One
One
Jacob Frye ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, es war ein gewöhnlicher aber auch gemütlicher Abend im One Tun Pub.
Ein paar Rooks johlten, während sie eine Runde Whist spielten. Der junge Assassine war eigentlich nur hier, weil es im Zug – wo sie hausten– zu einsam und still geworden war. Seit seine Schwester mit Henry– seinem guten Freund – nach Indien aufgebrochen war, hatte sich sein Leben sehr stark geändert. Es war eintöniger geworden, langweiliger. Er wünschte, er hätte mehr zu tun. Und zeitgleich hoffte er, dass alles so blieb wie es nun war – friedlich.
London war frei von den Templern, auch wenn hier und da mal wieder ein paar Blighters auftauchten. Die Blighters hatten sich soweit es ging zurückgezogen und machten ihm und seiner Gang – den Rooks – für gewöhnlich keinen Ärger mehr. Trotzdem tauchten sie hin und wieder noch in der Stadt auf.
„Hey, Boss!" Jacob drehte sein Gesicht, sah einen seiner Jungs an. „Wieder hier, um der Stille im Zug zu entkommen?" Sein Gegenüber lachte.
Jacob antwortete ebenfalls mit einem Lachen und schüttelte leicht seinen Kopf. „Pass lieber auf, dass du nicht deinen letzten Schilling an August verlierst." August hob mit einem hinterlistigen Grinsen auf den Lippen seinen Kopf. Mit einem tiefen rauen Lachen deutete er auf den Anführer der Rooks und hob den Zeigefinger.
Der angesprochene Rook – der sich zunächst mit Jacob unterhalten hatte – drehte sich zum Rest seiner Leute und sein Lachen war nicht mehr so enthusiastisch wie zuvor.
Jacob konnte nur seinen Kopf schütteln, trank seinen Krug aus und machte sich langsam auf den Weg zum Zug. Hier war ihm wiederum zu viel los.
Heute war einer dieser Abende, an denen er sehr gut seine Zwillingsschwester gebrauchen könnte. Einfach nur, um jemanden zum Reden zu haben.
Unterwegs beobachtete er die wenigen Personen, die ihm zu dieser späten Zeit noch begegneten. Um diese späte Uhrzeit waren für gewöhnlich nur noch Handelsleute oder Ganoven unterwegs.
Er bog um eine Straßenecke, auf dem Weg zu seinem Zug, in dem er hauste. Jacob war noch nicht ganz um die Ecke als jemand in ihn reinlief und ihn somit zurückstieß.
Jacobs Muskeln spannten sich als eine Art Selbstschutz sofort an.
„Oi!", gab er überrascht von sich. „Pass doch auf!", fluchte er als er nachschaute, wer gegen ihn gelaufen war.
Der Mensch ihm gegenüber hatte definitiv eine weibliche Erscheinung. Ihr Mantel verdeckte ihr Kleid zum größten Teil und durch die von ihnen weit entfernten Laternen ließen sich ihre Gesichtszüge nicht großartig erkennen. Doch was er sah, waren große runde Augen. Er stellte sich kurz vor, wie eine warme Farbe zu diesen Augen passen würde, doch da die Pupillen und Iris nicht dunkel, sondern hell erschien schloss er braune Augen aus. Sie musste blaue oder grüne Augen besitzen – eindeutig.
Ihr Vorbau schmeichelte ihrem Körper, doch passte nicht ganz zu ihrer Statue – schienen zunächst dafür ein wenig zu groß.
Durch die Dunkelheit konnte er die Farbe ihrer Kleidung schlecht erkennen. Er glaubte es waren helle Farben, sanfte. Eher gelblicher, rötlicher. Ihr Mantel war deutlich dunkelblau.
„Verzeihen Sie, Sir", verließ eine leise hohe und junge Stimme ihren Mund. Ihr Mund schmal, sehr klein – dachte Jacob zunächst. Doch dann drehte sie ganz leicht ihren Kopf und ein klein wenig Licht von einer Laterne auf der anderen Straßenseite erleuchtete ihr Gesicht. Er hatte sich geirrt. Ihre Lippen waren voll – zumindest ihre Unterlippe. Ihre Oberlippe war klein, doch auch keineswegs schmal.
Ein wunderschöner Mund, dachte er.
„Ich habe nicht darauf geachtet, wohin ich gehe", entschuldigte sich die junge Frau ihm gegenüber und strich ihren Mantel und ihr Kleid nach unten, um es ein wenig zu richten.
Ihre Hände zierten weiße Handschuhe. Sie sahen teuer aus. Eine Frau wie sie hatte um diese Uhrzeit nichts mehr auf einer Straße wie dieser etwas zu suchen.
„Habe ich bemerkt", sagte Jacob mit seiner tiefen Stimme leise. „Macht nichts." Er winkte es mit seiner verschmutzten Hand ab, die durch den Griff des Kruges aus dem One Tun Pub herrührte. Diese schmierigen Griffe konnten gut mal eine doppelte Reinigung gebrauchen. „Passen Sie beim nächsten Mal einfach auf", entgegnete der Assassine und klopfte sich seine Kleidung selbst ein wenig zurecht.
Als er den Blick wieder hob, drehte das junge Mädchen ihr Gesicht noch mehr in Richtung der weit entfernten Straßenlaterne und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er erkannte einen langen und schmalen Schnitt an ihrer Wange. Er schien nicht mehr zu bluten, doch verheilt war er noch lange nicht. Er war frisch. Bestimmt nicht einmal zwölf Stunden alt.
„Ist alles in Ordnung, Ma'am?" Er hob seine Hand, doch als die junge Frau aufsah, zuckte sie ein kleines Stück zurück und er ließ sie wieder sinken. „Sie bluten im Gesicht ein wenig", fügte er hinzu.
Jacob runzelte seine Stirn. So spät eine junge – augenscheinlich wohlhabende – Frau unterwegs zu treffen und dann auch noch verletzt, war Jacob noch nie untergekommen. Ab und an hatten ihn Prostituierte auf den Straßen aus Seitengassen zugepfiffen oder waren ihm daraus ein paar Straßen gefolgt. Doch das hier war ihm völlig fremd.
Die junge Dame zog die Kapuze ihres Mantels augenblicklich etwas tiefer ins Gesicht und verbarg es so im Schatten. „Ja", antwortete sie hastig und viel zu schnell. An ihrer schnellen Antwort erkannte Jacob, dass sie entweder nervös oder in Panik war. Es interessierte ihn ein wenig, woher das kam. Was war dieser jungen Frau nur zugestoßen? „Das war ein kleiner Unfall." Sie lachte – eindeutig in Panik, wie Jacob nun feststellte. „Nochmals." Sie deutete einen kleinen Knicks an und Jacobs Augenbrauen hoben sich. So nobel war er doch nicht gekleidet. Sie musste ihn für einen einfachen Arbeiter halten. „Verzeihen Sie, Sir." Er hörte sie tief einatmen. „Ich muss jetzt wirklich weiter."
Jacob hatte keine Chance.
Mit hastigen Schritten lief sie weiter, noch bevor er etwas sagen oder fragen konnte.
Verwundert blieb er stehen und blickte ihr kurz hinterher. Dann machte er sich auf seinen weiteren Weg. Er lief ganze fünf Schritte um die Hausecke.
Sein Gefühl sagte ihm, dass etwas hierbei nicht stimmte – ganz und gar nicht. Und wenn sein Gefühl ihm dies sagte, hatte es sich schon des Öfteren bewährt, darauf zu vertrauen.
„Der Zug kann warten", nuschelte der Assassine und zog sich selbst seine Kapuze auf und tief ins Gesicht.
Er folgte der jungen Frau heimlich und immer mit einem gebührenden Abstand. Jacob kannte diese Gegend gut und fragte sich, was eine junge Frau wie sie hier zu suchen hatte. Dass hier war keine angemessene Gegend.
Es dauerte nicht lange und sie kamen einer Gegend näher in die die Frau schon eher hineinzugehören schien.
Es dauerte, doch die Verfolgung zahlte sich aus. Er erhielt die Informationen, die er haben wollte und die seine Neugier und sein schlechtes Gefühl stillte.
Die Frau schien es sehr eilig zu haben und Jacob musste aufpassen, dass er sie bei dem schlechten Licht auf den Straßen nicht aus den Augen verlor. Vielleicht sollte er an den Stadtrat schreiben und ihnen mitteilen, sie sollte mehr Laternen auf den Straßen zur Verfügung stellen. Diese Dunkelheit spät abends war nicht mehr für Frauen und Kinder geeignet.
Nach einer Weile kam sie an einem Haus an, schaute nochmal die Straßen entlang und klopfte letztendlich. Was wollte sie dort? Wohnte sie dort? Oder jemand, den sie kannte?
Als die Tür aufging konnte Jacob von seinem Versteck einer Hausmauer aus einen Mann erkennen, der älter als er selber war – deutlich. Sein Haar war blond, das erkannte Jacob sofort, denn sein Haar wurde vom Licht, das aus dem Haus schien, grell erleuchtet.
Er konnte nicht hören was er sagte, aber er konnte sehen, wie er die junge Frau grob am Arm packte und ihr einen Finger vor die Augen hielt. Jacob hätte gern ihr Gesicht gesehen, um zu erkennen, ob sie sich unwohl fühlte.
Sein Magen rumorte. Nicht, weil er etwa Hunger besaß oder dergleichen. Jacobs Bauchgefühle sagte ihm, dass dort etwas ganz und gar nicht stimmte.
Der Herr mittleren Alters zog das junge Ding grob am Arm ins Haus und warf die Haustür so stark zu, dass der Rums auch noch zwei Straßen weiter bestimmt zu hören war.
„Was ein Mistkerl", fluchte der Attentäter mit unterdrückter Wut.
Sofort näherte er sich dem Haus, suchte nach einer Möglichkeit, um in Erfahrung zu bringen, was genau sich hier abspielte.
Jacob schlich an eines der Fenster heran und schaute in einen Raum der unteren Stockwerke.
Es war ein Salon, gehalten in dunklen Brauntönen. Die Möbel sahen teuer aus. Teuer genug, damit der Hausherr sehr erzürnt wäre, würde sich ein Hintern wie der Jacobs darauf niederlassen.
Er sah die junge Frau durch die Tür kommen. Der Türrahmen war golden, sah aber verblichen und alt aus. Dieses Haus musste bestimmt schon um ein Jahrhundert alt, doch immer wieder renoviert worden sein. Bestimmt ein Familienbesitz.
Nun sah er deutlich ihr Gesicht. Ihre Augen – er hatte Recht behalten – waren von einem kräftigen Grün. Sie besaß eine Stupsnase, sehr natürliche und rosige Lippen. Ihre Gesicht war sehr rot – besonders ihre Wangen. Ihr Schnitt zog sich tief in ihr Gesicht und trat noch stärker in den Vordergrund.
Sie sah sehr eingeschüchtert aus – beinahe ängstlich.
Jacob konnte sehen, wie der Mann hinter ihr ebenfalls nicht lange Zeit später den Raum betrat. Ein Mann mit blauen Augen, dichtem blonden Haar und in abendlicher Robe gekleidet.
Sie sah in Richtung Fenster und er duckte sich, um nicht erwischt zu werden. Er schloss kurz die Augen, hielt den Atem an. Im nächsten Moment hörte er einen dumpfen Schlag und die hohe Stimme der Frau ertönte. Es war ein keuchender, überraschter Laut, der ihre Lippen verließ.
Sofort hob Jacob den Blick – ohne auf sich selbst zu achten. Dort war eine junge Frau in Nöten. Er würde zusehen, was er tun konnte.
Er sah den Schlag nicht, doch er hob rechtzeitig den Kopf, um gerade noch die Hand des Mannes sinken zu sehen. Das war ihm ein eindeutiges Indiz.
Zorn kochte in dem jungen Assassinen hoch. Niemand hatte das Recht, die Hand einer Frau gegenüber zu erheben – in seinen Augen. In der Gesellschaft war es weit verbreitet, dass Männer in geschlossenen Wänden ihre Frauen schlugen oder auch vergewaltigten, wenn sie nicht spurten oder ihnen keinen Erben schenkten. Doch Jacob hatte noch nie die Hand an eine Frau gelegt und würde es auch nicht wagen, es zu tun oder sie gar gegen ihren Willen anzufassen.
Jacob verabscheute es regelrecht, wenn er so etwas zu Gesicht bekam. Am liebsten wollte sofort hinein – und diesem Mann zeigen, wie es war, wenn Hand an ihn gelegt würde.
Das junge Ding – ihm den Rücken zu gewandt – hatte eine Hand an ihren Körper gezogen. Vermutlich hielt sie sich die Wange. Weinerliche Laute verließen wenige Sekunden später erst stockend ihren Mund, dann regelmäßiger. Sie schien sich zu entschuldigen, nur leider war ihre Stimme zu gedämpft durch dieses Fenster.
Der Mann packte sie am Arm und drückte sie gegen die Wand neben der Tür mit dem goldenen Rahmen. Sie hielt sich nicht länger ihre Wange. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Jacob erkannte das sich an der blassen Hand des Mannes ein Ring befand. Bei diesem musste es sich definitiv um einen Erbring handeln. Er war breit, silbern, mit einem dunkelblauen Stein und befand sich am breiten Zeigefinger des Mistkerls.
Die Dame hob ihre Hand, legte sie an die Hand des Mannes und über den Ring. Ein weiterer an ihrer Hand überschatte den Erbring. Denn es war ein kleiner silberner Ring – an ihrem linken Ringfinger. Ein Verlobungsring.
Es musste sich wohl um ihren Verlobten hierbei handeln. Denn sie gingen zu vertraut miteinander um. Wenn es nicht ihr Verlobter wäre, würde Jacob diesen ausfindig machen und ihm von der misslichen Lage seiner zukünftigen Frau erzählen müssen. Ihr musste auf Dauer geholfen werden – wenn sie dies denn wollte. Die Zeit verschwenden, obwohl jemand Jacobs Hilfe nicht wollte, konnte er sich nicht in seiner Position leisten. Es ließ ihn schwach wirken, würde er jemandem hinterherrennen. Die Menschen kamen zu ihm, nicht umgekehrt.
Die beiden so zu sehen, machte ihn nur noch wütender. Seine Entscheidung stand fest, er musste ihr helfen und das sofort.
Ohne seinen Blick vom Haus abzuwenden, lief er so lange rückwärts den Weg zurück, bis es aus seiner Sicht verschwand. Er lief hastig zurück in eine Gegend, die ihm besonnener war. Schnell schaute er sich um, entdeckte, dass eine Kutsche seiner Gang in der Nähe Rast hielt. Er lief zu ihnen und als einer seiner Jungs ihn erkannte stieß er den Ellenbogen in den nächsten Kameraden und nach und nach richteten sich die Jungs auf, nickten ihrem Anführer ehrfürchtig zu.
Jacob war bekannt für seine Strenge, Diskretion und Genauigkeit, wenn es um Verrat und Treue ging. Wer ihn verriet, den ließ er teuer zu stehen kommen. Wer ihm Treue schenkte, dem schenkte er eine Familie, eine Gemeinschaft fürs Leben. Nur dieses Leben war nicht für jeden geeignet.
„Hey!" Er winkte, deutete von den Pferden rauf zum Kutschbock. „Ich brauch zwei von euch, Jungs", stellte er kurz angebunden klar. „Ich möchte keine Fragen hören. Nur dass ihr euch bereithaltet. Der Rest, zurück zum Zug, ich muss euch später sprechen."
Die fünf Männer vor ihm nickten. Zwei sandten sich ohne Wort ab, drei gingen zu Fuß fort.
Gemeinsam fuhren sie zum Haus, hielten sich an der Haustür bereit.
Jacob sprang vom Kutschbock und ging zur Haustür und fing vorsichtig und so leise wie möglich an, das Schloss zu knacken. Ein Glück war er als Assassine ein Profi in solchen Sachen.
Die Tür öffnete sich leise. Sie musste gut geölt worden sein, noch nicht lange her. Das momentane Wetter war nicht geeignet für die Haustüren mancher Häuser.
Jacob schlich sich durch den hellen gelben Flur bis zum Salon, aus dem er Gebrüll und unterdrücktes Schluchzen vernehmen konnte.
Er schaute schnell um die Ecke und rümpfte angewidert die Nase. Am liebsten würde er diesen Bastard umbringen. Doch eine Leiche musste eine junge Dame wie sie nicht zu Gesicht bekommen. Wer wusste, wie sie dann auf Jacob noch reagieren würde. Sie hatte heute in seinen Augen schon genug durchgemacht.
Er nahm sich eine seiner Rauchbomben aus einer Tasche seines Gürtels, den er an seinem langen Mantel befestigt hatte. Jacob zielte sehr genau und atmete einen Moment tief durch, um sich auf das darauffolgende bereit zu machen. Sobald er soweit war, warf er sie in den Salon und wartete. Er hörte es wenige Sekunden später zischen.
„Was zum...?!" Schnell entstand eine dichte Rauchwolke, die aus dem Salon strömte und den größten Teils des Flurs eindichtete. „Was zur Hölle ist hier los?!", schrie der Mann wütend und das Mädchen begann zu husten, ehe ein dumpfer Klang ertönte. Sie musste zu Boden gegangen sein.
Das bedeutete, der Kerl musste von ihr abgelassen haben. Dies war Jacobs Chance, um zu reagieren. Er schnellte nach vorne, packte den Mann an den Schultern und duckte sich als seine Arme sich ausstreckten. Mit deutlichem Gewicht und Druck zog er ihn an sich und warf ihn über seinen Rücken zu Boden.
„Schnell." Er machte von seiner tiefen Stimme Gebrauch und wandte sich dem jungen Ding zu. „Kommen Sie mit mir, Miss", meinte er hastig und bot ihr seine Hand an. Durch den dichten Rauch sah er nur leicht die Umrisse der Frau. Sie schien verwirrt, noch immer am Weinen. Ihr Blick wanderte in Richtung des Mannes am Boden und wieder zu Jacob, der ihr noch immer seine Hand hinhielt. „Jetzt kommen Sie schon." Seine Stimme nahm einen drängenden Ton an. Es würde noch wenige Sekunden dauern, ehe sich der Herr vom dumpfen und schmerzhaften Aufschlag auf sein Schultergelenk erholt hätte. „Ich werde Ihnen helfen", sprach der Assassine erneut hastig aus. Seine braunen Augen wanderten zu seiner Hand als er ihre Finger, ummantelt vom Handschuh, auf seiner spürte. Sie griff kräftig zu – vermutlich so stark sie konnte. Dann nickte sie als er aufblickte.
Jacob rannte mit ihr aus der Tür hinaus und es dauerte keine zwei Sekunden, ehe sie den Vorgarten durchquerten und sie die Kutsche entdeckte.
„In diese Kutsche da, na los!", rief er mit unterdrückter Wut in sich und deutete auf die grüne Kutsche. Die Frau folgte seinen Anweisungen und stieg ohne ein Wort ein.
Jacob stieg auf den Kutschbock, nahm hastig die Zügel. „Eine Ablenkung." Er musste seine Männer nicht ansehen, damit sie verstanden. Sie sprangen wortlos ab und rannten zum Haus zurück, während er mit der Kutsche, der Dame in ihr und den Pferden in der Nacht verschwand.
Von weitem konnte er hören, wie der Mann ihm etwas nachrief, aber das war dem jungen Assassinen herzlichst egal.
Nach einer Weile drosselte Jacob das Tempo der Kutsche, ritt über Pflasterstein in eine unsichere Gegend. Sollte jemand es wagen, ihn überfallen zu wollen. Niemand hatte ihnen hier etwas zu geben. Diejenigen hätten nur ihr Leben zu verlieren.
„Miss, sind Sie in Ordnung?", rief er nach drinnen und hoffte, dass die Dame nicht zu sehr geschockt von seiner rasanten Aktion reagieren würde.
„Ich..." Ihre zarte hohe Stimme ertönte aus dem Innern der Kutsche. „Ich denke schon", gestand sie ihm und er schnaufte, atmete einmal tief durch. Schon lange hatte er eine solche Aktion nicht mehr durchgeführt. Vor allem nicht so unüberlegt und spontan. „Das war alles so überraschend", behauptete sie. Man konnte ein leichtes Zittern in ihrer Stimme wahrnehmen.
Jacob ritt mit der Kutsche in eine Nebengasse, hielt sie an und stieg vom Kutschbock ab. Er öffnete die Tür langsam, wagte dann einen Blick hinein. „Schon in Ordnung, Miss", sagte er als er sie in einer hinteren Ecke kauern sah.
Sie hatte jegliche Etikette an den Banger gehängt und ihre Beine auf die polsternden Sitze gezogen, sie umschlungen. Ihre Wangen, erkannte er trotz der Dunkelheit, schimmerten. Ihr liefen Tränen das Gesicht hinab.
„Sie sind in Sicherheit. Ich werde Ihnen nichts tun. Niemand wird Ihnen etwas tun." Jacob hörte sie hastig atmen. „Ich geben Ihnen mein Wort."
„Ihr Wort?", spottete sie. Seine Augenbrauen wanderten seine Stirn hinauf. „Ich kenne Sie nicht."
Er befeuchtete seine Lippen mit seiner Zunge.
Stimmt, dachte er.
Sie kannte ihn nicht. Er hatte eine ihm wildfremde aus einem Haus gerettet und sie mit sich genommen. In ihren Augen könnte es auch als versuchte Entführung aussehen.
„Ich verspreche Ihnen, ich tue Ihnen nichts", versicherte der junge Mann ihr und streckte seine Hand aus. „Ich verabscheue Gewalt an Frauen. Ich sah wie er Sie schlug, durchs Fenster. Es störte meinen nächtlichen Spaziergang. Ich wollte nur helfen." Er brachte Geduld auf, hielt seine Hand ausgestreckt und wartete. Die Frau zögerte lange bevor sie die Hand des Assassinen ergriff und sich aus der Kutsche helfen ließ. Ihr Kleid raffte sich unter ihrem dunkelblauen Mantel als sie die dunkle Treppe der Kutsche hinabstieg.
„Ich muss Ihnen danken, mein Herr." Ihre Stimme war leise. „Ich hätte nicht damit gerechnet", erläuterte die Frau und sah Jacob ins Gesicht. Ihre Stirn runzelte sich. Vermutlich weil sie sein Gesicht wegen des Lichts nicht großartig erkennen konnte. Außerdem verbarg die Kapuze seines Assassinenmantels sein halbes Gesicht.
„Ich hatte so ein Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Ich hatte Recht." Jacob lachte leise und die Frau hielt vor Schreck eine Hand vor ihren Mund. Er hielt inne.
„Sie waren nicht vor meinem Haus." Sie wich einen Schritt in Richtung der Kutsche zurück. „Sie sind der Herr, in den ich hineinlief."
Er seufzte. „Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen, weil-"
„Weil Sie mir gefolgt sind? Wer sind Sie? Wurden Sie beauftragt?!" Sie war noch während ihrer Worte die Kutsche wieder hineingestiegen.
Jacob atmete tief ein. „Ich möchte Ihnen nur helfen, Miss."
Es war lange Zeit still. Er sah nur ihre dunklen Umrisse in der Kutsche.
Womöglich, dachte er, wollte sie nun nicht mehr herauskommen.
Er sah zum Mond herauf. Eine kleine Sichel lediglich, beinahe verdeckt von Wolken, die vorüberzogen.
„Ich irre mich selten", sagte er leise, starrte weiter zum Mond herauf. „Es war Schicksal, dass wir uns begegnet sind", sprach er aus. „Sonst hätte ich Sie nicht retten können", behauptete Jacob ruhig und zog nun seine Assassinenkapuze ab, entblößte somit sein Gesicht. Seine Wangenknochen traten hervor. Das taten sie nur so stark, wenn er sich frisch rasiert hatte – wie heute früh. Er wusste um seinen schmalen Mund und dass dieser häufig nicht freundlich gekrümmt war. Doch er versuchte sich nun an einem Lächeln – welches vermutlich nicht gelang. Wieso tat er dies für diese junge Frau? Damit sie sich wohler fühlte? Er hatte sie lediglich vor einem gewalttätigen Akt bewahrt – mehr nicht.
„Darf ich Ihren Namen wissen, Ma'am?", fragte der Attentäter höflich und wartete geduldig. Sie atmete tief ein – gab ihm keine Antwort.
Es verging eine gefühlte Stunde. Vielleicht war es auch so. Jacob hatte keine Taschenuhr bei sich.
Plötzlich antwortete ihm die junge Dame. „Rosabella Dupont", gab sie ihm ihren Namen preis. „Alle nennen mich Rose." Es ertönten auf dem Boden der Kutsche ihre leichten Schritte, bevor sie hervor in die Nacht trat und die Kutsche wieder verließ.
Sie wirkte noch immer sehr angespannt.
„Nun, Miss Dupont", sprach er ihren Namen aus und versuchte sich an einem erneuten Lächeln. „Es tut gut, zu wissen, dass es Ihnen wohl gut geht." Er hielt ihr höflicherweise seine Hand hin. „Mein Name ist Jacob Frye", stellte er sich von selbst vor. Der braunhaarige Mann verbeugte sich ein wenig und hoffte dass dies die Stimmung ein wenig lockern würde als sie seine Hand zaghaft ergriff. Er kam nicht dazu, der Dame ordentlich eine Begrüßung in Form eines Handkusses zu erweisen, bevor sie ihre Hand aus seiner zog.
„Nun, Mr. Frye, ich muss mich bei Ihnen bedanken", sagte sie leise. „Es war sehr mutig, was Sie für mich getan haben." Rose lächelte ein wenig – doch wirkte es unsicher.
„Dürfte ich wissen, wer er war? Der Mistkerl, der Sie so fürchterlich behandelt hat?" Jacob verzog seine Miene ein wenig und versuchte nicht zu wütend zu klingen.
„Er ist... mein Verlobter", gestand Rose ihm. „Meine Eltern haben ihn für mich gewählt."
Also arrangiert, dachte sich Jacob.
Er verstand nicht, wieso man dies seinem eigenen Fleisch und Blut antat.
„Sie müssen ihn lieben", gab Jacob sarkastisch von sich und Rose schnaubte.
„Ich möchte ihn nicht heiraten." Sie schüttelte ihren Kopf. „Weil er, wie Sie bereits sagten, ein Mistkerl ist. Er hat keinerlei Benehmen", klagte Rose und ein frustriertes Seufzen verließ ihre Lippen.
Jacob fragte sich, wie ein Seufzen klingen würde, das erfreuter, anderer Natur herrühren würde. Bestimmt würde er sich nicht beliebt machen, diesen Gedanken zu äußern. Also verbarg er ihn tief in seinem Kopf.
„Ich gehe davon aus, dass Ihre Eltern nichts von seinem Verhalten auch nur ahnen", überlegte er stattdessen laut und Rose nickte nur, blinzelte mehrfach schnell hintereinander. Jacob hätte gern in ihre grünen Augen gesehen, um zu erkennen, was sie dachte. Frauen, so hatte er des Öfteren bereits bemerkt, verrieten sich durch ihre Augen und deren Reaktionen. „Kommen Sie mit mir", bat er sie, räusperte sich und versuchte es eher wie ein Angebot klingen zu lassen. „Ich hätte einen Ort, wo Sie für diese Nacht sicher wären", meinte er. „Ich könnte Sie zu dieser späten Stund' allerdings auch noch zur Polizei begleiten."
Er ahnte, dass die Polizei vor morgen nichts unternehmen würde, doch er musste Rose die Wahl lassen. Sonst fühlte sie sich bedroht, schätzte er.
Rose seufzte. „Ich habe nichts zu verlieren", sagte sie leise – beinahe zu leise. „Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Mr. Frye."
Jacob nickte, sein Herz machte einen Hüpfer und klopfte lautstark zwischen seinen Rippen.
Rose folgte dem jungen Assassinen still, immer noch verwirrt. Sie wirkte allerdings zunehmend beruhigter – und doch auch noch immer wachsam. Sie musste wohl ständig angespannt sein.
Das arme Ding, dachte Jacob.
Er würde sich morgen weiter darum kümmern, nahm er sich vor. Ihr musste geholfen werden – und er ahnte auch schon, wen er dafür beauftragen würde.
Beide ließen sie die Kutsche und die Pferde zurück. Er würde jemandem am Zug Bescheid geben, derjenige würde die Kutsche bestimmt abholen.
Sie erreichten weitaus später erst den Bahnhof, in dem der Zug stand, doch so war es sicherer. Roses Verlobter konnte die Polizei rufen und nach der Kutsche fahnden lassen.
„Ein Zug?" Rose wunderte sich, zögerte sichtlich und sah zu, wie Jacob an der Tür zu einem der Wagons stand.
Er hob die Hand und pfiff laut in einem bestimmten Rhythmus. Ein älterer Kerl verließ einen Wagon weit hinten im verlassenen Bahnhof.
„George, acht Querstraßen weiter steht eine unserer Kutschen. Hol sie her", bat er in einem Befehlston, der George zu verstehen gab, dass er keine Widersprüche duldete.
George nickte und sein Kopf verschwand wieder im Wagon – vermutlich um sich einzukleiden für die Nacht.
„Ja." Er sah zu Rose. „Dies hier gehört mir und den Jungs", erklärte er in einem freundlicheren Ton und half ihr, auf den Zug aufzuspringen.
„Das ist ein außergewöhnliches Zuhause", behauptete Rose und schaute sich im ersten Wagon um. Die Farbe war mittlerweile in beinahe allen Wagons verblichen, die Möbel abgenutzt. Doch es war Jacobs Zuhause. Hier fühlte er sich am wohlsten. Hier konnte er sein, wer er war.
„Ich bin auch kein gewöhnlicher Mann", entgegnete er. „Also das würde ich jedenfalls so sagen." Jacob warf seinen Zylinder an einen Haken und zog seinen Gürtel und Mantel von sich, hängte ihn dazu. Dann ging er auf einen Schrank zu, dessen Türe aufstanden. Und das immer, zu jeder Zeit. „Auch etwas?" Er bot ihr eine Flasche Bier an, ohne zu ahnen, dass sie annehmen würde.
„Gerne." Dankend nahm sie die Bierflasche entgegen, trank ohne groß zu zögern daraus. „Wenn ich fragen darf, Mr. Frye...", fing Rose an und Jacob unterbrach sie mit einem kurzen Lachen.
„Bitte, nennen Sie mich Jacob", bat er sie. „Sonst fühle ich mich alt." Die Mundwinkel der jungen Frau zuckten und sie sah hinunter auf die Bierflasche, zog sich ihre Kapuze vom Kopf. Hervor schauten rötliche Haare, die in ihrem Nacken zusammengebunden waren.
„Na schön", meinte sie. „Also Jacob." Sie hob den Blick, sah ihn aus ihren kräftigen grünen Augen an.
Es war, als konnte er seinen Blick nicht mehr von ihren Augen losreißen. Als wäre er in ihrem Blick gefangen. So etwas hatte er noch nie erlebt.
„Was meintest du damit, dass du kein gewöhnlicher Mann bist?" Sie brach ihren Blickkontakt und setzte sich nun auf eine der alten Couchmöglichkeiten, die sich im Raum befanden. Jacob lehnte sich an der Wagonwand an und trank einen Schluck, ließ sich Zeit mit seiner Antwort.
„Nun." Er befeuchtete schmunzelnd seine Lippen mit seiner Zunge. „Ich weiß nicht, ob Sie schon mal etwas von den Rooks gehört haben." Jacob grinste ein wenig übereifrig. Jacob war sehr stolz auf seine Gang und daraus machte er auch kein Geheimnis. Beinahe jeder kannte die berüchtigten Frye-Zwillinge.
„Ich habe schon von ihnen gehört, ja." Rose nickte langsam. „So wie du lächelst, scheint mir, du würdest sie auch kennen", stellte sie trocken fest.
Der braunhaarige Mann lachte. „Es mag jetzt zwar etwas übertrieben wirken, aber Sie stehen dem Anführer der Rooks gegenüber." Er verschränkte seine Arme vor der Brust, mitsamt Bierflasche in der Hand.
Rose wirkte ruhig, ließ sich auf jeden Fall in keinster Weise anmerken, was sie fühlte. Das überraschte ihn. Selbst in ihren Augen konnte er nicht ablesen, was sie empfand.
Stirnrunzelnd trat er an sie heran. „Darf ich?" Sie sah zu ihm hinauf, verschlang ihn mit ihren Augen und sein Herz begann schnell zu pochen. Er runzelte seine Stirn noch stärker, fragte sich, warum er so empfand.
Rose nickte und er ließ sich neben sie nieder.
Sie blickte den jungen Assassinen an. „Dann hatte ich wohl wirklich sehr viel Glück... denke ich." Sie fühlte sich schon besser, doch sie wusste nicht, ob sie Jacob vertrauen konnte und blieb auf der Hut.
„Lass mich deine Wunde sehen." Er hob ungefragt die Hand. Es war eine instinktive Geste als er mit seinem Finger ihr Gesicht drehte, um sich die Wunde vom nahen anschauen zu können. „Nicht dass es sich noch verschlimmert", meinte Jacob ruhig und zog ein Taschentuch aus seiner Hose hervor.
„Danke, doch ich fürchte, dass es kaum etwas bringen wird", murmelte Rose bedauernd.
Er tupfte Alkohol, der sich auf einem Tisch hinter ihm befand, auf das Stofftuch und dann tupfte er es zaghaft gegen ihren Wangenknochen. Sie zischte, kniff die Augen zusammen.
„Wenn Sie denken, ich lasse Sie zurück zu diesem Mistkerl, dann haben Sie sich geirrt", meinte Jacob, während er sich um Roses Wange kümmerte. „Das kann ich nicht zulassen."
„Ich habe keine andere Wahl", stellte Rose leise klar. „Meine Eltern erwarten es von mir", merkte sie an. „Ich kann sie nicht enttäuschen." Jacob war, als läge mehr hinter ihren Worten. Die junge Frau vor ihm schaute traurig zu Boden.
„Wir haben immer eine Wahl", stellte Jacob klar. „Niemand sagt, dass wir die Erwartungen unserer Eltern erfüllen müssen und glauben Sie mir, ich spreche aus eigener Erfahrung", tadelte er Rose ein wenig.
Der Assassine dachte einen Moment an seinen Vater Ethan. Sie beide hatte stets verschiedene Ansichten und stritten oft.
„Ich habe oft mit meinem Vater Auseinandersetzungen gehabt", erzählte Jacob. Selten gab er etwas von sich preis. Es überraschte ihn, wieso er Rose gegenüber von Anfang an so offen schien. „Er hat mir stets vorgehalten, ich solle mehr wie meine Zwillingsschwester sein."
Er beendete seine Arbeit an der Wange der jungen Frau und hörte auf, die Wunde zu desinfizieren.
„Du hast eine Zwillingsschwester?" Ihre rötlichen Augenbrauen hoben sich ihre Stirn hinauf. „Ist sie auch hier?", erkundigte sich Rose und erkannte, dass sie einen Nerv bei dem jungen Mann getroffen haben musste. Denn Jacobs Miene war alles andere als glücklich.
„Nicht mehr", gestand er. „Sie ist mit ihrem Verlobten nach Indien aufgebrochen." Er seufzte und strich sich sein dunkelbraunes Haar zurück. „Wir haben uns oft gestritten. Dennoch vermisse ich sie", lachte Jacob und lehnte sich in die Couch zurück.
Rose nickte verständnisvoll. „Das kann ich mir vorstellen", erwiderte sie. „Ich habe auch eine Schwester, aber bei Zwillingen ist das nochmal was anderes, könnte ich mir denken." Auch sie lehnte sich zurück und entspannte sich ein wenig mehr in seiner Gegenwart – das spürte Jacob.
„Es war verrückt." Er schmunzelte. „Manchmal war es so, dass wir wussten, was der andere sagen wird. Noch bevor der andere es ausgesprochen hatte." Jacob atmete nach einem tiefen Atemzug aus. „Wie ich bereits sagte, Miss Dupont, Sie-"
„Bitte, Rose wird reichen." Der junge Assassine lächelte leicht und sein Herz machte einen weiteren Hüpfer.
„Nun gut." Er neigte leicht seinen Kopf. „Rose", sprach er ihren Name aus. Es war ein gutes Gefühl, diese Buchstaben auf seiner Zunge zu einem Wort zu bilden. „Ich wollte sagen, du kannst erst mal hier bleiben", bot er ihr an. „Wir finden eine Lösung wegen deines Verlobten", versprach er sanft und legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter, tätschelte sie sanft.
„Ich hoffe es." Rose seufzte leise – wirkte wieder mehr als besorgt.
„Hey, wenn Jacob Frye etwas verspricht, dann hält er es auch ein", stellte Jacob ernst klar, beugte sich vor, um ihr von unten ins Gesicht blicken zu können, da sie ihren Kopf geneigt hatte. „Du hast mein Wort", sicherte er ihr zu und sie nickte.
„Danke", war alles, was sie noch hervorbekam.
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Datum der Veröffentlichung: 05.08.2021 20:54 Uhr
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