Rote Wangen
,,Nein, ich schwöre dir, du musst die Sternkarte anders lesen!"
,,Nein, das stimmt schon so! Schau, wenn ich die Sterne so verbinde, dann kommt der Fuhrmann raus!"
,,Das ist nicht der Fuhrmann, der liegt da drüben!"
,,Nein, Remus, ich hab' ihn ja gerade aufgezeichnet!"
,,Nein, du hast irgendwelche Sterne verbunden und hast jetzt ein Strichmännchen, das so aussieht wie der Fuhrmann! Gib' her, ich zeig dir wie du die Karte richtig liest!"
Remus schob die Karte zu sich während June lachend die Augen verdrehte. Die beiden saßen seit zwei Stunden in der Bibliothek, während Remus gerade einen hoffnungslosen Versuch startete June Astronomie zu erklären. Eigentlich waren sie hier um ,,Hausaufgaben zu machen". Doch in Wirklichkeit blödelten sie nur herum.
,,Ich kann das selber machen!" meckerte June und zog die Karte wieder zu sich. Remus sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
,,Ja, man sieht, wie gut du das selber machen kannst." seufzte er und deutete auf die verpfuschte Sternkarte.
,,Schau, das ist ganz einfach. Du musst dich am Polarstern orientieren!"
,,Ach, wen kümmert das schon... Ist mir doch egal wo der verdammte Fuhrmann liegt, Astronomie ist sowieso der größte Blödsinn... Das interessiert doch keinen..." brummte June und verschränkte die Arme.
,,Du kannst manchmal so stur sein..." seufzte Remus.
,,Ach ja? Das stimmt doch gar nicht!" schnauzte sie ihn an. Remus hob belustigt eine Augenbraue.
,,Und wie du stur sein kannst!" entgegnete er.
,,Schwachsinn..." murmelte June. Remus zuckte mit den Schultern.
,,Dann beweis' mit das Gegenteil und lass mich dir diese Sternkarte erklären." sagte Remus und deutete auf die Karte, die immer noch vor den beiden lag. Er entlockte June ein Lachen.
,,Nein, ich hab' doch gesagt, dass mir das egal ist." kicherte sie.
,,Aber es ist ein Vorwand für mich um Zeit mit dir zu verbringen, also ist es mir nicht egal!" lachte Remus und hielt ihr die Sternkarte vor die Nase. June verdrehte die Augen.
,,Mann, Remus!" seufzte sie schmunzelnd.
,,Was denn?" fragte er unschuldig. June starrte ihn kopfschüttelnd, mit einem Lächeln auf den Lippen an.
,,Du bist ein Idiot!"
,,Wieso? Nur weil ich Zeit mit dir verbringen will?"
,,Wenn du Zeit mit mir verbringen willst, dann bitte das nächste Mal ohne Sternkarten und Fuhrmänner, okay?" scherzte sie, was Remus wieder zum Lachen brachte.
,,Na schön, na schön... Ich dachte ich tue dir einen Gefallen indem ich dir helfe, aber anscheinend wird meine Hilfsbereitschaft nicht geschätzt." meinte er gespielt beleidigt und stand von seinem Sessel auf um die Sternkarte in seinen Schulranzen zu packen.
,,Jetzt fang nicht an zu schmollen." seufzte June und setzte sich hinauf auf die Tischplatte.
,,Doch, ich fange an zu schmollen, du hast meine Gefühle verletzt." sagte Remus noch immer gespielt enttäuscht, was June noch breiter grinsen ließ. Sie verdrehte die Augen.
,,Na schön, und wie kann ich das wieder gut machen?" fragte sie ihn. Remus zuckte unschuldig mit den Schultern.
,,Du könntest mich morgen auf ein Butterbier einladen..." schlug er vor. June schnaubte belustigt und biss sich auf die Unterlippe.
,,Wie wäre es mit zwei?" entgegnete sie. Ein Grinsen schlich sich auf Remus' Gesicht.
,,Abgemacht!" sagte er zufrieden.
,,Abgemacht!" wiederholte June. Plötzlich warf Remus einen Blick auf die große Wanduhr, die hinter ihnen an der Wand hing.
,,Verdammt! Es ist schon zwanzig nach fünf! Ich hab' Krone versprochen um fünf mit ihm dir Trainingspläne für die kommende Quidditch-Saison durchzugehen! So ein Mist!"
Hektisch begann Remus seine Bücher in seinen Schulranzen zu packen.
,,Na dann schnell!" scherzte June und sah ihm belustigt dabei zu, wie er sich stresste.
,,Hör auf zu lachen!" funkelte er sie gespielt an. June zuckte nur unschuldig mit den Schultern, woraufhin Remus sofort wieder lächeln musste.
,,Wir sehen uns Morgen, ja?" sagte er noch ehe er sich verabschiedete. June nickte.
,,Klar, bis Morgen!"
Sie rechnete eigentlich damit, dass Remus sofort aus der Bibliothek stürmen würde. Doch ehe sie sich versah war sein Kopf nach vorne geschnellt und er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Überrascht riss June die Augen auf, doch ehe sie realisierte was gerade passiert war, hatte Remus schon am Absatz kehrt gemacht und rannte aus der Bibliothek. June hob ihre Hand und tastete ihre Wange ab, auf welche Remus ihr vor fünf Sekunden einen Kuss gegeben hatte. Sie spürte wie ihr Gesicht warm wurde. Das bedeutete ihre Wangen wurden rot.
Lächelnd stand June ebenfalls auf und begann ihre Schulsachen zusammenzupacken. Doch anders als Remus ließ sie sich genug Zeit. Sie war viel zu sehr in Gedanken versunken, um sich zu beeilen.
In den letzten Wochen hatte sie sich fast täglich mit Remus getroffen. Entweder hatten sie gemeinsam gelernt, Hausaufgaben gemacht, waren spazieren gegangen oder hatten sich ins Drei Besen gesetzt. Manchmal waren auch die restlichen Rumtreiber oder Penny dabei. Doch vor allem in Remus' Nähe fühlte sich June sehr wohl. Das hatte sie in den letzten Wochen gemerkt.
,,Hallo, June!"
Eine Stimme riss sie ruckartig aus ihren Gedanken. Erschrocken fuhr sie herum und erblickte ihre jüngere Schwester May, die plötzlich zwischen den Regalen aufgetaucht war.
,,Erschreck' mich doch nicht so!" zischte June und fasste sich an ihr klopfendes Herz. May schnaubte belustigt.
,,Tut mir Leid." entschuldigte sie sich.
,,Was machst du hier?" fragte June. May hob ihre rechte Hand, in welcher sie ein kleines, schwarzes Taschenbuch hielt.
,,Ich hab' mir ein Buch ausgeliehen. Das brauch' ich für Kräuterkunde." erklärte sie. ,,Ich hab' dich von drüben gesehen."
June nickte.
,,Ich bin schon länger hier, ich hab Hausaufgaben gemacht mit..."
,,Remus?" fiel May ihr ins Wort. Überrascht hob June beiden Augenbrauen, doch sie nickte.
,,Ja, genau."
,,Mit wem denn sonst." scherzte May. June runzelte die Stirn.
,,Bitte?"
,,Also Penny hat gesagt, dass du fast nur noch Zeit mit ihm verbringst." sagte May schulterzuckend.
,,Wie bitte? Wann hast du mit Penny gesprochen?" stammelte June. May schmunzelte und zuckte wieder nur mit den Schultern.
,,Ach, ich hab' sie letztens am Gang getroffen... Als sie alleine war, weil du mit Remus spazieren warst."
,,Pschht!!" zischte June ihr säuerlich zu, was May ein Lachen entlockte.
,,Was denn? Ich sag ja nichts. Ist doch schön, wenn ihr beiden euch so gut versteht." meinte May. June verdrehte lächelnd die Augen und antwortete nicht. May musterte den Gesichtsausdruck ihrer Schwester.
,,Magst du ihn?" fragte sie. June schnaubte.
,,Natürlich mag ich ihn."
Die beiden setzten sich allmählich in Bewegung. Beide hatten noch ein Stück gemeinsamen Weg vor sich, bevor sie einzeln weiter zu ihren Gemeinschaftsräumen gehen mussten.
,,Ich meine, ob du ihn mehr als nur magst." fuhr May fort. June seufzte.
,,Ich... Ich weiß nicht..." murmelte sie. May musterte sie wieder seitlich.
,,Deine Wangen werden rot..."
,,Was?"
,,Deine Wangen werden rot!"
,,Gar nicht wahr!"
,,Natürlich, ich bin doch nicht blind!"
,,Halt den Rand, May!" fuhr June sie an... dennoch mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. May ging schweigend neben June und hatte ein Grinsen im Gesicht. Die beiden gingen eine Zeit lang ohne Worte neben einander... bis Mays Grinsen plötzlich immer schwächer wurde.
,,June?" fragte sie plötzlich. Ihre große Schwester sah sie fragend an.
,,Weiß Remus eigentlich schon, dass du kein... du weißt schon was bist?"
Junes Herz setzte mit einem Schlag aus. Ihre rötlichen Wangen verblassten in Sekundenschnelle und ihr Gesicht wurde sofort blass. Sie schluckte. Ohne May eine Antwort zu geben hielt sie ihren Blick stur geradeaus gerichtet und ging weiter. May biss sich verzwickt auf die Unterlippe.
,,Also nein..."
June blieb ruckartig stehen. Sie rieb sich mit der Hand über ihr Gesicht.
,,Verdammt..." murmelte sie verzweifelt.
,,Er glaubt noch immer, dass du ein Werwolf bist?" zischte May ihr leise zu. June schloss gequält die Augen und nickte langsam.
,,Ich hab' es nicht übers Herz gebracht, ihm die Wahrheit zu sagen..." gab June zu. May presste die Lippen aufeinander.
,,Aber June, wie stellst du dir das vor? Irgendwann wird er es herausfinden! Und wenn er erfährt, dass eure ganze Freundschaft auf einer Lüge basiert..."
,,Ich weiß, May! Das brauchst du mir nicht zu erklären!" fuhr June sie an. May verdrehte die Augen.
,,Dann sag ihm die Wahrheit! Erklär' ihm deine Gründe und warum du gelogen hast, er wird es bestimmt verstehen!" versuchte May auf ihre große Schwester einzureden.
,,Du verstehst das nicht..." jammerte June. ,,Er klammert sich so fest an den Gedanken, dass ich so bin wie er! Er... Er denkt, ich verstehe ihn! Und in gewisser Weise tue ich das auch, immerhin hat meine kleine Schwester seit acht Jahren das selbe Problem. Aber irgendwie... verstehe ich ihn eben auch nicht... Es wird ihm das Herz brechen, wenn er das erfährt!"
,,June, du reitest dich da immer weiter in etwas hinein." seufzte May und versuchte ihr die Situation klar zu machen.
,,Ich weiß..." murmelte June und biss sich auf die Unterlippe. Sie blickte May mit glasigen Augen an.
,,May, was soll ich tun?"
May blickte sich verzwickt um und sichte nach einer geeigneten Antwort. Doch ihr fiel immer nur die Gleiche ein.
,,Du musst ihm die Wahrheit sagen, June!" meinte sie entschlossen. June starrte sie mit großen, fragenden Augen an.
,,Lieber er hört die Wahrheit von dir, als er erfährt sie irgendwie anders. Und glaub' mir, er wird es irgendwann erfahren!" sprach May ihr zu. June schloss gequält die Augen. May umarmte ihre Schwester ganz fest.
,,Was, wenn dadurch alles kaputt geht?" flüsterte June ängstlich.
,,Dann hast du möglicherweise die Chance, alles wieder zu reparieren." murmelte May ihr mutmachend zu. June nahm tief Luft.
Sie wusste, dass May Recht hatte. Sie konnte es Remus nicht für ewig verschweigen. Weder ihm, noch den anderen Rumtreibern. Dazu war June einfach viel zu gut mit ihnen befreundet. Irgendwann würden ihr die Ausreden ausgehen. Und je länger sie die Wahrheit herauszögerte, desto größer wurde der Schaden. So konnte sie doch nicht weiter leben! Nicht, wenn ihre ganze Zukunft auf einer Lüge basierte!
June löste sich aus Mays Umarmung. Sie wischte sich schnell über ihre feuchten Augen.
,,Gut..." sagte sie mit kaum bemerkbar zitternder Stimme.
,,Ich sage Remus die Wahrheit! Gleich Morgen! Schluss mit den Lügen!"
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