Verschüttet
Am nächsten Tag war June wahnsinnig schlecht gelaunt. Sie versuchte im Unterricht gut aufzupassen und immer mitzuschreiben, doch Blacks provokantes Grinsen war ihr den ganzen Tag über im Hinterkopf. Merlin sei Dank blieben ihr unerwünschte Begegnungen mit den Rumtreibern für heute erspart. Penny und sie schlenderten nach ihrer letzten Stunde für Montag durch die Gänge zurück zum Hufflepuff Gemeinschaftsraum. Bis zum Abendessen hatten sie noch etwa zwei Stunden Zeit und June beschwerte sich lautstark bei ihrer besten Freundin über Black.
,,Ich kann nicht verstehen, was alle Mädchen an ihm finden." murrte June verständnislos.
,,Naja, du musst zugeben, dass er gut aussieht." seufzte Penny schulterzuckend.
,,Okay, vielleicht sieht er gut aus, mit seinen vollen, schwarzen Haaren und seinen Grübchen und seinen mysteriösen grauen Augen... Aber innerlich stinkt er wie Scheiße! Er IST Scheiße! Innerlich zumindest..." zischte June und knirschte mit den Zähnen.
,,Tja, was auch immer alle in ihm sehen, May sieht es offenbar auch." zog Penny ihre Freundin auf. June hatte ihr natürlich davon erzählt, dass sie May mitten in der Nacht gemeinsam mit Sirius Black erwischt hatte. Als Penny ihre Schwester erwähnte wurde June automatisch schlecht.
,,Bitte erinnere mich nicht daran..." murmelte sie mies gelaunt.
,,Glaubst du, dass May in ihn verknallt ist?" fragte Penny. June blickte sie eindringlich an.
,,Wenn das jemals passiert, springe ich vom Astronomieturm und singe I believe I can fly." sagte sie monoton, was Penny ein Kichern entlockte.
,,Du bist verrückt, June. Hey, apropos Astronomie, glaubst du Susan oder Emma lassen mich die Hausaufgaben abschreiben?" fragte Penny seufzend. Susan und Emma waren die beiden Mädchen, die sich gemeinsam mit Penny und June einen Schlafsaal teilten.
,,Du kannst auch von mir abschreiben, wenn du willst." meinte June schulterzuckend.
,,Nein, ich hab die letzten drei Male schon bei dir abgeschrieben. Das fällt sonst auf." sagte Penny und winkte ab.
,,Wie du willst." sagte June und die beiden bogen um die Ecke. In der Weite sahen sie zwei Schülerinnen vor den Fässern stehen, die zum Hufflepuff Gemeinschaftsraum führten. Doch sie schienen nicht den Anschein zu machen hinein zu wollen.
,,Wer sind die?" fragte Penny und runzelten die Stirn. Doch June hatte auch keine Ahnung. Als sie näher kamen, sah sie das rot ihrer Krawatten aufblitzen, die ihnen um den Hals hingen.
,,Das sind Gryffindors!" stellte June überrascht fest. Merkwürdig... Was hatten zwei Gryffindor Mädchen vor dem Hufflepuff Gemeinschaftsraum verloren? June und Penny waren noch nicht nah genug, um ihre Gesichter zu erkennen.
,,June?" rief ihnen plötzlich eines der Mädchen fragend aus der Weite zu.
,,Ja?" rief June zurück. Erleichtert begannen die beiden Mädchen auf June und Penny zuzustürzen. Als sie näher kamen erkannte June Lou, Mays beste Freundin! Und noch eine Freundin von May, ihr Name war Stella. June zog verwirrt die Stirn in Falten.
,,Merlin sei Dank, wir haben dich gefunden!" keuchte Lou etwas außer Atem.
,,Was ist denn los?" fragte June. Penny stand nicht weniger verwirrt daneben.
,,Du musst bitte mitkommen! Es geht um May!" sagte Lou dringlich.
,,Was ist mit May?" fragte June verwundert.
,,Also, wir waren vorhin draußen am Gelände und haben uns in die Wiese gesetzt und ein bisschen geplaudert." begann Lou. ,,Und als wir gehen wollen ist May auf einmal gestolpert! Dann ist die Glasflasche mit ihrer Medizin zerbrochen und sie wurde verschüttet!"
June riss sofort ungläubig die Augen auf.
,,Was?" fragte sie fassungslos.
,,Ja!" meinte Stella verzwickt. ,,May ist völlig verzweifelt! Sie hat sich ins Badezimmer eingeschlossen und will nicht rauskommen! Wir dachten, dass wir dich am besten holen. Du bringst ihr die Medizin ja immer."
June wurde plötzlich speiübel. Wenn May tatsächlich ihren Wolfsbanntrank verschüttet hatte, dann wäre das eine Katastrophe! Übermorgen war Vollmond! Normalerweise verwandelte May sich immer im Raum der Wünsche, wo sie ungestört war. Doch wenn sie ihren Zaubertrank nicht einnehmen konnte und ihr Bewusstsein nicht behalten würde, würde sie sich unmöglich im Schloss verwandeln können!
,,June, du bist ganz blass!" sagte Penny plötzlich besorgt.
,,Ähm... es ist nur..." stammelte June geistesabwesend. ,,Das ist überhaupt nicht gut..."
,,Haben wir uns schon gedacht." murmelte Stella bedrückt. June seufzte. Mays Freundinnen wussten nicht von der Wahrheit. Sie dachten May würde an Muskelschwund leiden und müsste deswegen jeden Monat ihre Medizin nehmen und jeden Monat ,,zur Kontrolle" einmal im Krankenflügel übernachten... Sie wussten nicht, dass viel mehr dahinter stand.
,,Ihr müsst mich sofort zu ihr bringen, okay?" forderte June die beiden eindringlich auf. Die beiden nickten und einten mit June sofort in Richtung Gryffindor Gemeinschaftsraum. Normalerweise durften Schüler die Gemeinschaftsräume anderer Häuser nicht betreten. Aber diesmal war es ein Notfall. Die drei liefen eilig durch die Gänge und Korridore von Hogwarts, bis sie vor dem Porträt einer dicken Frau in einem rosa Kleid ankamen.
,,Feuervogel!" sagte Lou sofort das Passwort. Doch die Frau blickte sie nur skeptisch und mit hochgezogener Augenbraue an.
,,Eine Hufflepuff?" fragte sie mit einem herablassenden Blick auf June und ihr gelbes Abzeichen, das auf ihrer Robe saß.
,,Es ist wirklich dringend!" drängelte Stella. Die fette Dame verdrehte die Augen.
,,Na von mir aus..." seufzte sie und das Porträt schwang zur Seite. Stella, Lou und June kletterten durch das Porträtloch, das dahinter zum Vorschein kam und traten in den in rot und Gold gehaltenen Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Zahlreiche Schüler wuselten umher. Diejenigen, die June erkannten warfen ihr skeptische Blicke zu. Doch June ignorierte sie. Sie wollte lediglich zu ihrer Schwester.
,,Wir müssen die Treppen hoch!" erklärte Stella und deutete auf die Stufen vor ihnen. Die drei wollten schon die Stiegen hinauf eilen, als ihnen plötzlich jemand den Weg versperrte.
,,Na, na, na. Wen haben wir denn da?" fragte plötzlich Sirius Black, der aus der Menge seitlich aufgetaucht war und sich breitbeinig vor die drei gestellt hatte. Er schmunzelte wie immer selbstgefällig und hatte die Arme verschränkt.
,,Lass mich durch, Black!" forderte June ihn schroff auf.
,,Was hat eine Hufflepuff in unserem Gemeinschaftsraum verloren?" fragte er sie patzig. Doch diesmal ließ sich June nicht auf einen Streit mit ihm ein.
,,Ich habe keine Zeit für deine kindischen Zankereien, Black!" fuhr sie ihn gereizt an und schubste ihn unsanft zur Seite um sich vorbei zu drängen.
,,Ich muss zu meiner Schwester!"
Ohne sich noch einmal umzudrehen eilte sie die Wendeltreppe hinauf. Stella und Lou führten sie zu ihrem Schlafsaal. Dort gab es eine hölzerne Tür, die wohl zum Badezimmer führte.
,,May!" rief Lou und klopfte eifrig an die Tür.
,,Lass mich!" ertönte es dumpf von Innen. Die Stimme zitterte, als ob die Person hinter der Tür weinen würde.
,,May, wir haben June mitgebracht!" sagte Lou.
,,May, lass mich doch bitte zu dir!" meldete sich June zu Wort. Von May kam keine Antwort. June schloss frustriert die Augen und dachte, dass May sie wieder fortschicken würde. Doch plötzlich öffnete sich die Tür in Sekundenschnelle und eine Hand packte June. Ruckartig wurde sie ins Bad gezogen und die Tür mit einem Knall wieder zugeschlagen. June blickte ihrer Schwester in ihr verheultes Gesicht.
,,June, was soll ich tun?" fragte sie völlig verzweifelt während ihr Tränen über ihre Wangen kullerten.
,,Alles gut, beruhige dich erstmal!" versuchte June auf sie einzureden.
,,Ich brauche noch etwas von der Medizin! Du hast doch noch etwas davon, oder?" fragte sie hoffnungsvoll. Junes Herz klopfte wie wild als sie zögernd den Kopf schüttelte.
,,A-Aber... du kannst doch mehr davon machen, oder?" stammelte May verzweifelt und fuhr sich durch die Haare.
,,May! May, jetzt beruhige dich doch bitte!" redete June weiter auf sie ein.
,,Du kannst mehr davon machen, oder?" fragte May völlig außer sich.
,,Es dauert einen ganzen Monat den Zaubertrank zu brauen, ich kann jetzt unmöglich mehr davon herzaubern." zischte June ihr zu. May schlug völlig verzweifelt ihre Hände vor ihr Gesicht und setzte sich auf den Deckel der Toilette.
,,June, was soll ich denn jetzt machen!" schluchzte sie unkontrolliert. June kniete sich vor sie und packte sie an den Schultern.
,,Hey! Alles wird gut!" meinte sie entschlossen.
,,Wie? Wie soll alles gut werden?" fuhr May sie mutlos an. June konnte die blanke Angst in ihren Augen erkennen. Kein Wunder... das letzte Mal, als sie den Wolfsbanntrank nicht eingenommen hatte, war es furchtbar ausgegangen.
,,Hör zu! Dann wirst du dich eben im verbotenen Wald verwandeln müssen!" murmelte June leise, damit die anderen sie nicht hörten.
,,Aber was, wenn etwas passiert?" fragte May völlig verunsichert.
,,Es wird nichts passieren! Niemand ist bei Vollmond in der Nacht im verbotenen Wald!" zischte June ihr mutmachend zu. May schüttelte entmutigt den Kopf.
,,Nein, ich kann das nicht, June!" stotterte sie. ,,Ich bin so dumm, wie konnte ich die Flasche zerbrechen lassen..."
,,May!" fuhr June ihre Schwester laut an. ,,Das was passiert ist, hat uns gerade noch gefehlt, aber es lässt sich nicht mehr ändern! Okay? Deswegen brauchen wir eine andere Lösung!"
May starrte ihre Schwester zitternd an. June überlegte fieberhaft wie sie ihrer Schwester zur Seite stehen könnte.
,,Also... Du musst dich auf jeden Fall im verbotenen Wald verwandeln, das ist klar..." murmelte June grübelnd vor sich hin.
,,Und was soll ich machen, wenn ich mich zurückverwandle?" fragte May verzweifelt. ,,Ich will nicht alleine irgendwo mitten im verbotenen Wald aufwachen! Und wo soll ich neue Kleidung herbekommen?"
June grübelte weiter.
,,Ich könnte am nächsten Morgen zu dir kommen und dich abholen. Ich bringe dir Kleidung!" schlug June vor.
,,Was? Wie willst du mich finden?" fragte May verständnislos.
,,Es gibt da einen Aufspürzauber." meinte June. ,,Ich hab vor Kurzem davon gelesen! So werde ich dich finden!"
,,Aber, was wenn es nicht funktioniert?" fragte May besorgt.
,,Dann werde ich so lange durch den verbotenen Wald rennen, bis ich dich finde, und wenn es hundert Jahre dauert!" zischte June entschlossen. May schluckte, nickte jedoch schließlich zögernd. June begann ebenfalls zu nicken.
,,Wir kriegen das hin, May... okay?" sprach sie ihrer kleinen Schwester zu.
,,Versprochen! Alles wird gut!"
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