Kapitel 12
Seit in in diese weite Kleidung geschlüpft war, war mir klar gewesen, dass ich es bereuen würde. Sie behinderte mich mehr in meinem Bewegungen, als es mir lieb war und erschwerte es mir mit Elwin Schritt zu halten.
Dieser balancierte über die Dächer und setzte über die mal schmaleren, mal breiteren Spalten, als wäre er selbst ein anmutiger Vartax.
Das einzige, das mir ein wenig von meinem Stolz bewahrte, war, dass Gillian noch angestrengter keuchte und noch mehr hinterherhinkte als ich.
Nibbles, das kleine Waldmännchen, war zu uns gestoßen, sobald wir Tallias Gasthaus verlassen hatten. Seither hockte es auf der Schulter seines Herrn und leuchtete mir den Weg, wie ein Stern am Nachthimmel. Hatte Elwin so sehr auf Unauffälligkeit gesetzt, erschien es ihm gleichgültig zu sein, dass sein Freund mit seinem hellen und buschigen Fell alles andere als unscheinbar war. Zumindest nicht hier auf der Nebelinsel, die durchwegs von einem dunklen Schleier umhüllt wurde.
Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob die Umgebung auf Gefoldryan der wahren Nacht ähnlich kam.
Aber jetzt war nicht der richtige Augenblick, um mir darüber weiter den Kopf zu zerbrechen. Ich musste konzentriert bleiben. Ein erstes Ziel war in Aussicht. Ein Silberstreif am Horizont. Und ich war nicht gewillt ihn an mir vorüberziehen zu lassen, ohne es zumindest versucht zu haben, danach zu greifen.
Ein weiterer Sprung über einen Abgrund. Beinahe rutschte mir mein Fuß auf den schwarzen Dachziegeln weg und das, obwohl meine Stiefel das einzige waren, das ich von meiner Uniform anbehalten hatte. Durch den ständigen Nebel war die Oberfläche der Dächer von einem feuchten Film überzogen, der es nicht gerade ungefährlich machte sich über sie hinweg zu bewegen.
Leise fluchte ich und brauchte ein paar Sekunden, bis ich mich gefangen und mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Ausreichend Zeit, damit Gillian mich schnaufend, aber grinsend überholen konnte.
Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte meinen Unmut nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Bleib fokussiert, mahnte ich mich selbst, während ich mich eilte den anderen weiterhin zu folgen.
Der Weg, der zu dem geheimen Treffpunkt des Krähennests führte erschien mir angesichts der erschwerten Bedingungen endlos lange.
Nach der heutigen Spionage, denn weitere Schritte würde ich noch nicht einleiten, würde ich mir irgendwo in dieser Stadt passende, dunkle Kleidung kaufen.
Irgendwann wurde Elwin langsamer. Das Waldmännchen kletterte von seinen Schultern und verschwand hinter einem Schornstein, aus dem Rauch aufstieg. Mir wurde schlagartig übel, als sich der Gestank durch die Windungen meiner Nase fraß. Das war kein normales Holz, das der Besitzer des Hauses, auf dem wir angehalten hatten, verbrannte. Nein ... ich kannte diesen Geruch. Leider zu gut.
„Das ...", hörte ich Gillian stammeln. „ ... ist Haut. Jemand schürt seinen Kamin mit ..." Sie hielt sich die Hand vor den Mund und blähte die Backen auf, als sie vehement versuchte ihren Würgereiz zu unterdrücken.
Elwin nahm es am gelassensten von uns dreien. Er nickte nur, um den Verdacht zu bestätigen. „Eine Opfergabe pro Sitzung. Aber kein Elaryer. Sie ..." Das Waldmännchen fiepte leise, sodass ich verstand, ohne dass der Dieb es zu Ende sprechen musste. Die töteten und verbrannten Tierwesen, um sie Ciaran darzubieten.
„Das ... die können unmöglich zu uns gehören ... wir ...", stammelte Gillian. Es war das erste Mal, dass sie ganz offen aussprach, dass sie sich zum Schattenvolk zählte. „Wir töten nicht, um ..." Egal wie sehr sie sich bemühte, einen ganzen Satz brachte sie doch nicht zustande.
„Schon gut", erwiderte sich sanfter als gewöhnlich. „Wir verstehen, was du uns zu sagen versuchst."
Die Eissirene nickte und wandte sich von dem stinkenden Kamin ab. Trotz Nebel und Düsternis konnte ich erkennen, wie ihre Augen tränten. Vielleicht würde sie nun endlich begreifen, dass die Dunkelheit nichts Gutes war. Dass sie sich dem falschen Volk angeschlossen hatte.
Ich lenkte meine volle Aufmerksamkeit auf Elwin. „Und jetzt? Wie kommen wir da rein?"
„Solltest du nicht erst einmal auskundschaften, bevor ..."
„Ja, ja. Ich habe nicht vor, in diese Feier hineinzuplatzen und mich den Gästen anzuschließen. Ich möchte lediglich wissen, welche Wege mir zur Option stehen", fuhr ich ihm dazwischen und ließ unterdessen den Blick über unsere Umgebung schweifen, von der ich ja doch nicht mehr erkennen konnte, als Nebel und die schwachen Umrisse anderer Hausdächer. Was mir allerdings auffiel, war, dass jenes, auf dem wir standen, überdurchschnittlich groß erschien.
„Mehrere. Wobei du den Haupteingang und den offensichtlichsten Hinterausgang wohl nicht mitzählen solltest." Elwin sah an mir vorbei und musterte Gillian. „Bist du in der Lage zu klettern, oder brauchst du noch einen Moment?"
Auch ich meine Augen wanderten über ihren bebenden Körper. Wenn sie dieser Gestank schon so schwach werden ließ, was würde die restliche Reise dann für uns bereithalten? Ich war davon überzeugt, dass wir früher oder später gezwungen sein würden zu töten. Gillian war nicht gemacht für diese Art von Krieg, für die Konfrontation mit dem Tod. Hoffentlich war zumindest der Dieb anders gestrickt. Er war zwar ungeschickt, aber vielleicht war er dennoch dazu in der Lage ein Leben zu beenden. Ich betete schon fast dafür, denn zwei Anhängsel, die ich beschützen musste waren zwei zu viel.
„Ist ... ist es in Ordnung, wenn ich ... wenn ich hier auf euch warte?" Bei den Göttern. Schaffte sie es nun gar nicht mehr einen Satz über die Lippen zu bringen, ohne dabei wie ein Betrunkener zu klingen, der versuchte sich seinen Zustand nicht anmerken zu lassen?
„Klar. Bleib einfach hier. Wir machen das schon", antwortete ich, ehe ich Elwin auffordernd zunickte.
Doch der Blick des Diebes hatte sich förmlich an der Eissirene festgesogen. „Ich glaube nicht, dass wir dich alleine zurücklassen sollten."
Ich unterdrückte einen ungehaltenen Kommentar. Verdammt! Wir waren auf der wohl bedeutsamsten Mission der gesamten Geschichte Alverias und dieser idiotische Geistspieler hatte nichts besseres im Sinn, als sich als der aufopferungsvolle Ritter aufzuspielen, der die arme Lady in Nöten retten wollte. „Lass doch deinen Freund bei ihr", murrte ich, bemüht meine Contenance zu wahren.
Als hätte das Waldmännchen nur darauf gewartet, spähte es vorsichtig hinter dem rauchenden Schlot hervor und richtete seine moosgrünen Kulleraugen auf Gillian. „Wunderbar. Wie es aussieht, ist der kleine Kerl damit einverstanden", meinte ich, als Nibbles sich an die Seite der Eissirene gesellte und sich am Ende sogar an deren Bein festklammerte.
Elwins Gesichtsausdruck vermittelte Unsicherheit. Ich machte mich bereits darauf gefasst, ihn an den Ohren hinter mir herzuziehen. Meinen Dolch konnte ich ihm immerhin nicht erneut an Kehle oder Auge halten, wenn ich dem Vartax nicht wieder gegenübergetreten und Gefahr laufen wollte, von ihm als Mitternachtssnack verspeist zu werden. Doch der Dieb schaffte es ohne mein Zutun seinen Blick von der Eissirene loszueisen. Er nickte mir zu. „Mir nach."
Mit überraschend grazilen Bewegungen näherte er sich der Dachkante an, die gen Norden zeigte. Ich folgte ihm, wobei ich auf jeden meiner Schritte achtete. Erneut auszurutschen und das auch noch in unmittelbarer Nähe zum Abgrund, konnte und wollte ich mir nicht leisten.
„Wir haben es mit einer alten Fabrikhalle zu tun", erklärte er mir beiläufig, während er offenbar nach einer geeigneten Stelle suchte, um sich nach unten abzulassen. „Sie steht seit Jahren leer. Eigentlich." Er ging in die Hocke, umfasste die Regenrinne und schwang sich über den Rand. Für zwei weitere Sekunden waren seine Finger zu erkennen, dann ließ er los.
Ich wartete, bis ich das dumpfe Geräusch seiner Füße hörte, die auf festem Untergrund aufgekommen waren, ehe ich seinem Beispiel folgte. Kurz nach ihm kam ich auf dem breiten Fenstersims auf, der soweit nach vorne ragte, dass wir beide genug Platz darauf gefunden hätten. Aber Elwin war bereits durch das gesplitterte Fenster nach drinnen gestiegen und winkte mir zu, ihm weiter zu folgen.
Scherben knirschten unter meinen Stiefeln, als ich ins Innere der Halle kletterte. Sogleich schlug mir ein neuer Schwall des Gestanks von verbrannter Haut entgegen. Egal in welchem Raum wir gerade angelangt waren, er konnte nicht weit von dem Schauplatz des grausigen Rituals entfernt liegen.
„Ich habe es nur durch Zufall gefunden, als ich nachts durch die Gassen Gefoldryans gestreift bin, um ... naja ... du weißt schon. Bisher war ich klug genug, mich hiervon fern zu halten. Ich werde auch nicht weiter gehen, als bis zu dieser Tür", flüsterte er. Seine Worte waren so leise, dass ich sie kaum verstand.
Ich musterte Elwin mit hochgezogenen Augenbrauen. „Du willst mich auf der weiteren Reise begleiten, drückst dich aber vor einem möglichen Kampf?" Jener war nicht mein Ziel. Zumindest nicht an diesem Abend. Aber irgendwann würde es dazu kommen und wenn ich ehrlich war, wäre ich dem Gedanken gegenüber nicht abgeneigt, dass mir dabei jemand den Rücken stärkte. Und wenn es nur ein Tollpatsch wie er war.
„Nahkampf ist nicht meine Spezialität. Aber wenn du Hilfe brauchen solltest, dann werde ich Phoenix zu dir schicken, ja? Ich bleibe in Reichweite, damit ich es mitbekomme, sollte etwas schiefgehen."
Ich antwortete nicht. Dann sollte er eben bleiben wo er war. Zu spionieren würde ich auch alleine hinbekommen. Ich brauchte ja nur ein paar Informationen. Kurz ließ ich meine Augen durch den düsteren Raum wandern, in dem sich kaum etwas erkennen ließ. Aber ich glaubte an den Wänden alte Metallspinde zu erkennen. Vielleicht diente dieses Zimmer einst den Mitarbeitern dieser Fabrik, um ihr Hab und Gut während ihres Aufenthalts zu verstauen.
Auf leisen Sohlen huschte ich auf die Tür zu und hielt mein Ohr gegen das alte Holz, um etwas zu hören. Doch da war nichts. Nur Stille. Seltsam, wenn das Treffen doch irgendwo ganz in der Nähe stattfinden musste. Sprachen sie denn gar nicht während ihrer makabereren Séance?
Ich spürte Elwins Blick in meinem Rücken, als ich die Klinke schließlich nach unten drückte und die Tür einen Spalt breit öffnete, um dahinter zu linsen. Dunkelheit begrüßte mich. Meine Finger kribbelten und flüsterten mir den Wunsch zu, eine Lampe zur Hand zu nehmen. Aber das konnte ich nicht. Ein Licht würde mich direkt verraten. Mir blieb nichts anderes übrig, als in die Finsternis zu huschen. Hinein in unbekanntes Terrain. Wie ich es hasste.
Auf Elbastyn gab es kein Fleckchen Erde, das von der Sonne unberührt blieb. Ich war es nicht gewohnt durch Umgebungen zu schleichen, in denen Düsternis vorherrschte. Ein Schauer lief mir über den Rücken, während ich mich langsam voran tastete. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis meine Augen sich halbwegs an das nicht vorhandene Licht gewöhnten. So lange ließ ich mich vom Gestank leiten, der mich zuverlässig einen langen Gang entlangführte. Trotz meiner Vorsicht knirschte hin und wieder fremdes Material unter meinen Füßen. Ich betete, dass es sich dabei nicht um das handelte, woran ich dachte und dass mich niemand hörte. Es war so still. So unnatürlich still wie auf einen Friedhof, auf dem sich keiner zu sprechen traute, um die Totenruhe nicht zu stören.
Irgendwann machte der Flur eine Biegung und sobald ich um die Ecke gehuscht war, erkannte ich den orangegelben Schein eines Feuers, der über eine der mit Rauputz versehenen Wände tanzte. Ich musste ganz in der Nähe sein. Auch der Geruch von verbrennender Haut und Haaren wurde zunehmend unerträglicher. Ich hielt mir die Hand vor die Nase, zog das schwarze Kopftuch enger um mein Haupt und setzte meinen Weg mit flauem Gefühl im Magen fort. Eng an die Wand gepresst, die in den Schatten verborgen lag. Dank der dunklen Kleidung verschmolz ich nahezu mit dem Schwarz, wurde eins mit der Dunkelheit, die man den Kindern schon früh zu fürchten lehrte.
Auch mir hatten meine Eltern Schauergeschichten erzählt. Mir und meinem Bruder. Damals war noch alles in Ordnung gewesen und die gruseligen Bilder, die mein Vater in unsere Gedanken und Träume einwob, waren das schrecklichste auf dieser Welt gewesen. Bis zu den Tag, an dem ich zum ersten Mal mit dem Tod konfrontiert wurde ...
Ich schüttelte die alten Erinnerungen ab. Hier und jetzt blieb kein Raum für sie. Im Grunde blieb dieser nie. Auch darüber zerbrach ich mir nicht den Kopf. Ich musste fokussiert bleiben. Konzentriert.
Noch immer war alles so still, dass man vermutlich selbst eine Feder dabei hätte hören können, wie sie auf dem dreckigen Boden aufkam. Der Gesang setzte so plötzlich ein, dass ich gar nicht anders konnte, als zusammenzuzucken. Verdammt ... mein Herz raste mit der Geschwindigkeit galoppierender Kristallmähren durch meine Brust. Ruhe bewahrten. Neu ausrichten.
Die Worte, die im Einklang durch die riesige Halle tanzten, die sich mit offenbarte, sobald ich den Blick um sie nächste Ecke riskierte, klangen zunächst furchtbar fremd in meinen Ohren. Als gehörten sie einer alten, längst vergessenen Sprache an.
Meine Augen wanderten zu einem metallenen Gerüst, von dem aus man in die Tiefe sehen konnte. Genau dorthin, von wo der unheimliche Gesang kam. Alles in mir schrie danach, mich von dem fern zu halten, was sich dort abspielte. Meine Muskeln streikten und eine unsichtbare Kraft zerrte an meinen Schultern, wollte mich zurück reißen und mich in den Raum jagen, in dem Elwin auf mich wartete.
Aber ich konnte nicht. Ich hatte Elion zugesichert, Kilamore aufzuspüren und egal wie viel Angst ich gerade verspürte, die davor meinen König zu enttäuschen war größer.
Nun war ich doch froh darum, dass ich den restlichen Weg alleine bestritten hatte. So konnte niemand mein Zögern, meine Schwäche, sehen.
Erst nachdem ich ein paar tiefe Atemzüge getan hatte, gelang es mir, mich aus meiner Starre zu lösen und mich langsam und vorsichtig auf die metallenen, hüfthohen Streben zuzubewegen.
Ich ging nur soweit, dass ich einen groben Blick auf das erhaschen konnte, was im Herzen der verlassenen und zweckentfremdeten Fabrikhalle vor sich ging. Genau in dem Moment, in dem ich die zehn in schwarze Roben gehüllten Gestalten abgezählt hatte, verstummte das Lied, das den Urinstinkt der Flucht in mir wachgerufen hatte. Was war nur los mit mir? Ohne mit der Wimper zu zucken konnte ich Arterien durchtrennen, Augen ausstechen und durch Blutbäder waten, aber ein geheimer Bund, der Tierwesen verbrannte und auf einer alten Sprache Ständchen trällerte ließ mich in Gedanken nach dem schützenden Schoß meiner Mutter schreien.
Reiß dich zusammen. Du hast eine der besten Ausbildungen genossen. Du hast Männer getötet, die die zehnfache Stärke besaßen. Hör auf dich wegen eines dunkel gekleideten Chors einzupinkeln.
Still und ohne mich zu rühren glitten meine Augen fort von den Robenträgern und durch die restliche Halle. Ich brauchte einen Plan, wenn ich sie alle bis auf einen umbringen wollte.
Da erkannte ich ihn. Einen riesigen Spiegel, der direkt neben dem lodernden Brennofen im Boden verankert worden war. Perfekt. Nun, da ich diesen Ort gesehen hatte war es mir möglich, ihn durch meine Gabe zu erreichen. Und wenn ich durch den Spiegel trat, sicherte das den Überraschungsmoment. Dennoch ... zehn fremde Personen, deren Fähigkeiten mir unbekannt waren, stellten ein zu hohes Risiko dar. Auch wenn es mir missfiel, war mir doch sofort klar, dass ich Gillians und Elwins Hilfe benötigen würde.
Neun der zehn verhüllten Gesalten ließen sich auf die Knie sinken und lenkten meine Aufmerksamkeit zurück zu ihnen. Das absonderliche Geschehen schenkte mir die letzte Information, die ich benötigte - Welchen der dunklen Verräter ich am Leben lassen musste.
Nur einer von ihnen blieb stehen, postierte sich in der Mitte des Kreises, der sich um ihn herum gebildet hatte. In einer anbetenden Geste reckte er die Hände gen Decke. Der Feuerschein tanzte über seinen Körper und enthüllte die vielen Narben. „Freunde der Nacht, Ciarans Mond prangt hoch über Gefoldryan."
Ich kannte diese Stimme. Seltsam verzerrt und völlig kalt.
„Einen Zyklus bedarf es noch, bis er unser Rufen vernehmen wird. Dann wird er uns nach Kilamore führen! In sein Reich! Und er wird uns dort willkommen heißen, als seinesgleichen!"
Mit dem letzten Wort nahm er die Kapuze ab, drehte sich so, dass die Flammen sein entstelltes Antlitz in einen warmen Ton tauchten. Verschleierte, milchige Augen blickten auf die knienden Anhänger hinab.
Mir gefror das Blut in den Adern. Ich erhielt eine Antwort auf die Frage, die ich mir vor zwei Tagen bei der Ankunft auf dieser Insel gestellt hatte. Dieser Mann war nicht annähernd so bemitleidenswert, wie er aussah. Ich maßte mir sogar an zu glauben, er hätte sich die vielen Brandnarben bei einem dieser kranken Rituale selbst beigebracht. Ein Wahnsinniger. Anders konnte man ihn für wahr nicht beschreiben.
Die Neun reckten nun ebenso wie ihr Anführer die Hände gen Decke. Ein kehliges Summen überkam dessen Lippen, hallte von den rauen, nackten Wänden wider. Was versprach er sich von diesen Séancen? War er wirklich so irrsinnig zu glauben, er würde dadurch den Gott der Nacht zurückholen? Mich schauderte.
Ich hatte genug gesehen und in Erfahrung gebracht. Noch ein Zyklus. Sie würden sich wieder treffen, um ein weiteres dieser Rituale abzuhalten. Und ich wusste, wen ich am Leben lassen musste, auch wenn mir mein Bauchgefühl zuflüsterte, dass er es war, den ich zuerst seines Lebens berauben sollte.
Sobald das Krähennest erneut die Stimme als Kollektiv erhob und ein schauriger Gesang die Fabrikhalle erfüllte, wandte ich mich ab und machte mich schattengleich auf den Rückweg.
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