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Das Echo des Abgrunds

Die Schreie des Balrogs drangen durch die Bergwände, als bestünden sie aus dünnem Holz. Als wären sie klein und ungeschützt, wie eine Hobbit-Höhle. Der Laut drang in jeden Winkel, in jeden noch so winzigen Spalt der Hallen. Es verblieb keine Zeit für ausschweifende Gedanken, noch für einen durchdachten Ausgang. Bilbo befand sich in Thorins klammerndem Griff und hielt beide Augen fest geschlossen, als das Brüllen sich vervielfachte. Als es so lautstark explodierte, als würde Moria einstürzen. Ein explosionsartiger Knall verriet ihnen, dass genau das geschah. Direkt vor einige Zwergen-Häupter, um sie beinahe, vor Ort und Stelle, unter Schutt zu begraben. Neun oder zehn weitere Rufe erschütterten den Untergrund. Hitze erloderte. Dann entstand eine erstaunlich große Pause.

Der Hobbit schlug schnell mit den Augen auf, schnellte achtsam aus dem festen Griff und erblickte zuerst das Blau von Thorins Augen. Es spiegelte ein flammendes Gold wider; um die Iris winzige Tupfer Schrecken. Doch spähte Thorin an Bilbo vorbei. Fasziniert von der Anbetracht seiner Augen, doch verwundert, folgte Bilbo eben jenem Blick. Mit einem Mal erkannte er, weshalb sein Gatte einen derart erschrockenen Ausdruck aufgelegt hatte.

Statt eines Zwergengrabes stickte sich ein grauer Punkt vor das feuerspeiende Monster. Bloß eine kleine Hutspitze machte seine Identität kenntlich. Bilbo schüttelte verdutzt den Kopf.

»Er wird doch nicht ... niemand kann es bezwingen«, war er sich sicher. Der Balrog war zigfach gigantischer als der gefallene Drache Smaug. Ausgezeichnet war er von einer derartigen Monstrosität, die jedem, der ihn erblickte, das Blut in den Venen gefror. Thorins Augenlider standen weit geöffnet. Zuerst starr, dann drängender, zupfte er an Bilbos Ärmel.

»Komm!«, zischte er. »Verschwinden wir von hier!« Kurz davor, den Halbling hinter sich her zu zerren, sputete der Zwerg nach links - nur um Augenblicke später zurückzuprallen. »Was soll das?«, keuchte Thorin. »Wir müssen dich hieraus schaffen!« Er setzte einen zweiten Versuch an.

Bilbo allerdings blieb wie angewurzelt stehen. Starr vor Entsetzen erblickte er die augenscheinlich ausweglose Situation. Das Erheben von Gandalfs Zauberstab, als der nun tatsächlich zu einem Hieb in Richtung des Monsters ansetzte.

Um sie herum war auch das übrige Zwergenvolk in Bewegung geraten. Die kullernden Bälle hatten Beine bekommen. Sie rannten nun fit in Richtung des Westtors. Hastig raste Thorin vor Bilbos Sichtfeld und umfasste beide seiner Schultern. Er befahl streng, nahezu brüllend: »Du kommst jetzt mit mir!« und zog heftig an seiner Hand. In letzter Sekunde entglitt sie ihm.

»Nein«, sprach Bilbo erstaunlich klar über das Monstergebrüll hinweg. Thorin schlug sich fassungslos an die Stirn. Der Zauberer setzte zu einem weiteren Hieb an. Allerdings wirkte diese Ausführung unfähig. Zitterten Gandalfs Arme? Der Hobbit biss sich auf die Unterlippe.

Da reichte es Thorin. Nebel umgab seinen Geist, fast wie bei der Drachenkrankheit. Wenn er Bilbo nicht dazu bringen konnte, seinem Rat zu folgen, eben gleich wie im Dimrilltal, musste er ihn eben zwingen. Zwingen, mit dem stärksten Mittel, das einen gutherzigen Hobbit treffen konnte. Ein Teil von Thorins Selbst zerbarst in unendliche Teile bei dem Gedanken daran, was geschehen würde, wenn er sich dagegen entschied. Doch nicht so stark wie Bilbos Tod. Der Gedanke, dass man ihn verletzen könnte. All die grausamen Erinnerungen.

Und doch entfielen Thorin die nächsten Worte so schrecklich unüberlegt. Wäre er bei Sinnen gewesen, so hätte er sie augenblicklich zurückgenommen.

»Entweder du folgst mir, oder ich verweigere unsere Rückreise.«

»Was?«, keuchte Bilbo mit gerunzelter Stirn.

»Ja!«, zitterte Thorin. »Entweder du folgst mir jetzt, oder ich kehre nicht zurück. Mit dir. Nach Beutelsend. Eine leichte Entscheidung, wenn ich dir etwas bedeute.« Dem Hobbit entfielen jegliche Gedanken an die äußere Lage. Die Präsenz eines verschlingenden Monsters wurde eine Millisekunde lang gänzlich unsachlich, gar der Fakt, dass sein alter Freund von Zauberer diesen gewaltigen Kampf mutterseelenallein ausfocht.

»Ein Ultimatum ...«, sprach er heiser vor Ungläubigkeit. Thorin nickte mit verschränkten Armen.

»So ist es.«

»Aber ich kann Gandalf doch nicht im Stich lassen! Er ist mein Freund«, protestierte Bilbo.

Der Zwerg murrte: »Und wenn schon. Dein Leben ist viel wertvoller als seines. Ich verlange es. Also: Der Zauberer oder ich?« Der Hobbit kräuselte die Nase beim Anblick der lavafarbenen, glühenden Augen, die sogleich den Berg zu zerbersten drohten.

Meinte er das ernst? Würde Thorin sein Wort halten? Ihn im Stich lassen? Das Herz des Hobbits sackte so tief hinab, dass er nach Luft schnappte. Ein letztes Mal blickte er zwischen dem Monster, seinem hilflosen alten Freund und seinem Gatten hin und her. Dann seufzte er schwer. »Tut mir leid, Thorin. Du weißt, dass ich mich für dich entscheiden würde, aber ... So etwas kann ich nicht«, hauchte Bilbo mit zusammengekniffenen Augen.

Ehe Thorin es sich versah, war der Hobbit seinem Griff vollends entglitten. »Nein!«, keuchte er noch. Der einstige Meisterdieb raste, so schnell ihn seine kleinen Beine trugen, hinfort von seinem Gatten, der sich nicht länger zu rühren wagte. Das Monstrum setzte zum Angriff an. Mit ausgestreckten Armen kroch es genau vor den grauen Zauberer, der nun den Zauberstab anhob. Bis zum Gipfel der Schlucht folgte er ihm. Doch wahrlich - wollte Gandalf etwa springen?

Beinahe fiel Bilbo über einen kleinen Steinbrocken. Er kletterte mühselig die zerrütteten Felswände hinauf; sprang angestrengt in die Höhe. Der Graubärtige Mann donnerte: »Ich bin ein Diener des geheimen Feuers, Gebieter über die Flamme von Arnor! Diener der lóte, die dich einst vernichtete! Das dunkle Feuer wird dir nichts nützen! Flamme von Udûn!« und wirbelte den Stab über seinen Kopf. Der Balrog hob den hornförmigen, zutiefst unheimlichen Kopf und setzte zum Angriff an. Noch einmal brüllte der Zauberer: »Zurück zu den Schatten!«

Doch da war es bereits zu spät; Das Monstrum streckte ein Arm ähnliches Glied nach Gandalf aus. Er hob den alten Zauberer an. Dann schüttelte er ihn und zog ihn beinahe in die Tiefe. In letzter Sekunde konnte Gandalf sich noch an einen Felsvorsprung krallen. Da war Bilbo schon zur Stelle.

»Ich helfe dir!«, krächzte er und reichte seinem alten Freund die Hand. Gerührt, doch abwehrend, blickte Gandalf dem Hobbit entgegen.

»Flieh! Flieht, ihr Narren!«, brüllte der. Eine Hand rutschte vom Felsvorsprung. Bilbo schüttelte zutiefst fassungslos den Kopf. Er redete mit ausgestreckter Hand auf ihn ein: »Jetzt komm schon, Gandalf! Los! Ergreife sie um Himmels Willen!« Doch der Zauberer taumelte weiter über dem Abgrund - gewillt auch die zweite Hand zu entfernen, was Bilbo jetzt stechend klar wurde.

Schließlich erhob sich das Ungeheuer erneut aus dem Abgrund. Ein Kopf gesenkt wie jener von Smaug. Eine Flamme, glühender als das Antlitz des Drachens je zu sein vermochte. Ein flammendes Mundwerk mit spitzen Zähnen. Eine Peitsche und brennende, feuerrote Haut. Zwei Augen, durchdringender als jeder Blick, der Bilbo je fixiert hatte. Mit Worten konnte man dieses Ungeheuer gewiss nicht abwehren. Wie eine Maus huschte der Hobbit zurück. Die Arme vor sein Gesicht gestreckt. Auf den Flammentod wartend. Noch einen Gedanken an Thorin hegend. Flehend, dass er geflohen war. Dass er sich in Sicherheit befand. Dass er nicht unter Bilbos Verlust leiden müsste.

Doch da geschah es: Das Feuer enthielt sich. Auch das Brüllen verstummte, als hätte man es gemeinsam mit den Flammen gelöscht. Stattdessen geschah etwas außerordentlich Kurioses: Der Balrog legte den Kopf schief. Er musterte das Angesicht des Halblings durch scharfe Augen. Augen, die sich verengten. Ein Prickeln wirbelte durch die Luft. Bilbo erbebte. Es war wie Magie.

Mit einem Mal erschien es, als hätten sich die Rollen getauscht. Als wäre nun tatsächlich - man wolle sich vorstellen - der winzige, winzige Halbling das Ungeheuer, vor dem es zu fliehen galt. Ein letztes Mal stöhnte der gigantische Balrog auf. Streckte sich empor. Wand sich. Und verschwand dann wie ein Wurm im Graben, unter der Erde - fernab in den Tiefen Morias.

Ungläubig blinzelte und starrte Bilbo auf seine Hände, als hätte er sie noch nie gesehen. Als besäßen sie urplötzlich eine ungeahnte Zauberkraft.

Erst nach wenigen Sekunden bemerkte er, dass sein alter Freund noch über dem Abgrund taumelte. Blitzschnell ergriff er Gandalfs letzte Fingerspitzen. Doch es war dem nicht mal halb so großen unmöglich, das Gewicht des Zauberers eigenhändig zu stemmen. Verzweifelt zog er an seinem Ärmel.

»Schon gut, mein alter Freund«, keuchte Gandalf noch - tatsächlich bereit, sich in die Tiefe zu stürzen. Da erklang plötzlich ein unheimliches Klappern. Erschrocken fuhr Bilbo herum. Es war, als hätte eine Goldmünze aufgeschlagen. Rabenschwarze Haare schlängelten sich, hier im trüben Fackellicht grau wie ein Gespenst, um das versteinerte Gesicht Thorins. Das Herz des Halblings stolperte. Er war ihm also doch gefolgt.

»T-Thorin! Bitte, hilf mir«, stotterte Bilbo unter vor Anstrengung verzerrtem Gesicht. Doch der Zwerg rührte keinen Finger. Er starrte nur. Starrte derart gruselig, als würde er gar nicht wirklich starren. Als wäre er blind und blickte nun ins schwarze, unerfüllte Nichts.

»Thorin! Bitte! Ich brauche deine Hilfe!« Der Halbling keuchte, noch immer um Gandalf bangend. Unwillig aufzugeben. Denn er war ein Beutlin. Beutlins gaben nicht auf. Niemals. Selbst, wenn störrische Gatten von Zwergen ihren Stolz nicht herunterschlucken konnten. Oder was sonst in ihm vorgehen mochte. Bilbo setzte mühsam unter feuchten Augen an: »Ich brauche ... dich

Flehend stierte er Thorin entgegen. Der löste daraufhin eine Faust, schluckte mit erweichendem Blick. Ergeben trat er heran. Gemeinschaftlich, doch ohne das Gefühl wahren Verbunds, stemmten die beiden, kleinen Kreaturen den großen Zauberer. Gandalf hustete als er am sicheren Boden aufkam. Dann blickte er sichtlich verwirrt zwischen Thorin und Bilbo drein.

Das Gesicht des Zwerges war gänzlich undeutbar. Bilbos war blass und grau von dem Schock aller Vorkommnisse. Doch vor allem, weil ihm jetzt erst zusehends ins Bewusstsein rückte, was Thorin zu ihm gesagt hatte. Der Zauberer schüttelte die Erde von seinem Gewand, als hätte er lediglich einen unsanften Sturz erlitten. Als hätte er nicht soeben einen alten Albtraum durchlebt. Dann rückte er den Spitzhut zurecht, stellte den Zauberstab auf und trat zwischen die beiden. »Das war eine knappe Angelegenheit«, stellte er fest. »Ich danke euch.«

Bilbo kaute auf der Unterlippe, bis er Blut schmeckte. Thorins Miene vereiste kalt, beinahe zornig anmutend. Sie starrten aneinander vorbei, als würde der jeweils andere nicht existieren. Nur der Hobbit warf dem Zwerg ab und an einen seitlichen Blick zu. Als Thorin es nicht länger aushielt, richtete er sich auf, hob die Schultern und den Kopf, um größer zu wirken. Dann stellte er tief und knurrend fest: »So ... Khazad-dûm ist tot ...«

Dem Hobbit wurde bitterkalt, als er Thorins bedrohliche Stimmlage vernahm, und noch kälter, als sein Blick jenem des Zwerges folgte. Tatsächlich. Wo einst Gräser geblüht hatten, lag nur noch zu Asche versengte Erde. Wo einst die Reichtümer transportiert worden waren, verkümmerte nichts als halb verendetes Brennholz. Einige Durchgänge waren eingestürzt. Andere Wege zerrissen und gebrochen. Lediglich die verschachtelten Schlafgemächer mochten noch intakt sein, doch der Basisstützpunkt war unter der Macht des Balrogs zusammengestürzt. Es würde Ewigkeiten dauern, es wieder herzurichten. Zumal es hier keine Zwergenheimat mehr gab, solange der Balrog wütete.

Ein tiefer Wunsch bewegte Bilbo. Der Wunsch Thorin eine Hand auf die Schulter zu legen. Thorins Hand in die seine zu nehmen und zum Trost zu halten. Doch der Zwerg würdigte ihn noch immer keines Blickes, verachtete ihn nahezu.

»Das ist das Ende unserer Mission. Das Ende der Hallen meiner Vorväter. Der Hallen Durins!«, stöhnte Thorin heiser und wandte sich schließlich zu Gandalf. »Du sagtest, du wüsstest, was zu tun sei, Zauberer. Warum hast du nichts weiter ausgerichtet?«

Plötzlich formte sich dieser Wunsch um. Thorin hatte Bilbo ein gigantisches Ultimatum gestellt, ihm die Hilfe zuerst verweigert und nun machte er Gandalf Vorwürfe, nachdem es sein Volk gewesen war, das durch seinen Lärm diese Schandtat überhaupt erst ausgelöst hatte? Ein seltsamer Funke Zorn, eingebettet in graue Zweifel, ließ Bilbo aufschnellen.

»Das geht zu weit, Thorin! Gandalf trifft keine Schuld.« Ein rasches Umkehren des Zwerges. Ein erhobenes Haupt, geschmückt mit tief gesenkten Brauen. Mit einem bitterernsten, eiskalten Blick, der vielleicht sogar zu töten imstande gewesen wäre.

»Du wagst es, mir ins Wort zu fallen? Nach allem, was wir gemeinsam durchgestanden haben?« Schleichend wie ein Panther kam der Schwarzhaarige auf den Halbling zu. »Schau dir doch diesen Mist an! Sieh dir dieses verdammte Unheil an! Wer hatte die scheußliche Idee, sich mit dieser Schlange anzulegen? Sicher nicht ich, so viel Torheit bringe ich nicht auf!« Seine Stimme senkte sich tiefer und tiefer, ehe sie derart entflammte, als spräche ein Drache aus ihm. Aber die Drachenkrankheit existierte doch nur im Erebor, oder? Der Halbling duckte sich.

»Es war eure Idee. Somit trifft euch die Schuld. Euch allein.« Das wuchs dem Hobbit Meter über den Kopf. Obgleich Thorins Augen trotz ihrer Eiseskälte noch immer wie wunderschöne Diamanten strahlten, ließ Bilbo sich heute nicht davon ablenken.

»Uns?«, entfuhr es ihm. »Du-Du hast doch davon geschwafelt, zurückzukehren! Du-Du warst doch derjenige, der die anderen in Sicherheit wissen wollte!« Er stemmte beide Arme in die Seiten. Dann versuchte er eine ebenso ernsthafte Miene wie Thorin aufzulegen, was ihm fürchterlich misslang, wie der Zwerg fand. Selbst wenn er wütend war, sah Bilbo Thorins Meinung nach noch immer viel zu süß aus. Kein wenig furchteinflößend.

»Wärst du nicht gewesen, wären wir noch immer im Erebor! Dann wären unsere Freunde im Feuer verendet. Wäre dir das etwa lieber gewesen? Ich habe das alles für dich getan, Thorin, bloß für dich!« Ein wenig Farbe löste sich aus Thorins Iris. Ein kleiner Funke der tosenden Flamme erlosch. Doch das hielt ihn nicht davon ab, beharrlich zu bleiben. Ein enormer Stich traf seinen Geist bei Bilbos Worten. Den tiefsten, verwundeten, vereinsamten Punkt. Für das, was nun folgte, hätte der Zwerg sich am liebsten ewig gestraft. Doch da war es bereits zu spät.

»Also gut, Bilbo. Wie du meinst. Aber wärst du ... wärst du nicht gewesen, Meisterdieb«, das Wort zischte er abfällig, »stände alles zu rechten Dingen. Dann wäre ich noch der ... König ... T-Thorin Eichenschild. Und keiner hätte je einen Fuß nach Khazad-dûm gesetzt!« Thorins Worte hallten in der lärmenden Stille des toten Zwergenreichs wider. Wie ein Echo.

Da geriet Bilbo ins Taumeln. Sein Fuß knickte auf dem rauen Untergrund. Sein Gesicht verzerrte sich, als hätte etwas in seine bare Sohle geschnitten. Sein Herz wurde von Schwere umfasst, als würde es anders als Gandalf soeben tatsächlich in die Tiefe gezogen.

Erst bei Bilbos kläglichem Anblick blühte Thorin, was er gerade gesagt hatte. Seine bitterernste Miene verweichlichte. Sein Blick sank mit Bilbo in die meilenweite Tiefe. Gandalf räusperte sich nachdenklich und zog sich lieber zurück. Da war sie wieder: Die hörbare Stille. Lauter als jeder Schall.

»So ist das ...«, zitterte Bilbo. Er legte, sich selbst schützend, beide Hände um die Schultern. In jener Haltung bemerkte er nicht Thorins von Schuld zerfressene Miene, oder aber das fassungslose Öffnen seines Mundwerks. Jenes Mundwerks, das die soeben gesprochenen Worte nie wieder zurücknehmen konnte. Nimmer mehr.

Krankhafte Übelkeit stieg in die Magengrube des Zwergs. Aus einem Mechanismus hielt er beide Hände vor seinem Gesicht. Presste sie gegen sein Haupt, als könne er sich selbst dadurch büßen lassen. Oder aber vergessen, was alles geschehen war. Würde er den Halbling - Bilbo - nicht betrachten, so müsste er nicht mitansehen, was seine Worte angerichtet hatten.

Bilbo schluckte eine Träne hinab. Er musste sich nicht auch noch die Blöße geben, vor diesem Narren zu flennen. Diesem Narren. Diesem starrköpfigen Zwerg, der immerzu leichtfertig handelte. »Da wohnt kein Funke Sensibilität in ihm«, redete er sich selbst ein. »Kein Funke Anstand. Kein Funke ...«

Bilbo hob den Kopf. Erst jetzt erkannte er, dass Thorin sein Gesicht in den Händen vergraben hatte. Weinte er etwa? Solch ein Unsinn! Und nicht, dass es den Hobbit gekümmert hätte ... Nicht, nach allem, was er für ihn getan hatte, um nun derart abgewiesen zu werden. Dann wäre ich noch der König - Thorin Eichenschild. Das bedeutete ... bedeutete es etwa, dass Thorin an Bilbos Seite nicht er selbst sein konnte? Sein wahres Selbst?

Ein tiefes Mahl bohrte sich in die Herzwand des Halblings. Das Schlimmste war, dass Thorin recht hatte. Dass Thorin, obgleich seine Art manchmal ausschweifend war, immer den richtigen Hebel tätigte; ganz gleich in welche Richtung er auch zeigen mochte.

Der Zwerg presste die Hände noch fester gegen das Gesicht. Nun war tatsächlich ein leises Wimmern zu vernehmen - es zerriss dem Halbling das Herz.

Aber ... traf Thorin denn überhaupt die Schuld? War es nicht Bilbo gewesen, der jetzt zweimal sein Versprechen gebrochen und sie beide damit in größte Gefahr gebracht hatte? Ein Brennen in seiner Kehle.

Da gab sich der Hobbit einen Ruck. Er brachte sich mit aller Mühe auf die Beine und schritt im Schneckentempo zu dem Zwerg. Umsichtig betrachtete er den dunklen, angefeuchteten Bart des Erben Durins, der sein Königreich im Feuer aufgehen sehen hatte. Der so viele Schlachten ausgefochten, so viel verloren hatte, was ihm einst teuer gewesen war.

Ganz langsam wanderte Bilbos Hand zu seiner Schulter, ganz vorsichtig strich sie über den leicht durchtrennten Stoff. Ebenso langsam bewegten sich Thorins Hände, lösten sie sich einen Hauch von der Tränen verschmierten Haut. Zuerst erwiderte er die Berührung nicht, noch wagte er es, Bilbos Gesicht zu beäugen. Seine Berührung war tröstlich, doch brennend, nach allem, was in den letzten zwei Tagen geschehen war. Da flog ein Wispern in sein Ohr:

»Ist ja gut.« Bilbo näherte sich.

»Ist ja gut«, wiederholte er. Kälte wich Wärme.

»Hörst du? Es wird alles gut.«

Thorin schluckte laut. Dann verschwanden endlich seine Hände von seinen gequollenen Augen, um jene des einen zu treffen. Bilbo trug ein zartes, zwar gequältes, doch Trost spendendes Lächeln auf den Lippen. Sein Gesicht wirkte plötzlich wieder durch und durch unschuldig und liebenswert.

Thorins Augen füllten sich langsam mit Leben. Seine oftmals kalte und respekteinflößende Mimik wirkte nun zerbrechlich, beinahe unschuldig; wie ein verwundetes Tier. Zitternd griff er auf seine Schulter, nach Bilbos Hand und verschränkte ihre Finger ineinander.

Dann, als sie beide auf dem Boden angelangt waren, gemeinschaftlich in den Trümmern ihrer neuen Vergangenheit saßen, blieb nichts mehr. Nichts als Stille. Und sie beide. Schwach lehnte Thorin sich gegen Bilbos Schulter. So verweilten sie und schwiegen. Um sie herum nichts als die Stille des verlorenen Reichs. An ihrer Seite nichts als die Wärme des anderen. Doch dazwischen das Echo zigfacher Fragezeichen.

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