwei smaragdgrüne Augen und blinzle. »Was ist los?«

Er zeigt auf etwas vor mir. Ich schaue auf den Tisch und sehe einen Teller mit frischen Pancakes vor mir stehen. Verwundert schaue ich wieder zu Reece, der mit den Zähnen an seinem Lippenpiercing herumspielt, was ich auf eine mir unergründliche Art und Weise... attraktiv finde.

Ich schüttele angewidert von mir selbst den Kopf. Hör auf Emma, dir würde es auch nicht gefallen, wenn Max von einem anderen Mädchen als dir so denken würde.

Langsam wandern meine Gedanken von Reeces Lippenpiercing wieder zu der Familie Baldon und meinem ersten gemeinsamen Frühstück mit ihnen. Es fühlt sich ein wenig eigenartig an mit fremden Menschen, die ich nicht einmal einen Tag lang kenne, am Tisch zu sitzen, gemeinsam zu essen und zu reden, als würde man sich Jahre lang kennen. Aber gleichzeitig habe ich das Gefühl, alle vier schon Jahre lang zu kennen. Es ist ein wunderschönes Gefühl.

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