Türchen 20
»Was?«
Der Blick der Polizistin brannte sich in den Körper des Mannes vor ihr. Ihre Stimme war eisig, wodurch sich der ganze Raum abzukühlen schien.
»I-ich sagte ... die L-leiche g-gibt es nicht –«
»Das habe ich gehört, Navidad!«, zischte die Polizistin.
Der Rechtsmediziner wich einen Schritt zurück. »W-weil du gefragt hast ...«
»Was meinst du damit, die Leiche gibt es nicht mehr?« Mit bedrohlich leisen Schritten ging Detective Klaus auf den jungen Mann zu, dessen Hände so sehr zu zittern begonnen hatten, dass das Papier der Akte laut raschelte.
»I-ich habe sie verbrannt ...«, gab der junge Mann zu und wich vor seiner Kollegin zurück, die die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen hatte.
»Wieso?«
»Na ja, ich d-dachte ... Also i-ich habe g-gedacht, dass –«
»Ganz offensichtlich hast du nicht gedacht, sonst bestünde die Leiche nicht nur noch aus Asche!«, zischte die Polizistin wütend. »Felix, wie kannst du nur so dumm sein und –«
Dieses Mal war es die Polizistin, die unterbrochen wurde. Das schrille Klingeln eines Handys durchbrach die Spannung, die sich im Gästezimmer aufgebaut hatte und wie geladene Blitze durch die Luft zuckte.
Der Rechtsmediziner erschrak so sehr, dass er einen kleinen Sprung machte und schließlich mit zitternden Fingern das Telefon aus der Hosentasche friemelte. Er blickte auf das Display und lehnte den Anruf ab.
»Ich dachte, weil die Zeit schon so weit vorangeschritten war und du die Leiche bisher nicht sehen wolltest, dass ich sie schon verbrennen kann. Weil du doch nur 24 Stunden Zeit hast, um den Fall zu lösen. Es tut mir leid, Detective, ich habe nicht nachgedacht und –«
Wieder ertönte das Klingeln und der Rechtsmediziner war so verschreckt, dass er das Telefon fallen ließ. Mit einem dumpfen Knall landete es auf dem Teppichboden und blieb dort leicht vibrierend liegen.
Die Polizistin verdrehte die Augen, bückte sich aber und hob es auf, um es ihrem Kollegen in die Hand zu drücken.
»Geh ran!«, fauchte sie, deutlich genervt davon, andauernd unterbrochen zu werden.
Der junge Mann schluckte hart, nickte aber. »Jetzt nicht!«, brachte er dem Anrufer aufgebracht entgegen. »Ich bin am Tatort. Ich rufe dich zurück!«
Damit legte er auf und ließ sein Handy in die Hosentasche gleiten.
»Tut mir leid«, murmelte er.
Detective Klaus raufte sich die Haare, sodass mehrere Strähnen unordentlich aus dem Knoten in ihrem Nacken gezogen wurden. »Dann müssen eben die Fotos aus der Akte genügen.«
Auffordernd streckte die Polizistin ihrem Kollegen die Hand entgegen, der ihr erneut die Akte reichte. Sie durchblätterte die Seiten und betrachtete die Fotos des Leichnams genauer. Die gläserne Mordwaffe ragte aus der Brust des Opfers, dessen Körper von dem Rechtsmediziner wohl bereits gesäubert worden war. Nicola Klaus drehte und wendete die Bilder, doch fand sie keine Erklärung dafür, dass der Abstand der zwei Blutflecke nicht mit der Größe des Opfers übereinstimmte.
Seufzend schüttelte sie den Kopf und deutete dann auf die Tür. »Du kannst wieder gehen«, sagte sie an ihren Kollegen gewandt, der verlegen schluckte.
»Es tut mir wirklich leid, Detective«, stammelte dieser und lief mit hängenden Schultern aus dem Gästezimmer, vor dem die Verdächtigen noch immer standen und sich leise unterhielten.
Als die Polizistin und der Rechtsmediziner unter dem Absperrband hindurchtauchten, herrschte augenblicklich Ruhe.
»Und? Haben Sie etwas Neues herausgefunden?«, fragte Jessica und trat einen Schritt vor. Ihre Augen glänzten hoffnungsvoll, als wartete sie auf die Nachricht, dass ihr Mann von dem Mordverdacht entlastet wurde. Doch sie wurde nur enttäuscht.
»In der Tat«, knurrte Nicola Klaus. »Ich habe herausgefunden, dass ich anscheinend mit einem Idioten zusammenarbeite.«
»Wie meinen Sie das?«, mischte sich Blake ein, doch er erhielt keine Antwort.
Stattdessen stapfte der Detective mit grimmiger Miene den Flur entlang zur Galerie und die Treppe hinunter. Der Rechtsmediziner folgte ihr mit eingezogenem Kopf. Ihr Blick fiel auf Faith, die unter dem Überhang telefonierte. Sie nickte der Polizistin kurz zu, ehe sie sich wegdrehte und weitersprach.
An der Haustür angekommen, schlüpfte der junge Mann in seinen Mantel. Immer wieder warf er nervöse Blicke zu seiner Kollegin, die ihn mit verschränkten Armen musterte.
»Detective, es tut mir wirklich –«
»Wenn dieser Fall aufgeklärt ist, wird das Konsequenzen haben, so viel ist sicher«, ließ sie den Mann wissen, der den Tränen nahe zu sein schien. »Ich rufe dich an, falls ich noch etwas brauche.«
Damit ließ sie ihren Kollegen stehen und lief stattdessen zum Salon. Die Gruppe der Verdächtigen folgte ihr in einigem Abstand. Detective Klaus ließ sich in einen Sessel fallen, während die anderen sich in einem Halbkreis um sie herum positionierten.
Die Polizistin seufzte. »Es tut mir leid, Mr Bell. Aber es sieht nicht gut aus.«
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