65 ⚜ Ein Retter in Not
New Orleans, 1887
Eliza
,,Ein Bourbon bitte." Die braunhaarige Barfrau des Rousseaus torkelte beschwipst in meine Richtung und schenkte mir einen Bourbon ein. Mit ihren Sommersprossen erinnerte sie an ein Reh.
Es war der sechste Bourbon, den ich grundlos in mich hineinkippte, während die Band sich beim Jazz spielen verausgabte. Ich hatte langsam große Lust, den Trompeter auszusaugen, damit er endlich Ruhe gab.
Vielleicht hätte ich mehr für die Ästhetik und den Flair von New Orleans übrig gehabt, wenn ich nicht ständig an Rebekah denken müsste. Warum begegnete ich von allen Menschen ausgerechnet ihr am Hafen? Wer war der Mann an ihrer Seite und warum sah er verboten gut aus?
Am schlimmsten fand ich das glockenhelle Lachen, welches der Wind zu mir hinübergetragen hatte, bevor die beiden mich bemerkten. Rebekah hatte herumgealbert wie früher. Sie hatte so glücklich ausgesehen. So menschlich.
Eine wahre "beste" Freundin würde sich freuen, aber ich hatte mich gefühlt, als wenn mir jemand ein Schwert ins Herz gerammt hatte. Mehrmals hintereinander. Warum war ich nach fast vierhundert Jahren immer noch so verflucht eifersüchtig? Ich hasste es. Ich hasste es so sehr.
Nach Bourbon Nummer acht knöpfte ich mir die Barfrau vor. Zuerst machte ich ihr schöne Augen, dann lockte ich sie ins Hinterzimmer und manipulierte einen halbwegs nüchternen Gast, ihre Pflichten zu übernehmen. In besagtem Hinterzimmer saugte ich dem armen Mädchen jeden Tropfen Blut aus dem Körper. Als sie tot war, fühlte ich mich nicht besser, aber wenigstens nicht mehr hungrig. Schifffahrten waren anstrengend.
Anschließend ließ ich eine Flasche Scotch aus dem Vorratsraum mitgehen und verließ die Bar. Selbst hier draußen spielte Jazzmusik, aber viele Musiker packten zu dieser späten Stunde ihre Sachen zusammen.
Während ich den Scotch trank, rief ich mir in Erinnerung, dass ich in den letzten Jahrhunderten auch kein Engel gewesen war. Die ersten Jahre widmete ich mich hauptsächlich meiner Suche nach Nathaniel, aber als diese Spur im Sand verlief, widmete ich mich anderen Abenteuern. Eine Weile lebte ich am Hofe eines Königs in Frankreich. Als das zu langweilig wurde machte ich die Kneipen der Stadt unsicher. Alkohol, Magie, Blutrausch, Sex. Alles war dabei gewesen. Aber keiner meiner Partner und Partnerinnen war Rebekah. Ich hatte wirklich alles versucht. Selbst Katerina war mir 1732 nochmal über den Weg gelaufen (und hatte einen kurzen Abstecher in mein Bett gemacht).
Und dann hatte ich eines Tages gespürt, dass meine Verbindung zu Esther stärker wurde. Ich spürte, wie die Urhexe versuchte, ihre Kräfte wiederzuerlangen. Und ich hasste es. Deshalb brauchte ich das Grimoire.
Nur, dass das Grimoire mir gerade egal war. Unentwegt dachte ich an Rebekah und Marcel. Ich trank einen Schluck. Warum sah er so gut aus? Warum? Warum? Warum? Ein trotziger Teil von mir spielte mit dem Gedanken, Klaus davon zu berichten. Aber Rebekah und ich hatten uns in den letzten Jahren sehr oft wehgetan und die falschen Entscheidungen gefällt. Was wäre ich für eine beste Freundin, wenn ich ihr das mit Marcel ruinierte? Eine andere Lösung musste her.
Frustriert kippte ich den Alkohol in mich hinein. Er betäubte mein gebrochenes Herz. Schwungvoll bog ich um die nächste Ecke und wich einer Gruppe junger Männer aus, die meinen Weg kreuzten. Ich taumelte. Alles verschwamm und ich knallte gegen jemanden, der hinter der Männergruppe in die Straße abbiegen wollte. Die Flasche rutschte aus der Hand und zerschellte auf dem Boden.
Ich war gegen eine harte Männerbrust gelaufen und stellte fest, dass dieser jemand einfach himmlisch roch. ,,Huch", murmelte ich abwesend, stolperte einen Schritt rückwärts... und traute meinen Augen kaum. ,,Elijah?"
Er war kaum wiederzuerkennen. Er trug einen maßgeschneiderten, dunkelgrauen Anzug und trug seine Haare anders als früher.. ,,Mit kurzen Haaren siehst du viel besser aus."
Elijah hob überrascht eine Augenbraue, als er mich erkannte. ,,Mir war nicht bewusst, dass du dich in New Orleans aufhältst. Was verschafft uns die Ehre?"
,,Heute angekommen", nuschelte ich undeutlich. ,,Beki weiß es, aber sie hat besseres zu tun. Ich habe Marcel den Tipp mit der Zunge gegeben. Dafür wird sie mir noch danken."
Elijah hob die Hand, um meinen Redefluss abzuwürgen. ,,Vielen Dank, aber ich ziehe es vor, aus den Bettgeschichten meiner kleinen Schwester herausgehalten zu werden."
,,Stimmt. Seine Geschwister will man sich dabei wirklich nicht vorstellen. Wusstest du, dass Nathaniel Kinder hatte? Kannst du dir vorstellen, wie er eine Frau angefasst hat? Also ich nicht."
,,Du hast zu viel getrunken", stellte Elijah fest. Er entledigte sich seines Jacketts und legte es mir über die Schulter. ,,Ich bringe dich nach Hause. Hast du einen Ort, an dem du bleiben kannst?"
Ich schüttelte den Kopf.
,,Dann werde ich mir morgen eine Erklärung einfallen lassen müssen, die deine Anwesenheit erklärt."
Gemeinsam gingen wir die Straße entlang. Das hieß, dass Elijah die Straße entlangging. Ich versuchte immerhin in einer geraden Linie zu laufen. Irgendwann hakte Elijah sich bei mir ein und dirigierte mich sicher zu sich nach Hause. Warum stand ich auf die launische Rebekah und nicht auf Elijah? Er war ein wahrer Gentleman. Ich würde mir viel Drama ersparen.
,,Warum gerade jetzt?", fragte er plötzlich. ,,Niklaus, Rebekah und ich haben den Boden dieser Stadt zum ersten Mal im Jahr 1722 betreten. Du bist klug. Du wusstest, dass wir hier sind."
,,Hexenangelegenheiten. Ich versuche Nathaniel zu finden und dachte, ich probiers mal mit gruseliger Voodo Ahnenmagie. Dafür ist New Orleans schließlich bekannt. Da dein Bruder mich 1492 töten wollte hatte ich nicht das Bedürfnis, früher herzukommen."
Plötzlich hielt Elijah meinen Arm fest und zwang mich, stehenzubleiben. Seine dunklen Augen schienen sich in mich hineinzubohren. ,,Dein Herz. Es schlägt schneller. Was verheimlichst du vor mir?"
Nur ein Narr würde leugnen, dass Elijah Mikaelson der gefährlichste aller Urvampire war. Er war nicht der "gute Bruder", vor dem man sich nicht fürchten brauchte. Elijah tötete schnell und präzise, ohne dass man es kommen sah. Aus dem Nichts. Und das machte ihn unberechenbar.
Ich kicherte leise und hoffte, dass er mir meine Nervosität nicht anmerkte. ,,Ich verspreche hoch und heilig, dass ich nicht vorhabe, deine Familie zu stürzen oder die Herrschaft der Stadt an mich zu reißen."
Elijah lockerte seinen Griff ein wenig. ,,Wir werden uns zu einem späteren Zeitpunkt über deine Motive unterhalten. Bis dahin werde ich dich im Auge behalten. "
•••
Elijah brachte mich auf sein Zimmer. Die Räumlichkeiten waren genauso, wie man es von Elijah erwartete. Ordentlich, sauber und makellos. Jeder Gegenstand hatte seinen Platz. Von den akribisch aufgehängten Anzügen bis hin zu den sortierten Dokumenten auf dem Schreibtisch. Gegenüber seines Bettes entdeckte ich ein gemaltes Gemälde seiner Familie. Klaus, Elijah, Kol und Rebekah standen nebeneinander und sahen stolz und erhaben aus. Als wüssten sie ganz genau, dass niemand mit ein bisschen Verstand es wagte, sich mit ihnen anzulegen.
Ich konnte nicht anders. Ich kicherte wieder. ,,Stört dich das nicht?"
Fragend legte er die Stirn in Falten. ,,Wovon sprichst du?"
Ich nickte auf das Gemälde. ,,Wenn du Frauenbesuch hast, dann sieht deine ganze Familie dabei zu. Das ist gruselig."
Elijah setzte sich gesittet an die Bettkante. ,,Ich schlage vor, dass du jetzt schlafen gehst. Morgen unterhalten wir uns darüber, was dich wirklich nach New Orleans führt. In der Zwischenzeit werde ich mich darum kümmern, dass Niklaus nichts von Rebekahs Affäre erfährt."
Ich lachte leise. ,,Neunhundert Jahre sind vergangen und der noble Elijah räumt immer noch das Chaos seiner Geschwister auf. Du hast dich nicht verändert. Wann hast du das letzte Mal etwas nur für dich selbst getan, Elijah?"
,,Das hat kein gutes Ende genommen." Elijah straffte die Schultern und fixierte das Familienporträt an der Wand.
Übersetzt bedeutete das: Seit mindestens fünfzig Jahren nicht mehr, weil mein kleiner Bruder eine egoistische Bestie ist.
Elijahs Loyalität galt Klaus. Das war schon immer so gewesen. Deshalb misstraute er meiner Rückkehr. Bestimmt glaubte er auch, dass ich vor 395 Jahren Schuld an allem trug.
Ich stemmte mich hoch und schnappte den Rotwein, der auf Elijahs Regal thronte. ,,Jahrgang 1864. Du hast Geschmack", lobte ich ihn.
,,Was soll das werden, Eliza?"
,,Ich rette dich aus der Endlosschleife deines Lebens. Heute Abend wirst du es dem Schicksal überlassen, ob Klaus und Rebekah sich gegenseitig die Köpfe einschlagen. Vielleicht lernen sie dann endlich daraus."
Ich verteilte den Wein auf zwei Gläser. ,,Mach dir keine Umstände, mich hinzuhalten. Niklaus wird Marcellus kein Haar krümmen. Er ist nicht wie die anderen Männer in Rebekahs Leben. Wir haben ihn als Kind aus der Sklaverei gerettet. Niklaus liebt ihn wie einen eigenen Sohn."
,,Marcel geht mit seiner Tante ins Bett?", platzte es aus mir heraus.
Elijah ignorierte meine Äußerung und kam direkt zum Wesentlichen. ,,Das mit Rebekah und dir ist lange her. Ich bitte dich nur um eines. Gewähre es ihr, glücklich zu sein und versuche nicht, einen Keil zwischen die beiden zu treiben. Letzten Endes wird sie dich dafür hassen."
,,Warum glaubst du, dass ich versuchen werde, einen Keil zwischen die beiden zu treiben?"
,,1492. Du warst in einer Beziehung mit Regina Bennett, hattest eine Affäre mit meiner Schwester und hast dich trotzdem heimlich mit Katerina getroffen."
Woher wusste er das? Mir fiel ein, dass auch Elijah etwas mit Katerina gehabt hatte. Vielleicht stammte sein Misstrauen daher, schließlich hatte ich ihn dadurch ebenfalls betrogen.
,,Das ist fast 400 Jahre her. Ich habe mich verändert."
,,Hast du?", fragte Elijah.
Nein.
,,Meine Rückkehr hat nichts mit Rebekah zu tun."
,,Es hat immer mit meiner Schwester zu tun. Alles was du tust", meinte Elijah. ,,Vor nicht allzu langer Zeit hast du mir vorgeworfen, nach neunhundert Jahren immer noch derselbe zu sein. Sieh dich an, Eliza. Sieh in den Spiegel. Der einzige Grund, warum du heute Nacht meine Hilfe benötigt hast ist der, dass du eifersüchtig auf den neuen Freund meiner Schwester bist."
Ich hasste es, wenn er Recht hatte.
,,Ich..."
Ich verstummte. Das lag nicht daran, dass Elijah mich einschüchterte, sondern an der sehr bekannten Stimme, die durch das Haus hallte.
,,ELIJAH?"
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