66 ⚜ Die Suche nach dem Grimoire
New Orleans, 1887
Eliza
Mein Unsichtbarkeitszauber wirkte keine Sekunde zu früh. Elijahs Zimmertür schwang auf und Klaus stürmte hinein. Auch er war endlich mit einem besseren Haarschnitt gesegnet worden.
,,Wo bist du gewesen? Wir waren mit Clarice Deveraux verabredet und wie du weißt ist sie mir gegenüber nicht gerade wohlgesonnen!"
Elijah blieb ruhig. ,,Ich wollte dir die Gelegenheit geben, dich mit ihr zu versöhnen. Meine Anwesenheit wäre nicht von Nöten gewesen, wenn du vor zwei Wochen ihre Mutter am Leben gelassen hättest."
,,Das war ein Unfall", behauptete Klaus.
,,Ihr Herz ist also rein zufällig in deiner Hand gelandet? Und was ist mit den beiden Hexenmeistern, die vergangene Woche tot aufgefunden wurden. War das auch ein Unfall?"
,,Die haben Rebekah beleidigt."
,,Weil Rebekah ihnen damit gedroht hat, ihre Hände abzuschneiden, wenn sie nicht sofort aufhören, Geige zu spielen."
,,Na und", sagte Klaus augenrollend. ,,Sie haben furchtbar gespielt."
Elijah seufzte leise. Anscheinend war sein Plan, Klaus mit dem einheimischen Hexenzirkel zu versöhnen, nach hinten losgegangen. Welch eine Überraschung...
Und dann entdeckte Klaus die beiden Weingläser. Verflucht! ,,Ahh, ich verstehe. Du hattest Besuch. Seit wann vernächlässigt der ehrenvolle Elijah seine Pflichten, um ein paar schöne Stunden zu erleben? Das ist seit Celeste nicht mehr vorgekommen."
Plötzlich veränderte sich der Ausdruck in Elijahs Gesicht. Celeste. Ich verwettete all die Juwelen der Mikaelsons darauf, dass Klaus sie umgebracht hatte.
Klaus kam näher und legte eine Hand auf Elijahs Arm. ,,Ich brauche dich an meiner Seite, Bruder. Ablenkungen können wir uns nicht leisten."
Zu meinem Glück entschied Klaus nach dieser rührenden Ansprache zu verschwinden. Ich hob den Unsichtbarkeitszauber wieder auf.
Elijah war nicht leicht zu lesen. So war es schon immer, aber die Erwähnung von Celeste hatte etwas verändert. Etwas dunkles, ernstes lag in seinen Augen.
,,Willst du darüber sprechen? Über Celeste?", fragte ich vorsichtig.
Er schüttelte den Kopf, aber seine Hand ballte sich zu einer Faust. Fast so, als müsse er sich zurückhalten, die Erinnerungen abzurufen.
,,Zeit heilt eben doch nicht alle Wunden", murmelte ich. ,,Wer auch immer das Gegenteil behauptet ist nie unsterblich gewesen."
,,Du solltest jetzt schlafen", wich Elijah aus und beendete das Thema.
,,Mit dir?", fragte ich schlagfertig.
,,Nein, in meinem Bett. Alleine. Ich habe zu tun und bei meiner Rückkehr wirst du mir zu deinem eigenen Wohlbefinden sämtliche Fragen beantworten, die ich dir stelle. Ich rate dir, mich kein zweites Mal anzulügen." Er streifte seinen Mantel über und ergänzte noch: ,,Verlass dieses Zimmer nicht. Eine Begegnung mit meinem Bruder würdest du mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überleben."
Reizende Ansprache. Elijah verschwand und ließ mich alleine in seinem Zimmer zurück. Ich wartete, bis seine Schritte verklangen, dann schob ich die Bettdecke zur Seite und stand auf. In Elijahs Zimmer gab es nicht viel zu entdecken. In den meisten Schubladen und Schränken verbargen sich die normalsten Alltagsgegenstände. Gut, vielleicht war es nicht unbedingt notwendig gewesen, die Unterwäsche zu durchwühlen, aber ein Versuch war es wert gewesen.
Ich trank noch ein Glas Wein und hielt es plötzlich für die allerbeste Idee, außerhalb des Zimmers nach dem Grimoire zu suchen. Wann erhielt ich denn ein weiteres Mal die Möglichkeit dazu, das Anwesen der Mikaelsons zu durchwühlen? Zum jetzigen Zeitpunkt waren Elijah und Rebekah außer Haus, das machte nur noch einen verbleibenden Urvampir. Gut, möglicherweise trieb Kol sich unter den Lebenden Mikaelsons herum, aber der konnte genauso gut tot in einer Kiste liegen.
Das Problem ergab sich schon nach wenigen Minuten. Das Anwesen war riesig. Es war eine richtige Festung mit zahlreichen Fluren, verschlossenen Türen und Treppen. Überall hingen Gemälde, Kerzenhalter und anderer Krimskrams an den Wänden. Das Licht hüllte das Gebäude in schaurige Licht. Wenigstens schluckte der weiche Teppichboden meine Schritte, die dank des Alkohols immer noch ein bisschen unkoordiniert waren. Dank des Tarnzaubers, durch den ich unsichtbar war, fühlte ich mich relativ sicher und verdrängte Elijahs Warnung.
Aber wie sollte ich das Grimoir finden? Mir blieb nichts anderes übrig, als wahllos eine Tür zu öffnen. Ich stand in einem Arbeitszimmer. Langweilig. Die nächste Tür beherbergte ein Wohnzimmer. Im Kamin hatte ein Feuer gebrannt, denn die glühende Asche war noch nicht vollständig erloschen. Ich erhaschte den Blick auf eine Leinwand. Das halbfertige Bild zeigte eine Landschaft, dir mir sehr bekannt vorkam. Es waren die Ländereien von Mystic Falls. Wehmütig starrte ich auf die Blumenwiese, auf der ich vor fast 900 Jahren zum ersten Mal auf Rebekah getroffen war. Weiter hinten erstreckte sich meilenweiter Wald und eine Koppel, auf der Pferde grasten. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie wir damals auf dieser Wiese gespielt hatten und bekam plötzliches Heimweh. Ich sehnte mich so sehr nach diesen Zeiten zurück und vielleicht verstand ich Rebekahs Wunsch ein klein bisschen besser, wieder menschlich zu sein.
Konzentrier dich. Ich riss mich von Klaus Gemälde los (die anderen Mikaelsons hatten keine künstlerische Begabung, deshalb war ich mir sicher, dass es von Klaus stammte) und widmete mich dem Bücherregal. Wo versteckte man ein Grimoire besser, als inmitten von hunderten anderen Büchern? Ich strich mit dem Finger über die Einbände, las die Titel und zog wahllos ein paar Bücher heraus. Frustriert stellte ich fest, dass ich mit dieser Taktik Wochen brauchen würde, bis ich zu einem Ergebnis kam. Mein Geist war doch mit Esthers verbunden, oder? Das war ihr Grimoire. Es musste doch möglich sein, es aufzuspüren.
Mein Plan nahm gerade Gestalt an, als die Tür aufschwang. Ich erstarrte. Es war Klaus. Kurz vergaß ich, dass ich unsichtbar war, aber der Urvampir war nicht auf den Kopf gefallen. Natürlich würde er mich hören, wenn ich einen falschen Ton von mir gab.
Wäre ich ein bisschen aufmerksamer gewesen, hätte ich bemerkt, dass die Farbe auf dem Gemälde noch feucht war. Klaus hatte nur frische Farbe geholt. In Vampirgeschwindigkeit rannte ich zur Tür, die er zumachte. Ich huschte geradenoch durch den Spalt, als sie entgültig zuviel. Leider knallte ich draußen an das Geländer, von dem aus man einem Großteil des Erdgeschosses überblicken konnte. Klaus hörte das natürlich und öffnete die Tür.
,,Wer ist da?", fragte er. Es kostete mich alle Kraft, meine Unsichtbarkeit aufrecht zu halten. Außerdem lag mir eine schnippische Antwort auf der Zunge (wäre es nicht lustig, Klaus an der Nase herumzuführen)? Leider war das ein unpassender Zeitpunkt, um sich mit Klaus Mikaelson anzulegen. Ein sehr unpassender sogar.
,,Zeige dich. Ich habe schon ganz andere zerquetscht und meine Bilder mit dem Blut meiner Feinde verziert."
Ich wollte nicht als Blutfleck auf Klaus Landschaftsporträt enden, deshalb rannte ich in Vampirgeschwindigkeit davon und stieß eine Tür am Ende des Ganges auf, nur um sie hinter mir zu schließen.
Das war ein noch größerer Fehler. Ich stolperte über einen Gegenstand neben der Tür - ein paar Highheels - und der Unsichtbarkeitszauber löste sich in Luft auf.
,,Was zum...", fluchte jemand.
Ich sah auf. Natürlich war ich der Länge nach auf den Boden geknallt, direkt vor ein prächtiges Bett. Selbstverständlich war das Glück nicht auf meiner Seite. Es wäre ja auch zu schön gewesen, zufällig in ein leeres Schlafzimmer zu stolpern und nicht ausgerechnet vor dem Bett meiner Exfreundin zu landen.
Rebekah trug fast gar nichts mehr. Nur ihr langes blondes Haar verdeckte ihre Brüste. Marcel trug immerhin eine Hose, sonst wäre es für mich noch unangenehmer geworden.
Rebekah und Marcel machten große Augen, als sie mich erkannten. ,,Was hast du hier zu suchen?!", blaffte die Blondine unfreundlich.
Ich lächelte sie an. ,,Hey."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro