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Nur eine Hälfte

Es war ein steiler Pfad, den es zu erklimmen galt, und je höher die Gemeinschaft kam, desto schwerer wurde die Luft. Das Gebirge war vertrocknet, die letzten Grashalme schnitten in die Haut.

Bilbo machte Halt und betrachtete den einsamen Berg, der größer war als in seiner Erinnerung. Wie ein Gemälde lag er in den kahlen Bergen. Der Hobbit schluckte und schloss beide Augen.

Da erklang mit einem Mal eine tiefe Stimme: »An deiner Stelle würde ich augenblicklich umdrehen. Es ist ein gefährlicher Pfad, den du eingeschlagen hast.«

Erschrocken zuckte der Hobbit zusammen. Die dunklen Haare des Königs wehten sanft im Wind, während seine eisblauen Augen den Halbling durchbohrten.

»Aber Thorin. Das kannst du doch nicht so meinen!«, stotterte der Meisterdieb. »Hast du es immer noch nicht verstanden?«, fragte er irritiert. »Ich werde euch nicht verlassen, ehe beendet ist, was wir gemeinsam begonnen haben.«

»Ich schätze diese Einstellung. Doch ich fürchte, du unterschätzt die Situation.« Der Traum letzter Nacht durchfuhr den Meisterdieb, welcher sich alles andere als bereit für die kommenden Stunden und Tage fühlte.

Mit einem herrischen Ton fuhr Thorin fort: »In diesen Gemäuern wartet ein Drache. Kein kleiner Drache, wie aus den Geschichten, die man sich wahrscheinlich in deinem Dorf erzählt. Er ist hundertmal so groß wie wir.«

»Aus seinem riesigen Maul kommt Feuer, das eine ganze Stadt in Flammen legen kann. Seine Sinne sind scharf, er könnte einen an seinem Geruch erkennen, selbst wenn man unsichtbar ist«, vollendete Bilbo seinen Satz.

Thorins Blick weitete sich. »Geht weiter!«, rief er den anderen Zwergen zu. Niemals gab er zu, aus welchem Grunde er die nächsten Worte aussprach.

»Ich möchte, dass du jetzt gehst.« Der kleine Hobbit schüttelte den Kopf, lächelte kurz, bis er bemerkte, wie ernst diese Aussage gemeint war. Ernst blickte er seinem Gegenüber in die blauen Augen.

»Thorin, bist du des Wahnsinns? Das kannst du nicht von mir verlangen.« Schwermütig schüttelte Thorin den Kopf. »Wer soll ohne mich den Arkenstein aus den Tiefen von Gold befreien? Nur dazu bin ich hier. Um euch zu helfen. Um dir zu helfen.« Der Hobbit wollte den anderen folgen, da stellte der König sich mit verschränkten Armen vor ihn.

Trocken sagte er: »Am besten wartest du, bis der Zauberer zurückkehrt. Dann kann er dich zurück nach Hause bringen. Es wird bestimmt nicht allzu lange dauern.«

Wie gerne hätte Bilbo geflucht, so laut, dass es den gesamten Berg und noch besser, die Stadt beschallte. Mit aller Mühe fuhr er fort: »Du meintest, ich wäre ein wichtiger Teil der Mission. Erinnerst du dich nicht mehr daran, dass du mir dein Wort gegeben hast? Dass du mich nicht mehr fortschicken würdest? Zudem habe ich einen Vertrag unterzeichnet, und zwar genau ...«, Bilbo griff in die Tasche seiner roten Jacke, »den hier.«

Erhobenen Hauptes reichte er seinem Gegenüber den Schriftzug. Mit Entsetzen beobachtete Bilbo, wie dieser in der Mitte zerriss. Eine Hälfte fiel zu Boden. Die Zweite warf Thorin erbarmungslos den tiefen Hang hinab.

»Ich bin dankbar für deine Hilfe, doch deine Aufgabe ist hiermit beendet. Leb wohl.« Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, schritt Thorin den Hang entlang und rannte schließlich.

Natürlich versuchte der einstige Meisterdieb, ihn einzuholen, schnappte sich vorher die übrig gebliebene Hälfte des Vertrages und rannte mit aller Kraft, die sich in seinen Beinen befand, hinterher. Doch der Weg war zu lang und sein sorgfältig vorbereiteter Plan hinter dem Horizont verschwunden. Voller Wut fiel er auf den Boden, wo Tränen sein Gesicht benetzten.

Niemals hatte er mit einer solchen Reaktion gerechnet.

War es möglich, dass die Drachenkrankheit schon Meilen vor dem Berg einsetzte?

Um sein Herz schien sich ein riesiger Stein zu bilden, eine Masse, die schwer und kalt alles raubte, was ihm an Hoffnung geblieben war. Bilbo durfte nicht aufgeben, auch wenn der Weg weit und der Abstand groß war.

Dem Halbling war bewusst, dass er das Versprechen, das er sich selbst einst gegeben hatte, halten musste. Doch noch ehe er seine Hand bewegen konnte, spürte er, wie ihm übel wurde und die Dunkelheit ihn gänzlich umschloss.

~~~

Mit ernstem Blick rannte der König auf seine Gefolgsleute zu. Sein Kopf war gesenkt, seine Beine so schwer, als trüge er eine eiserne Rüstung.

Sie alle standen dort, direkt vor ihm, doch sein Schweigen und die Abwesenheit des Einen brachten große Verwirrung in die Gemeinschaft. »Wo ist Bilbo?«, fragte Kili sichtlich entsetzt. »Ja, wo ist er?«, fragte Bofur.

»Er ist doch nicht ...«, entfuhr es Nori. Ein eisiger Wind zog auf.

»Er war nichts weiter als ein Angestellter«, versuchte sich Thorin selbst zu beschwichtigen. »Ein Narr, diese Reise anzutreten!«

Knapp sagte der König: »Wir müssen weiter. Wenn wir nicht bis zum Sonnenuntergang eintreffen, war alles umsonst.« Nicht einen Blick wagte er mehr mit seinen Freunden zu teilen. Stattdessen ging er schweigend voraus und fixierte den spitzen Berg, dessen Hallen er sein Zuhause nannte.

Es war weder Stolz, der Thorin erfüllte, noch Freude darüber, das Richtige getan zu haben. Es war schweres Gepäck, das er fortan mit sich herumschleppen musste. Dennoch erfüllte ihn unentwegt dieser eine Gedanke: »Er ist in Sicherheit.«

~~~

Als der Hobbit erwachte, war das Erste, was er erkannte, ein rotbraunes Fell. Das Pferd schleckte ihm über das Gesicht. Die Sonne war am Horizont in ein leichtes Rot übergegangen. Wie lange hatte er hier nur gelegen?

Als Nächstes vernahm er eine tiefe Stimme: »Bilbo Beutlin, na sowas. Was ist denn hier passiert?«

Nur langsam kam Kraft in die Muskulatur des Hobbits und verhalf ihm dazu, ein Gefühl für seinen Körper zu bekommen.

»Sie sind Meilen voraus«, keuchte Bilbo. »Bald werden sie eintreffen.« Sein Schädel brummte, als hätte jemand mit einem Hammer auf ihn geschlagen. Schwermütig hob der Hobbit den Kopf, ein Stückchen nur, bis er ihn wieder fallen ließ. Gandalf half ihm hoch, zumindest so weit, dass er sich setzen konnte.

»Was genau ist passiert?«, fragte der Zauberer mit erhobener Braue.

»Ich bin nicht länger ihr Meisterdieb«, erwiderte Bilbo zitternd. Es war ein einziger Satz, dennoch veränderte er die ganze Welt.

»Grundgütiger ...«, entkam es Gandalf, der eine erhobene Körperhaltung annahm. Niemals würden sie rechtzeitig dort sein, wo der einstige Meisterdieb jetzt am liebsten gewesen wäre. Vor der steinernen Tür.

»Gandalf. Ganz gleich, was du versuchen willst, wir werden nicht rechtzeitig eintreffen.« Der graubärtige Zauberer senkte den Kopf. Hatte selbst er die Hoffnung verloren?

»Ach, so ein Unsinn! Sie werden das Rätsel lösen«, sprach Gandalf entschlossen. »Sie werden den Berg betreten.«

»Sie werden es ohne mich versuchen«, durchfuhr es die Gedanken des anderen. Gandalf starrte ihn förmlich an. Dann senkte der Zauberer die Braue.

»Es gibt einige Dinge, von denen ich scheinbar nicht weiß, habe ich recht?«, fragte der Graubärtige plötzlich. Bei der Frage blieb nichts außer Stille, denn die Antwort war zu groß. Selbst für einen weisen Zauberer wie ihn.

»Ich kenne dich nun weitaus länger als ein Jahrhundert. Es ist nicht schwer, dich zu durchschauen, Bilbo Beutlin.« Diese Worte lösten zuerst Verwunderung, dann Irrglauben und schließlich Entsetzen in Bilbo aus. »In Valinor war es durchaus gemütlicher.«

Der letzte Beweis fiel mit einem einzigen Satz. Hatte er sich etwa verhört?

»Wovon um alles in der Welt sprichst du? Wie kommst du darauf?« Ein breites Grinsen umschloss die Lippen des Zauberers. »Wie ich bereits sagte, du bist leicht zu durchschauen.«

Entsetzt richtete der Hobbit seinen Blick in die Höhe und fand genügend Kraft, um seine Füße endlich sicheren Halt auf dem harten Gestein finden zu lassen. »Die ganze Zeit«, entfuhr es Bilbo kopfschüttelnd, »hast du es gewusst. Hast du gewusst, von der Zeitreise.«

Entschlossen wagte der Halbling den ersten Schritt, anschließend den zweiten und nahm jeden weiteren, voller Entschlossenheit. Gandalf folgte ihm schweigend den Hang hinauf.

»Ja, das habe ich. Wir sitzen im gleichen Boot, du und ich.« Als Bilbo die Information halbwegs verarbeitet hatte, stierte er zum einsamen Berg. Es blieb keine Zeit, über anderes nachzudenken.

Der Hobbit fragte heiser: »Wie kommst du darauf, dass sie das Rätsel lösen werden? Dir sollte bewusst sein, dass es das letzte Mal nicht so einfach funktioniert hat. Zumindest nehme ich an, dass du dich einst mit meinem Buch befasst hast.« Der Zauberer begann, Optimismus zu fassen.

»Als ich Thorin kennengelernt habe, war er kalt und ernst. Schon immer hat er ein warmes Herz gehabt, doch es offen zu, zeigen hat seinen Stolz verletzt. Wieso glaubst du, Bilbo Beutlin, warst ausgerechnet du derjenige, den ich für die Aufgabe erwählt habe?«

Die Worte, die Gandalf sprach, waren warm und bitterkalt zugleich, denn sie sprachen von einer Zeit, die wie im Ozean versunken zu sein schien.

»Ich weiß es nicht«, entgegnete Bilbo kopfschüttelnd. Sie erhöhten das Tempo, die Sonne war beinahe hinter dem Horizont verschwunden.

»Du bist ein schlaues Köpfchen. Nur wenige der Gemeinschaft haben den Glauben besessen, dass du das Abenteuer antrittst. Du erinnerst dich an die Wette, die wir gemacht haben?« Schwer schluckend nickte Bilbo.

»Du hattest etwas, das den anderen nicht zuteilwurde: bedingungsloses Durchhaltevermögen, die Fähigkeit, anders zu denken, und die Kraft, niemals aufzugeben. Du hast frischen Wind in eine Gemeinschaft gebracht, die zu lange in alten Denkmustern stecken geblieben war.«

Es war unglaublich, was der alte Freund über den Hobbit sprach. So hatte er sich selbst noch nie betrachtet.

»Ich habe dein Buch gelesen und es ist eindrucksvoll. Du hast mir eine andere Sichtweise auf etwas vermittelt, das ich zuvor nur aus meiner Perspektive betrachtet habe. Tief in seinem Inneren kennt Thorin die Wahrheit, die Erinnerungen und deine Weise zu denken.« Außer Atem kam der einstige Meisterdieb zum Stehen. Der Mond war hinter den Wolken hervorgekrochen. Eine Drossel flog über ihre Köpfe hinweg.

»Das ist der Grund, warum ich fest davon überzeugt bin, dass er das Rätsel lösen wird«, vollendete Gandalf seine Aussage.

Tatsächlich glaubte der Hobbit, ein Licht am Rande des Erebors zu erkennen. Von ihrem Standpunkt aus so klein wie eine Kerze.

Bilbo trat ein Stück auf den Rand zu, dessen Außenseite weit in die Tiefe führte. »Aber nein! Sie dürfen nicht in die großen Hallen. Nicht ohne mich.«

~~~

Erschöpft wies Balin jedem einen Schlafplatz zu. Das milde Licht der Fackeln erleuchtete den Weg. Müde erreichte er die Stelle, an der sein König in die Tiefe starrte. Die Stelle, von der aus sie das ganze Land überblicken konnten.

Empört sprach der Weißbärtige: »Du hast Bilbo gehen lassen. Er war unsere einzige Chance, unverletzt die Schätze zu sichern. Und noch sehr viel mehr als das.« Mit fadem Blick stellte er sich neben ihn.

»Zudem gibt es etwas, vor dem ich dich warnen muss.« Trüben Blickes drehte sich der König zu Balin. »Es gibt eine Krankheit, deren Ausmaß uns unbekannt ist.«

Unerwartet drehte sich sein Nebenmann zur anderen Seite.

»Ich weiß wahrlich nicht, wieso du ihn weggeschickt hast, wenn du deswegen kein Wort mehr mit uns sprichst. Du bist uns noch immer etwas schuldig.«

»Schuldig«, dachte sich Thorin verbittert.

Rau erwiderte er: »Ich habe ihn nicht weggeschickt. Er ist freiwillig gegangen. Wer kann es ihm verdenken?«

Balin konnte sich nicht erinnern, wann Thorin das letzte Mal so kalt zu ihnen gewesen war. »Es tut mir leid, doch dieses Mal kann ich dir kein Wort glauben«, sprach Balin fest. Mutig ging er auf seinen Anführer zu.

»Es macht dich nicht ehrenhaft, zu lügen und uns zum Narren zu halten. Wenn er dir als Meisterdieb nicht genügt, solltest du uns zumindest die Wahrheit sagen, oder was sonst hinter deiner Entscheidung stecken mag.« Er machte eine Pause. Sanfter fügte er hinzu: »Außerdem ist Bilbo uns wichtig. Es wäre schön gewesen, hätten wir uns von ihm verabschieden können.«

Nachdenklich schluckte Thorin. War das eine Aufforderung? Doch wozu? Bitterkalt antwortete der König: »Ich weiß nicht, was meinen treuesten Begleiter plötzlich an mir zweifeln lässt. Ich bin derjenige, der sich von dir nicht zum Narren halten lässt! Wenn ich dir etwas sage, entspricht es der Wahrheit, denn ich bin euer König und ich weiß, wovon ich spreche!«

Die Innere Stimme, die Thorin selbst an seinen Worten zweifeln ließ, blendete er mit aller Energie aus. Er war müde und hatte einen langen Tag hinter sich. Ohne sich umzudrehen, ließ er sich auf dem Schlafplatz nieder, schloss die Augen und schlief nach einer Ewigkeit ein.

~~~

Vor langer Zeit

Die Worte auf dem alten Vertrag schenkten Bilbo Hoffnung. Die Hoffnung, Thorin nicht vollends verloren zu haben.

Manchmal glaubte der Hobbit einen Schatten zu erspähen, wenn er sich erneut einen Tee bereitete oder einen weiteren Roman las, der ihn die Realität kurzzeitig vergessen ließ. Denn ihm wurde ein Versprechen gegeben, das der größte Lichtblick in seinem Leben war.

Viele Tage verbrachte Bilbo in seinem Vorgarten, da beobachtete er die Familien und Nachbarskinder, die laut kreischend miteinander spielten. Dann ging er wieder hinein, starrte aus dem Fenster. Nie wusste er, wie er sich fühlte. Ob er glücklich war oder traurig, oder schlichtweg friedlich. Oder gar keines von diesen Dingen.

Einige Zeit nach dem seltsamen Treffen klopfte es plötzlich an seiner grünen runden Tür.

»Ich habe dir doch gesagt, die Blumen sind nicht für ...« Erschrocken fuhr Bilbo zusammen. »B... Balin?«

Mit offenem Mund beäugte er seinen alten Freund, dessen weißbärtiges, rundes Gesicht wie aus einem anderen Leben erschien.

»Oh! Bilbo Beutlin, sehr erfreut«, summte der Zwerg und stapfte ohne zu fragen in den Flur.

»Oh nein! Ich habe vergessen zu putzen!«, durchfuhr es Bilbo. Dann stammelte er: »Meine, meine Güte, hätte ich nur gewusst, dass ich Besuch bekomme! Welch eine Freude, dich zu sehen, B-Balin. Ich ... ich habe ganz vergessen, aufzuräumen.«

Hibbelig und mit zerzausten Haaren lief Bilbo in die Küche, nahm sich ein Stück Weizenbrot und schnitt dazu etwas Käse. Freudestrahlend stellte er dieses auf den Tisch, ließ sich in seinem Lieblingssessel nieder und begann zu summen.

»Bilbo.« Balin sah ihn aus warmen Augen an. »Ein Glück, dass du dich nicht verändert hast.«

Kam es Bilbo nur so vor oder waren die Augen seines Freundes blass, gar gräulich?

»Ach echt? Wieso? Ich meine, hat sich bei euch denn viel verändert?«

Ein schwaches Lächeln perlte sich auf dem Gesicht des Besuchers. »Der Erebor ist kein Ort des vollkommenen Friedens, sagen wir so. Die Auflagen, an die wir uns zu halten haben, sind ... nur schwer zu erfüllen.«

Der Hobbit senkte den Kopf. »Thorin«, sprach Balin bedächtig.

Bilbo durchfuhr ein Stich. »Wir alle vermissen ihn und da kam mir die Idee, dich zu besuchen und zu sehen, wie du dich in deinem alten Leben zurechtfindest. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich hier bin.«

Ein deutliches Lächeln des Hobbits erübrigte diese Frage. »Ganz gleich wie viel Zeit vergeht, in uns allen spiegelt sich die Frage, was gewesen wäre, säße er jetzt auf dem Thron.«

»Nicht nur in euch.«

Zitterte Bilbos Stimme? Er wollte sich unmöglich die Blöße geben, vor seinem alten Freund in Tränen auszubrechen. Als Balin das bemerkte, wechselte er das Thema: »Ach übrigens, wovon hast du vorhin gesprochen? Welche Blumen? Der erste Satz, bevor du die Tür geöffnet hast?«

Verwundert lehnte sich Bilbo weit im Sessel zurück. Wild schüttelte er mit dem Kopf. »Ach, das war nichts weiter.«

Der ältere Zwerg nahm sich ein Stück Käse und schlang es mit einem Satz hinunter. »Manchmal glaube ich, ihn zu sehen. Thorin zu sehen. Wenn ich so durch den Berg ziehe, ist da immer dieses Gesicht«, bedachte Balin mit fehlender Sprache. Hielt er sich für die Eingebungen genauso verrückt wie Bilbo für seine?

»Ich habe ihn auch gesehen«, entfloh es Bilbo, während er auf den braunen Boden starrte. Die Augen des Zwerges weiteten sich. »Ich weiß, das mag seltsam klingen, doch es ist wirklich wahr. Er war hier. Vor einiger Zeit. Und ähm, nun ja, wir haben uns unterhalten.«

Der letzte Satz klang ausgesprochen wirrer als in Bilbos Gedanken. Die Befürchtung, Balin würde ihn auslachen, bestätigte sich keineswegs. Stattdessen begann der Zwerg zu strahlen.

»Du meinst das ernst?« Verlegen nickte Bilbo. »Meine Güte, dann waren das vermutlich keine Einbildungen. Es war eine gute Idee, den weiten Weg bis hierher anzutreten.«

Der Zwerg stützte sich am Sofa ab, erhob sich allmählich und schlenderte zur Tür. Erschrocken fuhr der Gastgeber in die Höhe. Er versperrte dem anderen den Weg. »Aber du willst doch nicht schon gehen! Interessiert dich denn gar nicht, worüber wir geredet haben?«

Balin schüttelte den Kopf, schob sich an Bilbo vorbei, nahm den Türgriff in die Hand und öffnete die dicke Holzschicht. »Ich bin dir dankbar für deine Speisen, Bilbo, doch ich spüre, dass es an der Zeit ist, die Heimreise anzutreten.«

Schockiert klammerte der Hobbit sich an der Tür fest, die weit offen stand. »Aber du bist doch gerade erst angekommen! Möchtest du nicht noch etwas Tee? Käse vielleicht? Nimm alles, was auch immer dein Herz begehrt!«

»Du bist ein ehrenwerter Freund.« Mit diesen Worten wandte Balin sich in die andere Richtung und lief schaukelnd den sandigen Weg entlang.

~~~

Am nächsten Tag riss Bilbo ein weiteres, aufdringliches Klopfen aus dem Schlaf. Mit schweren Gliedern richtete er sich auf, zog sich eine gelbe Jacke über und lief zur Tür.

Seine Hoffnung, den gestrigen Freund erneut begrüßen zu dürfen, erlosch augenblicklich, als er die Besucher erkannte.

»Was ein schöner Eingang das doch ist«, bemerkte die Hobbit-Dame, welche verlegen die dunkelbraunen Wände mit den goldenen Bilderrahmen musterte. Neben ihr ein kleines Mädchen.

Beinahe hätte Bilbo die Tür schon wieder zugeknallt, doch ehe dies geschehen konnte, hatte die herausgeputzte Dame einen Schritt in seine Höhle gesetzt. Langsam schlendernd folgte das Mädchen.

»Meine Güte, wie exquisit!«, rief sie mit heller Stimme. Sie war ein wenig kleiner als Bilbo, besaß einen dunkelblonden Lockenkopf und trug bunte, zum großen Teil rosafarbene Kleidung, dessen Muster in den Augen schmerzten.

»Ich kann mich nicht erinnern, dich jemals hineingebeten zu haben, Carminia«, sagte Bilbo leise und stumpf. Diese Aussage interessierte sie so wenig wie die Farbe ihres Haarkranzes, denn dieser war von vielen bunten Blumen bedeckt, die keinerlei Gemeinsamkeit besaßen.

Leise klatschend ließ sie sich auf dem Sofa nieder. Neben ihr ihre Tochter, deren Haare ein so dunkles Braun zierte, dass es auch schwarz hätte sein können. »Natürlich, ich wurde doch gestern erst eingeladen! Dein Bekannter meinte, ich wäre jederzeit willkommen.« Sie legte einen Arm um ihre Tochter, die vorsichtig zurückschreckte. »Könntest du mir bitte einen Kräutertee machen? Das wäre wirklich liebreizend!«

Bilbo verdrehte die Augen und tat, was sie sagte. Doch viel mehr noch interessierte ihn, wer dieser Bekannte war, der doch tatsächlich die Frechheit besessen hatte, der nervigen Carminia eine Einladung in seine Höhle auszusprechen!

Er stellte die qualmende Tasse auf den Tisch, wobei etwas Tee überschwappte. »Oh nein, wie schade um den guten Tee. So voll hättest du ihn nun wirklich nicht machen müssen!«, sagte sie dramatisch. Bilbo ließ sich in seinem gelben, faltigen Sessel nieder und verschränkte beide Arme.

»Was willst du hier?«, fragte er nüchtern.

»Nun ja, was soll ich schon wollen? Dein Bekannter meinte, du könntest gut weitere Bekanntschaften brauchen, wärst ja sonst so allein. Er war so nett!«

Stirnrunzelnd stand der Hobbit auf und nahm sich ein Stück von dem Schinken, den er letzte Woche erst gekauft hatte.

»Wie sah er aus?« Carminia schlürfte, stellte die Tasse ab und fuhr sich mit einem weißen Tuch über den Mund.

»Wie soll er schon ausgesehen haben? Wie ein Zwerg natürlich! Ich mag diese Kreaturen eigentlich gar nicht, doch dieser war wirklich entzückend und meinte gleich, dass meine Gesellschaft dir nur gut tun kann. Seinen Namen hat er mir leider nicht verraten.«

Bei dem Wort »Zwerg« schreckte Bilbo kurz zusammen, fing sich schnell wieder und senkte den Blick.

»Er kam gestern aus deinem Haus, als wir gerade auf dem Weg in den Laden waren. Da hat er uns überrumpelt. Hab ich nicht recht, Athena?«

Ihre Tochter nickte hastig, während sie noch immer versuchte, den Abstand zu ihrer Mutter zu wahren.

Bilbo schwieg die restliche halbe Stunde, wobei die Gedanken des unfreiwilligen Gastgebers nur darum kreisten, dass es ohne Zweifel Balin gewesen sein musste, der ihm Carminia aufgedrängt hatte. Die Hobbit-Dame berichtete ihm gerade ausführlich von ihrem Leben.

»Und dann sagte Lobelia, das sei ja unerhört! Ein solches Aufsehen, um eine solche Kleinigkeit zu machen! Tja. Aber na ja, wie es aussieht, habe ich keine Zeit mehr zu bleiben. Wie schade! Der Tee hat wirklich zu deliziös geschmeckt!«, sagte die schräge Dame in dem bunten Kleid endlich.

Besonnen sprang sie vom Sofa und lief zur schattigen Tür, während sie ihre Tochter am Arm mit sich zog.

Kurz bevor Carminia den Raum verließ, drehte sie sich noch einmal zu dem kreideweißen Bilbo.

»Ich würde mich sehr über ein Abendessen mit dir freuen.«

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Eines der längsten Kapitel, die ich bisher geschrieben habe.
Ich mag es mir mögliche Situationen aus der Vergangenheit auszudenken, die letztendlich etwas zur jetzigen Situation beigetragen haben, was ich in den nächsten Teilen noch weiter erläutern werde.
Im Moment habe ich tatsächlich eine meiner produktiven Phasen und freue mich weiter zu schreiben :)

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