Four
Four
Jacob bemerkte, wie er langsam das Bewusstsein wiedererlangte. Seine Seite brannte wie die Hölle, von der manchmal träumte.
Er bemerkte, dass er auf etwas Weichem lag. Es war sicher nicht der Boden des Pubs. Jacob atmete zunächst ruhig, ließ seine Augen geschlossen und versuchte sich auf etwas anderes als den Schmerz zu konzentrieren.
Er roch einen angenehmen, befremdlichen Duft – zitronig und frisch.
Woher kam dieser wundervolle Duft?
Jacob zuckte zusammen als im nächsten Moment etwas Kühles und Feuchtes seine Seite berührte. Er musste die Augen öffnen, um zu wissen was los war – oder wo er sich überhaupt befand.
Langsam öffnete Jacob seine Augen, versuchte sich mit seinem Blick auf etwas zu konzentrieren.
Sein Kopf pochte fürchterlich als er etwas Vertrautes entdeckte. Die Decke seines Zugabteils. Er war Zuhause.
Das weiche Gefühl unter ihm war sein Bett, stellte er nun fest. Die weiche, durchgelegene Matratze, die er bestimmt schon dreimal umgedreht hatte.
Doch eine Sache verwirrte ihn sehr. Woher stammte dieser angenehme Duft? Sein Abteil roch niemals so gut. Evie hatte sich oft über den Männergestank – so sagte sie es immer – beschwert.
Er stöhnte, hob die Hand und kratzte sich an der Schläfe, ehe er seine Gedanken über den Geruch unterbrach, weil jemand neben ihm Platz nahm.
Sofort wanderten Jacobs Augen zur Seite. Und da saß sie – Rose.
Sie sagte nichts – auch blickte sie nicht in seine Augen. Ihre Haare waren offen und fiel in flüssigen Wellen über ihre Schultern. Ihr Gesichtsausdruck zeigte sich besorgt. Doch da war er wieder.
Dieser wundervolle Mund, dachte der junge Attentäter sich.
Er war sich sehr sicher, dass sie sich einfach himmlisch und weich auf seinem Mund anfühlen würden.
Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Nun schaute sie in Jacobs Augen weniger besorgt drein, viel mehr wütend. Vermutlich weil er nicht auf ihre Warnung gehört hatte? Konnte es das sein?
Er folgte mit seinen Augen ihren Armen, und erkannte das sie ein Tuch in der Hand hielt. Sie legte es vorsichtig an die Stelle an der er angeschossen wurde.
Wieder zischte Jacob ein wenig. Es tat noch immer teuflisch weh.
„Du weißt, dass du ein Dummkopf bist", kommentierte Rose mit ihrer zarten Stimme. Es durchbrach die Stille nur kurz.
Ihre Stimme klang ernst und es klang wie eine Art Vorwurf gegen ihn – das konnte der braunhaarige Mann deutlich heraushören.
Jacob wartete ab und überlegte. Wie fing er am besten an? Sollte er sich entschuldigen? Dafür dass er sie verteidigt hatte? Oder sich erst bei ihr bedanken?
Er beobachtete sie weiter, beim Behandeln seiner Wunde. Dabei fiel ihm erst jetzt auf, dass er ohne ein Hemd in seinem Bett lag.
Sie ging sehr sorgfältig und vorsichtig an seine Wunde heran. Rose wollte ihm nicht noch mehr Schmerzen zufügen.
Es schmerzt sicher schon mehr als genug, dachte sie.
Sie hätte ihn anmeckern können. Sie hatte ihn doch gewarnt. Aber sie wollte ihm auch danken. Denn ohne ihn wüsste sie nicht, was als nächstes mit ihr passiert wäre.
Nachdem sie fertig war räumte sie die Utensilien weg.
Erst jetzt blickte sie ihm in seine Augen und seufzte dann schwer.
Was machte er denn auch nur?
Rose gab sich die Schuld an allem, doch trotz dessen konnte sie sich der freundlichen, wärmenden Ausstrahlung seiner Augen nicht entziehen und ihn anmeckern. Die Ausstrahlung zog sie so sehr an, dass sie tief einatmete, sich verlegen eine Haarsträhne hinter ihr Ohr strich und rot um die Wangen wurde.
Sie konnte ihm nicht böse sein. Es machte sie schier verrückt.
Er wirkte auf sie wie ein Mysterium. Noch nie hatte sie jemanden gekannt, der so viele Facetten verschiedener Persönlichkeiten aufwies. Zu ihr war er freundlich, manchmal auch ein bisschen zu charmant. Mit seinen Jungs war er lustig und locker, Fremden gegenüber aber wohl sehr verschlossen, wie es auf sie den Eindruck erweckt hatte.
Rose überlegte zögerlich, ob sie noch etwas sagen sollte – oder ob sie ihn reden ließ. Falls er dies überhaupt tat, denn im Moment musterte er sie mit seinen Augen mit vollstem Interesse darin.
Noch nie waren Jacobs Pupillen so groß gewesen – und keiner von ihnen beiden bemerkte es.
„Ich..." Seine raue Stimme klang geschwächt. „Ich muss mich wohl entschuldigen, Rose", meinte er sanft und ein tiefes Seufzen entkam dem verletzen Mann. „Ich hätte auf deine Warnung vielleicht hören sollen." Bei diesem Satz zuckten seine Mundwinkel ein wenig nach oben – als wollte er versuchen, zu lächeln.
„Schon gut", entgegnete sie leise und versuchte sich auch an einem Lächeln. Sie versuchte das was alles geschehen war zu verarbeiten – das alles war nicht leicht. Es waren kaum zwei Tage her, seit sie gegen ihn gestoßen war und er ihr komplettes Leben auf den Kopf gestellt hatte.
Und noch immer hatte sie keine Ahnung, wer dieser Mann wirklich war. Aber sie war interessiert daran, dies herauszufinden.
„Also? Wie schlimm ist es?", erkundigte er sich und riss Rose aus ihren Gedanken.
Sie räusperte sich, stand auf, um eine Schüssel mit Suppe zu holen. „Was soll man sagen", meinte sie und schüttelte den Kopf. „Du wurdest angeschossen, hast Blut und dein Bewusstsein verloren", erläuterte sie weiter und konnte nicht verhindern, dass ihre Aussage ein klein wenig wie ein Vorwurf klang.
Sie schalkte sich innerlich. Sie wollte ihm doch keine Vorwürfe machen, immerhin hatte er sie gerettet.
„Du wurdest hierhergebracht und dann habe ich deine Wunde versorgt, nachdem der Arzt gegangen ist." Sie stellte die Suppe auf einen kleinen Beistelltisch nahe seines Betts ab.
Er schwieg für einige Sekunden, dann öffnete er seinen Mund wieder. „Arzt?" Er war verwirrt. Noch nie war ein Arzt hier gewesen.
„Sergeant Abberline hat ihn dir besorgt und die Rechnung vorläufig übernommen."
Jacob seufzte als sie ihm dies erzählte. Abberline war aber auch ein sturer Kopf.
„Danke, Rose", sagte er und war im Inbegriff, sich aufzurichten.
„Warte", rief die junge Frau entsetzt. Beinahe hätte sie die Suppe auf dem Tisch umgeschmissen als sie sich in Bewegung setzte. „Ich helfe dir", meinte sie und rückte ein Stück näher an den jungen Mann heran.
Ihr Herz fing noch schneller zu pochen an und in ihr stieg ein wärmendes Gefühl auf, während sie dem jungen Assassinen dabei half, sich aufzurichten.
Jacob konnte ein schmerzhaftes Keuchen nicht unterdrücken. Verdammt tat seine Seite weh.
„Du solltest etwas essen", riet Rose ihm und griff zur Schüssel mit der Suppe. „Hier, eine Gemüsesuppe." Sie lächelte ihn an. „Ich hoffe es schmeckt."
Er nahm es dankend an und fing sogleich an, die Suppe zu essen. Schwer ging sie seinen Hals hinunter, blieb beim Schlucken ständig stecken.
Rose ließ ihre Augen über Jacobs Oberkörper wandern und nahm jedes Detail auf, wie schon Stunden zuvor.
Sie war verwundert und fragte sich, woher er die kleinen Narben hatte, die seinen Körper zierten.
Es passt nicht zu ihm, dachte sie.
Jacob war vielleicht nur wenige Jahre älter als sie und hatte bereits so viele Narben, dass er als Soldat durchgehen könnte.
Dies schien für Jungs in seinem Alter ungewöhnlich zu sein. Und dann sein Tattoo.
Niemand sollte Tätowierungen haben, außer Verbrechern, dachte Rose sich.
Sie ließ ihren Blick auf seinem Tattoo ruhen. Sie hatte noch nie eins in echt gesehen, nur auf Zeitungsauschnitten von Verbrechern. Es war interessant, wie die Tinte unter seine Haut gestochen war. Es war ein Falke, der stolz auf seinem linken Brustkorb ragte. Sie wusste, er hatte noch ein weiteres Tattoo, an seinem linken Oberarm. Doch dieses hatte sie sich noch nicht genauer angesehen.
Welche Bedeutungen diese Motive wohl hatten, fragte sich die junge Frau.
In ihren Kreisen galten solche Zeichnungen als verpönt.
Jacob bemerkte, wie Roses grüne Augen auf seinen Tattoos klebten. Er war dies gewöhnt – viele Frauen liebten seine Tattoos. Immer wenn er in den Kampfclub ging – und dort zeigte, was er draufhatte – jubelten und pfiffen ihm die Mädchen zu. Er wurde oft gefragt, woher er die Ideen für solche Motive hatte. Für ihn waren es einfach nur Zeichen der Freiheit und der Möglichkeit, sich auszudrücken. Schon als kleiner Junge faszinierten ihn Raubvögel – egal welcher Art.
„Sind das die ersten Tätowierungen, die du siehst?" Jacob schmunzelte leise, lachte dann leicht als Rose ertappt rot anlief und zuckte zusammen, da seine Seite schmerzte, wenn er lachte.
Rose blinzelte und man konnte erkennen, das Jacob sie aus ihren Gedanken gerissen hatte. Ihre Wangen wiesen dieses leichte Rosa auf – und ihm gefiel es, sehr sogar.
Sie hätte nicht so starren sollen – aber sie konnte nicht anders.
„Ich gebe zu, das ich noch nie eines in echt gesehen habe", antwortete sie schüchtern und biss sich auf ihre Unterlippe.
Jacob atmete tief ein, fluchte innerlich, als er dies beobachte. Er legte den Kopf leicht schief. Wenn sie dies tat, spürte er, dass ihn sein Körper darum anflehte, sich in Bewegung zu setzen, sie zu sich zu ziehen und das zu tun, was er wollte.
Sie sah so verlockend aus.
Er spürte, wie sich etwas in seiner unteren Hälfte tat. Der junge Assassine flehte innerlich, das Rose nichts bemerken würde – immerhin lag eine Decke über seiner unteren Körperhälfte. Das darauffolgende Gespräch wäre selbst für ihn dann peinlich verlaufen.
Denn wie sollte er erklären, dass er sie so gerne einfach näherziehen und ihre perfekten Lippen auf seinen spüren wollte? Einer Dame höheren Stands? Er durfte sich nicht einmal erträumen, es zu tun – und doch tat er es.
Jacob räusperte sich und versuchte schnell an etwas anderes zu denken – es viel ihm sehr schwer.
„Wofür steht es?", fragte Rose sehr leise und hob zögerlich die Hand, führte sie in die Richtung in der das Falkentattoo lag.
Er tat nichts um sie aufzuhalten und versuchte seine Atmung ruhig zu halten als sich ihre warmen, schmalen und kleinen Finger auf seine Haut legten, sein Brusthaar ein wenig wegschoben, um die Tinte besser anfassen zu können. Sie tat es so leicht und unbedacht, ohne zu ahnen, was sie für eine Wirkung auf einen Mann hatte. Es machte sie gleich nochmal verführerischer für Jacob. Sie war unangetastet und unschuldig in allem.
„Freiheit, in erster Linie", meinte er etwas zu hastig mit seiner rauen Stimme. „Ich gebe aber auch zu, das ich es damals getan habe, weil mein Vater es mir verboten hat", fügte er hinzu.
„Du hast es dennoch gemacht." Rose lächelte ein wenig und ihr entkam ein Kichern. „Warum?", fragte sie als nächstes. Sie wollte mehr über diesen Mann erfahren und was ihn ausmachte. Sie hatte keine Ahnung, wieso - noch nie hatte sie ein Mann so als Person so sehr fasziniert, wie ihr Retter in der Not.
„Ich wollte ihm damit beweisen, dass er nicht alles in meinem Leben bestimmen kann", erklärte Jacob und lachte, zischte direkt darauf schmerzerfüllt.
Zögernd legte sie nun ihre Hand vollständig auf das Falkentattoo.
„War er sehr wütend?", fragte Rose und der junge Mann nickte als Antwort.
Er erinnerte sich noch ganz genau an den Streit. Sein Vater hatte ihn nach dem Duschen erwischt und ihn angeschrien, ihm mit Schlägen gedroht und ihm diese Schandtat auszubrennen. Es war nichts, was ein Assassine auf seinem Körper haben dürfte, hatte er behauptet. Jacob sah das bis heute anders. Ein Assassine zu sein, bedeutete nicht, dass er seine Wünsche und Träume nicht ausleben durfte.
„Oh, ja, das war er. Er meinte, dass ich es bereuen werde", meinte Jacob und versuchte seine Atmung weiterhin ruhig zu halten.
Innerlich wünschte er sich, dass sie ihre Hand dort nicht wegnahm – es fühlte sich gut an. Ihre Berührung war sanft und ließ ihn einen langen Augenblick seinen Schmerz vergessen. In seinen Träumen würde ihre Hand weiter wandern. Weitaus tiefer – und ihr Mund würde folgen.
Jacob räusperte sich, versuchte bei Verstand zu bleiben.
„Wieso bist du eigentlich hier?", fragte er auf einmal und Rose blickte ihn verwirrt an. „Ich meine, wieso bist du hier?", fragte der Assassine und schaute die junge Frau geduldig an.
„Naja, ich..." Sie schaute ein wenig verlegen zur Seite. „Also eigentlich war einer deine Jungs hier", gestand sie. „Aber ich habe gesagt, dass ich mich um deine Wunde besser kümmern könnte, weil meine Mutter mir das beigebracht hat." Rose machte sich noch immer Vorwürfe, dass es ihre Schuld war.
„Das hättest du nicht-" Der Assassine wollte anmerken, dass dies nicht hätte tun müssen, doch Rose unterbrach ihn.
„Doch. Es war meine schuld", meinte sie leicht gereizt. Sie wusste, das er versuchen würde, sie zu beruhigen.
„Rose", nannte Jacob sie sanft beim Namen und legte seine Hand zögerlich auf ihre, die noch immer auf seinem Tattoo ruhte. „Es ist nicht deine schuld", versicherte er. Sie mied seinen Blick und er seufzte.
„Nein, es ist meine schuld", widersprach sie ihm. „Hätte ich dir nur mehr geholfen." Jacob drückte ihre Hand, nahm sie und Rose hielt in der Bewegung inne, hob instinktiv ihren Blick als er ihre Hand an seinen Mund führte. Ihre Wangen begann zu glühen, als seine Lippen ihre Haut berührten. Dieser sanfte Kuss ließ ihren Bauch kribbeln wie noch nie, während er ihr tief in die Augen blickte. Rose fühlte sich ein wenig überrascht, aber sie zog ihre Hand nicht weg. „Rose, jetzt hör mir genau zu", bat er sie ruhig und zog sich ein wenig zurück. „Du bist an nichts, von dem was geschehen ist, Schuld", versicherte er der jungen Frau.
Jacob merkte, wie sich seine Mundwinkel zu seinem warmen Lächeln bildeten.
„Aber nur wegen mir wurdest du verletzt", behauptete sie und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Jacob schüttelte den Kopf „Nein, das ist nicht wahr", erklang seine raue Stimme sanft. „Das alles ist passiert, weil ich entschieden habe, das ich dir helfen möchte." Es fühlte sich ein wenig komisch an, diese Worte zu sagen. Seit wann half Jacob Frye gewissenlos jemandem, ohne eine Gegenleistung zu erwarten? Noch nie. Aber für sie würde er alles machen – auch wenn er nicht verstand, wieso. „Schau mich an", bat er sie. „Ich wurde schon oft verletzt und nie war es die Schuld eines anderen." Er deutete auf die Narben, die er am Körper trug.
Die meisten der kleinen Narben stammten von Trainingskämpfen – entweder mit seiner Schwester oder seinem Vater. Andere hatte er sich erst vor ein paar Monaten – durch Kämpfe in Clubs – zugezogen. Meist waren es Zigarettenstummel gewesen, manchmal eine kaputte Bierflasche.
Er hob seine Hand sanft an Roses Wange und wischte vorsichtig die Träne fort, die über ihre Wange rollen wollte. „Jacob, ich-" Rose wurde unterbrochen, von Klopfen an seiner Tür.
Na toll, dachte Jacob.
Nun war der ruhige Moment dahin, den sie sich geteilt hatten.
„Ja, was ist?!", rief der junge Assassine angefressen und hustete als es ihn schmerzte.
Einer seiner Jungs schaute in den Wagon. „Ehm, Boss? Ihre kleine Schwester wollte zu ihr." Rico deutete mit einer kurzen Kopfbewegung auf Rose.
Die junge Frau seufzte ein wenig enttäuscht und schaute dann fragend zu Jacob. Sie sollte nicht einfach ohne zu fragen hier rein, hatte sie ihr gesagt. Rose war nicht bewusst, wie lange sie schon wieder von ihrer Schwester getrennt gewesen war.
„Lasst sie rein. Sie will sicher nur ihre Schwester sehen", meinte Jacob ruhig und der angesprochene Rook trat beiseite.
Ein jüngeres Mädchen – etwa gerade mal zwölf Jahre alt – kam herein. Sie wirkte schüchtern, ängstlich.
Jacob hob beide Augenbrauen, als er an ihrer Schläfe ein Stück fehlendes Haar entdeckte. Es war rot und verheilte gerade. Womöglich hatte man ihr die Haare dort herausgerissen.
„Rose?", fragte sie mit ihrer kindlichen hohen Stimme. Ihre Schwester stand vom Bett auf und ging auf sie zu. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, umarmte sie ihre kleine Schwester lediglich. Jacob beobachtete alles still und dachte selbst an seine Schwester Evie.
Wie lange hatte er sie nicht mehr umarmt? Er erinnerte sich an den Tag an dem sie mit Greenie nach Indien aufgebrochen war. Er hätte fast geweint – aber auch nur fast.
Rose ließ ihre kleine Schwester los und ein wenig neugierig kam diese zwei Schritte auf Jacob zu, bevor sie zurückschreckte als sie das Tattoo entdeckte.
Sie stolperte gegen ihre große Schwester und sah hoch. Roses Mundwinkel zuckten nach oben. „Er ist harmlos", flüsterte Rose und Jacob entwich beinahe ein ungläubiges Schnauben.
Roses Schwester hatte im Gegensatz zu ihr dunklere Augen – aber einen leichten Grünton konnte er dennoch erkennen, selbst als er das braun darin dominierend erkannte. Ihre Haare waren in einem lockeren Zopf zusammen gebunden und in ihrem Gesicht konnte er leichte Sommersprossen erkennen.
„Sie sind der Mann, der uns geholfen hat?", fragte sie Jacob und wirkte dabei mehr als schüchtern, zumal ihre Hand sich um die ihrer großen Schwester schloss und sie immer wieder nervös zudrückte.
Sie kannte ihn nicht – alles was sie wusste, war, dass er der Boss dieser Gang sein musste. Und das Rico ihr neuer Freund war, weil er mit ihr Karten in den vergangen Stunden gespielt hatte. Er war lustig, fand sie.
„Zumindest hatte ich den Plan", sagte er ihr. „Mein Name ist Jacob und du bist... Elisé richtig?" Lächelnd legte Jacob seinen Kopf schief.
Er war sich nicht sicher, wie Roses Schwester weiter auf ihn reagieren würde – er war noch nie gut im Umgang mit Kindern gewesen. „Ja, Mr. Frye", antwortete Elisé kurz und drückte sich noch mehr an ihre Schwester, die hinter ihr stand. Somit wusste Jacob nun, dass ihr jemand erzählt haben musste, wer er war.
Rose lachte, denn so kannte sie ihre Schwester nicht. Sie hatte sie aber auch beinahe zwei Monate nicht mehr wiedergesehen. Es konnte sich viel verändert haben, seit Daren ihr so viel angetan hatte.
„Ich bin mir sicher, dass du ihn auch Jacob nennen darfst." Dabei blickte sie zu Jacob, bat ihn stumm mit ihrem Blick. Dieser kam der Assassine mit einem weiteren warmen Lachen nach.
„Natürlich. Jacob reicht vollkommen aus." Er nickte und man konnte sehen, dass Elisé sich ihren Mut nahm, um etwas zu fragen.
„Was wird nun passieren? Wo werden wir nun wohnen?", fragte Elisé und schaute zwischen dem Assassinen und ihrer Schwester hin und her.
Das war eine gute Frage, dachte Rose sich.
Sie hatte selbst keine Ahnung, was nun passieren würde. Die letzten Stunden hatte sie nur gehofft, Jacob würde vielleicht nicht verbluten.
Vielleicht hatte dieser ja eine Idee. „Nun, erst mal werden wir ein sicheres Zuhause für euch finden. Der Zug ist keine Option", murmelte der braunhaarige Mann und kratze sich leicht am Kinn.
Er hatte erst daran gedacht, aber das war keine gute Idee - nicht mit den Rooks. Er war daran gewöhnt, diese Roadies um sich zu haben und mit ihnen umgehen konnte er auch. Aber eine Dame wie Rose es war hatte etwas viel Besseres verdient. Außerdem war nicht genug Platz für weitere Personen. Es war schon immer schwer, selbst als Henry und Evie noch hier waren.
„Kann dir nicht Sergeant Abberline helfen?", fragte sie und setzte sich wieder auf die Bettkante.
„Wir können ihn sicher um Hilfe bitten", stimmte der Assassine ihr zu und zog nachdenklich die Stirn in Falten.
Er bewegte sich ein wenig und zuckte stark zusammen „Scheiße", fluchte er leicht. Er hätte beinahe seine Wunde vergessen. Rose machte sofort einen Schritt auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter.
„Du musst aufpassen", mahnte sie ihn besorgt – auch wenn sie mehr empört über Jacobs Wortwahl war. Dieser Mann fluchte wie es ihm beliebte, das kannte Rose aus dem Elternhause nicht.
„Ja, tut mir leid." Der Attentäter versuchte wieder, zu lächeln. „Hatte für einen Moment vergessen, dass ich angeschossen wurde." Man konnte ihn schwer seufzen hören. Er schaute einen Moment lang in Rose Augen und gab ihr zu erkennen, dass sie sich keine Sorgen um ihn machen sollte.
„Vielleicht sollten wir den Sergeant darum bitten, hierher zu kommen, um Weiteres zu planen. Du bist noch nicht in der Verfassung, rauszugehen", schlug Rose sanft vor und hoffte, das Jacob einwilligte.
Er war ein Sturkopf – so schien es ihr.
„Nein, das wird schon gehen. Ich muss nur hochkommen", winkte der junge Mann ab. Er atmete tief ein und schlug seine Besorgnis in den Wind, dass er wieder umkippen könnte. Jacob drückte sich mithilfe seiner Hände vom Bettrand ab und stellte sich vorsichtig hin.
„Siehst du, alles in-" Er wollte weitersprechen, als kleine schwarze Punkte vor seinem Auge tanzten.
Das war wohl doch eine dumme Idee gewesen, dachte sich der Assassine, bevor er mit seinem Hintern wieder auf seinem Bett landete.
„Ich sagte doch, dass es keine gute Idee ist, Jacob." Rose seufzte und legte zart ihre Hand auf seine Schulter. Sie hätte es sich denken können, aber sie wollte nicht mit ihm diskutieren.
„Na schön", murrte Jacob ein wenig beleidigt. „Wir lassen Freddie herholen." Er stimmte zu und legte sich wieder hin. Das Gefühl, dass sein ganzer Körper gerade gegen ihn arbeitete, durchströmte ihn - und er hasste es.
„Keine Sorge, Jacob, wir bekommen das hin", versicherte Elisé ihm leise. „Du hast uns geholfen, jetzt werden Rose und ich dir helfen."
„Elisé hat recht." Rose seufzte tief. „Das schulden wir dir", pflichtete sie ihr bei und schenkte dem jungen Mann ein sanftes Lächeln.
Es war komisch, dachte Rose. Wie konnte dieser Mann sie so fühlen lassen? Er war ein Mann, der ihr nicht nur völlig fremd war. Er weckte Vertrauten in ihr, wo sie für gewöhnlich keines in fremde Menschen steckte und ließ sie Dinge fühlen, die sie sich nicht erklären konnte.
Rose ging mit ihrer Schwester hinaus – damit Jacob sich weiter erholen konnte.
Elisé sah sich neugierig um, ihre braungrünen Augen erfassten alles was es in diesem Zug zu sehen gab.
Als die beiden ins nächste Abteil kamen, trafen sie auf ein paar Rooks, die sie anblickten.
„Wie geht's der Heulsuse?", fragte sie einer der Junges mit einem verschmitzten Lächeln auf dem Lippen.
„Noch etwas erschöpft, aber auf dem Weg der Besserung", antwortete die ältere der beiden Schwestern mit einem Stirnrunzeln. Heulsuse? Warum nannte er Jacob eine Heulsuse? Ihr war es ein Rätsel.
„Was sollen wir nun tun?", fragte ein anderer und trank ein Glas, von dem Rose ausging, dass Alkohol darin war.
„Wir müssten Sergeant Abberline herholen." Sie legte ihre Hände aneinander als sie jeder der Jungs ansah. Rico legte seinen Kopf schief. „Er wird uns weiterhelfen können", erklärte sie und bekam als Antwort ein Lachen von einem der Jungs.
„Was ist bei dir nun kaputt?", fragte Rico stirnrunzelnd.
„Sie wirkt schon fast wie Miss Frye." Rose schüttelte sofort leicht den Kopf. Dies sollte wohl ein Scherz sein. Sie kannte Jacobs Schwester nicht – nur von dem wenigen, was Jacob ihr erzählt hatte. Die beiden Schwestern gingen weiter und Rose spürte, dass Elisé ihre Hand ein wenig fester packte.
„Rose, kann ich dich etwas fragen?", meinte ihre kleine Schwester und schien ein wenig verlegen. Die ältere der beiden zog ihre Augenbrauen hoch. Wieso wirkte ihre Schwester so verlegen? Elisé wusste, dass sie ihre Schwester alles und immer fragen konnte.
„Natürlich, Elisé. Frag ruhig", ermutigte sie sie sanft und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Magst du ihn?" Schnell schaute sie auf ihre Füße hinab. Sie schien sich für diese Frage zu schämen.
Rose schaute sie fragend an. „Wie bitte?" Sie verstand nicht ganz. Worauf wollte Elisé hinaus? Meinte sie vielleicht Jacob? Wollte sie wissen, ob ihre Schwester Jacob mochte?
„Naja, diesen Jacob? Magst du ihn?", erklang nun die zarte Stimme ihrer Schwester.
Rose überlegte für eine Sekunde – es war schon etwas dran. Sie fand Jacob zuvorkommen und freundlich – schließlich hatte er sie gerettet. Er gab ihr ein gutes Gefühl, brachte ein Lächeln stets in ihr hervor, seit sie sich kannten.
„Also... er ist schon nett", gab Rose nachdenklich von sich. „Wieso fragst du?", erkundigte sie sich bei ihrer Schwester.
„Nein, ich meine, ob du ihn sehr magst?" Elisé lief rot an. „Du... hast eben glücklich und ruhig gewirkt. Nicht wie mit Mr. Pitsbur." Elisé entwich ein leises Kichern.
Wieder warf Rose ihrer Schwester einen fragenden Blick zu. Was genau meinte sie denn? Wollte sie etwa andeuten, dass Rose in Jacob verknallt war? Lächerlich.
Rose seufzte. „Also wirklich, Elisé." Sie kniete sich vor ihre Schwester und stupste sie gegen ihre Nase. „Denk ja nicht, dass ich in Jacob verknallt sei. Er ist einfach ein zuvorkommender Mann, das ist alles."
Ein Kichern entkam beiden Schwestern. Rose brachte Elisé zu dem Bett, was sich am Ende des Raumes befand. Sie konnte erkennen, dass ihre Schwester müde war, trotz all der aufregenden Geschehnisse.
Sie war auch müde – aber dies war kein Wunder.
Rose hatte sich in den letzten Stunden um Jacobs Wunde gekümmert. Dabei hatte sie nicht an sich und ihren erschöpften Körper gedacht – wie immer. Sie war nie selbstsüchtig gewesen. Rose war das Wohl anderer wichtiger als ihr eigenes.
„Rose, singst du mir Mutters Lied vor?", unterbrach Elisé Roses Gedankengang bevor er beginnen konnte.
Rose zweifelte gerade an ihrer Aussage von eben. Konnte es möglich sein, sich innerhalb wenigster Stunden in jemand fremden zu verlieben?
Rose lächelte und strich sanft über die Wangen ihrer Schwester. „Aber natürlich. Leg dich hin, kleiner Stern." Bei diesem Kosenamen kicherte die Jüngere.
„Aber sing es auf französisch. So wie es Mutter immer tut", murmelte Elisé noch bevor ihre Schwester anfangen konnte zu singen.
„Éternellement comme il y a les étoiles, Crois-y tu es aimée. Mon amour pure et claire, réalise tous tes rêves, rend tes rêves réalité. L'agneeau se cóuche et sa tête repose doucement sur son lit doux. Le papillon rêve d'une rose á voilette. Rêve d'une rose á violette."
Leise summte Rose weiter die Melodie, seufzte leicht.
Wie sehr wünschte sie sich diese Zeit zurück. Es war so lange her. Als sie und ihre Eltern noch in der Nähe von Paris wohnten. Dort hatte sie keine Sorgen gehabt, dort wart sie jung gewesen.
Niemals musste sie sich darum kümmern, sich fein zu benehmen – oder darüber nachdenken, wen sie zu heiraten hatte. Dort schien alles noch so unschuldig zu sein, so rein. Mit dem neuen Job ihres Vaters und der Geburt ihrer Schwester war alles anders gekommen.
„Ein wundervolles Lied." Rose hielt erschrocken inne. „Ich wusste gar nicht, dass du französisch sprichst." Die raue Stimme hinter ihr räusperte sich.
Noch immer ein wenig erschrocken drehte sie sich um, suchte nach der Quelle der Stimme. Es war Jacob, wie immer.
Dieser Sturkopf, dachte Rose sich.
Schnell erhob sie sich vorsichtig vom Bett. „Du solltest im Bett sein", flüsterte sie dem jungen Attentäter zu und schob ihn sanft aus dem Abteil, damit Elisé nicht geweckt wurde. Schon immer war Elisé eine schnelle Einschläferin gewesen, etwas womit Rose nicht gesegnet worden war.
Und immerhin, wie Rose erkannte, hatte Jacob sich nun ein weißes Hemd übergeworfen.
„Verzeihung. Ich konnte nicht schlafen und es war so langweilig", entgegnete Jacob und lachte etwas lauter. Rose wies ihn an, leiser zu sein.
„Nicht so laut, Jacob." Sie folgte ihm wieder zurück zu seinem Abteil, nur musste sie an sich halten, denn er war wesentlich langsamer als sie unterwegs. Als beide an den Jungs vorbeiliefen sahen sie auf, einer grunzte, der andere schnaubte, während einem gegen den Hinterkopf gehauen wurde.
„Au! Du Vollidiot!"
Sie wusste nicht, was sie von diesem Mann halten sollte. Jacob war charmant, witzig und doch so freundlich. Sie wollte mehr über ihn herausfinden, aber ob das eine so gute Idee war, wusste sie nicht. Er war nämlich auch dickköpfig und stur – und wohl sehr stolz.
Außerdem hatte sie gesehen, wozu er in der Lage war. Man müsste sich alleine ihren Exverlobten anschauen.
„Also? Seit wann kannst du französisch?", fragte Jacob sie und blickte sie neugierig mit seinen braunen Augen an. Er mochte es, wenn Menschen andere Sprachen beherrschten. Er selbst konnte keine weitere. Das lag aber nicht daran, dass er nicht die Möglichkeit gehabt hatte. Eher lag es daran, dass er meist keine Lust hatte, sie zu lernen.
Jacob musste zugeben, dass er stets etwas eifersüchtig auf Evie gewesen war. Sie konnte drei verschiedene Sprachen. Er hatte es auch versucht – oder eher gesagt hatte sein Vater versucht, ihn dazu zu zwingen, eine andere Sprache zu lernen. Aber das klappte nicht, da er sich oft vor den Unterrichtsstunden – still und heimlich – davongeschlichen hatte. Es lag ihm einfach nicht.
„Oh, nun... das ist einfach." Rose verschränkte ihre Arme vor der Brust, hob damit genau diese an. Jacob atmete tief ein, biss die Zähne aufeinander und riss den Blick schweren Herzens direkt wieder von ihrem einladenden Dekolleté los. „Ich wurde in der Nähe von Paris geboren, habe dort ein paar Jahre gelebt. Ich war glaube ich war etwa sechs oder sieben als wir nach Großbritannien kamen", erklärte Rose ihm.
„Was ist mit dir?", fragte sie den jungen Mann, der sich nun wieder auf sein Bett setzte als sie die Wagontür schloss.
Ohne wirklich darüber nachzudenken, setzte sie sich direkt neben ihn, nachdem sie ihm gefolgt war.
Jacob holte ein wenig Luft als sie dies tat. Er fragte sich, wann sie sich so nahe gekommen waren. Ihn störte es nicht, das sie neben ihn saß – nicht im geringsten – aber sie waren noch immer zwei fremde Menschen und keine engen Freunde. In ihrer Gesellschaft durfte sie einem Mann gar nicht so nah kommen, oder?
„Wie meinst du das?", entgegnete er verwirrt. Wollte sie wirklich mehr über ihn wissen? Wieso das? Er war ein einfacher junger Mann, Ende der Geschichte.
„Bist du auch woanders aufgewachsen? Oder hast du schon immer hier in London gewohnt?", erläuterte die junge Frau nun genauer und blieb dabei in einem sanften Tonfall.
Jacobs Mundwinkel zuckten und ihm entkam ein leichtes Lachen. „Nein. Ich habe nicht immer in London gewohnt", gestand er ihr und befeuchtete seine Lippen schnell mit der Zunge. „Ich bin in Crawley aufgewachsen. Eine eher kleinere Stadt, nichts im Vergleich zu dieser." Er mochte die Erinnerungen, die in ihm aufkamen.
Crawley war vielleicht klein gewesen – aber Jacob hatte es genossen. Seine Schwester und er hatten viele Möglichkeiten zum Spielen gehabt – auch wenn er kaum Zeit dafür gehabt hatte. Sein Vater war immer erpicht darauf gewesen, beide zu guten Attentätern auszubilden - das hatte ihn oft genervt.
Er hatte nicht viele Freunde außerhalb der Bruderschaft gehabt. Auch wurden die Zwillinge Zuhause unterrichtet, da ihr Vater es für das beste gehalten hatte.
"Das klingt schön. War das eigentlich leicht für eure Eltern? Das ihr nach London gegangen seid?", fragte Rose weiter und versuchte den Gesichtsausdruck zu deuten, der sich nun bei Jacob bildete.
Er räusperte sich und überlegte wie er es ansprechen konnte. Das Thema war nicht einfach für ihn, nicht seit Januar letzten Jahres.
„Nun, es ist so... meine Eltern..." Jacob überlegte.
Er hatte nie über dieses Thema mit jemanden gesprochen – nicht mal mit Evie. Die Zwillinge hatten damit abgeschlossen und das jeder auf seine eigene Art und Weise.
Stille durchzog den Wagon und Jacob merkte nicht, wie er seine Hände zusammenfaltete. Er wusste nur, dass er nicht darüber sprechen wollte.
Rose sah, wie schweigsam er wurde. Etwas stimmte nicht und sie fühlte sich ein wenig schuldig. War sie zu weit gegangen mit dieser Frage? Vielleicht hätte sie ihn einfach etwas anderes fragen sollen. Sie kam sich äußerst dumm vor in diesem Moment.
„Tut mir leid, ich wollte nicht-", finge sie sanft an, doch Jacob unterbrach sie.
„Nein, nein, schon gut", beruhigte er sie und räusperte sich erneut. Vielleicht sollte er es endlich einmal laut aussprechen. Jemand der so einfühlsam und sanft wirkte wie Rose würde ihn nicht verurteilen.
„Meine Eltern leben nicht mehr.", fing er an zu erklären und erkannte das Rose ihn mit ihren grünen Augen intensiv beobachtete. Ihre Augen wirkten sanft und irgendwie tröstend. „Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Alles was ich über sie weiß, ist ihr Name." Er fluchte und wünschte sich innerlich, das er mehr wüsste. Sein Vater hatte nie über sie gesprochen, egal wie oft die Zwillinge gefragt hatten. „Mein Vater starb vor einem Jahr an einer Rippenfellentzündung. Das war nicht angenehm." Danach wurde Jacob still.
Er kämpfte mit sich und seinem Körper. Es schien so als ob etwas von ihm abfiel. Etwas von dem er dachte das er es überwunden hatte – Trauer.
Rose atmete tief ein.
Erst wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Noch vor wenigen Minuten wirkte er so fröhlich, nun so traurig.
Er braucht doch jemanden, dachte sie.
„Jacob", sprach sie nun sehr sanft seinen Namen aus und legte eine ihrer zarten Hände auf seine Schulter. „Es tut mir sehr leid." Sie wusste nicht, was er nun tun würde.
„Schon gut", winkte er mit der Hand ab, wischte sich die kleine Träne aus dem Augenwinkel fort, die drohte, seine Augen zu verlassen.
Er war Jacob Frye, Anführer der berüchtigten Rooks. Er weinte nicht.
„Es ist in Ordnung, wenn du trauerst", sagte Rose ihm und strich zögerlich durch sein dichtes Haar, sodass er ruckartig innehielt.
Rose runzelte ihre Stirn. Sein Haar fühlte sich überraschend weich an – wenn man bedachte, wie oft er sich in Straßenkämpfe begab. Die junge Dame wusste genau, das sie nichts Weiteres sagen brauchte. Meist waren es Gesten, die mehr für sich sprachen.
Sie überlegte eine Sekunde, fragte sich, ob es eine dumme Idee wäre, ihn noch mehr körperlich näherzukommen.
Rose atmete tief ein, sammelte ihren Mut und begann stattdessen leise das Lied zu singen, was sie schon für ihre Schwester gesungen hatte.
Sie sprachen nicht – und das war in Ordnung für beide. Alles was Jacob hörte, war die zarte Stimme von der Frau neben ihm, die ihm gerade ein wenig Trost schenkte.
Er hörte ihr zu, auch wenn er nicht verstand, worüber sie genau sang.
Aber er spürte wie es ihn beruhigte und er sich besser fühlte.
Seine Atmung beruhigte sich ein wenig und seine Gedanken kamen bald daraufhin zur Ruhe.
Er seufzte zufrieden und ein leises „Danke, Rose", entkam ihm.
Datum der Veröffentlichung: 09.09.2021 10:09 Uhr
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro