Kapitel 2
Schweißgebadet fuhr ich hoch. Mit klopfendem Herzen stellte ich meinen Wecker aus, der mir ziemlich laut mitteilte, dass es Zeit war aufzustehen. Kurz schloss ich die Augen und legte mein Gesicht in meine Hände, um wieder zur Ruhe zu kommen. Was hatte ich geträumt? Ach ja, die Riesenspinne, erinnerte ich mich. Der einzige Ausweg war gewesen vom Dach zu springen, aber Spiderman war wo anders beschäftigt gewesen, sodass ich dieses Mal unten aufgeschlagen war. Sogar den Krankenwagen hatte ich schon gehört, der erstaunliche Ähnlichkeit mit meinem Wecker hatte. Ich zwang mich ruhig zu atmen und stand auf, als ich mich beruhigt hatte. Nur ein Traum, es war nur ein Traum, sagte ich mir. „Aber ein sehr realistischer, wenn man die Spinne außer Acht lässt.", murmelte ich und stand auf. Ich trug immer noch meine Sachen von gestern, am Abend hatte ich mich ja einfach nur ins Bett gelegt. Schnell zog ich mich um, zum Duschen würde keine Zeit bleiben. Ich stopfte meine Schulsachen, mein Portmonee, meinen Schlüssel und mein Handy in meinen Rucksack, bevor ich leise das Zimmer verließ. Meinen Rucksack stellte ich im Flur ab, bevor ich Milch aus dem Kühlschrank nahm und eine Schachtel Müsli auf dem Küchentisch abstellte. Zwei Schälchen und zwei Löffel und der Tisch war gedeckt.
So leise es ging öffnete ich Amys Zimmertür und setzte mich dann neben sie auf ihr Bett. „Guten Morgen.", flüsterte ich und streichelte leicht ihre kleine Schulter. Irgendetwas Unverständliches murmelnd drehte sie sich zu mir und öffnete mit Mühe die Augen. „Zeit zum Aufstehen.", sagte ich und zog die Rollläden ein Stück nach oben, als Amy sich hinsetzte. „Komme gleich.", murmelte sie immer noch verschlafen und machte sich daran aufzustehen. Ich lächelte und ließ sie dann alleine, damit sie sich umziehen konnte. Sie hatte mir letzte Woche erst stolz erzählt, dass sie mit fünf jetzt groß genug wäre, um sich alleine anzuziehen. Da sie damit recht hatte und es klappte, ließ ich sie. Zwar kamen dabei dann manchmal interessante Kleiderkombinationen wie karierter Rock mit gestreifter Strumpfhose und blau gepunktetem T-Shirt raus, aber so lange es ihr gefiel, war ja alles gut.
Keine zehn Minuten später saß meine kleine Schwester dann in der Küche und aß munter ihr Müsli. „Wir basteln heute!", erzählte sie mit leuchtenden Augen. „Ach wirklich? Das ist ja toll!", lächelte ich und räumte meine leere Schüssel in die Spüle. „Ja, ich habe gesagt ich bringe den Glitzer mit.", hörte ich hinter mir. Irritiert drehte ich mich um. „Glitzer? Amy, seit wann weißt du das denn?", fragte ich und versuchte nicht sauer zu werden. Wo zum Teufel sollte ich morgens um viertel vor 7 Glitzer herbekommen? „Seit Montag! Ich hab Mummy direkt Bescheid gegeben, aber sie hat noch keinen gekauft.", erzählte Amy. Ich seufzte, dann hatte sie ja jemandem Bescheid gesagt. „Erzähl es das nächste mal bitte auch mir, okay?", bat ich sie, während ich fieberhaft überlegte, welcher Laden wohl Glitzer verkaufte. Vielleicht gab es im Kiosk ja welchen? „Wir holen auf dem Weg zum Kindergarten Glitzer.", versprach ich und schmierte schnell zwei Brote, eins für mich und eins für Amy. „Na komm, wir müssen los, wenn wir noch den Glitzer kaufen wollen." Meine kleine Schwester sprang von ihrem Stuhl und flitzte Richtung Flur davon. Ich stellte ihre Schüssel auch in die Spüle, bevor ich ihr folgte.
Unten auf der Straße angekommen war es schon 7 Uhr, es hatte eine Weile gedauert, bis wir endlich Amys Jacke gefunden hatten. Ich nahm meine Schwester an der Hand und ging relativ zügig zu dem Kiosk um die Ecke. Wir hatten Glück und er hatte tatsächlich noch eine kleine Dose Glitzer. Es war nicht viel, aber es würde reichen müssen. Ganz stolz steckte Amy die Dose in ihren kleinen pinken Rucksack.
Dann gingen wir zu Fuß weiter zum Kindergarten und nur mit Mühe und einem kleinen Sprint schaffte ich es, noch rechtzeitig in der Schule aufzutauchen.
„Hausaufgaben raus, wir besprechen sie jetzt!", hallte Mr. Harringtons Stimme durch den Klassenraum. Siedend heiß erinnerte ich mich an die nicht gemachten Mathe Hausaufgaben. Um Zeit zu schinden tat ich so, als würde ich in meinem Rucksack nach den Aufgaben suchen, während mein Mathelehrer zwischen den Tischreihen durchging und bei jedem kurz draufguckte. „Mist!", fluchte ich im Flüsterton und überlegte fieberhaft, was ich als Erklärung vorbringen konnte. Peter, der rechts neben mir saß, blickte von seinen Hausaufgaben auf und sah mir dabei zu, wie ich nach meinen offensichtlich nicht gemachten Aufgaben suchte. Schon den ganzen Tag hatte er mich immer wieder beobachtet und komisch angeschaut, aber ich hatte versucht es zu ignorieren. Peter war mir eigentlich sympathisch, aber da ich keinen Grund für seine Blicke sah, lohnte es sich nicht, darüber nachzudenken. Mr. Harrington war jetzt bei unserer Reihe angekommen. Gerade als ich für eine Erklärung ansetzen wollte, schaute er auf meinen Tisch, nickte und setzte einen Haken neben meinen Namen auf seiner Liste. Sofort sah ich runter. Auf meinem Tisch lag ein Blatt mit den Mathehausaufgaben. „Mr. Parker, wo sind Ihre Aufgaben?", fragte der Lehrer währenddessen Peter. „Tut mir leid Sir, die habe ich nicht gemacht. Es kommt nicht wieder vor.", murmelte er und betrachtete seine Tischplatte. Ich konnte meine Überraschung nicht verbergen, als ich zwischen Peter und seinen Hausaufgaben auf meinem Tisch hin und her blickte. Schließlich blieb mein Blick an Peter hängen, der zu mir sah und mir dann leicht lächelnd bedeutete, den Mund zu schließen. Ich wurde ein wenig rot und schloss schnell meinen aufgeklappten Mund.
Am Ende des Matheunterrichts packte ich meine Sachen länger ein als nötig. Die ganze Stunde hatte ich überlegt, wieso Peter das gemacht hatte. Ich dachte nicht, dass wir so eng befreundet waren. Oder doch? Wir wechselten ab und zu ein Wort, aber ansonsten? Alle anderen waren schon weg, als endlich auch ich aufstand und mir überlegte, was ich sagen wollte. Ein einfaches ‚Danke' wäre zu wenig. Aber was dann? Grübelnd kam ich an meinem Spind an, der zwar im gleichen Gang stand, wie der von Peter, aber etwas weiter weg war. Ich wechselte kurz meine Bücher, bevor ich zu Peter ging, der sich gerade mit Ned über etwas unterhielt. „Wieso hast du das gemacht?", platzte ich in ihre Unterhaltung. Ich wurde rot und merkte wie unhöflich das klang und Peters hochgezogene Augenbraue verdeutlichte das auch. Ich wischte mir mit einer Hand über das Gesicht und sagte dann: „Tut mir leid, das klang ganz anders als ich das meinte. Das war unglaublich nett von dir Peter, danke. Wieso hast du den Ärger auf dich genommen?" Scheinbar wusste er das mittlerweile auch nicht mehr so genau, denn es dauerte eine ganze Weile bevor er mir antwortete. „Es wäre dein viertes Mal in zwei Wochen gewesen. Dann hättest du einen Anruf nach Hause bekommen und ich glaube, das will niemand. Außerdem kenne ich....ich meine kann ich mir vorstellen, dass es manchmal etwas stressig ist mit den ganzen Hausaufgaben.", erklärte er mir. „Wirklich, schon so oft?", hakte ich nach. „Kein Wunder, dass ich keine Ahnung von dem hatte, was Mr. Harrington heute in Mathe erzählt hat.", murmelte ich leise. „Also, wenn du möchtest, könnte ich dir helfen. Ich könnte dir erklären, was wir die letzten zwei Wochen gemacht haben. Also, nur wenn du möchtest.", schlug Peter etwas unsicher vor und verschränkte die Arme. „Das wäre wirklich nett!", stimmte ich erfreut zu, bevor ich es mir anders überlegen konnte. „Echt? Ich meine, klar, cool.", erwiderte Peter, scheinbar doch ein bisschen überrascht. „Wie wäre es mit heute Nachmittag?", schlug er vor. „Ja, gerne.", sagte ich lächelnd, doch dann fielen mir Amy und meine Mum ein. „Aber...würde es gehen, wenn wir das bei dir machen? Und wenn ich meine kleine Schwester mitbringe? Ich kann sie nicht so lange alleine lassen.", fragte ich zögernd nach und hoffte, er würde nicht weiter nachfragen, wieso niemand auf Amy aufpassen konnte. „Ja, ich denke das müsste gehen.", antworte Peter jedoch zu meiner Erleichterung. Er schrieb mir schnell seine Adresse auf einen Zettel. Wir verabredeten uns um vier bei ihm, bevor wir in unterschiedliche Kurse gingen.
Den ganzen restlichen Vormittag überlegte ich, wieso Peter plötzlich so nett zu mir war. Ja gut, er war eigentlich zu jedem nett, außer zu Flash vielleicht, aber trotzdem. In der Mittagspause saß ich mit Michelle an einem Tisch. Wir wechselten kaum ein Wort, wie eigentlich jede Mittagspause und hingen nur unseren Gedanken nach. Peter und Ned saßen gar nicht weit weg, hatten aber nur Augen für Liz. Ich verdrehte nur kurz die Augen und widmete mich dann wieder meinem Essen. Michelle sagte irgendetwas zu den beiden, doch ich hörte kaum zu und überlegte, wie ich Amy vom Kindergarten abholen und dann rechtzeitig zu Peter kommen sollte. Ich hatte eine vage Ahnung, wo die Straße war, in der er lebte, doch ganz genau wusste ich es nicht.
Nach der Schule ging ich mit Amy neben mir die Straße entlang. Bis zu Peter müssten es noch ein paar Blocks sein, genug Zeit, um noch einen Anruf zu erledigen. Ich wählte die Nummer und wartete bis der Anrufbeantworter ansprang. „Hey Mum. Du hörst diese Nachricht vermutlich sowieso nicht, aber falls doch, wollte ich Bescheid sagen, dass ich zu einem Klassenkameraden gehe. Amy hab ich schon abgeholt, ich nehme sie mit. Wir kommen dann irgendwann nach Hause, vermutlich spät am Nachmittag. Bye." Ich seufzte und steckte das Handy in meine Jackentasche. Unsere Mailbox war voll von Nachrichten, die fast alle von mir sind. Ich hatte wenig Hoffnung, dass sie etwas anderes tun würde, als im Bett zu liegen und zu schlafen, aber falls doch, sollte sich unsere Mutter keine Sorgen machen. „Wohin gehen wir eigentlich?", fragte Amy neugierig. „Hatte ich das noch nicht gesagt?", fragte ich verwundert. „Wir gehen zu Peter, er ist ein Mitschüler von mir. Er hilft mir mit Mathe, in letzter Zeit war es ein bisschen kompliziert.", erklärte ich. Amys einziger Kommentar war ‚Ok'. Es würde nicht besonders spannend für sie werden, aber besser als alleine zuhause mit Mum.
An der nächsten Kreuzung blieb ich stehen und blickte mich unschlüssig um. Rechts, links oder geradeaus? Die Straßennamen halfen auch nicht viel. „Haben wir uns verirrt?" Ich schüttelte den Kopf. „Nein, haben wir nicht, Amy. Ich bin...nur nicht ganz sicher in welche Richtung es geht." „Schade, dass wir kein Navi haben.", meinte Amy und hüpfte herum. „Felicity's Mum hat so eins. Das sagt im Auto immer an, wo es langgeht." Überrascht blickte ich von dem Zettel auf, auf dem Peters Adresse stand. „Gute Idee, Amy." Ich holte mein Handy heraus und öffnete Google Maps. Schnell tippte ich die Adresse ein. „Komm wir müssen nach rechts.", teilte ich meiner Schwester mit. Den ganzen restlichen Weg, hüpfte die Fünfjährige auf dem Gehweg hin und her und versuchte, keine der Ritzen zu berühren. Lächelnd erinnerte ich mich, dass ich das früher auch immer gemacht hatte.
„So, das müsste es sein.", meinte ich und blickte zu dem Mehrfamilienhaus auf. Auf den Klingelknöpfen suchte ich den Namen Parker und drückte darauf, als ich ihn gefunden hatte. Ein paar Minuten standen wir da, bevor ein Summen ertönte und sich die Tür öffnen ließ.
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