Twenty-two
Twenty-two
Jacobs Kopf pochte fürchterlich.
Ihm war einfach nur schlecht.
Aufstöhnend hob er den Kopf und bemerkte, dass eine Decke über ihn gelegt worden war.
Vermutlich hatte Evie nochmal nach ihm gesehen. Dies tat sie fast immer, wenn er zu viel getrunken hatte – womit seine Frage beantwortet war, warum ihm so schlecht war.
Als er mühsam seine Augen öffnete, konnte er einen kleinen Eimer direkt neben sich erkennen, der neben der Couch stand und nur darauf wartete, benutzt zu werden.
Seine Schwester hatte auch wirklich an alles gedacht. Denn kaum dass er diesen zu sich zog, entleerte er seinen Mageninhalt darin.
Er fühlte sich absolut grottig.
Nicht nur weil er den schlimmsten Kater seit langem hatte. Denn auch weil sein schmerzender Magen und Kopf ihn daran erinnerten, dass sie fort war.
Niemals hatte Jacob gedacht, dass es ihn so treffen könnte – dass es ihn so verletzen könnte. Es fühlte sich noch viel schlimmer an als wenn man ihn mit einem Messer verletzte.
Er rollte sich zurück auf die Couch und vergrub sein Gesicht in den Kissen.
Der einundzwanzigjährige wusste nicht, ob er schreien sollte. Dieser Schmerz in seiner Brust war groß, viel zu groß als dass er das ganze Ausmaß direkt erfassen konnte.
Der Assassine spürte den Druck hinter seinen Augen, kämpfe mit den Tränen. Dass hatte er schon sehr lange nicht mehr getan. Nicht mal als sein Vater gestorben war. An dem Abend hatte er nur mit seiner Schwester in der Küche gesessen und sie hatten sich gegenseitig Trost gespendet.
Ein Klopfen erklang an der Tür des Abteils und der junge Mann grummelte in sein Kissen hinein.
Die Tür öffnete sich und Henry betrat in seiner weißen Assassinenrobe den Raum. Er trug ein Tablett mit sich. Auf diesem befand sich etwas zu essen und ein Tasse Tee, die er schnell abstellte, ehe er sich dem anderen Elend ausstrahlenden Assassinen im Raum zuwandte.
„Morgen", begrüßte Henry ihn ruhig und musterte Jacob, dessen Gesicht immer noch in den Kissen vergraben war. „Du solltest etwas essen und den Tee trinken", behauptete der fünfundzwanzigjährige. „Er hilft gegen Übelkeit", fuhr er fort und warf einen kurzen Blick in den Eimer, der noch immer neben der Couch stand.
Jacob schwieg, drehte sich aber zu Henry um, um ihn ansehen zu können. Seine Augenbrauen zogen sich fragend zusammen und seine haselnussbraunen Augen erfassten schnell das Tablett, welches hinter Henry stand.
„Ist der wenigstens mit Schuss?" Langsam deutete er auf die Tasse, aus der es ein wenig dampfte.
Henry schaute verwirrt zur Tasse, dann wieder zu dem jüngeren Frye-Zwilling.
Was meinte Jacob mit diesem Ausdruck? Was sollte dieser Schuss sein?
Vielleicht sprach er von Zucker oder Honig, um den Tee zu süßen.
„Du meinst Zucker oder Honig?", erkundigte sich der Inder und fuhr sich mit einer Hand durch sein dichtes schwarzes Haar.
Jacob verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf als er sich langsam aufrichtete. Evie hatte es ihm also nicht erklärt, was Jacob mit einem Schuss in seinem Getränk meinte – und meist mehr bevorzugte als einen stinknormalen Tee.
„Nein, Greenie." Er nannte seinen zukünftigen Schwager bei seinem Spitznamen. „Ich meine Whiskey." Er seufzte enttäuscht. „Ist da ein Schuss Whiskey drin?" Seine braunen Augen musterten den anderen entnervt.
Henry schüttelte den Kopf.
Wie konnte Jacob nach gestern immer noch ans Trinken denken?
Er hatte schon von seiner Schwester gehört, dass Jacob Alkohol sehr mochte und er manchmal zu viel davon konsumierte. Aber dieses Ausmaß hatte er bei ihm noch nie erlebt.
„Du solltest in nächster Zeit keinen Alkohol zu dir nehmen." Henry zog eine Augenbraue hoch. „Wirklich, Jacob." Er seufzte und massierte sich ein wenig die Schläfe.
„Ist nicht deine Entscheidung." Jacob wackelte provozierend mit den Augenbrauen. „Also was kümmert es dich, Greenie?" Der Assassine kniff leicht seine Augen zusammen.
Was dachte Henry, wer er war? Sie kannten sich erst etwa ein Jahr. Also was kümmerte es ihn, was oder wie viel Jacob zu sich nahm?
„Weil du mein Freund bist, Jacob", entgegnete Henry ernst und verschränkte die Arme vor der Brust.
Jacob war verwundert. Er hatte nicht in Erinnerung, Henry würde ihn ebenfalls als Freund erachten. Eher als den lästigen Zwilling der Frau, die er liebte.
„Ich meine damit, dass du mir nicht egal bist", erklärte der ältere und seufzte erneut. „Also bitte ich dich als Freund. Pass etwas besser auf dich auf." Damit ging er wieder zur Tür des Abteils aus dem er gekommen war. Doch bevor Henry den Raum verließ stoppte er und sah über seine Schulter. „Wenn du es nicht für mich tust, dann wenigstens für deine Schwester, Jacob."
Jacob verdrehte sofort nachdem Henry gegangen war die Augen über den anderen Attentäter. Er war kein kleiner Junge mehr, der gesagt bekommen musste, dass er etwas nicht durfte oder dass er aufpassen sollte.
Langsam erhob sich der Rookanführer, begab sich zum Tablett und musterte den Tee, der noch immer leicht dampfte. Ohne wirklich darüber nachzudenken griff er zum Whiskey, schüttete ein wenig in den Tee und rührte ihn mit dem Zeigefinger, ungerührt von der Hitze, um.
Evie war zwei Wagons weiter und blätterte durchs Herbarium, welches sie mit Henry zusammen gesammelt hatte als sie noch in London gewohnt hatten.
Sie hatte es Jacob als eine Art Erinnerung an sie dagelassen – in der Hoffnung, er würde vielleicht auch mal reinschauen.
„Dein Bruder ist so-", begann Henry und schüttelte den Kopf. Er mochte es nicht aussprechen, denn er war sich sicher, dass Evie bereits wusste, was er sagen wollte.
„Anstrengend? Stur? Egozentrisch?" Die einundzwanzigjährige zählte in einem trocken Ton auf.
Sie kannte Jacob besser als jeder andere. So war es schon immer gewesen und dies würde sich vermutlich auch nicht ändern. Er war ihr Zwilling, auch wenn sie es manchmal hasste und ihn lieber nur als ihren kleinen Bruder bezeichnete. Diese Bindung zwischen ihnen war da, die keiner außer ihnen verstand.
„Kompliziert", sprach Henry aus und nahm auf dem Sessel Platz, der sich im Raum befand. „Manchmal frage ich mich, ob er es überhaupt wertschätzt, wenn man sich um ihn sorgt." Er verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Das tut er." Evie neigte ihren Kopf. „Nur zeigt er es nicht." Sie legte den Kopf schief und blickte auf das kaputte Schmuckstück, das neben dem Herbarium lag. „Wem gehört die Kette?", hakte sie nach.
Jacob brachte so eben das Tablett in die Küche und stützte sich an einer freien Arbeitsfläche ab. Er musste seine Gedanken unter Kontrolle bringen, die Gefühle ignorieren, die sich immer weiter aufbauten, wenn er an sie dachte – und er musste ganz dringend vielleicht noch betrunkener werden, um es besser unterdrücken zu können. Denn allein ihr Name reichte aus und er verlor sich in seinen verdammten Gefühlen.
„Nein, das tu ich mir nicht an", wisperte er zu sich selbst und richtete seinen Blick zum Fenster. Es regnete draußen und zeigte, dass der Sommer regnerisch starten sollte.
Für den Assassinen war es die richtige Entscheidung gewesen. Für sie war es die richtige Entscheidung. Die Entscheidung, sie gehen zu lassen, damit sie sicher war, tat zwar weh, dennoch musste er nach vorne blicken.
Er hatte hier ein Leben, welches er in vollen Zügen genießen sollte und eine Aufgabe, die all seine Aufmerksamkeit forderte.
Seine Gang brauchte ihn. Einen Anführer auf den man sich verlassen konnte und wusste, wie man diese Stadt vor den Blighters schützte.
Doch vor allem war es sein Schwur gegenüber der Bruderschaft, der es von ihm verlangte, in die Zukunft zu blicken.
Eine Zukunft in der Rose keinen Platz hatte. Nicht sie stand an erster Stelle – auch wenn er es sich gerne anders wünschte.
Er war in erster Linie ein Assassine, der Verpflichtungen gegenüber sich selbst und der Bruderschaft hatte.
Doch zum ersten Mal in seinem ganzen Leben verspürte Jacob Zweifel an dem was er tat.
Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er das Gefühl, dass ihm die Bruderschaft einen Teil seines Lebens geraubt hatte.
Jacob dachte an die Frage, die Rose ihm gestellt hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass er ein Attentäter war.
Ob er sich je vorgestellt hätte, kein Attentäter zu werden. Ob er je ein einfaches und normales Leben hatte führen wollen.
Seine braunen Augen wanderten zur Seite als er hörte wie die Tür zur Küche geöffnet wurde. Evie trat in einer lockeren Bluse und ihrer liebsten Lederhose ein und musterte ihren Zwilling in Ruhe. Sie sagte nichts – und das musste sie wohl auch nicht.
Stumm lief sie zum Schrank mit Alkohol und holte Gin heraus, den sie ihm vor die Ablage stellte.
Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und wartete – bis er seufzend die Flasche ergriff.
„Du liebst sie." Ihr Ton war ruhig und genau so strahlte sie es aus. Sie lehnte sich gegen den Türrahmen, ohne die Arme trotzig vor der Brust zu verschränken.
Ein Seufzen verließ Jacobs dünne Lippen und er nickte stumm, öffnete die Ginflasche. Es würde nichts bringen seine Gefühle weiter zu unterdrücken. Jeder wusste, was er für sie empfand.
„Henry und ich haben entschieden, zwei weitere Monate zu bleiben", erzählte sie ihm mit bedauerndem Ton als er zum ersten Schluck Gin ansetzte.
Sie hatte sich sehr darauf gefreut, nach Indien zu reisen und Henrys Familie kennenzulernen – selbst Jacob wusste es.
Er richtete sich etwas mehr auf und sah Evie an. „Wieso? Ihr wolltet doch nach Indien?", fragte er und schluckte.
Er wollte nicht, dass seine Schwester nun auch einfach wieder fortging, aber er wusste auch, dass die beiden diese Reise schon lange geplant hatten.
„Das möchten wir auch." Sie neigte ihren Kopf einmal, sah zu, was für einen großen Schluck Jacob aus der Flasche Gin trank. „Aber ich habe kein gutes Gefühl, dich nun allein in London zu lassen", erläuterte sie ihre Entscheidung.
„Evie", sprach er betrübt ihren Namen aus und schüttelte den Kopf.
Er hatte es mal wieder geschafft die Pläne seiner Schwester zu zerstören – und das ohne Absicht. In solchen Momenten fühlte er sich wie der schlimmste Bruder, den man haben konnte. Der Assassine hatte das Gefühl, dass, egal was er tat, es immer das falsche war.
„Schon gut", beschwichtigte sie ihren Zwilling und nickte, ohne es weiter zu erklären.
Rose fühlte sich erschöpft. Mehr als erschöpft. Absolut ausgelaugt von allem und jeden.
Die gesamte Fahrt war für sie wie in einem Theater. Es war dramatisch. Es war traurig. Sie hatte, sobald sie London verlassen hatten, nicht mehr aufhören können, zu weinen.
Der Zwischenstopp war jedem unangenehm gewesen. Sie hatte alleine draußen bei der Gaststätte gesessen, nichts essen wollen und einfach nur geweint.
Elisé fühlte sich nutzlos. Sie hatte wenige Male versucht, zu ihrer großen Schwester durchzuringen, doch es hatte nicht funktioniert.
Zuhause war es für Rose nur schlimmer geworden. Sie hatte nicht gut ausgesehen als sie ankamen – ihre Mutter hatte ihr sogar geähnelt. Noch nie hatte Rose ihre Mutter so viel weinen sehen, wie als Elisé und sie aus der Kutsche traten.
Sie glaubte auch in den Augen ihres Vaters Tränen gesehen zu haben, doch sie war wie betäubt gewesen und hatte nur gebeten, ihre Ruhe zu bekommen und sich hinlegen zu dürfen.
Dazu hatte Rose ihre Magd gebeten, sie nicht zu stören, selbst wenn es Abendessen gäbe.
Und hier stand sie nun. Vor ihrem Koffer, den sie dank Abberline wiederbekommen hatte. Er war noch nicht geöffnet, doch Rose wusste, früher oder später würde sich jemand daran setzen und es wäre offiziell – sie wäre wieder Zuhause.
Das war doch eigentlich ihr Ziel gewesen, nicht wahr? Ursprünglich.
Denn es fühlte sich absolut falsch in Roses Innern an.
Seit ihrer Abreise aus London hatte sie kaum ein Wort gesprochen.
Ihre Eltern nahmen an, dass sie, nach allem was geschehen war, Ruhe brauchte – zumindest hatte Elisé ihnen das vermitteln können, ohne beim Lügen erwischt zu werden. Ihre Schwester zu schützen, hielt Elisé für das einzig nützliche in der Gesamtsituation.
Nur nun stand sie hier – und wischte sich immer wieder die Tränen fort, die ihre Wangen hinabliefen.
Ihr Herz schmerzte, war ein einziger Klumpen, der sie daran erinnerte, was passiert war.
Einerseits war sie wohl wirklich erleichtert, aus der Stadt, die sie als bedrückend empfunden hatte, rausgekommen zu sein. Doch auf der anderen Seite vermisste sie den Mann, der sich dort noch immer befand.
Jacob hatte sich in ihre Gedanken gebrannt. Es machte sie schier verrückt. Sie sehnte sich so sehr nach dem jungen Mann und nach seiner aufbrausenden Art und nach seinem frechen Grinsen und all seinem Sein, dass ihre Sicht erneut zu verschwimmen begann.
Er hatte ihr eine Welt gezeigt, von der sie dachte, sie könnte sich ihr anpassen. Doch er hatte sie einfach fortgeschickt – ohne wohl mit der Wimper zu zucken, denn er hatte es nicht Mal für nötig empfunden, sich von ihr zu verabschieden.
Ein leises Klopfen ertönte und Rose senkte ihren Kopf, antwortete nicht.
Doch das hielt ihre Mutter Nora nicht von ab, die Klinke zu betätigen und nach ihrer ältesten Tochter zu sehen.
„Rose, mein Schatz." Sie legte ihren Kopf schief. „Ich wollte wissen, ob du nicht ein wenig Hunger hast." Die ältere Dame zog bemitleidend ihre Augenbrauen zusammen als sie ihre Tochter vor ihrem Koffer stehen und weinen sah.
Seufzend ging sie auf sie zu. „Ach, Schatz." Sie schloss die Arme um sie, zog sie an sich. „Es wird alles wieder gut." In einem beruhigenden Rhythmus begann sie, ihrer Tochter über den Rücken zu streicheln. „Du nimmst dir so viel Zeit, wie du brauchst." Nora löste sich, sah zu Rose hinab und strich ihrer kleingewachsenen Tochter die Tränen von den Wangen. „Ich habe dein Lieblingsgericht gemacht."
Rose schüttelte den Kopf und ihre Sicht verschwamm stärker.
Nora nickte. „Lass dir Zeit." Beide Frauen wandten den Kopf ab und William – Roses Vater – seufzte als er seine Tochter in Tränen aufgelöst in ihrem Zimmer entdeckte.
Er legte den Kopf schief, sah seine Tochter an.
„Es tut mir leid", sagte er. „Könnte ich es rückgängig machen, würde ich es jederzeit tun."
Nora zog fragend ihre Augenbrauen zusammen.
„Hat er mehr getan?"
Ohne es weiter auszusprechen, wusste Rose, wonach ihr Vater fragte, und schüttelte ihren Kopf, ehe sie zu schluchzen begann und ihn senkte.
Es tat ihrem Vater mehr als leid. Niemals hätte er gedacht, sein Instinkt und Bauchgefühl würde ihn so fehlleiten und seinen Töchtern damit so etwas antun.
Er lief zu ihnen und schloss seine siebzehnjährige Tochter fest in die Arme. „Nora, hilfst du Elisé beim Anziehen? Sie möchte wohl etwas aus London anziehen, was ihr eingepackt wurde."
Nora seufzte, lief mit einem letzten Blick auf Rose hinaus.
Da standen Vater und Tochter, Arm in Arm. Er blieb stumm, hielt sie fest, während sie schluchzte und sich an ihm festhielt.
„Tu e-es mir ni-icht an." Sie stotterte, schluchzte. „Nie wie-eder."
William schüttelte den Kopf. „Nie wieder", versprach er ihr.
Rose hielt ihren Blick auf den Teller vor sich gesenkt.
Der Tisch war größtenteils mit Schweigen gefüllt.
Elisé aß und ihre Eltern ignorierten es, dass sie sich heute nicht die größte Mühe gab, ihre Tischmanieren einzuhalten.
Der Fokus lag auf Rose, die mit gequollenen Augen und roten Flecken im Gesicht am Tisch saß und ihr Abendessen niederstarrte.
Ihre Gedanken waren noch immer beim Assassinen. Mittlerweile war sie sauer. Er hatte sie weggeschickt – ohne mit der Wimper zu zucken. Wie hatte er ihr das antun können? Hatte sie ihm so wenig bedeutet?
Rose war eine Dame mit hohem Status, die gute Manieren und liebevolle Eltern nachweisen konnte. War sie ihm so wenig von Bedeutung gewesen, dass sie ihm für nichts anderes gereicht hatte als... eine Nacht?
Sie wusste, Jacob hingegen zu ihr war ein Freigeist, der tat, was ihm gefiel und sich nichts aus dem machte, was andere über ihn dachten. Aber dass er sie so behandelte war herzzerbrechend.
Sie wusste nicht, wie sie sich davon erholen sollte. Doch das musste sie. Sie musste sich damit abfinden ein Leben ohne den Assassinen zu führen.
Denn sie war sich sicher das bald der triste Alltag aus Teestunden, Bällen und Gartenpartys wiederkommen würde.
„Entschuldigung!" Elisé erschrak wie der Rest am Tisch als sie versehentlich ihr Glas umstieß und sich bekleckerte.
Nora seufzte, nahm die Serviette von ihrem Schoß und tupfte sich den Mund ab, ehe sie aufstand und der Magd im Raum anwies, bitte trockene Tücher zu bringen.
Rose hob ihren Blick und sah Elisé zu, die ihre Lippen zusammengepresst hatte und sich verkniff, zu fluchen.
William seufzte und schüttelte den Kopf, wartete, dass alles wieder geklärt und gereinigt wurde, ehe weitergegessen wurde.
Rose merkte jedoch, je weiter das Dinner voranschritt, desto weniger Appetit besaß sie.
„Ich bin müde", murmelte sie, ehe ihre Eltern stoppten und sie ansahen. Sie wiederholte sich. „Ich bin müde." Sie sah kurz zurück auf ihr nicht angerührtes Essen. „Dürfte ich hoch auf mein Zimmer und mich ausruhen?"
Nora wollte widersprechen, da der Tisch nicht verlassen wurde, ehe William nicht fertig wäre. Doch dieser nickte.
„Ich wünsche dir eine gute Nacht, mein Schatz."
Rose neigte ihren Kopf und tupfte sich den Mund ab, sobald sie ihre Serviette ergriffen hatte. Sie legte neben den Teller, ehe sie sich von der Magd den Stuhl zurückziehen ließ und aufstand.
Im Flur angekommen lockerte sie ihre Schultern als sie sich sicher war, sie würde nicht mehr beobachtet.
Und sobald sie die Tür wieder geschlossen hatte, sank sie an ihr zu Boden und starrte zum Fenster heraus.
Ihr Herz zersprang gefühlt in tausend Teile. Nichts sehnlicher wünschte sie sich als das Jacob durchs Fenster stieg und sie mit sich zurück nach London nahm.
Doch dies würde nicht geschehen.
Denn offensichtlich hatte er seine Entscheidung getroffen. Er hatte sich gegen sie entschieden.
Möglicherweise war es besser so – versuchte sie sich einzureden. Alleine was ihre Eltern über ihn sagen würden, sollte sie abschrecken.
Trotzdem tat es sau weh.
Durch ihn hatte sie erst gelernt, dass man Menschen niemals nach dem beurteilen sollte, wie sie aussahen und sich gaben. Daren hatte sie gelehrt, dass selbst ein Gentleman gegenüber einer Frau ausholen würde und ein Gauner ihr das Leben retten könnte.
Rose war müde, aber sie hatte Angst, wenn sie zu Bett ging, würde Jacob ihr in ihre Träume folgen.
„Warum?", flüsterte Rose als sie nochmals den Sonnenuntergang anblickte und ihre Augen schloss, an der Tür hinuntergesunken sitzen blieb.
In ihren Gedanken wäre er hier, neben ihr. Beinahe konnte sie spüren, wie er ihre Hand in seine nahm und sie hielt. Doch da war niemand.
Das allein zeigte der siebzehnjährigen Dame, dass es einige Zeit dauern würde, die Gefühle für ihn zu untergraben und zu vergessen.
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Datum der Veröffentlichung: 21.01.2022 18:27 Uhr
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