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2. Missverständnis

Es fühlt sich unbeschreiblich an, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, nachdem man stundenlang im Flugzeug gesessen hat. Meine Erleichterung ist beinahe greifbar, als ich mit meinem Koffer, den ich hinter mir herziehe, an den vielen, fremden Menschen vorbeilaufe, die sich in den verschiedensten Sprachen miteinander unterhalten. Fasziniert schaue ich mich um und nehme hier und da einzelne Wortfetzen aus Gesprächen auf.

Ich folge den Schildern, die mir hoffentlich den richtigen Weg weisen und stehe Sekunden später auf einer Rolltreppe. Mit offenstehendem Mund betrachte ich die Umgebung und Menschen, als wäre ich gerade erst auf die Welt gekommen, als würde ich zum ersten Mal die frische Luft einatmen und das Leben spüren und genauso fühle ich mich in diesem Moment – ich fühle mich wie neu geboren. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ein Gefühl der Schwerelosigkeit, ein Gefühl der Freude und ein Gefühl, das mich an Wunder glauben lässt, daran, dass ich endlich mit meinem stinknormalen und langweiligen Leben abschließen und etwas Neues beginnen kann. Dass ich etwas sehe und erlebe, etwas, wovon ich meinen Kindern und Enkelkindern später noch erzählen kann. Spannende Geschichten, bei denen ihre Augen an meinen Lippen kleben und neugierig auf das warten, was ich noch zu erzählen habe.

In der großen Halle umherschauend, erinnere ich mich zurück an meine Reise hierhin. Als ich Stunden zuvor das Flugzeug bestiegen habe, bin ich eingeschlafen und habe - mit ein paar Ausnahmen – beinahe den gesamten Flug durchgeschlafen. Wie ein Stein habe ich geschlafen und das, obwohl ich unglaublich aufgeregt gewesen bin. Natürlich bin ich ab und zu wach geworden, habe etwas gegessen oder sogar gelesen, doch das war nie von langer Dauer, denn meine Augenlider sind immer wieder zugefallen, sodass ich jedes Mal wieder ins Land der Träume abgedriftet bin. Dennoch empfand ich den Flug als angenehm; die Sitze waren schön weich und es gab keine Komplikationen, doch nach meinem Neun-Stunden-Flug bin ich nur noch fix und fertig.

Am liebsten würde ich stehenbleiben, inmitten dieser Menschenmenge. Ich würde ihnen gerne zuhören, jedem einzelnen, würde gerne ihren Gesprächen lauschen und selbst wenn ich ihre Worte nicht verstehen würde, würde ich dennoch an ihren Lippen hängen. Ich würde gerne die vielfältigen Geräusche aufnehmen, die Kulisse genießen und mich einfach gehenlassen, doch gleichzeitig schreit mein Körper nach einem warmen, weichen Bett, das mich in all seiner Güte aufnehmen wird.

Mein Blick gleitet zu den hohen Fenstern. Der Himmel hat sich leicht dunkel gefärbt, was mir verrät, dass es bereits abends sein muss, als ich schließlich mein Ziel erreicht habe und in Arizona ankomme.

Während ich auf der Rolltreppe stehe, lasse ich meine neugierigen Augen, die jedes noch so kleinste Detail aufnehmen wollen, über die riesigen Flure schweifen. Auf den ersten Blick sieht der Flughafen von Tucson groß und aufgeräumt aus. Die Böden sind so frisch gewischt, dass ich mich beinahe in ihnen spiegeln könnte. Der Zitrusduft des Reinigungsmittels steigt mir in die Nase, umschmeichelt sie mit seinem frischen Aroma. Einem Aroma, das mich an schöne Sommertage erinnert. An grüne Wiesen und gereifte Früchte. An die Sonne, die sich wie eine warme Decke um meinen Körper legt. Alleine dieser wohltuende Duft bringt ungeahnte Gefühle in mir auf. Ich spüre das aufgeregte Auf- und Abhüpfen meines Herzens in der Brust, das zunehmende Klopfen steigt mir bis in die Ohren. Es hört sich an wie ein lauter Bass.

Obwohl meine Augenlider immer schlaffer werden, schaffe ich es nicht, sie für eine Sekunde zu schließen. Alleine das Blinzeln lässt mich im Glauben in dieser Nanosekunde etwas von dem, was ich erleben könnte, zu verpassen. Etwas von den vielen Farben, Menschen und Eindrücken, die ich versuche einzusammeln, zu übersehen. Ich bin müde und erschöpft, befehle meinen Augen dennoch, wachsam zu bleiben und lasse meinen Blick weiter über die untenstehende Masse gleiten.

Als ich schließlich die vielen wartenden Menschen betrachte, macht sich ein weiteres Gefühl in mir breit. Ein Gefühl, das die anderen beiden Empfindungen zurückdrängt. Neben der Müdigkeit und der Neugierde, keimt Unsicherheit in mir auf. Ich fange an, mich nervös in die Luft zu strecken; hebe den Kopf, schaue umher, halte Ausschau nach möglichen Kandidaten, die meine Gastfamilie sein könnten. Gleichzeitig ziehe ich den Kopf wieder ein, fast als wolle ich mich schützen, als würde ich mich wie ein Gefahr witternder Igel zu einer Kugel zusammenrollen, um mich vor Feinden zu schützen.

Erst jetzt, auf der Rolltreppe stehend, wird mir so richtig bewusst, dass ich hier bin. Dass ich mich nicht mehr auf deutschem, nicht einmal europäischem Boden befinde. Du bist in einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent und das ganz alleine. Diese Tatsache scheint mein Gehirn, noch nicht verarbeitet zu haben. Wie ein Mantra, wiederhole ich diese Worte immer und immer wieder in meinem Kopf.

Mir scheint, als produziere mein Körper in diesem Moment Unmengen an Schweiß und als klopfe mein Herz schneller, als es sollte, während ich meinen Blick über die Halle schweifen lasse. Auf der Unterlippe knabbernd, wippe ich mit dem Fuß vor und zurück. Wo ist meine Gastfamilie nur? Die Ruhe und Gelassenheit ist aus meinem Körper gewichen, stattdessen hat sich pure Verzweiflung in mir breitgemacht. Was ist, wenn meine Gasteltern mich nicht ausstehen können? Was ist, wenn sie Kinder haben, mit denen ich mich von Anfang nicht verstehen werde? So viele Was-ist-wenns plagen mich mit einem Mal. Fragen, an die ich zuvor nie auch nur einen Gedanken verschwendet habe.

In diesem Moment, während mir all diese Sorgen drohen, die Ankunft mies zu machen, fängt etwas anderes meine volle Aufmerksamkeit ein. Eine Familie mit deutschen Flaggen steht unten. Ich kneife die Augen leicht zusammen, um aus der Entfernung, in der ich mich befinde, ihr Schild besser lesen zu können, dabei versuche ich, die mit schwarzem Edding geschriebenen Buchstaben zu entziffern. Welcome to the USA - mehr nicht; kein Name, nichts. Und obwohl ich davon ausgehe, dass es sich hierbei um meine Gastfamilie handelt, bin ich dennoch unsicher. Die deutsche Flagge kann doch kein Zufall sein, oder etwa doch? Was ist, wenn diese Menschen auf eine ganz andere Person warten?

Ich runzele die Stirn, als ich schließlich unten an der Rolltreppe ankomme, greife nach meinem Koffer und steuere auf die freundlich aussehende Familie mit den Deutschland-Flaggen zu. Nicht, dass ich mir inzwischen sicher wäre, aber wie sagt man so schön? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Auf die Familie zusteuernd, ziehe ich meinen Koffer eher mühsam hinter mir her. Die Frau, die zu der Familie zu gehören scheint, schwenkt die Flagge ganz euphorisch hin und her, als würde ihr Leben daran hängen, dabei schaut sie sich suchend um. Ich betrachte sie aus sicherer Entfernung. Ihre Haare sind dunkelbraun, die Haut leicht olivfarben. Ich würde mein gesamtes erspartes Geld darauf verwetten, dass diese exotische Schönheit eine Lateinamerikanerin ist. Fast schon ehrfürchtig beobachte ich sie dabei, wie sie mit vor Anstrengung geröteten Wangen weiterhin die Flagge schwenkt.

Sie ist recht klein, aber ich habe das Gefühl, sie besitzt ein großes Herz. Ich kenne sie zwar nicht, doch irgendetwas sagt mir, dass ich recht habe. Es ist nicht ihr äußeres Erscheinungsbild, das mich zu solch einer Vermutung kommen lässt, sondern die Art wie sie diese Flagge hin und her schwenkt und dabei lacht. Sie tut es mit so viel Liebe und Willenskraft, strahlt dabei über das ganze Gesicht, obwohl sie gleichzeitig so erschöpft wirkt. Ein Strahlen, das wahrscheinlich einen ganzen Raum erhellen könnte.

Neben ihr steht ein Mann, der das schon erwähnte Schild hochhält. Auf den ersten Blick sieht er für mich aus wie ein typischer Amerikaner. Ein Gegenstück zu der Frau neben ihm. Er trägt ein schickes, aber schlichtes Hemd mit Krawatte und einer Hose. Die blonden Haare stehen ihm wirr vom Kopf ab und selbst aus dieser leichten Entfernung kann ich erkennen, dass seine blauen Augen glanzlos erscheinen. Sie wirken müde und erblasst durch die vielen Jahre, die sie nun schon zählen. Und dennoch sieht er sehr glücklich und stolz aus. Es ist schön, sie aus meiner Position aus zu beobachten, wie sie gegensätzlich wie Tag und Nacht sind und nichtsdestotrotz so liebevoll miteinander zu harmonieren scheinen. Der Blick, den der Mann der Frau heimlich zuwirft, während ihre Augen ganz woanders liegen, ist geladen mit Liebe und Leidenschaft. Die Ladung ist so stark, dass selbst ich die Zuneigung spüren kann. Ein Blick, mit dem jede Frau gerne angesehen werden möchte.

Er hat den rechten Arm um sie gelegt, während beide ihre Flaggen und Schilder in die Luft werfen, als würden sie gleich ihre totgeglaubte Tochter in den Armen halten. Mein Blick wandert weiter, zu dem Rest der Familie - einem Junge, der ein kleines Mädchen auf den breiten Schultern trägt, als würde sie nichts wiegen, dabei schätze ich sie auf neun oder zehn. Ich sehe mir den Jungen, der kaum älter sein kann als ich, genauer an, doch er schaut die meiste Zeit auf den Boden, sodass ich kaum einen vernünftigen Blick auf sein Gesicht erhaschen kann. Doch eins kann ich euch versichern: Es wäre eine Untertreibung zu erwähnen, dass er nicht sehr erfreut aussieht. Seinem Blick nach zu urteilen, wäre er lieber an jedem noch so x-beliebigen Ort, als hier am Flughafen.

Und obwohl ich fast schon direkt vor ihnen allen stehe, scheint mich keiner von ihnen wahrzunehmen, als sei ich unsichtbar, als existiere ich überhaupt nicht.

Jedenfalls beachtet mich keiner der älteren Anwesenden, denn plötzlich bemerke ich, dass mich das Mädchen, das auf den Schultern des Jungen sitzt, direkt ansieht. Sie ist die Erste, die mich überhaupt wahrnimmt und anlächelt, als sich unsere Blicke kreuzen.

Sie zeigt auf mich und hüpft dabei unruhig auf den Schultern des Jungen, der verwirrt aufblickt, auf und ab. »Reece! Da!«

Sein Blick folgt dem Finger des Mädchens und in dem Moment, in dem ich unmittelbar vor ihnen stehe, fällt sein Blick schließlich auf mich.

»Hey«, sage ich und ringe mir ein Lächeln ab, doch das Lächeln bleibt nur einseitig. Die Augenbrauen des Jungen heben sich überrascht, während er mich von oben nach unten mustert.

Die erste Sache, die mir an ihm auffällt, sind seine unglaublich grünen Augen. Sie sind nicht einfach nur grün, sie sind verdammt grün. Es ist ein Grün, das mich an einen bestimmten Edelstein erinnert. Der Name dieses Steins liegt mir auf der Zunge, doch er schafft es einfach nicht über meine Lippen.

Sein Blick trifft meinen, bleibt aber nicht lange an meinen Augen haften, stattdessen wandert er weiter hinab und bleibt verwirrt auf meiner Oberweite hängen. Scheinbar überrascht über das, was er da zu sehen bekommt. Nicht, dass er überrascht sein sollte. Falls er damals im Biologieunterricht aufgepasst hat, als man uns über das andere Geschlecht aufgeklärt hat, sollte er damit gerechnet haben.

Zuerst denke ich, dass ich es mir einbilde, aber nach etwa fünf Sekunden wird mir klar, dass dies kein Zufall sein kann. Sein Blick wird mir unangenehm und ich räuspere mich, um seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken.

Ich schaue nun auch die anderen an, doch sie sehen allesamt so aus, als würde ein Alien höchstpersönlich vor ihnen stehen. Die Blicke der restlichen Anwesenden wirken irritiert - sie haben die Stirn in Falten gelegt, während sie mich anstarren, als wären mir soeben Hörner gewachsen oder vielleicht doch eher ein drittes Auge. Alle, außer dem kleinen Mädchen. Dieses lächelt mich weiterhin einfach nur an. Ihr Lächeln hat eine seltsam beruhigende Wirkung auf mich. Genauso wie ihre grünen Augen, die nichts mit den Augen des jungen gemein haben. Sie leuchten in einem weniger auffallenden, aber angenehmen und beruhigenden Grasgrün.

»Mom?«, sagt der Junge plötzlich mit diesem typisch amerikanischen Akzent, den ich schon aus unzähligen Filmen und Werbungen kenne. Er wendet den Blick, den ich die ganze Zeit über versucht habe zu ignorieren, endlich von mir ab und schaut stattdessen die Frau an. »Spinne ich oder ist das ein Mädchen?«

»Ich sehe es auch, Reece«, sagt nun der Mann, der bis gerade eben noch im Hintergrund gestanden und sich zurückgehalten hat. Es? Er klingt mindestens genauso verwirrt, wie ich mich gerade fühle. Warum, in Gottes Namen, verwundert es sie so, dass ich ein Mädchen bin?

Ist das vielleicht doch nicht meine Gastfamilie? Das kann nicht sein, denke ich. Was für ein Zufall wäre es, wenn genau hier am Flughafen von Tucson ein anderer deutscher Austauschschüler wäre? Um dieselbe Zeit wie ich? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Andererseits... Zufälle soll es geben.

Als mir die Sprache schließlich komplett versagt, hebe ich den Finger, um ihnen zu signalisieren, dass sie warten sollen.

Mal davon abgesehen, dass ich hundemüde bin, muss ich mich jetzt auch noch um ein Missverständnis kümmern. Ich krame in meiner kleinen Handtasche nach dem Zettel, den meine Mutter mir vor meiner Abreise noch mitgegeben hat. Auf dem Zettel, den uns die Organisation, die für meinen Auslandsaufenthalt zuständig ist, zugeschickt hat, sollten eigentlich alle Informationen zu meinem Auslandsjahr stehen. Ich falte ihn auseinander, um einen Blick auf die Namen zu werfen. »Sind sie nicht die Familie... Baldon?«

»Doch, genau die sind wir«, bestätigt die freundlich aussehende Frau.

Lange Zeit ist es still zwischen uns allen, während sie sich vorbeugt, um den Brief zu lesen. Es ist eine schwere, bedrückende Stille, die uns einhüllt. Eine Stille, die schwer im Raum liegt und mehr als unangenehm ist.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schaut sie auf und lächelt mich an. Sie greift nach meinen Händen und drückt sie fest.

»Hallo Emma«, sagt sie schließlich mit einem leichten Akzent auf Deutsch, nachdem sie mir den Zettel zurückgegeben hat.

»Hallo«, antworte ich leicht überrascht, versuche mir jedoch ein Lächeln abzuringen, um nicht wie der letzte Volltrottel auszusehen, während ich wie angewurzelt vor ihnen stehen bleibe, unsicher was ich sagen oder tun soll.

»Tut mir wirklich leid, wir müssen so unfreundlich auf dich wirken. Komm mit, ich erkläre dir alles«, sagt sie so schnell, dass ich Mühe habe, ihren Worten zu folgen, denn diesmal redet sie wieder auf Englisch. Bis jetzt habe ich tatsächlich geglaubt, ich würde während meines Aufenthalts keinen Sprachproblemen ausgesetzt sein, doch jetzt wo ich hier stehe, wird mir klar: mein Englisch ist vielleicht gut, aber damit ist Deutsches-Schulenglisch und nicht Muttersprachler-Englisch gemeint und zwischen diesen beiden Arten der Sprache liegen Welten.

Sie greift so schnell nach meiner Hand, dass ich kaum Zeit habe zu reagieren und mich einfach mitziehen lasse. Mein Blick huscht umher, fast schon wie ein wildes Tier, das seinem Feind in die Falle getappt ist und seinem Tod entgegenblickt. Aber natürlich hat sie nicht vor, mich in eine Ecke zu zerren und zu verspeisen. Sie steuert vielmehr ein kleines Café am Flughafen an. Ich drehe mich verzweifelt um und rufe: »A-aber mein Koffer!«

»Darum kümmert sich Reece, mein Kind, du hattest schon genug zu tragen für heute«, antwortet sie ruhig und zieht mich erbarmungslos weiter hinter sich her, während ich mich frage, wie viel Kraft in so einer kleinen Frau stecken kann.

Als ich zurückblicke, sehe ich den Jungen das Mädchen, das gerade noch auf seinen Schultern gesessen hat, auf den Boden absetzten und höre ihn ein »Na klar, wer sonst?« knurren. Während ich mich von der Frau durch den gefühlt halben Flughafen zerren lasse, entfernen wir uns immer mehr vom Rest der Familie.

Ich drehe den Kopf ein letztes Mal nach hinten, obwohl es vermutlich schlauer wäre, nach vorne zu schauen, doch ich schaffe es nicht, den Blick von dem Jungen zu lösen. Er greift mit einer Hand nach meinem Koffer und mit der anderen nach der ausgestreckten Hand des kleinen Mädchens neben ihm.

In dem Moment in dem er aufschaut, treffen sich unsere Blicke. Ich möchte hastig wegschauen, doch irgendetwas hält mich davon ab. Es ist sein Gesichtsausdruck. Anfänglich noch überrascht, nimmt sein Gesicht Sekunden später wütende Züge an. Ein tödlicher Blick, den ich trotz Entfernung, zu gut spüren kann. Es fühlt sich an, als würde man mit scharfen Dolchen nach mir werfen. Mein Brustkorb zieht sich unangenehm zusammen. Mit einem dicken Kloß im Hals, wende ich den Blick wieder nach vorne.

~*~

Die Frau, die sich mir inzwischen als Maria vorgestellt hat, hat mir eine heiße Trinkschokolade spendiert und die Firma, die für all das hier verantwortlich ist, angerufen. Denn uns allen stehen die Fragezeichen wohl ins Gesicht geschrieben. Fragezeichen, die wir gerne ausradieren würden.

Während ich trinke, lausche ich dem Telefonat. Ich bekomme einige Bruchstücke mit, aber auch nicht wirklich viel, um ehrlich zu sein. Vor allen Dingen nichts, was mich schlauer machen würde, da ich leider nicht verstehe, was die Person am anderen Ende der Leitung sagt.

Marias Stimme ist angenehm, sie ist weder zu hoch, noch zu tief. Ein wenig kratzig, nicht extrem, nur ganz leicht.

Ja, Stimmt... Achso... Jetzt verstehe ich... Ha ha... Sie hatten ja keine bösen Absichten... Nein, keine Sorge... Ja, ja ich rede mit ihr... Alles klar...

Da diese Wortfetzen keine wirkliche Auskunft über das geben, was am anderen Ende gesagt wird, warte ich bis sie fertig telefoniert hat und mir hoffentlich erklären wird, was hier eigentlich los ist.

Die anderen Familienmitglieder sitzen um mich herum, doch keiner sagt etwas. Ich wage es nicht einmal, einen von ihnen anzusehen und ihr peinlich berührtes oder bemitleidendes Lächeln zu ertragen, ganz zu schweigen von dem netten Blick des Jungen, der mich von Anfang an ins Herz geschlossen zu haben scheint. Haha, dass ich nicht lache.

»Es tut mir so leid, Emma«, murmelt Maria, nachdem sie schließlich aufgelegt hat. »Dieses ganze Missverständnis... die Organisation hat die Schuld auf sich genommen.«

Ich verstehe nur Bahnhof, deshalb entscheide ich, einfach nichts zu sagen und abzuwarten, was Maria noch zu erzählen hat. Sie sieht ehrlich erschüttert aus. »Es soll wohl ein technischer Fehler gewesen sein. Sie haben uns einen falschen Namen zugesendet. Naja... weißt du, wir hatten eigentlich mit einem Jungen gerechnet.« Sie lacht hysterisch und redet einfach weiter drauflos, als müsste sie kein einziges Mal nach Luft schnappen. »Inzwischen gibt es nämlich das Problem, das unser Haus neu renoviert wird und es nur noch Platz im Zimmer meines Sohnes gibt. Deshalb dachten wir, ein Junge sei angemessener. Oh Gott, ich kann verstehen, dass du wieder zurück möchtest. Es tut mir unglaublich leid.«

»Schon okay«, sage ich schnell, bevor sie auf den lächerlichen Gedanken kommt, mich wieder zurück nach Deutschland zu schicken und der Traum von Amerika schneller vorbei ist, als ich Nein, bitte nicht sagen kann. »Immerhin bin ich ja jetzt schon hier. Ich habe mich wirklich auf dieses Jahr gefreut.«

Die Frau sieht mich mit einem bemitleidenden Lächeln an. »Bist du dir sicher, Mädchen?«

Ich nicke und zögere kurz, bevor ich frage:» Aber was genau meinen Sie mit Renovierung?«

»Wir renovieren im Moment unser Haus, deshalb gibt es keine freien Zimmer zum Schlafen. Da wir davon ausgegangen sind, dass du ein Junge bist, dachten wir, es wäre kein Problem für dich, dir das Zimmer mit Reece zu teilen. Aber in eurem Alter wird es wohl schwer sein, sich als Junge und Mädchen Tag und Nacht in einem Zimmer aufzuhalten«

»Oh«, ist alles, was ich in diesem Moment herausbringe, denn so langsam dämmert mir, wo das Problem in ihren Augen liegt und was sie mir damit sagen möchte. Es liegt an mir.

Die Entscheidung wird mir wohl keiner der Anwesenden für mich treffen können, auch wenn ich mir sicher bin, dass Reece sie mir wohl gerne abnehmen würde und meinen Koffer liebend gerne höchstpersönlich ins Flugzeug zurück verfrachtet.

Ich schaue auf, um zu sehen was er von alldem hält, doch, als ich aufschaue, trifft mich bloß sein tödlicher Blick, den er mir zuvor schon zugeworfen hat. Er hat die Augen fast schon bedrohlich zusammengekniffen, als wolle er mich warnen, auch ja die richtige Entscheidung zu treffen. Noch nie habe ich das Sprichwort wenn Blicke töten könnten so wortwörtlich genommen.

Ich schlucke. Unsicher senke ich den Blick wieder.

Ich schätze mal, er hat irgendetwas gegen mich und das, obwohl ich ihm nichts angetan habe. Jedenfalls kann ich mich an keinen Vorfall in der letzten halben Stunde, in der ich nun schon hier bin, erinnern. Wir haben noch nicht einmal wirklich miteinander gesprochen.

»Gibt es gar keine andere Möglichkeit?«, frage ich schockiert, denn ich weiß nicht, ob ich es überhaupt eine Woche überleben werde. Der Junge scheint mich schon mit seinen Blicken töten zu wollen.

Maria aber schüttelt mit aufeinandergepressten Lippen den Kopf, als wäre sie ehrlich erschüttert über die Tatsache, dass es keine andere Möglichkeit gibt. »Tut mir leid. Ich könnte höchstens noch Jakes und mein Zimmer anbieten, aber da schlafen wir schon zusammen mit Madison. Wenn du nichts dagegen hast, dass es ziemlich eng wird, kannst du gerne bei uns mit einziehen.«

Oh Gott, nein bitte nicht. Ich weiß nicht, ob ich es mit drei anderen Menschen in einem Zimmer aushalten würde. Da teile ich mir lieber mit einem Typen, der mich offensichtlich nicht leiden kann, das Zimmer, denke ich. Was soll denn schon passieren? Er wird mich wohl kaum mitten in der Nacht angreifen und mir ein Messer ins Herz rammen. Irgendwie kriege ich diesen Jungen schon noch weich. Wenigstens so weich, dass er nicht mehr aussieht, als würde er mir am liebsten die Augen ausreißen und Saw mit mir spielen wollen.

»Nein, schon okay. Ich glaube Reece und ich packen das irgendwie, oder?« Ich schaue hoch zu ihm, während ich ein strahlendes Lächeln aufsetze. Doch in seinem Gesicht regt sich nichts. Als er aber spricht, habe ich das Gefühl, nach der bitteren Ironie in seiner Stimme greifen zu können. »Ja, sicher.«

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