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Nine

Nine

Rose wachte am nächsten Morgen auf, als sie bemerkte, wie sich Elisé aus dem Bett erhob, welches sie sich teilten. Sie war in der Nacht zuvor so schnell eingeschlafen, dass sie sich gar keine Gedanken mehr über den Abend gemacht hatte, den sie mit Jacob und seinen Jungs verbracht hatte. Mehr mit seinen Jungs als ihm, jedoch schien wirklich jeder ein Fan von seinem Boss zu sein.

Rose war eigentlich noch nicht bereit, aufzustehen, denn der gestrige Abend hing ihr noch schwer im Gedächtnis. Der brutale Kampf, Jacobs Sieg und sein verschwitzter und halbnackter Körper... dann diese blonde Frau... merkwürdig. Rose hätte Jacob gerne nach ihr gefragt, doch es stand ihr nicht zu und das wusste sie.

Sie schüttelte leicht ihren Kopf und versuchte, nicht all zu rot zu werden, wenn sie an den Ganganführer dachte. Sie sollte nicht an ihn denken, doch sie konnte sich nicht länger zurückhalten. Sie ahnte um ihre Gefühle für ihn, die sich langsam aber sicher an die Oberfläche fraßen. Nur wenn ihre Eltern Wind davon bekämen...

Jacobs Welt war so anders zu Roses Welt, es würde nicht passen. Für ihn und alles um ihn herum war so leicht. Er plante sein Leben nicht nach Strich und Faden. Jacob lebte im Moment – und das reizte die junge Frau an ihm.

„Rose?" Die siebzehnjährige hob den Kopf und sah ihre kleine Schwester an. „Hilfst du mir bitte bei meinen Haaren?", fragte Elisé sie mit ihrer zarten und hohen Stimme.

Leise seufzend erhob sich Rose aus dem Bett und rieb sich den Schlaf aus ihren Augen bevor sie nach ihrem Morgenmantel griff und ihren Körper und ihr Nachtkleid darunter verbarg. Sie war dankbar, morgens nicht so verschlafen wie andere Leute zu sein, doch heute zählte sie wohl zum Rest der Menschheit und ihre Trägheit am frühen Morgen.

„Natürlich." Rose lächelte müde. „Komm her."

Elisé zog sich einen Stuhl vom Fenster heran und platzierte ihn genau vor dem Bett, sodass Rose sich wieder setzen konnte. Dann reichte sie ihr ihre Haarbürste.

Ihre Schwester begann damit, ihre dunklen Haare vorsichtig zu entwirren und achtete wie immer darauf, ihre Wunde nicht zu berühren, an der Daren ihr Haare rausgerissen hatte.

Sie hatte Stunden geweint und darum gebeten, ihr würde ein Taschentuch gereicht werden. Nur irgendwann hatte Elisé einsehen müssen, das man ihr nicht helfen würde.

Doch was sie hier besonders mochte, war, dass sie diesem Mann mit dem dunklen Haar nicht mehr begegnen müsste. Der, der ihr wehgetan hatte. Von ihm hatte sie alle blauen Flecken gehabt, von ihm war sie an Stellen berührt worden, an denen sie nicht berührt werden mochte.

„Hast du gut geschlafen?" Elisé nickte einmal und atmete tief ein.

Beim Haare bürsten mit Rose konnte sie sich ein wenig entspannen – denn hier konnte sie sie selbst sein.

Rose war sich währenddessen sicher, dass Jacob noch schlief. Nach gestern hatte er es sich aber auch verdient. Er hatte hart gekämpft und Recht behalten – die Kämpfe waren brutal und blutig.

Der Schlag gegen seine Schusswunde würde den Heilungsprozess nicht gerade beschleunigen, doch Rose hoffte, dass er keine Infektion bekam. Den fürchterlichen Schmerzen müsste er sich nun aber trotzdem stellen, immerhin war er auch trotz ihrer Besorgnis in den Ring gestiegen.

„Ich habe etwas Amüsantes geträumt." Das junge Mädchen vor ihr kicherte und Roses Mundwinkel zuckten nach oben.

„So, und was war das?", erkundigte sich ihre Schwester und legte die Haarbürste neben sich, begann ihr die Haare zu flechten und sie hochzustecken. Elisé hatte solch wunderschönes braunes Haar und wenn die Sonne nun noch etwas häufiger zum Vorschein käme, dann würde es wieder so schön hell werden wie die Sommer zuvor auch. Rose war ein wenig neidisch auf ihre Haarfarbe. Ihre Eltern hatten beide braunes Haar und auch das hatte Elisé geerbt. Sie hatte nur rotes Haar, weil sie es von ihrer Großmutter väterlicherseits geerbt und es eine Generation übersprungen hatte.

„Du warst mit Jacob unterwegs und er hat dir gesagt wie hübsch du bist." Elisé kicherte und hielt sich dabei ihre Hand vor ihren Mund. „Und dann hat er dich romantisch im Regen gebeten, bei ihm zu bleiben", erläuterte die zwölfjährige und ihre ältere Schwester schüttelte den Kopf.

„Also wirklich, Elisé", sagte sie. „Das ist doch albern", bemerkte Rose. „Ich kann nicht hierbleiben", behauptete sie und beendete ihre Arbeit indem sie mit wenigen Haarnadeln alles fixierte.

Sie nahm sich nun selbst ihre Bürste, sobald sie aufstand, vom Nachttisch und fing an, durch ihr Haar zu bürsten.

Der Gedanke, dass sie hierbleiben würde, war doch absurd. Jacob würde das sicher nicht wollen. Sie passte nicht in seine chaotische Welt, dies war unvorstellbar. Und im Grunde war es andersrum genauso – er passte nicht in ihre Welt.

„Aber du bist so glücklich hier." Elisé hob ihre Augenbrauen. „Ich sehe doch, wie du rot wirst und jedes Mal lächelst." Sie schüttelte ihren Kopf. „Das ist doch etwas Gutes."

Rose atmete tief ein, band sich ihr Haar mit einer großen Haarklammer hoch, ehe sie sich aus ihrem Morgenmantel schälte, ihn zusammenfaltete und ordentlich über einen weiteren Stuhl vor einem Schreibtisch legte. Sie drehte sich von ihrer Schwester fort, die sich aus genau denselben Gründen umdrehte und schälte sich aus ihrem Nachtkleid, dass sie zu ihrem Morgenmantel legte. Danach begann Rose, in ihren Unterrock zu schlüpfen und in ein sauberes Unterhemd bevor sie sich für den Tag anzog. Es wurde wieder Mary-Anns Kleid, dass sie auch schon gestern Abend getragen hatte.

„Ich bin einfach nur froh, wenn wir aus dieser Stadt kommen", seufzte Rose in die Stille hinein und beschloss, ihre Haare für den Morgen hochgesteckt zu lassen.

Und gleich würde sie das Frühstück vorbereiten, um sicherzugehen, dass Elisé auch etwas im Magen hatte.

Währenddessen war Jacob bereits wach und überflog einen Brief, der ihn gestern Abend, während er im Kampfclub um sein Geld gekämpft hatte, erreichte. Er war von Evie und Henry. Die beiden schrieben ihm, nachdem sie nun vor knapp zwei Monaten nach Indien aufgebrochen waren, dass sie Italien erreicht hatten. Von dort aus wollten sie das Schiff nehmen, welches sie nach Indien bringen sollte.

Jacob seufzte schwer und fuhr sich durch sein dunkles Haar als er es las.

Auch wenn er es nicht zugeben wollte, vermisste er seine Schwester. Sie könnte ihm vielleicht bei dieser schwierigen Situation helfen. Denn wer konnte eine Frau besser verstehen als eine andere Frau?

Außerdem hatte er noch immer diesen Templerbrief bei sich. Jacob hatte bereits darüber nachgedacht, sich nochmal in das Haus von Pitsbur einzuschleichen.

Doch es war zu riskant. Schon das letzte Mal war es sehr knapp gewesen. Das sollte er nicht noch einmal riskieren. Er hatte aus seinen vergangenen Fehlern gelernt und Evie war nicht mehr da, um seine Fehler auszubügeln.

Er überprüfte seine Wunde, verzog die Miene. Gestern war das vielleicht keine so gute Idee gewesen, in den Ring zu steigen. Doch das Geld, was er bekommen hatte, brauchte er. Anders konnte er sein Geld momentan nicht verdienen.

Während er sich anzog, wanderten seine Gedanken zum gestrigen Abend und seine Mundwinkel zuckten unbewusst nach oben. Es war ein schöner Abend für ihn gewesen, trotz der Verletzung. Er mochte es, zu kämpfen. Meist ging er mit einer Frau nach Hause, der er sich danach widmete, doch gestern Abend war ihm bewusst gewesen, dass er nur Augen für Rose hatte.

Sie hatte ihn in den Kampfclub begleitet und sogar auf ihn gesetzt. Er hätte nie im Leben gedacht, dass sie so etwas tun würde. Das hatte ihn einen Moment vergessen lassen, dass er sie nicht so berühren sollte, wie er es gestern Abend getan hatte.

Noch im Bett hatte er gelegen und sich gewünscht, es wären ihre Hände gewesen, die seinen Schwanz berührten.

Das war schon das zweite Mal diese Woche, dass er beim Masturbieren an sie dachte.

Das würde wohl auch so fürs Erste bleiben. Denn er konnte sie sich nicht mehr wegdenken.

Für einen Moment hatte Jacob darüber nachgedacht, wie es wäre, würde sie noch länger bei ihm bleiben – doch dies würde ihr nicht möglich sein. Sie gehört nicht in seine Welt. Er war ein Assassine und trug zu viele Geheimnisse mit sich herum. Wie würde er ihr nur sagen, was eigentlich seine Arbeit war? Mit Blumen in der Hand oder wie? Einem Abendessen, das ungenießbar würde? Er konnte es nicht.

Jacob legte den Brief beiseite und zog sich seine Weste an. Er war gespannt, was Rose wohl heute wieder kochen würde. Denn er wettete mit sich selbst, dass er sie gleich am Herd vorfand.

Und ein wenig freute er sich darauf, denn Rose war in seinen Augen eine begabte Köchin.

Er öffnete die Tür zu seinem Wagon und ihm kroch bereits der Geruch von gebratenem Speck in die Nasenlöcher als er einatmete. Dabei war er noch zwei Wagons von der Küche entfernt.

Jacob behielt recht als er den Gemeinschaftswagon der Rooks – einen Wagon nach dem Schlafwagon – betrat. Rose stand nicht am Herd, doch sie hatte schon wieder frisch gekocht. Eier und Speck waren auf mehreren Tellern verteilt an zwei runden Tischen vorzufinden, die im Raum standen. Und Brot war überall in kleinen Körben zu finden.

„Da hat mich meine Nase nicht getäuscht", meinte der Anführer der Rooks und setzte sich neben Oliver, dessen Mundwinkel nach oben zuckten. Heute Morgen waren nur er, Rico, Gus und Fred anwesend, da der Rest Zuhause geschlafen hatte.

"Wenn es ums Essen geht, liegst du meist richtig", lachte Oliver mit vollem Mund und nahm sich selbst noch etwas mehr vom Speck.

„Meine Schwester kann echt super gut kochen." Elisé kicherte verhalten, während sie sich einen Pancake nahm.

„Jetzt übertreib nicht, Elisé." Rose spürte, wie sie ein wenig rot wurde als sie den Wagon mit einem weiteren Teller in der Hand betrat. „Kochen ist nicht so schwer." Sie lächelte und stellte den Teller direkt vor Jacob ab, der in seiner Bewegung innehielt und ihr mitten aufs Dekolleté starrte, sobald sie sich zum Tisch vorbeugte.

„Ich würde sagen, nach gestern Abend kannst du zugreifen." Jacob schluckte schwer und riss den Blick mühsam von ihrem Dekolleté los, sah ihr ins Gesicht.

„Wie bitte?", hakte er nach, in der Hoffnung, sich nicht verhört zu haben. Denn Gott... würde sie ihn bitten, würde er sie sofort zurück in sein Abteil schleifen und flachlegen.

„Das Essen." Rose schnaubte und senkte ihren Blick, schüttelte den Kopf. „Noch müde, Mr. Frye?"

Er schluckte erneut. „Ja, womöglich", log er und sah zurück aufs Frühstück.

Er zögerte noch einen Moment, doch dann nahm er sich etwas von dem Speck auf seinen Teller, der sich vor ihm befand.

Rose setzte sich neben Jacob und atmete tief ein als ihr Bein seines streifte.

„Dein Kampf gestern war beeindruckend", schmeichelte Rose ihm und seine Mundwinkel zuckten nach oben als auch sie sich nun etwas zu essen nahm. Elisé blickte auf und ihre Augen waren voller Bewunderung, stellte Jacob fest. Von so etwas hatte die jüngere Dupont noch nie gehört.

„Ein Kampf?" Sie sah zwischen ihrer großen Schwester und dem Ganganführer hin und her. „Du bist Boxer?", fragte sie ihn aufgeregt und sprang beinahe von ihrem Stuhl auf.

„Elisé", mahnte Rose sie leise und sie nahm wieder richtig Platz.

„Das ist ja aufregend." Elisé seufzte verträumt und Rose sah sie nochmal mahnend an. „Bitte erzähl mir davon, Jacob", bat sie mit flehendem Unterton und schob ein wenig ihre Unterlippe vor.

Der Angesprochene schmunzelte über die Reaktion des kleinen Mädchens. „Sicher, aber erst esse ich etwas", sagte er ihr und deutete auf seinen Speck. „Danach kann ich dir mehr darüber erzählen." Sein Blick wanderte beinahe automatisch schon wieder zur rothaarigen Dame im Raum. „Natürlich nur, wenn das in Ordnung geht."

Er wusste nicht, ob er Elisé davon erzählen sollte, immerhin war sie gerade einmal zwölf Jahre alt. Wenn er seiner Informantin Clara solche Geschichten erzählte, war es etwas anderes, denn Claras Vater selbst war Boxer und verdiente so ihren Unterhalt.

Rose nickte, um Jacobs ungestellte Frage zu beantworten. Sie kannte ihre Schwester hier am besten. Wenn Elisé etwas wissen wollte, ließ sie nicht locker, bis sie es in Erfahrung brachte. Das konnte manchmal etwas anstrengend werden, in Roses Augen. Denn eine Frau ging nicht alles im Leben eines Mannes etwas an, hatte ihre Mutter ihr beigebracht.

Die anwesenden Rooks unterhielten sich und immer wieder blickten sie mal zu ihrem Boss, während Rose schweigend ihr Essen zu sich nahm und Jacob nicht aufhören konnte, sie anzusehen.

Immer mal wieder schaute sie zu dem Mann neben ihr und fing seinen Blick ein. Sie fragte sich, wie er überhaupt zu diesen Kämpfen kam. Es war nicht alltäglich das man über einen Mann wie Jacob stolperte.

„Wie kam es dazu?" Jacob hielt in der Bewegung inne und sah Rose fragend an. „Also... dass du zu diesen Kämpfen kamst?", fragte sie ihn und unterbrach ihr Frühstück für einen Moment.

Jacob schluckte gerade seinen Speck hinunter als er mit den Schultern zuckte.

„Es war ein Zufall." Er zog seine Augenbrauen zusammen und Oliver lachte leicht bevor er der Erzählung seines Bosses genauso gespannt wie Elisé lauschte. „Meine Schwester und ich waren unterwegs, um London zu erkunden und sind dann in einen dieser Kampfclubs gestolpert." Jacob zuckte gleich nochmal mit den Schultern, sah auf seinen Teller hinab. „Als ich gesehen habe, wie die Männer sich eins aufs Maul schlugen, wollte ich dabei sein", erklärte er schnell und nahm sich eine weitere Portion.

„Oi, Boss, du hattest schon etwas. Das ist unfair", platze es aus Fred heraus, der auch gerade nach dem Teller greifen wollte und nun aufblickte.

„Dann musst du Schnarchnase schneller sein." Jacob lachte und packte sich ein bisschen Speck auf den Teller.

„Wie viel bekommt man bei solchen Kämpfen?", fragte Elisé neugierig und stützte ihr Gesicht verträumt seufzend auf ihren Händen ab.

Rose räusperte sich und hielt dafür ihre Hand kurz an ihren Mund als sie sah, was ihre kleinen Schwester da tat. Es gehörte sich nicht so was zu tun.

Elisé murmelte leise eine Entschuldigung und setzte sich wieder ordentlich hin, legte die Hände beschämt in ihrem Schoß ab, denn immerhin war sie schon fertig. Heute früh hatte ihr ein Brot und ein Ei gereicht, um ihren Magen zu füllen.

„Ist schon gut, Rose." Jacob sah die junge Frau an, die ihren Kopf schüttelte. „Hier braucht ihr euch nicht an irgendeine Etikette halten."

„Das hat weniger mit Etikette zu tun", entgegnete Rose in reserviertem Tonfall.

Jacob atmete tief ein, sah auf ihre Hand, die sich in die Serviette krallte.

Für ihn machte es keinen Sinn, auch wenn sie aus einem nobleren Haushalt stammten, sich an Etiketten zu klammern. Keine seiner Jungs brachte eine richtige Etikette an den Tisch, sie entspannten sich beim Essen und waren wer sie waren.

Es waren nun mal Jungs wie Jacob – ein bisschen rau, aber mit guten Potenzial. Womöglich, dachte Jacob sich, lag es auch an seinem Umfeld in dem er groß geworden war.

Natürlich hatte ihn sein Vater ab und an ermahnt, wenn er – zum Beispiel – mit dem Stuhl am Esstisch kippelte. Doch in den meisten Fällen hatte Ethan Frye nichts gesagt und seinen Sohn die Folgen selbst herausfinden und spüren lassen.

„Es kommt drauf an", sagte er ihr, „Ob man selber kämpft oder nur eine Wette abgibt." Jacob drückte seine Zunge gegen seine Wange und überlegte einen Moment.

„Du bekommst mehr, wenn du selbst in den Ring steigst", erklärte Rico und biss von seinem Brot ab, auf dass er sich Ei getan hatte.

„Wie viel mehr denn?" Rose runzelte ihre Stirn.

„Es kommt drauf an, aber in den meisten Fällen bekomme ich pro Kampf um die dreihundert bis vierhundert Pfund", erzählte Jacob ihr gelassen und Elisé schaute ihn mit überraschter Miene an. So viel Geld hätte sie nicht erwartet. „Es reicht für die Hälfte eines Monats." Er zuckte wieder mit seinen Schultern.

„Ja, nur bitte vergiss nicht die Wetteinsätze, die kommen auch in unseren Kasse", erläuterte Oliver ihm und deutete auf seinen Boss.

„Ja, das schon, aber das teilen wir unter allen auf", berichtigte ihn Gus kauend und Jacob beendete seine zweite Portion Speck, indem er die letzten Reste Fred zuschob, der dankend einmal den Kopf neigte.

Rose lächelte leicht, sah auf ihren Teller, der nur die Schale eines Eis und die Krümel eines Brots aufwies.

„Ich mache mich mal an das Abräumen und den Abwasch", teilte sie den Männern mit und Rico sah zu Jacob, der sich ebenfalls gleich erhob.

„Ich kann dir helfen", bot er an und Rose lächelte ein wenig breiter, beugte sich vor und nahm seinen Teller, legte ihn auf ihren.

Jacobs untere Region erwachte so schnell zum Leben, das er erschrocken die Beine überkreuzte als er geradeaus in Roses Dekolleté blickte. Der Tisch ruckelte, weil er gegen ein Holzbein stieß und jeder blickte auf.

„Verzeiht." Er verzog die Miene. „Gestoßen", log er und tat, als würde er sich sein Knie reiben.

Oliver runzelte die Stirn, bevor sich seine Augenbrauen hoben. Rico entging es wie immer nicht, was in Jacob vor sich ging, doch der jüngste anwesende Rook war mächtig verwirrt.

„Brauchst du 'n Taschentuch, du Heulsuse?", entgegnete Oliver trocken.

„Leck mich." Jacobs Mundwinkel zuckten und er atmete tief ein, schloss seine Augen als Rose sich zu ihm hinabbeugte, ihm die Schulter tätschelte.

„Brauchst du etwas?"

Jacob schüttelte schnell den Kopf, während er in seinen Gedanken nickte und nach ihr in Persona verlangte.

„Geh vor, ich komm gleich nach." Jacob befeuchtete seine Lippen mit der Zunge und Rose runzelte ihre Stirn.

„Du brauchst mir nicht helfen, Jacob. Du solltest dich nach gestern ausruhen."

Elisé meldete sich vornehm und hob die Hand einmal an. „Ich könnte dir helfen, Rosabella."

Rose lächelte dankend. „Das weiß ich zu schätzen, doch soweit ich weiß, hat dir Gus gestern noch ein paar Rechenaufgaben gegeben, die du noch nicht gelöst hast." Elisé schob ihre Unterlippe vor. „Du kannst mir aber Gesellschaft leisten."

Sobald die beiden Frauen den Wagon verlassen hatten konnte Rico nicht mehr und prustete, hielt sich die Hand vor den Mund.

Jacob verzog mächtig die Miene und verschränkte beleidigt von seinem Körper die Arme vor der Brust.

„Sag nichts", stellte er ernst klar und blickte auf die Krümel in einem leeren Brotkorb hinab.

„Hä?", machte Fred und Rico lachte laut los, legte den Kopf in den Nacken.

„Seid ihr kaputt?", fragte Gus die beiden und deutete zwischen Jacob und Rico hin und her.

„Ihr Jungs seid so blind." Rico schüttelte den Kopf und sah Jacob amüsiert an. „Und? Magst du da nun wirklich rüber?"

Jacob kniff seine Augen zusammen. „Bei der nächsten Gelegenheit hau ich dir eins aufs Maul." Er schüttelte den Kopf.

„Komm, versuch's mal." Rico zog belustigt eine Augenbraue hoch, lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Die drei anderen Rooks sahen sich den Schlagabtausch an, bis Oliver verstand und große Augen machte.

„Du bist hart geworden?!"

„Pssst!", machte Jacob laut. „Bist du bescheuert?!"

Rico befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. „Naja, sie ist schon hübsch. Nur nicht mein Typ."

„Sie ist jedermanns Typ, hast du sie dir schon mal richtig angeschaut?", gab Fred zu seinem Besten und trocken wider.

Jacob atmete tief ein, schloss seine Augen. „Es ist zu früh am Morgen, ich sollte noch im Bett liegen."

„Und an sie denken?", neckte Rico ihn und Jacob schnappte sich augenblicklich seine Tasse, warf sie nach seinem Freund, der mit dem Kopf zur Seite auswich. Die Tasse zerschellte an einer Kommode und Rose in der Küche zog die Augenbrauen bei dem Geräusch zusammen.

„Was machen die da drüben nur? Armdrücken?"

Elisé zuckte zur Antwort mit ihren Schultern.

Während Rose die meisten Sachen einschäumte und dann zum Trocknen auf ein Geschirrhandtuch auf dem Tisch ablegte, an dem Elisé ihre Aufgaben bearbeitete, brachte Gus ihr breit grinsend und zuvorkommend den Rest des Geschirrs.

Der Anführer der Rooks, der ihr zugesagt hatte, Gesellschaft zu leisten, blieb fern.

Nachdem Rose mit dem Abwasch fertig war, zuckte sie zusammen als Jacob vollkommen bekleidet in die Küche platzte.

„Schon fertig?" Rose nickte stumm, begann das abgetrocknete Geschirr wegzustellen. „Dann lass mich das übernehmen", bat er sie und kam ihr zuvor.

„Nein, es geht schon." Sie zuckte zusammen als er übereifrig am Brotmesser zog und Rose zischte, ruckartig losließ. „Au." Sie sah auf ihre Handinnenfläche und Jacob schluckte als er bemerkte, sie verletzt zu haben.

„Entschuldige." Er ergriff ihre Hand. „Das wollte ich nicht."

„Ist schon gut." Sie entzog ihm ihre Hand und lief zum Wasserhahn, um die Wunde auszuwaschen.

„Nein, nicht unter Wasser." Jacob schüttelte seinen Kopf und ergriff ein trockenes Geschirrhandtuch als Elisé aufblickte. „Damit wird es nur schlimmer." Er nahm sich wieder Roses Hand und wickelte ihr das Handtuch ums Gelenk. „Ein paar Minuten, dann wird es zu bluten aufhören." Rose sah von ihrer Hand auf und ihm in seine braunen Augen. „Ich wollte das wirklich nicht", wiederholte er sich.

„Wieso bist du ferngeblieben?" Rose legte ihren Kopf fragend schief. „Du hast gesagt, du kommst gleich nach."

Er presste kurz seine Lippen zusammen. Er konnte ihr wohl schlecht sagen, dass er über zehn Minuten im Gemeinschaftswagon gesessen und sich hatte auslachen lassen, weil er einen harten Schwanz dank ihr bekommen hatte.

„Rico", log er. „Er wollte noch einmal mit mir sprechen."

„Ah", machte Rose. „Verstehe." Ihre Mundwinkel zuckten leicht.

„Fertig." Elisé grinste breit und unterbrach die beiden in ihrem kleinen Moment. „Rose, gehst du mit mir bald in den Park?" Sie schob erneut ihre Unterlippe vor. „Ich würde gerne diesen Brunnen sehen, den du öfters aufgesucht hast."

„Brunnen?" Rose zog fragend ihre Augenbrauen zusammen.

„In deinen Briefen an mich."

„Ah", machte Rose erneut. „Natürlich." Sie lächelte. „Ja, dann geh dich anziehen, ich frage Miss MacBean gleich, ob sie für uns halten würde."

Jacob runzelte die Stirn. „Ihr wollt heute nach draußen?" Rose drehte ihm ihren Kopf zu.

„Sollen wir hierbleiben bei diesem schönen Wetter?" Rose lächelte leicht, hörte jedoch auf als sie Jacobs enttäuschte Miene entzifferte. „Oh, du... dachtest, wir könnten heute etwas gemeinsam machen."

Der Assassine nickte. Er war einfach von ausgegangen, ohne Rose vorher zu fragen. Nun hatte er den Salat.

„Ist schon in Ordnung, Elisé ist immerhin noch jung, sie-"

„Begleite uns", unterbrach Rose ihn und biss sich auf ihre Unterlippe.

Jacob schüttelte den Kopf. „Nein, du solltest Zeit mit ihr alleine verbringen."

„Wird doch bestimmt lustig." Rose sah zu Rico, der gerade an Jacob und ihr vorbeilief und sich eine Tasse für den Tee nahm, den er sich gleich kochen wollte. „Jacob würde sehr gerne mit, ist sich aber manchmal zu fein, es auszusprechen." Rico glaubte, wenn er seinem Freund keinen Schubser in die richtige Richtung gab, würde der Anführer sich niemals wirklich eingestehen, was er offensichtlich für das junge Mädchen empfand, dass er erst so kurz kannte.

„Na, schön." Jacob atmete tief ein. „Ich würde gerne mitkommen, wenn das für Elisé und dich in Ordnung geht."

Rose nickte schnell. „Natürlich geht das in Ordnung, Jacob."


Elisé kicherte und deutete zur Kutsche hinaus.

Rose sah sie mahnend an. „Elisé, ich habe dir schon einmal gesagt, dass-"

„Bitte", unterbrach ihre kleine Schwester sie mit vorgeschobener Unterlippe. „Er mag dich." Rose spürte, rote Wangen zu bekommen und sah hinter sich. Hinter dieser Wand der Kutsche befand sich der Kutschbock, auf dem Jacob saß und sich mit einem Rook unterhielt, den er gebeten hatte, die er die beiden Dupont-Geschwister zu fahren.

Rose hätte nicht gedacht, das Jacob sogar an so etwas dachte. Er war fürsorglich, keine Frage – und hilfsbereit.

Die siebzehnjährige erwischte sich dabei, wie sie sehr leise verträumt seufzte und richtete ihr Rückgrat gerade, womit sie sich aufrechter hinsetzte, ehe sie ihre kleine zwölfjährige Schwester anblickte.

„Es reicht", sagte sie mehr sich selbst als Elisé. „Ich möchte nichts mehr davon hören, Elisé."

Elisé sah ihre große Schwester resigniert an, sprach das Thema aber nicht mehr an.

Rose hielt sich am Stoff der Sitzbank fest als die Kutsche hielt und Jacob sie beinahe keine zwei Sekunden später öffnete.

„Der Park." Er lächelte und streckte Elisé die Hand hin, um ihr aus der Kutsche zu helfen.

Elisé lächelte breit. „Dankeschön, Jacob."

Als Rose an der Reihe war atmete sie tief ein, sobald sich ihre Hände und Haut berührten.

Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer und sie spürte, wie Schmetterlinge in ihrem Bauch wild umherflatterten und darum baten, sich mehr der süßen Folter reinzuziehen.

Sobald Rose die Kutsche verlassen hatte und Jacob die Tür schloss, setzte sich der Rook auf dem Kutschbock damit in Bewegung und reihte sich im Straßenverkehr ein.

„Wo fährt er hin?", fragte Rose ihren Begleiter und dieser schmunzelte.

„Nach Hause." Er sah Rose in ihre grünen Augen. „Wollen wir? Sie ist uns voraus."

Er deutete auf Elisé, die kaum noch zwischen all den Menschen am späten Vormittag zu erkennen war.

„Oh, nein." Rose lief eilig los und raffte mit einer Hand den Stoff ihres Rocks. „Elisé!", rief sie laut. „Bitte, nicht so schnell weglaufen."

Elisé, die durch das Geplauder der Menschen ihre Schwester nicht verstand, kicherte und folgte dem Schmetterling, den sie entdeckt hatte.

Rose schüttelte ihren Kopf und Jacobs Mundwinkel zuckten nach oben.

Seine Augen richteten sich auf Roses Hintern und er atmete tief ein. Er sollte ihr so nicht nachstarren. Doch seine Augen hatten ihren eigenen Willen und Sinn im Leben gefunden – diese Frau.

Sobald Rose Elisé wieder in ihrem Blickfeld hatte, wurde sie langsamer, folgte ihr mit den Augen.

„Keine Sorge, ich könnte sie überall aufspüren." Jacob lächelte, hielt mit Rose Schritt und diese faltete ihre Hände ineinander.

Stille breitete sich zwischen Jacob und Rose aus und immer wieder ballte der junge Assassine seine Hand zur Faust, um nicht nach der Hand der siebzehnjährigen zu greifen.

„Darf ich dich etwas fragen?", fragte Rose und schlug ihren Blick auf ihre Hände nieder.

„Alles", entgegnete Jacob und schaute Elisé dabei zu, wie sie an einen Teich heranlief, um sich die Enten anzusehen.

„Hast du dich schon mal bei so einem Kampf im Club verletzt?", fragte Rose den jungen Mann.

„Ja, ein paarmal." Er zuckte mit den Schultern. „Aber nichts, was mich umbringen würde." Roses Mundwinkel zuckten und sie drehte ihren Kopf dem Assassinen zu.

Vielleicht hatte Elisé Recht und es war hier gar nicht so schlecht.

Aber könnte sie je glücklich werden, mit einem Mann wie Jacob? Sie dachte, sie bräuchte jemanden, der ihr eine Zukunft bieten konnte, wie es ihre Mutter ihr immer beigepflichtet hatte.

Und Jacob war so anders als sie. Er hatte nie erwähnt, dass er eine Lehre gemacht hätte oder dass er noch einen anderen Job in Petto hatte. Er war immer auf Zack, schien ständig etwas zu verheimlichen und seinem Leben das gewisse Etwas einzuheizen. Doch dass er einen wahren, offiziellen Job hatte, konnte Rose sich nicht vorstellen. Kaum einer würde den Anführer einer gefürchteten Straßengang bei sich arbeiten lassen.

„Hast du auch jemals einen Kampf verloren?" Rose legte ihren Kopf schief als sie wenige Meter vor Elisé stoppten, die ihren Kopf drehte.

„Ist das dann sehr schlimm?", fragte sie und drehte sich in Jacobs Richtung.

Jacobs Mundwinkel zuckten. „Noch habe ich keinen Kampf verloren, nein." Er schüttelte seinen Kopf und sah auf Roses Hände hinab. „Ich würde aber niemals nie sagen, um nicht das Schicksal herauszufordern." Elisé kicherte und sah für einen Moment zurück zu den Enten, während Rose rot wurde und Jacobs Statue musterte.


Später am Tag brachte Jacob die Dupont-Geschwister wieder zum Zug. Rose wollte, dass sich Elisé ein wenig ausruhte und sie selbst mochte kochen, hatte sie ihm erzählt. Es gab nicht viel, was Jacob über Roses Tätigkeiten wusste, doch er vermutete, dass es ihr wirklich Freude bereitete, zu kochen. Vielleicht war es ein Hobby Roses.

Jacob verließ den Zug allerdings bald darauf wieder, nachdem er Rose bei ihrer Tätigkeit zurückließ.

Selbstverständlich wäre er gern länger geblieben, doch es ging nicht. Er brauchte ein wenig Zeit für sich und musste frische Luft schnappen – auf seine Art und Weise.

Jacob lief ein wenig über die Dächer Londons, hüpfte von einem Schornstein zum nächsten. Denn hier konnte er nachdenken. Hier oben war es still. Kein Gemurmel von Leuten, die ihn nicht interessierten. Keiner seiner Jungs hielt ihn an, um ihn in einen der vielen Pubs zu drängen, um auf Erfolg zu trinken. Hier oben konnte er er selbst sein, an seinem Kukri basteln oder seiner versteckten Klinge, ohne schräg angeschaut zu werden.

Das einzige, was ihn hier oben störte – und dies auch nur im Moment – war die Stimme in seinem Kopf. Denn diese sagte ihm, dass er Rose nicht gehen lassen konnte. Sie wollte das nicht, sie wollte, dass Rose blieb. Jacob hatte Bedenken, was mit ihr gesehen würde, wenn sie aus seinem Leben verschwand – doch dann fiel ihm ein, dass er ihr nichts schuldig war und sich nicht in ihr Leben einzumischen hatte.

Sie würde nach dem ganzen Desaster in London einen charmanten Ehemann finden, Kinder kriegen, ein komfortables Leben führen.

Er seufzte, sah zu, wie seine Klinge im Licht der Sonne einen kleinen Fleck reflektierte und auf ein anderes Ziegeldach Punkte erschienen ließ.

Seine Mundwinkel zuckten als die Sonne kurzzeitig von einer Wolke verdeckt wurde. Dabei bemerkte der junge Assassine, dass es kurz vor Sonnenuntergang war und er hob beide Augenbrauen. Er hatte Rose versprochen, ihr die Aussicht auf einem Dach zu zeigen.

„Hm", machte er bevor er seine Klinge einfuhr und sich auf die Beine kämpfte.

Danach kehrte Jacob eilig und voller Tatendrang zurück zum Zug, während die Sonne am Horizont immer tiefer sank.

Rose war gerade dabei, Würste auf Teller zu tun und summte ein Lied vor sich hin.

Jacobs Mundwinkel zuckten nach oben. War er so leise beim Eintreten gewesen?

Erst wollte Jacob sich mit einem Räuspern bemerkbar machen, jedoch entdeckte Rose ihn aus dem Augenwinkel und schrie auf, zuckte zusammen.

„Jacob!" Sie sah ihn an und verdeckte dann kurz ihr Gesicht mit ihren Händen.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken."

Er sah zum Gemeinschaftswagon, vermutete Elisé genau dort. Er mochte das quirlige kleine Mädchen, jedoch würde er gerne mehr Zeit mit Rose alleine verbringen. Sehr viel mehr Zeit.

Jacob legte seinen Finger an die Lippen und winkte Rose mit der anderen Hand zu sich heran.

„Ja?" Rose legte fragend den Kopf schief als sie vor Jacob stehenblieb.

„Ich hatte dir doch versprochen, dir die Aussicht von einem Dach zu zeigen", erklärte er ihr und nahm ihre Hand. Rose spürte bei der Berührung weiche Knie zu bekommen. Wie er mit dem Daumen über ihren Handrücken streichelte fühlte sich mehr als gut an...

„Ich weiß." Sie runzelte ihre Stirn als Jacob sie mit sich zog und noch leiser zu ihr sprach – als wäre es verboten. Er befeuchtete seine Lippen mit seiner Zunge.

„Möchtest du noch immer etwas Verbotenes tun?" Er legte den Kopf schief und ihr Herz begann zu klopfen.

Sie wollte ihm erst sagen, dass sie es im Affekt gesagt hätte, es keinerlei Bedeutung hatte. Doch stattdessen nickte sie, konnte sich seinem charmanten Zauber nicht entziehen.

Roses Herz klopfte so schnell als der Mann vor ihr sich vorbeugte, um ihr ins Ohr zu flüstern. „Wollen wir?", fragte er sie begeistert. Mehr Zeit mit Rose bedeutete mehr Zeit in der er sie besser kennenlernen und die Gefühle in ihm erforschen konnte.

Es war ein reizvoller Gedanke, etwas Verbotenes zu tun und ein aufregendes Gefühl machte sich in ihr breit.

Sie hatte mit diesem Mann schon einiges erlebt, bei dem sich ihre Eltern in Grund und Boden schämen würden, wenn sie dies jemals erfuhren. Warum nicht dann gleich über die Schlänge schlagen? Einmal in ihrem Leben konnte sie es sich doch wohl gestatten, etwas zu tun, worauf nur sie Lust hatte.

„Und Elisé? Und was ist mit dem Essen? Ich kann es hier doch nicht einfach stehen lassen." Rose folgte Jacob an seiner Hand wie ein Welpe seiner Mutter.

„Rico!", brüllte Jacob und öffnete die Tür. „Zur Küche!"

Rose quietschte als er sie an der Taille packte und neben sich zog.

„Jacob", sagte sie leise und atemlos. So kurz davor war er, sich vorzubeugen und sie zu küssen. „Der Zug ist in Bewegung." Sie sah hinunter auf die Gleise, die sie nur verschwommen erkennen konnte.

„Halt dich fest." Er grinste verschmitzt, bevor Rose sich erschrocken in seinen Mantel krallte als er mit ihr hinaushüpfte.

Ihre Augen kniffen sich zusammen und sie vermutete, nun zu sterben.

Jedoch waren Jacobs Arme fest um die junge Frau geschlungen und ihre Beine angezogen. Sie hätte den Aufprall schon längst spüren müssen.

„Du kannst mich loslassen", schmunzelte der Attentäter und Rose linste durch ihre Augen.

Sie standen auf den Gleisen, der Zug wurde immer kleiner.

„Wie hast du das gemacht?", fragte sie ihn und löste ihre Finger um seinen Mantel.

Er stellte Rose belustigt auf ihre Beine und schüttelte leicht den Kopf. „Übung", erklärte er ihr und ergriff ihre Hand. Rose rieb sich bei der kühlen Brise am Abend ihren entblößten Arm. „Hier lang." Er begann sie mit sich zu ziehen und neugierig folgte sie auf Schritt und Tritt.

Hastig Schritten beide jungen Menschen durch die Straßen Londons. Es war nicht mehr ganz so voll wie tagsüber, stellte Rose schnell fest. Und da sie immer mehr von Gasse zu Gasse liefen, begegneten sie auch deswegen nicht mehr allzu vielen Menschen.

Rose hatte sich bei Jacob eingehakt, weil sie sich dadurch sicherer fühlte. Jacob hielt dies mehr als Willkommen, sah immer wieder auf die Frau an seinem Arm hinunter und stärkte seinen Griff daran.

„Wo genau gehen wir hin, Jacob?", fragte sie ihn nach mehreren schweigsamen Minuten und atmete tief ein als sie durch den nächsten nicht beleuchteten Tunnel liefen.

Der Mann neben ihr antwortete ihr nicht, ging einfach mit ihr weiter. Er wusste genau, wo er hin wollte. Er bog als nächstes mit Rose in eine weitere Nebengasse ab, in der noch weniger los war.

„Wir müssen sicherstellen, dass uns keiner erwischt", raunte er ihr zu und sie sah mit pochendem Herzen zu ihm hoch.

Jacobs Herz raste nicht minder die ganze Zeit. Er wusste, dass er etwas Verbotenes tat, doch noch nie hatte es sich so reizvoll angefühlt, wie mit Rose an seiner Seite. Er war daran gewöhnt, er brach fast täglich irgendein Gesetzt. Sein Blut schoss ihm durch die Adern und er merkte wie sich sein Puls erhöhte, als ob er gleich ein Attentat verüben würde.

„Ich gehe davon aus, dass du noch nie wirklich geklettert bist?", fragte er Rose als sie vor einer Hausmauer stehen blieben, die sich in einem sehr kleinen Innenhof befand.

Rose blickte umher, erkannte außer Unkraut und Backsteinen jedoch nichts wider. Sie wusste nicht einmal, in welchem Stadtteil Londons sie sich befanden.

Sie schüttelte leicht ihren Kopf. Als Kind war sie mal einen Baum hinaufgeklettert, aber das war schon alles.

„Tut mir leid, aber ich könnte es versuchen", entgegnete sie und sah die Mauer herauf.

Wer könnte schon an solch einer Mauer hochklettern? Wenn Jacob das konnte, musste er es nicht nur schon ein Leben lang tun, er musste auch wirklich äußerst gut in Form sein.

Rose war das nicht. Sie hatte als Kind Reitunterricht genommen und das war's leider auch schon gewesen. Ihre Eltern hatten sie nie dazu gedrängt, mehr Sportarten zu absolvieren. Mehr hatten sie dazu tendiert, das Rose verschiedene Fremdsprachen erlernte.

„Das ist kein Problem." Jacob schüttelte den Kopf und sie sah hinunter auf ihre Hand als er diese ergriff. „Du musst mir jetzt nur vertrauen", bat er sie ernst und nahm mit der anderen Hand seinen Zylinder ab, verstaute ihn unter seinem Mantel.

„Wie meinst du das?", erwiderte sie verwirrt und sah zwischen ihrer Hand und seinem Gesicht hin und her.

„Ich bring uns sicher aufs Dach und später auch wieder runter, nur musst du mir dahingehend vertrauen", sprach er sanft und seine braunen Augen starrten sie intensiv an. Rose schluckte schwer. Wusste er's nicht? Sie vertraute ihm doch längst – mehr als sie es wohl sollte.

„Ich vertraue dir, Jacob." Es fühlte sich seltsam gut an, die Wahrheit, die in der Luft lag, dem jungen Mann auch zu sagen. Seine Mundwinkel zuckten nach oben und seine Brust füllte sich mit überwiegend sehr viel Sauerstoff, ehe er vorsichtig seinen rechten Arm um ihre Taille schlang und sie näher zu sich heranzog.

„Dann halt dich gut an mir fest." Er begann frech zu grinsen als Rose ihre Arme um seine Schultern schlang, sich an ihn schmiegte. Das fühlte sich aus Jacobs Sicht viel zu gut an. „Und versuch nicht zu schreien", raunte er ihr ins Ohr und Rose schluckte, bemerkte, dass sie weiche Knie bekam.

Rose verstand noch immer nicht genau, was er vorhatte und ihr wurde ein wenig schwindlig, Jacob so nah zu sein.

Sie zuckte zusammen als er seinen linken Arm in die Höhe streckte und etwas aus lautes metallenes zu hören war. Es schien etwas unter seinem Ärmel befestigt, jedoch konnte Rose nicht genau definieren was es war.

Dann, auf einmal, spürte Rose, wie sie sich in Bewegung setzten und sah ruckartig nach oben als sie auch schon nach oben rasten. Sie klammerte sich noch fester an den Mann, dessen Griff um sie automatisch dadurch stärker wurde. So stark, dass es schon beinahe weh tat.

Sie hatte keine Zeit zum Schreien. Alles was sie tat, war, ihre Augen zu schließen und zu beten, dass dies nicht ihre letzten Sekunden sein mögen.

„Du kannst die Augen wieder öffnen, Rose", hörte sie Jacobs raue Stimme an ihrem Ohr.

Er bewegte sich und sie spürte, wie sie abgestellt wurde. Erneut hatte er sie mehr gehalten und getragen als alles andere.

Langsam öffnete sie ihre Augen, spürte, wie eine Windbrise ihr Strähnen ihres Haares ins Gesicht wehte.

Ihr Blut pulsierte wie noch niemals zuvor und sie keuchte eine wenig erschrocken als sie sah, wie sich die Wolken neben der untergehenden Sonne bewegten.

Sie befanden sich doch tatsächlich auf dem Dach. Ein Dach mit schräg angebauten Ziegelsteinen.

„Festhalten brauchst du dich auch nicht mehr." Rose atmete die Luft von hier oben tief ein, ehe sie ihren Kopf drehte und Jacob in die Augen blickte. „Außer... du möchtest es", entkam es seinem Mund, bevor er sich aufhalten konnte.

Rose lächelte leicht und das Adrenalin in ihrem Körper ließ sie mutiger werden. „Dankeschön, Jacob." Sie sah sich um, ließ ihn nicht los.

Er schluckte, spürte, wie seine Handinnenfläche unter seinem Handschuh zu schwitzen begann.

„Wunderschön", beschrieb Rose den Sonnenuntergang, doch Jacob konnte dem nicht zustimmen. Sie vor seinen Augen zu haben war schöner als der Sonnenuntergang.

„Du bist schöner", lag ihm auf der Zunge, doch er biss sich darauf und verkniff es sich, ihr das zu beichten. Rose war sich in seinen Augen wohl in keinster Weise bewusst, was für eine Naturschönheit sie nur war. Ihre Haut war beinahe makellos, bis auf vereinzelt noch den Wunden und ihrem kleinen Veilchen, dass die Tage immer mehr verblasste.

Sie war kleiner als die meisten Männer, das zog sie allein schon an, nur ihre Kurven waren gut proportioniert und sie hatte ein strahlendes Lächeln, das einen vom Hocker riss – von dem verborgenen Charakter hinter diesem Körper mal abgesehen.

„Wenn du möchtest, können wir uns setzen", schlug er Rose vor, die wieder zu ihm aufblickte. Er rieb ihr den Arm, spürte die Gänsehaut, die sich gebildet hatte.

Er seufzte, ließ sie schweren Herzen los bevor er seine Klinge löste, sich den Mantel auszog und ihn ihr wortlos hinhielt. Dann befestigte er seine Klinge mit den Gurten wieder an seinem Handgelenk.

„Du wirst noch krank." Rot angelaufen zuckten ihre Mundwinkel nach oben als sie sich in Jacobs Mantel helfen ließ.

Sie verkniff sich ein Kichern, ehe sie vorsichtig ein paar Schritte machte und über ein Rohr stieg.

Rose blickte zu dem Mann zurück, der noch immer am Rand des Daches stand und ihr nachsah, sie anlächelte.

Er schritt an ihr vorbei, bevor er ihr wieder die Hand hinhielt, die sie ohne zu zögern ergriff. So ließ sie sich von ihm zu einem Vorsprung führen, an dem er hinunterhüpfte und ihr dann beide Hände hinhielt.

Rose setzte sich beschämt hin, ehe sie seine Hilfe annahm und an der Hauswand hinunterglitt. Sobald Jacob sich hingesetzt hatte, tat sie es ihm nach und überschlug die Knöchel.

Der Ausblick auf die Stadt, auf das große Gebäude vor ihnen war wundervoll und absolut faszinierend.

„Das ist wirklich unglaublich", beschrieb es die junge Frau und sie schaute fasziniert umher. Noch nie hatte sie eine solch schöne Aussicht genießen können. Jedoch hatte ihr auch noch niemand je diese Aussicht bieten können.

Jacob rutschte ein wenig mehr an den Rand und ließ seine Beine frei baumeln.

„Weißt du, was das für ein Gebäude ist?", hakte sie interessiert nach und er schnaubte belustigt.

„Die Bank of London", antwortete er ihr und sie hob ihre Augenbrauen.

„Bist du öfters hier oben?", fragte sie direkt darauf und folgte Jacobs Blick, der dem Horizont zugeneigt war. Er nickte und schloss für einen langen Moment die Augen.

„Ja, hier oben kann ich nachdenken. Keiner der mich stört oder ablenkt", erzählte er ihr ruhig und sein Lächeln wurde noch breiter. „Aber ich gebe zu, es ist schön, Mal Gesellschaft zu haben, wo meine Schwester nun weg ist." Er seufzte. „Es gibt kaum einen, der mich hierrauf begleitet", erwähnte er.

Rose biss sich auf die Lippe als sie runterschaute. Es wirkte so hoch, dass ihr Magen sich bemerkbar machte.

Sie rutschte ein wenig näher an Jacob heran. Ihrer Meinung nach war es nur, damit er schnell eingreifen könnte, würde was passieren.

An dem jungen Assassinen zog dies natürlich nicht vorbei und sein Herz machte einen erneuten Hüpfer als er die Initiative erneut von ihrer Seite aus wahrnahm.

Der Gedanke, die Frau neben ihm an sich zu ziehen, war stärker denn je und er atmete tief ein. Er stellte es sich unweigerlich vor. Jacob würde seinen Arm um sie legen, ihr Kopf würde für einen Moment auf seiner Schulter ruhen und dann, wenn sie aufblickte, würde er einfach nur den Rest zwischen ihnen überbrücken. Es wäre perfekt. Perfekt zerstörend. Das musste er sich immer wieder vor Augen halten.

Rose genoss die Stille und die Brise, die ihr durchs Haar wehte. Mit Jacobs Mantel um ihre Schultern war ihr gleich viel wärmer hier oben und der Herr neben ihr machte nicht aufmerksam darauf, dass er fror.

„So muss sich Freiheit anfühlen", murmelte sie unüberlegt und starrte die Sonne hinter der Bank of London an.

Sie erregte die Aufmerksamkeit des Attentäters, der seinen Kopf schief legte.

„Das klingt so als ob du nicht wüsstest, was Freiheit bedeutet."

Sie schluckte, wanderte mit zwei Fingern auf seinem Handgelenk herum, das auf seinem Knie ruhte.

Er sah auf seine Hand, betrachtete ihre schlanken Fingern und lächelte.

„Tut mir leid, das wollte ich so nicht-" Rose begann sich zu entschuldigen, doch brach seufzend ab. „Du hast Recht, ich habe keine Ahnung." Sie sah zu ihm hoch, blickte ihm in die braunen Augen.

Rose wusste, was für ein gutes Leben sie bisher führen durfte, doch das war es nicht, was sie glücklich machte. Ein wirklich freies Leben hatte sie bisher nicht erlebt. Denn ihre Kindheit war von Privatunterricht und Teestunden geprägt. Ihre Jugendjahre mit Treffen von Männern und Galen, denen sie sich widmen musste, um in der Gesellschaft gesehen zu werden. Sie sollte früh heiraten, das war der Wunsch ihres Vaters – beinahe wäre er in Erfüllung gegangen.

„Ich hatte ein bisher gutes Leben", erzählte sie ihm und sah zurück zur Sonne, schloss ihre Augen. „Doch freie Entscheidungen darf ich mir nicht erlauben." Rose seufzte, sah auf ihren Schoß hinunter. „Als Mann hat man es so viel leichter." Über ihre Worte hatte sie noch nie sonderlich viel nachgedacht, doch im Herzen spürte sie, dass es wahr war.

„Als Mann hast du es auch nicht immer leicht", gestand er ihr widerrum. „Mal davon abgesehen", er wollte sie ablenken, denn sein Körper verlangte mit jeder Zelle danach, sie wieder lächeln zu sehen, „Ist das hier also das erste Mal, dass du etwas Verbotenes tust? Du bist ja 'n Weichei."

Rose schnaubte belustigt, sah zu Jacob wieder hoch und er erwiderte ihren Blick mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.

„Nein, ist nicht das erste Mal." Roses Wangen nahmen einen dunklen Rotton an und Jacobs Augenbrauen wanderten seine Stirn hinauf. „Ich habe schon mal etwas gemacht, was meine Eltern unmöglich fanden." Sie kicherte und schüttelte ihren Kopf.

„Erzählst du es mir?", entgegnete der Mann neben ihr mit amüsierter und neugieriger Stimme.

Rose zog eine Augenbraue hoch und ihre Mundwinkel zuckten weiter nach oben. „Wieso sollte ich dir das erzählen?", fragte sie den Ganganführer. Diese peinliche Geschichte vor Jacob auszubreiten und ihm zu erzählen, würde sein Bild auf sie sicher noch weiter peinlich werden lassen.

Jacob räusperte sich und hatte kurzerhand eine Idee, wie er sie überzeugen könnte.

„Wie wäre es damit?" Er lehnte sich ein wenig nach hinten und dann vollends an das Ziegeldach an, ehe er seine Lippen mit seiner Zunge befeuchtete. „Ich erzähle dir etwas von mir, was sicherlich noch peinlicher ist, als das was du gemacht hast, und dafür erzählst du mir dann, was du angestellt hast, als du noch ein junges unschuldiges Mädchen warst", schlug er ihr vor und reichte ihr die Hand, damit sie einschlagen konnte.

Vorsichtig nahm sie seine Hand nach einem langen Zögern und angespannte Stille entgegen, schüttelte sie. „Nur, wenn deine Geschichte peinlicher ist", sagte sie, bevor sich ihre Haut voneinander trennte.


Flashback
Crawley 1859

Jacob und Evie warteten auf ihren Vater. Er wollte heute mit ihnen das Klettern in einem etwas unebeneren Gelände trainieren.

Doch bevor sie zum Training aufbrechen konnten, war George Westhouse vorbeigekommen. Er musste offensichtlich etwas Wichtiges mit Ethan besprechen. Und Ethan hatte den Zwillingen kurzerhand gesagt, sie sollten draußen warten und sich beschäftigen.

Zunächst waren sie noch von ausgegangen, es würde nicht lange dauern.

Evie blies sich in die Hände, um sich warm zu halten. Sie mochte die Kälte nicht.

Die beiden zwölfjährigen hassten jedoch viel mehr, wenn sie warten sollten. Vor allem Jacob – er war die Ungeduld in Person.

„Wie lange braucht Vater denn noch?" Jacob gab ein genervtes Schnauben von sich. „Ich möchte los und trainieren", maulte er herum und trat den Schnee um sich herum mit seinem Fuß fort.

„Du hast Vater gehört", sagte Evie ihm leise und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Es ist wichtig, was George ihm zu erzählen hat."

Jacob seufzte entnervt und trat weiterhin Schnee durch die Gegend.

Und dabei schlich sich dann ein Gedanke in seinen Kopf, dem er Taten folgen lassen wollte.

Er blickte hinüber zu seiner Schwester, die ihm den Rücken zugekehrt hatte. Das war seine Chance, also ergriff der jüngere Zwilling sie. Er nahm so schnell er konnte etwas Schnee in seine Hand, formte sie zu einer Kugel, zielte auf seine Schwester und warf.

Der Schneeball traf Evie im Rücken und sofort drehte sie sich alarmiert um. Sie sah ihren Bruder mit zusammengezogenen Augenbrauen an, der hinter vorgehaltener Hand kicherte.

Natürlich hatte er diesen Schneeball geworfen. Er hatte in ihren Augen nur Unfug im Kopf.

„Na warte." Evie beugte sich schnell zum Boden hinab und Jacob riss seine Augen auf. „Das bekommst du zurück!", rief sie und schon flog ein Schneeball in Jacobs Richtung.

Dieser wich geschickt aus und suchte hinter einem alten Baum Schutz. Das war es, was er wollte. Sich die Zeit vertreiben und Spaß haben. Es waren kleinen Momente, in den sie einfach nur Kinder sein konnten – und keine baldigen Attentäter.

Jacob wusste um die Wichtigkeit seiner Aufgabe, aber das hier versüßte ihm den Nachmittag.

Es entfachte schnell eine Schneeballschlacht zwischen den Zwillingen und sie hatten sehr viel Spaß.

Evie stand vor der Haustür und zog immer wieder zu ihrem Schutz den Deckel ihrer Mülltonne heran. Und dann streckte sie ihrem Bruder die Zunge raus, um ihn zu provozieren – was funktionierte.

Na warte, dachte Jacob sich.

Dies würde er nicht auf sich sitzen lassen.

Er warf den nächsten Schneeball mit so viel Kraft, wie er aufbringen konnte, damit Evie vielleicht aus dem Gleichgewicht geriet.

Doch das zwölfjährige Mädchen sah dies kommen und brachte sich in Sicherheit, ließ den Mülldeckel los.

Gerade in diesem Moment öffnete sich die Tür des Hauses und Jacob fühlte, wie sein Blut in den Adern gefror. Er flehte innerlich, dass es George wäre, der als erstes das Haus verließ. Nur zu seinem Leidwesen war es sein Vater.

Der Schneeball traf Ethan Frye direkt im Schritt. Dieser zuckte deutlich nach hinten, denn damit hatte er natürlich nicht gerechnet.

Es herrschte eine Totenstille und Evie versteckte sich angespannt hinter einer Hauswand, linste um die Ecke.

Langsam wischte sich der ältere Assassine den Schnee von seiner Hose, sein Blick fokussierte sofort seinen Sohn.

Georges Mundwinkel zuckten nach oben und er blickte kurz gen Boden.

Jacobs Beine fingen an zu zittern. Das war's, er war so was von tot. Ermordet von seinem Vater. Jacob konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen.

Ethan bewegte sich auf seinen Sohn zu und dieser verlor keine Sekunde.

So schnell ihn seine Beine tragen konnten rannte Jacob davon.

„Ich schwöre, ich wollte Evie treffen!", rief er und hoffte, sein Vater würde nicht allzu sauer.

„Komm her, Jacob!", donnerte Ethan und musste sich im nächsten Moment sein Lachen verkneifen. Er war nicht sauer, aber er würde sich dafür rächen. Niemand begann eine Schneeballschlacht und kam ungestraft davon, wenn er ihn traf – das hatte schon seine Frau Cecily zu spüren bekommen.

„Nein, nein, bitte!", schrie der zwölfjährige und rannte, nachdem er einmal ums Haus war, vorbei an George und hinein ins Innere. „Es tut mir leid, es tut mir leid", entkam es dem kleinen Jungen immer wieder, während er noch immer von seinem Vater verfolgt durchs Haus rannte.

Ethan versuchte, seinen Sohn immer wieder zu erwischen, doch er war sehr flink und kleiner als der Mann selbst.

Dann erreichten beide erneut den Garten des Hauses. Nun sah Ethan Frye die Chance, seinen Sohn zu erwischen.

„Jetzt habe ich dich!", rief der ältere und warf sich nach vorne.

Er packte gerade noch so den Jungen an seinem Fußgelenk. Ethan zog daran und Jacob spürte, wie er nach vorne fiel, mit dem Gesicht direkt in den frisch gefallenen Schnee, der im Garten lag.

Ethan lachte und ließ seinen Sohn los, der sich erschrocken drehte. Er zog die kleinen Fäuste an seinen Brustkorb, bereit auszuholen. Nur dann blickte er verwirrt auf und zu seinem Vater.

Jacob verstand langsam, dass sein Vater gar nicht sauer auf ihn war – im Gegenteil. Er hatte ihn mit Absicht verfolgt, damit Jacob letztendlich derjenige mit Schnee im Gesicht war.

„Attacke!", schrie Jacob auf einmal mutig und rappelte sich auf, sprang in die Arme seines Vaters, der auf dem Boden kniete und herzlichst lachte.

Dieser Angriff war anders als Ethan Frye es sich gedacht hatte, denn auf einmal sprang ihm seine kleine Tochter auf den Rücken und umfasste seine Schultern.

„Hey, stopp!", rief Ethan lachend und kämpfte damit, nicht wieder im Schnee zu landen. „Das ist Betrug!" Er streckte amüsiert die Hand nach seinem besten Freund aus. „George, hilf mir" bat er als seine Kinder anfingen, ihn zu kitzeln.

„Das ist kein Betrug", lachte Evie laut. Auch sie hatte bereits Schnee in den Haaren und schüttelte ihre Zöpfe einmal aus.

„Genau!", stimmte Jacob seiner Zwillingsschwester zu. „Das nennt man Teamarbeit", lachte er und gemeinsam schafften sie es, dass Ethan wieder im Schnee versank.

Lachen erfüllte die Luft und George schüttelte schmunzelnd und amüsiert seinen Kopf über die Familie Frye.

Flashback Ende


Rose fing an zu lachen nachdem Jacob die Geschichte mit einem dramatischen Tonfall zu Ende erzählte.

Sie konnte kaum fassen, dass er ihr so etwas Einfaches erzählte. Sollten Schneeballschlachten mit der Familie nicht normal sein?

Es wirkte auf den Mann so anders, der neben ihr saß. Er schien wohl keine richtige Kindheit erlebt zu haben, wenn dies für ihn so besonders war. Rose lachte, doch im Innern verspürte sie Mitleid, was sie nicht an die Oberfläche dringen lassen mochte.

Jacob schmunzelte, blickte ihr in die Augen. Diese Geschichte war eine seiner liebsten Erinnerungen an seinen Vater. Ethan und er waren nicht immer einer Meinung gewesen, dennoch war er ein liebevoller Vater für seine Kinder gewesen – nur eben auf seine Art und Weise. Das konnte auch Jacob nach all den Jahren nicht leugnen.

„Ich vermisse manchmal die Zeit, in der man einfach ein Kind sein konnte." Der Assassine seufzte betrübt als Rose verstummte. „Niemand verurteilte einen." Er fuhr sich durch sein Haar, strich sich danach aber eine Strähne zurück, die er sich versehentlich vor die Linse gewischt hatte.

Jacob schaute ein paar Sekunden später auf genau dieselbe Strähne, als eine leichte Windböe ausreichte, sie ihm wieder vor die Augen zu wehen.

„Warte." Roses Mundwinkel zuckten als sie sich in Bewegung setzte, die Hand ausstreckte.

Er spürte wie schnell sein Herz schlug und schluckte schwer.

Wenige Zentimeter, dachte Jacob sich und überlegte, wie trocken sein Hals von einem auf den anderen Moment noch werden konnte.

Er drehte seinen Kopf noch ein wenig mehr zu ihr und sie sah ihn mit ihren grünen Augen an, hielt vor seinem Gesicht inne. Ein Lächeln zierte noch immer das Gesicht der jungen Frau. Seine Mundwinkel konnten sich jedoch nicht oben halten, er war zu angespannt in diesem Moment. Wenn er sich vorbeugte, würde sein momentan größter Wunsch in Erfüllung gehen – und sein Albtraum beginnen.

Dennoch musterte Jacob sie in Ruhe und suchte nach Anzeichen, dass sie ihn stoppen würde.

„Ich verurteile dich nicht, Jacob", sprach Rose leise und biss sich kurz leicht auf die Lippe. Ihr Herz klopfte so schnell, dass ihr schwindlig wurde und ihr Blick glitt unweigerlich hinunter zu seinen Lippen. Sie wollte es, aber sie war sich sicher, es wäre ein Fehler. Und diesen Fehler könnte sie nicht mehr rückgängig machen.

„Rose, ich..." Jacob schluckte schwer. Sein Magen spielte verrückt, ihm war schon schlecht von den ganzen Schmetterlingen darin, die er noch nie verspürt hatte. Sexuelle Erregung war nichts im Vergleich zu dem, was er in genau diesem Moment spürte.

Seine Lippen kribbelten bereits so voller Sehnsucht als sie auch noch ihren Blick auf sie senkte, dass er tief einatmete und sich noch ein Stück weiter vorlehnte – von ganz allein.

Dieses warme Gefühl in seiner Brust, welches er noch nie zuvor empfunden hatte, machte ihn wahnsinnig. Alles was er in diesem Moment wollte, waren ihre Lippen auf seinen spüren und sie nicht mehr loszulassen. Jacob konnte sich dem nicht länger entziehen.

Rose zuckte leicht zusammen als Jacobs Hand sich gegen ihren Hinterkopf legte, zu ihrem Nacken hinunterstreichelte und ihr eine Gänsehaut verpasste.

Noch nie war sie einem Mann so nah gewesen, weil sie es wollte.

Ihre Lippen waren leicht geöffnet, als wolle sie noch etwas sagen, doch es blieb still zwischen ihnen.

Jacob war sich noch immer ein wenig unsicher, darüber, was er hier tat. Doch er verlor sich glatt in ihren Augen und dachte sich: alles oder nichts.

Es beinahe schon erwartend schlossen sich Roses Augen von Sekunde zu Sekunde mehr und Jacobs Mundwinkel zuckten leicht nach oben als sie sich ebenfalls noch ein kleines Stück mehr vorlehnte.

Die junge Frau spürte dieselbe Hitze wie schon gestern im Kampfclub auf ihren Wangen. Ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust herum, ihr Bauch und die Schmetterlinge freuten sich einen Keks, dass es endlich soweit war, sie das bekamen, was sie wollten. Und dieses sehnsüchtige Gefühl danach, sich jemanden hinzugeben, weil sie es wollte ließ sie aufseufzen.

Nur ihr Kopf war es, der sie stoppte. Mit einer einzigen Frage. „Möchtest du dein Herz an einen Mann verlieren, den du womöglich nie wiedersehen wirst?"

Rose schluckte und senkte den Kopf, ehe sie sich zur Seite drehte.

Jacob öffnete ruckartig seine Augen.

„Alles in Ordnung?", fragte er sie leise.

Sie nickte stumm, ehe sie sich zurücklehnte.

„Ich..." Rose atmete tief ein, nahm den feigen Ausweg. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie es nicht konnte. Dass sie nicht wollte, dass er ihr wehtat und ihr das Herz brach. All die Romane, die sie in ihrem Leben gelesen hatte, all die beschrieben den schlimmsten Herzschmerz und Rose war schon sehr empathisch, sie wollte ihn nicht selbst verspüren. Davor hatte sie zu große Angst.

„Elisé wird sich fragen, wo ich bleibe."

Tief einatmend lehnte Jacob sich zurück, löste seine Hände von ihr.

Zu sagen, er wäre enttäuscht, wäre gelogen. Doch die Abfuhr war es, die ihn schmerzte.

Ihr Räuspern war kaum zu vernehmen, ehe er nach oben sah als sie aufstand. „Es wird bereits sehr spät." Sie schlug sich innerlich auf den Kopf und beschimpfte sich, was für ein Feigling sie doch war.

Doch Chance auf Glück wäre es nicht gewesen. Es wäre verwerflich gewesen, schmerzend. Jacob hätte ihr früher oder später das Herz gebrochen. Denn schlagartig wurde ihr das bewusst, was sich langsam an die Oberfläche hatte fressen wollen. Sie war in diesen Kerl absolut und hoffnungslos verliebt. Mit seiner charmanten und lockeren Art hätte er es ihrem Herzen nicht leichter machen können.

Rose konnte nicht riskieren, dass es noch mehr wehtun würde als ohnehin schon.

Die Sonne versteckte sich hinter eine dicken Wolkenschicht – und würde womöglich an diesem Abend nicht mehr hervorkommen.

Jacob zog die Augenbrauen zusammen bevor er außer Roses Sichtweite seinen Kopf am Dach anlehnte und in den wolkenverhangenen Himmel starrte.

„Soll das ein schlechter Witz sein?", fragte er und seufzte betrübt.

Rose stand bereits am Rand der Seite des Dachs, an der sie hochgekommen waren und rieb sich trotz des Mantels, den sie von Jacob geliehen bekommen hatte, die Arme.

Es ist nichts geschehen, sagte sie zu sich selbst.

Jacob atmete tief ein als er sich neben sie stellte.

Sie mied den Blick in sein Gesicht als sie sich an ihn lehnte, sich an ihm festhielt.

Und so schnell, wie sie hinaufgekommen waren, so schnell erreichten beide auch wieder den Boden.

Diesmal verstrich keine Sekunde, da löste sich Rose von Jacob und wandte sich ab.

Sie liefen dieses Mal auf den Hauptstraßen der Stadt zurück zum Zugversteck, stumm und peinlich berührt.

Rose hoffte, dass sie schnell den Zug erreichten, jedoch mussten sie ihn erst mal finden und dafür brauchte Jacob tatsächlich sogar länger als auf dem Hinweg.

Die Sonne war bereits untergegangen und es war kühl für den Frühling in der Nacht geworden als sie den Zug erreichten, der von Agnes für die Nacht an einem Bahnhof „geparkt" wurde.

Rose zog sich stumm seinen Mantel aus und reichte diesen Jacob, der ihn entgegennahm und über seinen Arm legte.

Am Zug angekommen, öffnete Jacob Rose die Tür und beide stiegen ein. Jacob wollte nichts lieber als sich zu seinem Abteil begeben. Er brauchte nach diesem stillen Desaster mehr als nur einen Drink.

Jedoch hielt ihn Rose noch einen Moment zurück und fasste ihn an seiner Hand. Der Assassine blieb stehen und sah sie an.

„Es..." Sie schluckte schwer. „Danke, Jacob." Sie ruderte zurück und änderte ihre Worte. „Es war wirklich schön", bedankte sich die junge Frau und sah zu Boden, bevor sich wieder ihre Augen mit seinen trafen. Er legte den Kopf schief, ehe er seufzte, sich ruckartig vorbeugte und sie einmal schnell gegen die Wange küsste.

Das leichte Zusammenzucken entging ihm jedoch nicht. „Schön dass es dir gefallen hat." Er nickte, löste seine Hand aus ihrer und drehte sich ruckartig um.

Die junge Frau sah ihm nach und seufzte leise und enttäuscht. Sie war kurz davor, ihm zu sagen, warum sie ihn nicht geküsst hatte, jedoch hielt sie die Angst zurück. Auch, ihn zu fragen, ob er länger mit ihr Zeit verbringen würde, blieb ihr auf der Zunge liegen. Sobald er in einem anderen Abteil verschwunden war, wandte sie sich um, um nach Elisé zu schauen.

In seinem Abteil angekommen schnappte sich Jacob die erstbeste Flasche Whisky, die er fand.

Er pfiff aufs Glas und setzte die Flasche direkt an, während er seinen Mantel in eine Ecke schleuderte.

Sein Gesicht verzog sich als er sich einen kräftigen Schluck gönnte. Er könnte schreien oder fluchen, denn er war so wütend auf sich selbst.

„Verfickte Scheiße!" Er strich sich mit seinen Fingern grob durchs Haar, brachte es mehr durcheinander als der Wind auf dem Dach.

Er war so wütend auf sich. Er ahnte, was ihn zu Rose hinzog. Und er wusste, dass es so nicht leicht würde, würde sie aus seinem Leben verschwinden. Jacob konnte sich nicht verlieben, das durfte für ihn nicht wahr sein.

Es war mehr als Sex, Zuneigung oder Verlangen, was ihn antrieb. Das waren echte Gefühle, die er empfand, denn ihr Korb kränkte ihn nicht nur in seinem Ego. Der Korb verletzte seine Gefühle.

Frustriert setzte sich Jacob auf sein Bett, welches ein wenig unter seinem Gewicht knarzte.

„Scheiße, Jacob, du bist so ein Idiot", murmelte er sich selbst zu.

Er trank weiter, spürte, wie der Whisky in seiner Kehle brannte. Der Assassine sah, wie ein Problem auf ihn zukam – und er wusste nicht, was er dagegen tun könnte. Er wollte sein Herz nicht an eine Frau verlieren, die ihm im Endeffekt das Herz brechen würde. Aber genau das war der Fall, dass war es, was hier langsam geschah.

Er schüttelte den Kopf. „Nein", sagte er sich und kniff die Augen zusammen. Er dufte nicht zulassen, dass er sich in sie verliebte. Es würde nur in einem großen Chaos enden.

Jacob trank den Whisky aus und stellte die Flasche achtlos neben sein Bett. Sie fiel direkt wieder um, ging auf dem Boden aber nicht kaputt.

Dann zog er seine Schuhe aus und ließ sein Kopf in die Kissen fallen, starrte an die Decke.

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Datum der Veröffentlichung: 28.11.2021 13:58 Uhr

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