46 ⚜ der Ball
London 1492
Eliza
,,Ich will endlich wissen, wo wir hingehen!"
Wie ein kleines Kind quengelte ich in der Hoffnung, endlich eine Antwort zu erhalten. Heute Mittag erwähnte Regina nur, ich solle mich pompös kleiden. Seitdem schwieg sie wie ein Grab.
Auffallen stand bei mir an allererster Stelle. Deshalb entschied ich mich für ein elegantes rotes Kleid, das genau die richtigen Stellen meines Körpers betonte und meine roten Haare wie Feuer über meinen Rücken wallen ließ. Ich LIEBTE dieses verdammte Kleid.
,,Du erfährst es früh genug, meine Hübsche." Reginas Lippen verzogen sich zu einem verschmitzten Lächeln. Sie genoss es, mich in Unwissenheit zu lassen.
Manchmal waren Hexen unerträglich geheimnisvoll. Ich nahm an, es lag an ihrer Spezies im Allgemeinen.
,,Ich hoffe es gibt Alkohol."
,,Du kannst nie an etwas anderes Denken."
Regina lachte leise und drückte mir einen sanften Kuss auf die Lippen.
Wir lernten uns auf dem Schiff nach England kennen. Was sie dort konkret wollte verheimlichte sie mir, aber mit ihrer dunklen Haut und den schokobraunen Locken sah sie so heiß und überhaupt nicht wie eine gewisse Blondine aus, dass ich nicht widerstehen konnte, sie mir zu schnappen. Seit vier Monaten reisten wir gemeinsam durch England, nur um vorgestern London zu bereisen. Für mich gab es keinen bestimmten Grund, herzukommen. Ich genoss es einfach, die Welt zu sehen und mein unsterbliches Leben in vollen Zügen zu genießen.
,,Hier ist es", riss Regina mich aus meinen Gedanken und deutete mit dem Finger auf ein riesiges Anwesen, das von dutzenden Lichtern beleuchtet war und alles andere in den Schatten stellte. Es war ein prachtvolles Bauwerk.
Aufgrund der Menschenansammlung, die ein schmackhaftes all you can eat buffet um Mitternacht enthielt, freute ich mich umso mehr auf den Abend. ,,Was findet hier heute statt?"
,,Ein Ball", antwortete Regina. ,,Ich bin eingeladen und habe gefragt, ob ich eine Begleitung mitbringen darf."
,,Ehrlich?", fragte ich auf Anhieb begeistert und umarmte Regina stürmisch. Ich war ewig nicht mehr auf einer solchen Veranstaltung gewesen.
,,Komm schon", lachte sie und zog mich am Arm hinter sich her.
Wir gingen nebeneinander zur Eingangstür, wo ein elegant gekleideter Mann die Einladungen entgegennahm. Er redete monoton und gelangweilt. Zuerst hielt ich das für echte Langweile, aber sein trüber Blick deutete eher auf eine Manipulation hin.
,,Regina Bennett", nannte meine Begleiterin ihren Namen und streckte dem Mann die Einladung entgegen.
Ich erstarrte.
Auf dem Pergament zeichnete sich klar und deutlich ein geschwungenes, goldenes Symbol ab, das sich im Laufe der Jahre als ein ganz bestimmtes Zeichen etablierte. Um noch einen letzten Beweis zu brauchen, bemerkte ich das schwarze, großgeschriebene M auf dem Papier.
Mikaelson.
Jahrelang hörte ich diesen Namen nicht mehr. Über die Jahrhunderte hinweg bekam man viele Grausamkeiten der Mikaelsons mit, andere glaubten, sie seien nur ein Mythos. Doch in den vergangenen zehn Jahren sprach niemand mehr diesen Namen als... als wären sie in den Untergrund gegangen. Anscheinend stimmte das nicht. Die Mikaelsons bauten sich ein neues Imperium auf und nahmen London ein. Doch was hatte Regina mit ihnen zu schaffen?
Der Mann winkte uns durch. Immer noch grübelnd zog ich Regina bei erster Gelegenheit zur Seite. ,,Warum laden die Mikaelsons dich auf einen Ball ein?"
Regina runzelte die Stirn. ,,Du kennst die Mikaelsons?"
Ob ich sie kannte? Die Frage klang so absurd, dass ich zu lachen begann. ,,Glaub mir, sie sind Gift."
Verbittert dachte ich darüber nach, dass Rebekah sich nie wieder bei mir meldete. Meine Zauber sie oder einen anderen Mikaelson zu finden waren blockiert. Wahrscheinlich eine Schutzmaßnahme gegen Mikael, dennoch verletzte es mich. Mir war es nicht möglich, sie zu finden, aber Rebekah hätte mich finden können. Die Hilfe einer Hexe oder einer ihrer zahlreichen Informanten hätten geholfen, aber nein. Rebekah vergaß mich einfach.
Eigentlich sollte ich auf Klaus sauer sein. Seinetwegen floh ich damals nicht mit ihnen aus Italien, aber fast alles richtete sich gegen Rebekah.
Das Mädchen, das mir tausendmal das Herz ausriss, mich wieder zusammenflickte und dasselbe wiederholte. Ich hatte alles versucht, um sie zu vergessen. Sie und meinen Bruder, der in einem Feuer starb. Ich verlor sie beide. Rebekah und Nathaniel. Fünfzig Jahre lebte ich ohne Menschlichkeit, doch mit steigendem Alter kehrte sie zurück. Der Menschlichkeitsschalter verschwand, existierte nicht mehr. Je älter ein Vampir wurde, desto präsenter waren seine Gefühle, desto schlimmer der Schmerz.
Nach all den Jahren konnte ich niemanden so sehr lieben wie sie und dafür hasste ich die Urvampirin. Warum tat sie mir das an?
Ja, vielleicht wollte ich in erster Linie mit Regina zusammensein, weil sie mir mit dem Schalter helfen konnte. Als Nachfahrin von Amaya Bennett, Esther Mikaelsons "Beraterin" entstammte Regina aus einer Blutlinie mächtiger Hexen.
,,Klaus Mikaelson bat um ein Gespräch mit mir. Die Bitte eines Urvampirs auszuschlagen wäre lebensmüde", erklärte Regina dann endlich.
Ich seufzte leise. ,,Lass dich nicht in deren Drama ziehen. Das endet nicht gut."
Wir beendeten das Gespräch an dieser Stelle und gingen zum eigentlichen Fest. Kellner mit Tabletts servierten die Getränke, das Licht verlieh dem ganzen eine geheimnisvolle Stimmung und die meisten Gäste sprachen so ausgelassen miteinander, dass ich vermutete sie seien sich nicht darüber bewusst, sich in der Höhle des Löwen zu befinden. Ich war definitiv nicht bereit die Mikaelsons wiederzusehen. Regina hätte mich gerne vorwarnen können! Also griff ich nach einem Glas auf dem Tablett und hoffte, dass der Alkohol stark war.
Die leise Musik im Hintergrund verstummte plötzlich. Ein Raunen ging durch den Saal, dann Stille.
Die große Tür schwang auf. Dahinter standen wie erwartet die Mikaelsons. Rebekah bildete die Mitte. Das blaue, oben enganliegende Ballkleid sah fantastisch an ihr aus. Selbst auf diese Entfernung wusste ich, dass der Farbton perfekt zu ihren Augen passte. Die blonden Haare waren elegant hochgesteckt. Verdammt, ich war definitiv nicht bereit auf ein Wiedersehen! Niklaus hatte sich an ihrer rechten Seite untergehakt, Elijah links. Elijah sah nobel aus wie immer. Die Kleidung saß bis auf den Millimeter perfekt und sein ruhiges Auftreten ließ ihn ein wenig wie eine reglose Säule aussehen. Klaus dagegen sah etwas grimmig drein.... wie immer.
Die drei Urvampire gingen seitlich ein paar Stunden der Treppe nach oben, sodass jeder sie gut sehen konnte. Dort blieben sie stehen und blickten selbstgefällig herunter... als ob sie über allen anderen hier stünden. Nun, ganz falsch war das nicht. Die Mikaelsons bildeten definitiv den Anfang der Nahrungskette, nicht das Ende.
,,Wir freuen uns aufrichtig, Sie alle begrüßen zu dürfen", begann Elijah die Gäste willkommen zu heißen. ,,Ich bin mir sicher, dass es ein wunderbarer Abend wird."
Ich musste leider widersprechen. Meine Freude Rebekah gegenüberzutreten hielt sich stark in Grenzen.
,,Wie immer, wenn unsere Familie ein Fest feiert, beginnen wir mit einem Tanz."
Nun ergriff Niklaus das Wort. ,,Aber zuerst begrüßen wir unseren Ehrengast. Seit sie aus Bulgarien floh, fand sie hier bei uns ein vorübergehend neues Zuhause. Katerina Petrova!"
Ich fand es sehr verdächtig, dass Klaus jemanden aus reiner Güte bei sich aufnahm. Das passte nicht zu ihm.
Doch als ich die breit lächelnde Frau bemerkte, die sich zu den Mikaelsons stemmte, traute ich meinen Augen kaum
,,Tatia?!"
Ich sprach die Worte einen Tick zu laut aus. Abgesehen von Regina drehten sich einige Gesichter nach mir um.
Und dann verhakte sich mein Blick mit dem von Rebekah. Mit großen Augen starrte sie mich an, als sei ich ein Gespenst und nicht real. Dann schüttelte sie kaum merklich den Kopf.
Die Botschaft sah nach einem "Verschwinde, solange du noch kannst" aus. Verwirrt über dessen Bedeutung machte ich ihr klar, dass ich sicher nirgendwo hinging. Ich war wütend - sehr wütend sogar -, allerdings schuldete sie mir viele Antworten. Und diese Antworten hatten in erster Linie rein gar nichts mit dem Mädchen zu tun, das wie Tatias lebendiggewordene Kopie aussah.
Elijah forderte zum Tanz auf. Ich wählte Regina als meine Partnerin, doch meine verstohlenen Blicke fixierten Rebekah. Sie tanzte mit einem dunkelhaarigen, edel aussehenden Mann. Wie gewohnt sah sie an ihm hoch, als wäre er der absolute Traumprinz. Ich ärgerte mich, nach all den Jahren immer noch eifersüchtig zu sein. Deshalb brauchte ich meinen Schalter wieder. Ich wollte nicht nochmal fünfhundert Jahre in dasselbe Mädchen verliebt sein. Ich wollte Regina lieben. Jemand, der mir guttat.
Beim Partnerwechsel wollte ich eigentlich elegant in Rebekahs Arme fallen und sie dann zur Rede stellen, aber stattdessen erwischte ich Elijahs kühle Hand. Zuvor tanzte er mit der Tatia Kopie. ,,Welch eine Überraschung", begrüßte mich der Urvampir in seiner ruhigen Stimme. Von Rebekah fehlte jede Spur. Verdammt!
,,Es ist lange her, Elijah", antwortete ich. ,,Scheint als habe sich dein Frauengeschmack nicht verbessert. Was treibt ihr hier?"
,,Wir feiern einen Ball", sagte Elijah.
Ich lachte leise. ,,Natürlich... die Mikaelsons feiern friedlich einen Ball."
Elijah drehte mich einmal, als das Lied an Fahrt aufnahm und ein bisschen schneller spielte. Sein Griff um meine Hüfte war bestimmend. ,,Ich habe den Eindruck, dass du uns verachtest. Warum?"
,,Ich habe alles für euch getan. Ich habe auf deine labile Schwester aufgepasst, ich habe euch gegen die Vampirjäger geholfen und von euch kommt nur Verrat zurück. Fast vierhundert Jahre hat es keinen von euch interessiert, wo ich bin."
Elijah nickte langsam. ,,Verstehe."
,,Was will Klaus von Tatia... Katerina?", verbesserte ich mich schnell. Es ärgerte mich, dass Elijah weder Einsicht noch eine Entschuldigung aussprach. Meine ehemaligen Freunde waren wirklich grausame Monster geworden.
,,Das ist eine Familienangelegenheit."
Elijah beließ es bei dieser Erklärung. Als das Lied endete, hob er meine Hand und hauchte einen zarten Kuss darauf. ,,Ich wünsche einen schönen Abend, Eliza."
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