Keine Hochzeit ohne Liebe
✭ 2. Platz (Honourable Mention) beim Take Your Pick! Contest von WattpadRomantikDE und Romance ✭
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Hier stand ich nun und musste mitansehen, wie die Liebe meines Lebens zum Altar schritt. Eve sah wunderschön aus in der weißen Spitze, die zart ihren Körper umspielte. Obwohl der Schleier einen Teil ihres Gesichtes verhüllte, konnte ich ihre Augen durch den fein gewebten Stoff erkennen. Ihre ausdrucksstarken braunen Augen, in denen sich die gleiche Melancholie widerspiegelte, die auch mich erfüllte. Wie konnte es nur so weit kommen?
Mein Blick schweifte weiter zu dem Mann, der am Altar auf sie wartete. Mein Bruder. Auch er sah gequält aus und schaute immer wieder verzweifelt zwischen Eve und mir hin und her. Doch als sich die Tür der Kirche erneut öffnete, veränderte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig. Matteo riss die Augen auf und wirkte plötzlich noch unruhiger.
Weil ich mir seine Reaktion nicht erklären konnte, runzelte ich die Stirn und drehte mich um. Als ich die Person sah, die soeben durch die Flügeltüren trat, verstand ich jedoch. Es war Marissa, die ausdrücklich von unseren Eltern ausgeladen worden war. Hoch erhobenen Hauptes stand sie nun dort und starrte Matteo mit feurigem Blick an. Sie trug ein Kleid aus schwarzer Spitze – das gleiche Modell, das sie eigens für Eve entworfen hatten. Eine Botschaft für jeden, der über die Hintergründe dieser Hochzeit Bescheid wusste.
Ich konnte nicht anders, als ihren Mut zu bewundern. Ich stand nur hier und unternahm nichts, um diese Farce zu beenden. Sie hingegen lehnte sich gegen unsere Eltern auf.
Marissa war immer die Stärkste von uns gewesen. Schon damals, als wir noch Kinder waren und keine Ahnung hatten, was das Leben für uns bereithalten würde. Wir hatten unsere gesamte Zeit zusammen verbracht, auf dem Schulhof und danach. Eve und Marissa Alonso. Matteo und Damian Balduzzi. Die wilden Vier.
Unsere Eltern waren sehr erfolgreich und Geschäftspartner, seit ich denken konnte. Sie hatten uns schon früh darauf vorbereitet, dass wir eines Tages in ihre Fußstapfen treten würden – gemeinsam. Es sollte eine Hochzeit geben, die beide Familien vereinte und ihrem Wirtschaftsimperium zu noch mehr Macht und Prestige verhalf. Das hatten sie schon vor unserer Geburt entschieden und damals waren wir von dieser Idee auch begeistert gewesen. Wir waren ja ohnehin unzertrennlich und konnten uns nichts Schöneres vorstellen, als eine große glückliche Familie zu werden.
Dummerweise sah der Plan unserer Eltern vor, dass die beiden Erstgeborenen vor den Traualtar treten sollten. Und das waren nun einmal Eve und Matteo. Dass mein Bruder sich jedoch in Marissa verlieben würde und ich mich in Eve, damit hatte niemand gerechnet. Und es stand außer Frage, dass wir mit unseren „albernen Gefühlen" die jahrelange Planung einfach über den Haufen werfen würden. Und zu meiner Schande musste ich gestehen, dass wir auch brav den Anweisungen unserer Eltern gefolgt waren. Ja, wir hatten protestiert. Wir hatten gebettelt, gefleht, verhandelt. Doch als das alles nichts brachte, hatten wir uns wohl oder übel unserem Schicksal gefügt. Wir alle. Nur Marissa nicht. Und das war der Grund, weshalb sie eigentlich nicht hier sein durfte.
Marissa warf einen herausfordernden Blick in meine Richtung und ging dann zielstrebig auf den Altar zu. Ich hatte mir bewusst einen Platz in der letzten Reihe ausgesucht, um nicht in Versuchung zu geraten, doch noch einzuschreiten. Und ich wollte lieber nicht zu dicht neben Eve stehen, wenn sie einen anderen Mann heiratete. In diesem Punkt war ich eisern geblieben, obwohl mein Vater alles daran gesetzt hatte, mich zu Matteos Trauzeugen zu machen. Er hatte mich sogar in der Firma degradiert und mein Gehalt empfindlich gekürzt. Doch das war mir egal gewesen. Irgendwo war auch für mich die Grenze des Erträglichen erreicht.
Nun musste ich mich jedoch entscheiden, ob ich weiter tatenlos zuschauen wollte. Alle Augen waren auf Marissa gerichtet, die inzwischen neben Eve stand und ihre Hand ergriff. Eve sah erleichtert aus und nickte kurz, als ihr Marissa etwas ins Ohr flüsterte. Dann schaute sie über ihre Schulter zu mir. Hoffnungsvoll. Mit neuem Mut und neuer Kraft. Und das war der Moment, in dem ich einfach nicht mehr stillstehen konnte.
Ich straffte mich, wappnete mich gegen die finsteren Blicke unserer Eltern und machte mich ebenfalls auf den Weg nach vorne. Dabei ließ ich Eve nicht eine Sekunde aus den Augen. Ihr zuvor noch so trauriges Gesicht wurde nun von einem zauberhaften Lächeln erhellt und ich bekam noch größere Schuldgefühle. Es war ein Fehler, nichts zu tun. Ich war so dumm! Dieses Lächeln ist jeden Ärger und alle Konsequenzen wert. Warum habe ich nichts unternommen?
Als ich bei den beiden Frauen ankam, stellte ich mich auf Eves andere Seite und ergriff ihre freie Hand. Zu dritt standen wir nun vor Matteo, der uns erleichtert anlächelte. Dann nickte er und richtete seinen Blick auf die Gäste. Laut und mit fester Stimme begann er zu sprechen: „Liebe Freunde und Gäste. Ihr seid heute hier erschienen, um einer Hochzeit beizuwohnen, die zwei der größten Modefirmen des Landes vereinen wird." Ein aufgeregtes Stimmengewirr unterbrach ihn und Matteo hob beschwichtigend die Hände. Mit einem gewinnenden Lächeln fuhr er fort: „Keine Sorge, wir möchten euch nicht enttäuschen. Allerdings wird es eine kleine Planänderung geben."
Das ließ die Anwesenden aufhorchen. Kein Laut war mehr zu hören. Die Gäste hingen an Matteos Lippen und verfolgten jedes Wort, das er an sie richtete. Das aufgeregte Tuscheln und die empörten Laute von eben waren verstummt. Auch ich hielt den Atem an und musterte meinen Bruder aufmerksam. Ich hatte keine Ahnung, was er als nächstes tun würde. Doch ich war mir sicher, dass es das Richtige war. Das Richtige für uns alle.
Matteo machte einen Schritt in unsere Richtung und blieb direkt vor Marissa stehen. Mit einem leidenschaftlichen Blick, der seine wahren Gefühle offenbarte, ergriff er ihre Hand. „Marissa, Liebling. Kannst du mir verzeihen, dass ich nicht schon früher um uns gekämpft habe?", fragte er sanft und ließ Marissa dabei nicht aus den Augen.
Sie blinzelte schnell eine Träne fort und legte ihre zweite Hand auf Matteos. So standen sie da und führten eine stumme Unterhaltung, die nur sie alleine verstanden. Dann stahl sich ein Lächeln auf Marissas Gesicht und sie hauchte: „Natürlich verzeihe ich dir. Ich weiß ja, wie pflichtbewusst und loyal du bist. Du wolltest deine Eltern nicht enttäuschen. Aber ich habe gehofft, dass du nur einen kleinen Stoß in die richtige Richtung brauchst, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Und ich hatte recht." Nun strahlte Marissa ihren Liebsten glücklich an.
Ich konnte sehen, wie erleichtert Matteo war. Er seufzte, als wäre ihm ein zentnerschwerer Stein vom Herzen gefallen, dann zog er Marissa stürmisch an sich. Als er seine Partnerin küsste, ging ein Raunen durch die Menge, das ihn wieder in die Realität zurückholte. Matteo löste sich sanft von ihr und kniete vor Marissa nieder.
„Marissa Eloise Alonso, erweist du mir die Ehre, meine Frau zu werden? Du bist meine zweite Hälfte, ohne dich bin ich verloren. Bitte, mach mich zum glücklichsten Mann der Welt und sag Ja!"
Matteo sah voller Hoffnung in Marissas Gesicht und obwohl ich mich für ihn freute, spürte ich einen Stich der Eifersucht im Herzen. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, für Eve zu kämpfen und um ihre Hand anzuhalten. Und zwar bevor dieser arrangierte Ehe-Wahnsinn begonnen hatte.
Doch ich war zu verletzt gewesen, als unsere Eltern die Liebe zwischen Eve und mir einfach als „kindische Mätzchen" abgetan hatten und zur Tagesordnung übergegangen waren. Sie hatten unser Leben zerstört, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Und das bloß aus einem Grund: Weil sie schon seit Jahren vor ihren Freunden und Geschäftspartnern mit der geplanten Heirats-Fusion angegeben hatten. Natürlich mit Matteo und Eve in der Hauptrolle. Denn alles andere entsprach nicht ihren verbohrten Vorstellungen. Und ehe ich wusste, was geschah, waren schon überall die Hochzeitsanzeigen abgedruckt gewesen und die Einladungen ebenfalls verschickt. Also hatte ich mich mit meinem Schicksal abgefunden, obwohl mir jeder Gedanke an Eve und Matteo fast das Herz aus der Brust gerissen hätte.
Nun sah ich zu Eve, die meinen Blick nachdenklich erwiderte. Ob ihr ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen? Schließlich hatte auch sie sich nicht gegen unsere Eltern und die Hochzeit aufgelehnt. Sie hatte genauso wenig um mich gekämpft wie ich um sie.
Doch dass es gerade nicht um uns ging, realisierte ich, als Marissa voller Freude rief: „Ja! Ja, ich will dich heiraten, Matteo!" Im nächsten Augenblick zog sie ihren Liebsten auf die Beine und fiel ihm stürmisch um den Hals. Dann küssten sie sich voller Leidenschaft. Erst als der Pfarrer ein lautes Räuspern von sich gab, lösten sie sich wieder voneinander. Doch ihre Blicke sprachen Bände: Marissa und Matteo liebten sich über alles.
„Das kommt gar nicht infrage!", rief plötzlich jemand hinter uns. „Das verbiete ich! Ich werde euch enterben und aus der Firma werfen, wenn ihr nicht sofort wieder zur Vernunft kommt!"
Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass mein Vater auf hundertachtzig war. Dennoch warf ich einen Blick über die Schulter. Er stand völlig aufgebracht in der ersten Reihe. Sein Gesicht war puterrot und ein Muskel an seiner Stirn zuckte unkontrolliert. So sah er immer aus, wenn er einen seiner cholerischen Anfälle bekam. Ich zog unwillkürlich den Kopf ein, obwohl ich inzwischen eigentlich alt genug war, um mich von so einem Ausbruch nicht mehr einschüchtern zu lassen. Und doch machte mir mein Vater in diesem Zustand immer noch Angst.
Matteo schien durch Marissas Zusage jedoch neue Kraft geschöpft zu haben. Er straffte sich und sah unserem Vater fest in die Augen. „Mir ist völlig egal, was du davon hältst. Es ist mir egal, ob du mich enterbst oder aus der Firma wirfst. Ich bin der Geschäftsführer und das nicht ohne Grund. Du willst mich verstoßen? Gut. Dann solltest du aber nicht überrascht sein, wenn du bald einen Konkurrenten mehr hast, gegen den du dich behaupten musst. Und mit deinen Wutanfällen hast du dir so viele Feinde gemacht, dass ich ganz leicht einige deiner besten Mitarbeiter abwerben könnte. Also, was willst du tun?"
Unser Vater schnaubte vor Wut und wollte gleich zum nächsten verbalen Schlag ausholen, als unsere Mutter bestimmt nach seinem Arm griff und ihn wieder auf seinen Platz zog. Sie wirkte genauso ungehalten wie er, doch scheinbar war sie vernünftiger und sah ihre Niederlage ein. Sie zischte einen Befehl und Vater beruhigte sich langsam. In ihrer Beziehung hatte eindeutig sie die Hosen an, auch wenn das außerhalb der Familie niemand für möglich hielt.
„Dachte ich mir doch", murmelte Matteo und drehte sich zum Pfarrer um. „Können wir die Zeremonie bitte fortführen? Natürlich mit meiner echten Verlobten dieses Mal." Seinem gewinnenden Lächeln konnte niemand widerstehen, nicht einmal der Pfarrer. Also nahm die Trauung ihren Lauf. Und zwar so, wie es von Anfang an hätte sein sollen.
Später am Abend suchte ich Eve und zog sie wortlos durch die Terrassentür in den Garten. Hand in Hand liefen wir zu unserem Lieblingsplatz, dem kleinen Teich, der hinter den Rosenbüschen vor neugierigen Blicken verborgen war. Dort schaute ich ihr tief in die Augen und fragte: „Eve, kannst du mir auch verzeihen, dass ich diese irrsinnige Heirat beinahe zugelassen hätte? Ich weiß, dass ich wie ein Feigling einfach nur zugeschaut habe, während du zu dieser Farce gezwungen wurdest. Es tut mir unendlich leid! Bitte. Kannst du mir vergeben?"
„Ach Damian", sagte sie seufzend, „ich bin dir doch gar nicht böse. Viel eher mache ich mir selbst Vorwürfe. Ich weiß doch auch nicht, warum wir alle so dumm waren und unseren Eltern blind gehorcht haben." Sie schüttelte den Kopf. „Ich denke, das nennt man ‚Gehirnwäsche'. Wir sind von klein auf trainiert worden, genau das zu tun, was sie sagen. Du weißt ja, was es für Konsequenzen hatte, wenn wir uns einmal widersetzt haben." Oh ja, das weiß ich nur zu gut. „Außerdem wollten wir keinen Skandal auslösen, nachdem sie schon überall verbreitet hatten, dass Matteo und ich heiraten würden. Ich bin also genauso schuld wie du." Eve sah mich traurig und voller Reue an.
Es zerbrach mir fast das Herz, sie so zu sehen. Deshalb schloss ich Eve fest in die Arme und murmelte: „Nein, Liebling. Wir sind nicht schuld, keiner von uns. Nur unsere Eltern haben das zu verantworten." Ich streichelte ihr sanft über das Haar, während ich sprach. „Ehrlich gesagt glaube ich, dass es besser wäre, wenn sie uns tatsächlich aus der Firma werfen. Wir könnten noch einmal neu anfangen und unser eigenes kleines Reich aufbauen. Würde dir das gefallen?" Ich lockerte meinen Griff und sah sie aufmerksam an.
Eve begann zu lächeln und gab mir einen zärtlichen Kuss. „Weißt du was? Jeden Tag liebe ich dich mehr, heute mehr als gestern und weniger als morgen. Ich kann es kaum erwarten, dieses Abenteuer mit dir zu erleben."
„Heißt das, du bist dabei? Wir wollen uns wirklich abnabeln und unsere eigenen Träume verwirklichen?", fragte ich hoffnungsvoll.
„Ja, genau das habe ich gemeint. Wir können das Lebenswerk unserer Eltern auch wertschätzen, wenn wir unser eigenes Leben unabhängig von ihrem führen." Eve grinste verschmitzt. „Und jetzt küss mich endlich!"
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich zog meine Eve noch dichter an mich und legte all meine Gefühle in diesen Kuss. Als wir uns schließlich voneinander lösten, strich ich ihr eine Strähne aus der Stirn, die sich während unseres stürmischen Kusses gelöst hatte. „Ich liebe dich über alles, Eve Alonso", flüsterte ich dicht an ihren Lippen und spürte das Lächeln, das sich daraufhin auf ihrem Gesicht ausbreitete.
„Und ich liebe dich, Damian Balduzzi. Mein Herz gehört nur dir. Es ist deins. Für immer deins."
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