Onkel Roman und Markus
Zwei Stunden braucht der Flug, nicht länger. Dann steigt Emmy aus dem Flugzeug aus, holt ihre Koffer, geht durch die Sicherheitskontrolle und steht nun vorm Münchner Flughafen. Suchend blickt sich die junge Frau um und wartet auf ihren Onkel, der ihr geschrieben hat dass er auf sie vor dem Flughafen warten werde. Sie weiß ja nicht einmal ob er sich groß verändert hat und wenn ja, wie er jetzt aussieht! Welchen Wagen hat er eigentlich? Was ist wenn sie ihn nicht erkennt und zu jemand Fremdem einsteigt weil sie denkt dass er das ist? Was ist wenn- „Emmy, mein Goldstück!" Überrascht dass sie ihren Namen gehört und den Rest auf Deutsch noch verstanden hat, dreht sie ihren Kopf und sieht einen Mann auf sie zukommen der nur entfernt Ähnlichkeiten mit ihrem Onkel hat. Sie hat ihn als groß und auch noch etwas dicklich in Erinnerung. Aber der Kerl hier ist schlank, sogar leicht muskulös. Doch der Bart, der nun mehr Grau als Schwarz beinhaltet, ist immer noch der Gleiche. „Willst du deinem Onkel nicht hallo sagen? Oder hast du deutsch komplett verlernt?" Ein wenig besorgt wechselt er auf Englisch, damit sie es eventuell einfacher hat. „Hey, alles in Ordnung?" Emmy ist immer noch ein wenig überrascht, räuspert sich aber schnell und versucht das restliche Deutsch in ihrem Kopf zusammen zu kramen. Sprachen kann sie sich eigentlich relativ gut merken! Überraschenderweise. „Deutsch sollte hoffentlich gehen!" Sie ist noch ein wenig holprig unterwegs und der englische Akzent ist deutlichst zu hören! Aber dafür dass sie schon zwei Jahre lang diese Sprache nicht gesprochen hat, klingt es eigentlich in ihren Ohren ziemlich gut. Mit einem breiten Grinsen nimmt sie ihn in den Arm und seufzt erleichtert. „Du hast dich überhaupt nicht verändert, Emmchen." Lachend lässt sie ihn wieder los und zuckt mit den Schultern. „Du dich dafür umso mehr!" Sie kann es nicht verhindern dies auf Englisch gesagt zu haben. Nachdenklich mustert er sie kurz und nickt. „Kleiner Deal. Du verstehst Deutsch ja eigentlich fast perfekt, oder?" Die junge Frau nickt neugierig. Was hat er denn jetzt vor? „Und ich verstehe dein Englisch perfekt. Wie wäre es wenn ich auf Deutsch mit dir spreche und du auf Englisch mit mir? Dann ist es einfacher und du kannst ja dein Deutsch rauskramen wenn du mit anderen redest." Das klingt nach einem super Plan! Emmy erklärt sich sofort einverstanden, da es auch für sie einfacher ist. Ihr Onkel winkt sie zu sich und nimmt ihr einen der Koffer ab, ehe sie zusammen zu einem Parkplatz gehen und dort alles in einen Wagen eingeladen wird. „Schieß los! Wie siehts bei dir aus? Was Neues im Job? In der Liebe? Vielleicht sogar einen Seelenverwandten?" Die junge Frau lacht erneut und setzt sich auf den rechten Sitz. Komisch für sie wenn man bedenkt dass sie hier normalerweise das Lenkrad hat. „Ich hätte da eine witzige Geschichte...!" Oh? Da ist er jetzt einmal wirklich gespannt! Während er also den Wagen durch den Verkehr manövriert, erzählt Emmy die Geschichte mit Tim und was wohl alles passiert sein muss.
Ein wenig nachdenklich sieht Alexander auf seinen Unterarm hinunter. Er hat schon zwei Tage lang nichts von seiner Seelenverwandten gehört. Er macht sich langsam aber sicher wirklich Sorgen! Laut der Vorwahl der Nummer von diesem Kerl würde der Pater behaupten dass es in Großbritannien sein muss. Wenn er hier nicht so viel zu tun hätte, dann würde er sich ja selbst auf die Suche nach ihr begeben! Seufzend sieht er seinen Unterarm an und beschließt nachzufragen ob alles in Ordnung ist. Kurz bevor er den Stift auf die Haut drücken kann, stoppt er. Wenn ihr etwas passiert ist, dann kann es sein dass er keine Antwort bekommen würde. Wie soll er wissen dass es ihr nicht gut geht? Also lässt er das lieber und steckt den Stift wieder weg. Verdammter Mist, warum ist das mit den Seelenverwandten teils nur so kompliziert? Seine Seelenverwandte ist höchstwahrscheinlich in Großbritannien, nicht gerade der nächste Weg. Aber irgendwie will er sie schon kennen lernen! Aber so wirklich traut er sich nicht seine Nummer hinzuschreiben. Sie haben eh kaum kommuniziert, was jetzt für die leicht zerstörte Vertrauensbasis auf seiner Seite nicht hilfreich ist. „Pater Anderson! Seht nur was ich habe!" Ein kleines Mädchen kommt lachend zu ihm gelaufen und der große Mann geht in die Hocke. Sie zeigt ihm einen kleinen Frosch und zuckt überrascht zurück als dieser ihr aus der Hand springt. Bevor sie allerdings dem nachjagen kann was sie gerade noch hatte, hält Alexander sie auf. „Lass es. Leben und Leben lassen, das hat uns der Herr gelehrt." Ein wenig enttäuscht sieht sie dem davonhüpfenden Tier nach und blickt kurz auf seinen Arm, ehe sie ihn wieder ansieht. „Pater Anderson? Darf ich eine Frage stellen?" Sanft lächelnd nickt er. „Natürlich." Sie deutet auf seinen freien Unterarm und legt den Kopf schief. „Was heißt das?" Was heißt was? Er hat nichts aufgeschrieben. Ein wenig verwirrt sieht er auf seinen Unterarm, sein Mund geht leicht auf und er lächelt. „Komm her und wir gehen das gemeinsam durch, ja?" Das kleine Mädchen stellt sich direkt vor ihn und legt den Zeigefinger auf den ersten Buchstaben. „Das ist ein I! Das ist ein C... und das ein H!" Der Pater nickt. Englisch wird hier von Grund auf als Zweitsprache gelernt. „Sehr gut, was heißt das dann?" Die kleine sieht zu ihm hoch und grinst breit. „Ich!" Wieder nickt er. „Sehr gut. Das zweite Wort?" So lernt sie wenigstens ein klein bisschen nebenbei, während er die Nachricht immer und immer wieder liest. ‚Ich bin auf Reisen. Werde dich auch ein wenig mitnehmen!' Seine Seelenverwandte reist also gern, was? Aber er ist gespannt wohin sie ihn überall mitnimmt. In welchem Land sie wohl gerade ist? Seine Fantasie geht sofort auf Italien, aber das wird es nicht sein. Wenn doch, sollte er es früh genug herausfinden. „Wieso geht Ihr wieder auf Reisen, Pater Anderson?" Der blondhaarige Mann lächelt weiterhin sanft und schüttelt den Kopf. „Mach dir keine Sorgen. Ich gehe nicht auf Reisen. Du musst mich leider noch ertragen!" Er legt ihr eine Hand auf den Rücken als sie ihn, so weit es mit ihren kurzen Armen geht, umarmt. Kinder sind und bleiben unschuldige Wesen.
Sie ist also auf Reisen. Damit hätte er doch theoretisch ein wenig Freizeit, oder? Dann kommen ihm aber die Worte Integras wieder in den Sinn. Auch wenn es rund um die Welt sein muss. Er hasst es manchmal wirklich dass sie gelernt hat alles abzudecken zwischen dem er sich ansonsten durchschlängeln hätte können um dem Befehl ein wenig Würze zu verpassen. Die Frage stellt sich nur, wohin sie geflogen ist. Muss er jetzt wirklich die Videos der Sicherheitskameras in den Flughäfen durchgehen um zu wissen in welchen Flieger sie gestiegen ist? Er hasst den Befehl gerade zutiefst und ein gewisser Groll gegen die werte Lady hat sich auch aufgebaut. Warum muss er sie suchen wenn sie genau weiß dass er sie eigentlich nur beschützen will? Ist er ihr so auf die Nerven gegangen? Gut, vielleicht hätte er nicht einfach so die ‚Handlungsempfehlung' ablehnen sollen die sie ihm gegeben hat. Kann er Seras auf das alles ansetzen? Nein, sie übernimmt gerade seine Aufgaben und sie hat IHM den Befehl gegeben. Fuck, er will das alles echt nicht! Dennoch legt er sich in seinen Sarg und schließt den Deckel. Wenigstens hat er jetzt so ein wenig die Möglichkeit auf Ruhe, die ihm wirklich mehr als zusteht. Emmy hingegen sieht auf das riesige Haus und dann zu ihrem Onkel. „Wie kannst du dir so etwas leisten?", fragt sie erstaunt und er seufzt. Mit einem leichten Augenbrauenhochziehen legt er ihr eine Hand auf den Kopf. „Schon vergessen das mir eine Friseusalonreihe gehört?" Ah, ja... da war was. „Apropos. Willst du dass ich dir mal die Haare schneide? Du bist hier eine Woche, Zeit hätten wir!" Nachdenklich sieht sie ihre schulterlangen Haare an und weiß nicht so recht. Eigentlich wollte sie sich die Haare mal wieder wachsen lassen, nachdem sie ihre alte Haarlänge gespendet hatte. „Wie viel würde es kosten?" Onkel Roman streicht ihr durch die Haare und sieht dann zu ihr. „Nur um die Möglichkeit zu haben deine Haare zu schneiden würde ich einen Mord begehen. Außerdem bist du Familie! Du wirst nichts zahlen." Das ist wirklich nett, aber Emmy würde sich dadurch echt schlecht fühlen. „Aber-" „Nichts ‚aber'. Wann willst du es geschnitten haben?" Die junge Frau starrt ihn leicht entgeistert an und mustert ihn. „Lass mich wenigstens-" „Versuchst du dich gerade gegen deinen Patenonkel aufzulehnen? Sie es als... verspätetes Geburtstagsgeschenk an!" Kurz sieht sie auf das Handy und dann wieder zu ihm. „Ich hatte vor sieben Monaten." Roman sieht kurz auf die Seite, dann wieder zu ihr. „Namenstag?" Nachdenken, wann sie eigentlich Namenstag hatte. Irgendwann im Februar dürfte es gewesen sein. „Drei Monate her." Er schnippt und grinst. „Perfekt! Aber jetzt komm endlich rein. Markus dürfte auch schon warten!" Geschlagen, aber trotzdem endlich froh hier sein zu können, nimmt sie einen Koffer und folgt Onkel Roman, der den zweiten an sich gerissen hat, in das große Haus. Sie ist gespannt wie ihr Seelenverwandter wohl auf die Nachricht reagieren wird dass sie auf Reisen ist! Bis jetzt kam nichts, aber das kann sich ja eventuell noch ändern.
Im Haus trifft sie auf Markus, den Sohn von Roman. Seine Frau hat ihn verlassen nachdem sie ihn betrogen hatte und lebt nun mit dem Kerl zusammen, mit dem sie ihn betrogen hat. „Emmy!" Markus fliegt fast die Treppen runter nachdem er bemerkt hat dass seine Cousine da ist und springt an ihr hoch. Bei ihm muss sie dann doch so ein wenig Deutsch sprechen. Mit neun Jahren ist das Englisch noch nicht wirklich gut, aber das sollte kein Problem sein. „Hey, Markus." Der Junge lässt sie los und nimmt sie sofort am Handgelenk. „Ich habe einen neuen Legoturm gemacht! Schau ihn dir mal an!" Bevor sie ihm aber fast schon gezwungenermaßen folgen kann, schreitet sein Vater ein. „Markus, beruhig dich. Lass sie doch erst einmal hier ankommen und das Zimmer beziehen, bevor sie irgendetwas macht, ja?" Ein wenig enttäuscht blickt er schon drein, lässt sie aber los und nickt. „Aber danach spielen wir!" Emmy nickt lächelnd und sieht dankbar zu ihrem Onkel, der sie in ihr Zimmer bringt. „Hier ist das Wlanpasswort und eine Wochenkarte für den Bus und für den Zug, falls du irgendwo hin willst. Wann willst du dir die Haare schneiden lassen?" Dankbar nimmt sie ihn noch einmal in den Arm und lässt ihn kurz danach wieder los. „Danke für alles, Onkel Roman. Uhm... wegen den Haaren habe ich noch keine Ahnung! Ich weiß ja nicht einmal was ich machen will oder überhaupt etwas." Nachdenklich reibt er sich den Bart und nickt. „Wie wäre es mit einer kleinen Überraschung? Ich schneide dir die Haare so wie ich es mit der aktuellen Mode und für dich persönlich am besten finde?" Eigentlich ist sie überhaupt kein Freund davon nicht zu wissen was los ist. Spontanität ist kaum bei ihr vorhanden, aber Tim hatte gemeint dass sie da mal ein wenig anders werden sollte. Gut, das wird die erste Entscheidung dafür! „Deal. Ich vertraue dir vollkommen was meine Haare angeht! Wann, das suchst du dir am besten aus! Nur sag mir bescheid wann und ich schreib mir das am besten auf." Ansonsten ist sie wer weiß wo und hat komplett vergessen dass sie eigentlich einen Termin hätte. „Klar, ich kenne dein Gedächtnis noch von früher. Ist Alzheimer oder Demenz bei dir eigentlich ausgeschlossen?" Emmy seufzt und nickt. „Beides ausgeschlossen, ich bin einfach nur dumm." Für einen Moment starren sich die beiden stumm an, ehe Markus das Lachen sogar zwei Zimmer weiter hören kann und sich fragt was die Erwachsenen bitte jetzt schon wieder besprochen haben. Aber nicht lange, dann spielt er mit dem Legoturm weiter und konzentriert sich darauf ihn noch höher zu bauen. „Es gibt gleich Abendessen. Bist du dabei, oder willst du dich schon einmal umsehen?" Lieber bleibt sie erst einmal hier und gewöhnt sich ein. Außerdem ist ihr dunkel im Gedächtnis geblieben dass Onkel Roman ein Gott ist was die Küche angeht und sie will sich dann schon irgendwie bekochen lassen wenn es geht. Natürlich wird sie selbst ein paar Aufgaben im Haushalt übernehmen um ihre Dankbarkeit für das kostenlose Dach überm Kopf auszudrücken! Aber wenn er kocht... dann will sie das Essen!
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