19 ⚜ Bis dass der Tod uns scheidet
Rebekah
Mystic Falls 1001
Leere.
Das fühlte ich, als Elizas Körper mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden landete. Reglos.
Leere.
Das nahm ich war, als ich in ihre starren, weit geöffneten blauen Augen schaute. Ich fand kein Leben mehr darin. Da war einfach nichts mehr übrig. Alles was ich an ihr liebte erlosch in wenigen Sekunden wegen eines Fehlers, den ich nicht mehr rückgängig machen konnte.
Das strahlende Lächeln.
Die leuchtenden Augen.
Ihr Selbstbewusstsein, ihr Eifer, ihr Einsatz für wichtige Dinge.
Alles tot.
Es dauerte einige Sekunden bis ich wirklich realisierte, was hier geschah. Elizas Blut tropfte von meinem Mundwinkel auf den Boden. Plötzlich fühlte sich dessen Nachgeschmack bitter an und ich verspürte den Drang jeden einzelnen Tropfen Blut übergeben zu müssen. Wie konnte ich nur so tief sinken? Wie konnte ich nur so weit gehen?. Fassungslos sah ich zu ihr hinab und wartete darauf, dass sie wieder aufstand. Sie sollte mich anschreien, schlagen, treten, lachen, ganz egal was. Alles besser als das.
,,Eliza?"
Meine Stimme klang erstickt und plötzlich wich die Leere einer tiefen Verzweiflung. Egal wie lange ich sie anstarrte, Eliza regte sich nicht. Die ausdruckslosen, weit aufgerissenen Augen machten es nicht besser.
,,Eliza, wach auf. Tu mir das nicht an", bat ich sie lauter und sank neben ihr auf die Knie. Die Erinnerung an die letzten Minuten brannte mir in mein Gedächtnis. Noch immer schmeckte ich ihr Blut auf der Zunge, noch immer hörte ich Elizas Worte, die mich aufforderten, die Stadt zu verlassen.
Sanft rüttelte ich an ihr, dann fester.
Nichts.
Meine Finger suchten rasch den Puls an ihrem Hals, aber noch bevor ich diesen ertastete wusste ich, dass ich nichts finden werde.
Ich hatte die schlimmste Tat begangen. Ich hatte meine beste Freundin ermordet.
,,WACH ENDLICH AUF!", fuhr ich sie panisch an und spürte eine unglaubliche, unbändige Wut. Ich stand auf und schrie so laut wie noch nie. Es staute sich so viel auf, das ich es einfach nicht mehr zurückhalten konnte. Die Wände erzitterten und mein Schrei hallte durch die unzähligen Gänge des Höhlensystems. Rasend vor Wut trat ich so fest gegen die steinerne Wand, sodass kleine Gesteinsbrocken sich lösten und auf den Boden fielen. Dann ging ich schnellen Schrittes in den hinteren Teil der Höhle, um auch auf diese bescheuerten Wandmalereien einzutreten. Wieso sollte ich eine Familiengeschichte festhalten, wenn die Familie kaputt war?
Doch ich konnte nach wie vor keinen Schritt in die Höhle setzen. Ich hämmerte so fest gegen die unsichtbare Barriere, die mich am Eintreten hinderte, bis es nur noch wehtat.
Plötzlich strömte alles auf einmal auf mich ein. Alles, was seit der Verwandlung weit in den Hintergrund rückte. Emotionen, die ich erfolgreich verdrängen konnte.
Zuerst war da die Schuld. All meine Morde geschahen in meinem Kopf erneut. Ich realisierte zum ersten Mal, wie brutal ich seit Wochen unschuldige Menschen ermorderte. Wie ich auf sie losging. Und wie ich letztendlich Eliza tötete. Meine beste Freundin.
Doch Schuld allein reichte nicht. Es gab so viel mehr. Schmerz, Verzweiflung, Panik, Hoffnungslosigkeit und so vieles mehr. Alles kam auf einmal über mich. Es war fast so, als ob Elizas Tod die eisige Mauer durchbrach, die mich von all diesen Gefühlen schützte.
Auch die Tränen ließen sich nicht mehr unterdrücken. Schluchzend sank ich wieder neben Eliza auf den Boden und zog sie in meine Arme. Ich drückte sie fest an mich und wollte sie nie wieder loslassen. Meine Hand glitt über ihre Augen, sodass sie sich schlossen. Jetzt sah sie aus als würde sie nur schlafen.
,,Es tut mir Leid. Es tut mir so sehr Leid", flüsterte ich. Das brachte nichts mehr, doch meine Schuldgefühle überwältigen mich. Seltsamerweise fühlte ich mich meinen anderen Opfern gegenüber nicht annähernd so schuldig wie Eliza. Als ob sie alle bedeutungslos wären. Irgendwie waren sie das auch. Eliza war die einzige, die mich noch interessierte.
Jetzt gab es nichts mehr, was mich von der Dunkelheit fernhielt.
Immer wenn ich Eliza angesehen hatte, dann spürte ich das Gute in ihr. Sie kämpfte für mich. Sie hatte gekämpft bis zu ihrem letzten Atemzug. Und obwohl sie kurz davor gewesen war aufzugeben, hatte sie doch nie den Glauben und das Vertrauen in mich verloren. Sie sah all meine Opfer und all das Grauen, aber sie wendete sich nie wirklich von mir ab. Bislang fanden wir immer wieder zueinander. Selbst das nahm ich uns weg.
Wieso realisierte ich erst jetzt, dass ich Eliza so vieles verdankte?
Außerdem wuchs meine Angst, dass ich mich jetzt vollständig der Dunkelheit hingab immer mehr. Ist es nicht viel einfacher einfach nichts zu fühlen? Man konnte einfach dem Hunger nachgeben und den Blutrausch genießen. Wer sollte mich aufhalten? Meinen Geschwistern ging es gleich und ansonsten gab es keinen mehr, der mich daran hinderte.
Ich musste diesen Blutdurst endlich unter Kontrolle bringen. Dann wäre ich wenigstens selbst dafür verantwortlich. Ich wäre für meine Taten verantwortlich und nicht mein unkontrollierter Hunger. Niemals durfte ich zulassen, dass ich noch eine Person verletzte, die mir mehr bedeutete als mein Leben.
Mit tränenden Augen beugte ich mich zu ihr nach unten und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. Es war seltsam jemanden zu küssen, der es nicht einmal spürte. Aber ich wusste, dass sie sich das immer wünschte. Es war feige von mir sie erst zu küssen nachdem ich sie tötete, aber ich schuldet es ihr dennoch. Es gab einen Grund wieso sie mich nie aufgab. Da wäre einfach gewesen, denn Eliza war frei von alldem. Trotzdem half sie mir in meinen dunkelsten Tagen.
Sie meinte sie ernst.
Sie liebte mich wirklich.
Immer mehr Tränen liefen mir über mein Gesicht. Am liebsten würde ich noch einmal schreien.
Ich zerstörte alles was ich berührte.
Meine Familie war verflucht.
Jeder von uns.
Für immer und ewig.
⚜
Stundenlang saß ich an der Wand gelehnt. Eliza lag in meinen Armen, aber ich konnte sie nicht ansehen. Ich konnte nicht das Mädchen ansehen, das ich tötete.
Ich konnte nicht einmal aufhören zu weinen.
Erinnerungen von früher kamen mir in den Sinn. Jede einzelne davon löste etwas ganz besonderes in mir aus.
Vor allem der Gedanke an unsere erste Begegnung ließ mich nicht los. Als ich die Kontrolle über meine Magie verlor, half sie mir. Das kleine rothaarige Mädchen machte mich zu dem Menschen, der ich geworden war. Während mein Vater durch sein aggressives Verhalten eher Angst auslöste, schaffte Eliza es, mich selbstbewusst zu machen. Auch wenn wir unschiedliche Träume und Eigenschaften hatten, ähnelten wir uns trotzdem in vielem.
,,Du warst etwas ganz besonderes, weißt du das eigentlich?", fragte ich leise und strich ihr mit zitternden Fingern eine Haarsträhne aus dem stillen Gesicht. ,,Deshalb hört es auch nicht auf wehzutun. Diese Schuld werde ich bei mir tragen. Für immer und ewig."
Die Worte brachte ich kaum heraus und es war dämlich. Ich entschuldigte mich bei einer Toten für einen Mord.
Ich zwang mich den Blick abzuwenden und strich mir die Tränen aus dem Gesicht. Langsam wurde es Zeit ins Dorf zurückzukehren. Was sollte ich nur Elizas Familie erzählen? Nathaniel würde mich verabscheuen, aber dann könnte ich ihn ebenso töten. Dieser Geminizirkelunsinn wäre dann endlich vorbei und die Welt besaß einen kranken Hexenzirkel weniger.
Plötzlich öffnete Eliza die Augen und holte tief Luft. Entsetzt schrie ich auf und stieß sie von mir. Ich erschrak fürchterlich und traute meinen Augen nicht.
Eliza schnappte atemlos nach Sauerstoff und presste sich die Hand auf die Brust. Schockiert und verwirrt setzte sie sich auf und schien die Höhle wiederzuerkennen.
Was passierte hier? Sie konnte nicht am Leben sein. Ich tötete sie. Sie atmete nicht mehr... Es machte keinen Sinn.
Elizas Blick blieb an mir hängen. Ihre blauen Augen richteten sich auf mich und plötzlich wurde sie ernster. Ihre Hand fuhr zu der Bisswunde an ihrem Hals.
Mein tränenverschmiertes Gesicht konnte heute wirklich keinen weiteren Schock mehr tragen. Stand ein Geist vor mir?
Langsam stand ich auf und Eliza tat es mir gleich. Einen Moment starrten wir einander nur fassungslos, verwirrt und ungläubig an.
Plötzlich trat sie einen Schritt nach vorne und ihre Hand landete mir voller Wucht in meinem Gesicht. Eindeutig kein Geist und vielleicht verdiente ich das auch ein kleines bisschen.
,,Du Miststück!", fuhr sie mich an.
Fast hätte ich gelacht. Auch wenn ich nicht verstand was hier geschah, klang das immerhin nach meiner Eliza.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro