Vergeltung I
Es dauerte keine Stunde, bis Lloyd wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Elliot brachte ihn noch bis in den Eispalast, ehe er sich verabschiedete.
„Falls Ihr noch etwas benötigt, mein König, wisst Ihr, wo Ihr mich finden könnt", sagte er und senkte sein Haupt, aber ehe er sich abwenden konnte, hielt Lloyd ihn auf.
„Habt Ihr Feuer?", fragte der Elf.
Elliot sah verwirrt auf. „Feuer?", fragte er, aber dann fiel ihm ein, dass er seinem König keinen Wunsch abschlagen wollte und er sagte: „Natürlich, genügt Euch ein Kamin?"
Lloyd nickte und sogleich machte sich Elliot daran den kleinen Kamin in dem Schlafgemach zu entfachen. Als eine kleine Flamme auf dem Holz züngelte, verabschiedete sich der Drache erneut und verließ den Raum.
Lloyd schob sich die violette Robe von den Schultern. Seinen Blick ließ er kurz zwischen dem Feuer und dem Stoff wechseln, ehe er die Lippen zusammenpresste und die Robe in den Kamin warf. Die Flammen kreischten vor Schreck auf, aber schnell fanden sie Gefallen an dem neuen Material. Sie umschlungen es in einer festen Umarmung und wollten es niemals wieder gehen lassen.
Noch einige Minuten lang blieb er vor dem Kamin stehen und sah dabei zu, wie die violette Robe in Flammen aufging.
Lloyd wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, aber als er die Augen aufschlug, blendete ihn schon das Licht der Sonne. Er schüttelte schnell den Rest der Müdigkeit ab und stand auf. Sein Schlafgemach war leer. Kein Murasaki, den das Verbrennen seiner Robe hervorgelockt hatte.
Lloyd seufzte und kleidete sich ein. Ganz in weiß, aber als er sich eine dünne Robe übergestreift hatte, stockte er.
Seine Hand streifte kurz an seinem Hals entlang, ertastete die Unebenheiten, die durch die Bisse entstanden waren. Und dann bemerkte er, dass er etwas vermisste. Das kühle Metall des Medaillons, das er in Kastolat zurückgelassen hatte.
Bei Tavaren.
Der Stich in seinem Herzen, den dieser Gedanke auslöste, ließ ihn kurz zusammensacken. Er stützte sich an der Kommode ab und raffte die Robe an seiner Brust zusammen. Zwischen zusammengebissenen Zähnen sog er scharf Luft ein und ließ sie wieder entweichen. Er wollte nicht darüber nachdenken, nicht daran erinnert werden. Nun war er hier und daran könnte sich nichts ändern.
Er schüttelte seinen Kopf und richtete sich auf. Dann strich er seine Kleidung glatt und verließ mit weiten Schritten sein Gemach. Er musste sich ablenken.
Die Eingangshalle hatte er schnell durchquert und er machte sich auf den Weg zu Elliots Zimmer. Der Flur war nicht lang und von seinem letzten Besuch dort, hatte er sich noch merken können, hinter welcher Tür der Drache lebte.
Ohne anzuklopfen, drückte er die Klinke herunter und trat in das Zimmer. Elliot hatte gerade die Kerze an Regnas Schrein angezündet. Er zuckte vor Schreck leicht zusammen, aber sein Blick hellte sich sofort auf, als er Lloyd sah.
„Mein König, Ihr seid wach." Er kam einen Schritt auf ihn zu. „Was führt Euch zu mir?"
„Zieht den Mantel aus", sagte Lloyd und schloss die Tür hinter sich. Er sah, wie Elliot schluckte, aber der Drache tat, was ihm befohlen wurde. Den Mantel schob er sich von den Schultern und legte ihn über die Sessellehne.
„Ihr wollt jetzt?", fragte er zögerlich.
Lloyd nickte. „Ihr habt doch Zeit, oder?"
„Natürlich, mein König", antwortete Elliot und lächelte freudig. „Für Euch immer."
Diese Antwort zauberte auch ein Lächeln auf Lloyds Gesicht. Er trat an Elliot heran und fuhr mit den Fingerspitzen sacht an den goldenen Schuppen an dessen Bauch entlang. Im Schein der Kerze warfen sie das Licht rot-orange zurück. Er zog den Drachen zu sich und senkte seinen Kopf in dessen Halsbeuge, um ihm einen Kuss auf die Haut zu hauchen.
„Mein König?" Die Stimme zeigte seine Unsicherheit.
„Hm?", machte Lloyd nur. Seine Küsse verteilten sich auf Elliots Schulter.
„Darf ich Euch auch berühren?"
Lloyd gab ein belustigtes Schnauben von sich. Dieser Drache war wirklich ein Welpe. „Natürlich", antwortete er. Er streifte sich selbst die weiße Robe ab und ließ sie zu Boden fallen.
Trotz der Erlaubnis schien der Drache unsicher, wo genau er wie anfassen durfte. Er hob zwar die Hände, ließ sie aber wieder sinken, ohne den Elfen berührt zu haben.
Lloyd rollte mit den Augen. Er wusste noch nicht genau, ob er diese Unsicherheit anziehend oder lästig fand. Doch er tendierte zu lästig. Hoffentlich würde es sich nach dem ersten Mal legen.
Er griff nach Elliots Händen und legte sie sich an die Taille, aber der Drache ließ sie dort ruhen, bewegte sie nicht.
Lloyds Brauen schoben sich zusammen. „Elliot", hauchte er in sein Ohr.
„Ja, mein König?" Elliot sprach ebenfalls leise.
„Du kannst mir sagen, wenn du nicht möchtest oder keine Zeit hast... oder das Gefühl hast, du müsstest meinen Wünschen nachkommen. Ich will dich zu nichts zwingen."
Elliot spannte sich an. „Das tut Ihr nicht, mein König. Das versichere ich Euch."
„Dann halte dich nicht zurück, mein Lieber." Das Gold des Ohres glitzerte vor Lloyds Augen. Er nahm das Ohrläppchen in den Mund und knabberte vorsichtig an ihm. Letztes Mal hatte es dem Drachen schließlich gefallen. Der Griff an seiner Hüfte verstärkte sich und Elliot stieß einen Luftzug aus, aber Lloyd war noch nicht fertig mit ihm.
„Lass es nur raus", flüsterte der Elf in Elliots Ohr. „Ich will dich hören." Er biss leicht in den Rand des Ohres und entlockte Elliot damit ein leises Keuchen.
„Mein König, eine Frage noch, wenn Ihr gestattet." Seine Stimme klang nun ein wenig rauer. Die Tat hatte definitiv die erwünschte Reaktion hervorgerufen.
„Ich gestatte", hauchte Lloyd ihm ins Ohr.
„Wir haben eine Sache nie geklärt", begann Elliot unsicher. „Wollt Ihr...? Oder soll ich?"
„Du darfst", murmelte Lloyd. „Das ist doch in Ordnung für dich."
Elliots Kehlkopf hüpfte. „Ich möchte Euch nicht weh tun, mein König."
Lloyd seufzte lautlos. „Ich kann auch", sagte er.
Hastig nickte Elliot, aber dann stockte er und sagte: „Wenn Ihr es auch wollt."
„Es ist mir gleich", antwortete Lloyd. „Dann bist du aber beim nächsten Mal dran. Ich möchte wissen, was alles in dir steckt." Er hätte so oder so die Führung übernehmen müssen, aber vielleicht konnte er dem Drachen heute die Berührungsangst und einen Teil der Zurückhaltung nehmen, sodass es beim nächsten Mal leichter verlaufen würde.
„Gibt es noch etwas, dass du mir sagen möchtest?" Lloyd drückte ihm einen Kuss auf den Hals. „Oder können wir anfangen?" Er sah, wie Elliot schluckte, aber nach einigen Momenten nickte er.
„Sehr schön", flüsterte Lloyd. Er schob Elliot zum Bett und drückte ihn auf das Laken. Ohne den Drachen einen Moment überlegen zu lassen, zog Lloyd dessen Beine auseinander und kniete sich dazwischen.
Er legte sich Elliots Hand auf den Kopf und sagte: „Du darfst gerne die Führung übernehmen", ehe er sich an dem Bund von der Hose zu schaffen machte.
„Mein König", sagte Elliot erschrocken und zog Lloyds Kopf an den Haaren ein Stück zurück.
Schmerz durchzuckte die Kopfhaut des Elfen. Er schnalzte verärgert mit der Zunge und schob seine Brauen zusammen. Elliot bemerkte schnell, dass er seinem König weh getan hatte und ließ die weißen Haare los.
„Verzeiht, mein König", sagte er schnell. „Aber mein Vergnügen ist hier doch unerheblich. Sollte ich nicht lieber Euch..." Er ließ den Satz offen.
„Mit den Zähnen?", fragte Lloyd im Hinblick auf die spitzen Zähne in Elliots Mund. „Bestimmt nicht."
Jetzt verschwand das Lächeln aus Elliots Gesicht. Traurig sah er herab. „Oh... ich verstehe, mein König", sagte er.
Lloyd seufzte. So konnte er das nicht. Er erhob sich ein Stück und legte seine Hand an Elliots Wange. „Wie könnte ich es genießen, wenn ich nicht weiß, ob du Spaß dabei hast", sagte er. „Deine Erfüllung ist mir ebenso wichtig wie meine eigene." Er griff nach Elliots Hand und führte sie sich an die Lippen, küsste sanft die Fingerspitzen.
„Also berühre mich, so viel du willst", hauchte Lloyd. „Und lass mich dich so viel berühren, wie ich möchte."
Elliot nickte hastig, aber Lloyd hatte mittlerweile bemerkt, dass er einen Schritt langsamer gehen musste. Er drückte vorsichtig seine Lippen auf Elliots, bedacht darauf, den Zähnen nicht zu nahe zu kommen, dann wanderte mit seinen Küssen an dessen Hals entlang und seinen Oberkörper herab. Langsam kniete er sich wieder vor ihn, aber eine Berührung an seiner Schulter ließ ihn stoppen und aufsehen.
Eine Hand hatte Elliot vor seinen Mund geschlagen, aber das freudige Glitzern in den gelben Reptilienaugen konnte er nicht verbergen.
„Darf ich weitermachen?", fragte Lloyd, seine Lippen schwebten kurz über den goldenen Schuppen. Sacht strich er an Elliots Taille entlang.
Der Drache nickte. Der Griff an Lloyds Schulter verstärkte sich und lockerte sich kurz darauf wieder, ehe er sich ganz löste. Die Hand fuhr an dem Hals des Elfen entlang und legte sich an seine Wange. Lloyd schenkte dem Drachen ein Lächeln und machte sich wieder daran, den Bund der Hose zu lösen.
„Aber, aber, Kinder, doch nicht vor dem Gott."
Lloyd versuchte auf die Beine zu springen, aber sein Fuß rutschte weg und er landete wieder auf dem Boden. Statt erneut den Versuch zu wagen, sich zu erheben, kroch er rückwärts ein Stück von der Stimme weg. Gerade rechtzeitig, wie er feststellen musste, denn Elliot hatte sich ebenso erschrocken und die Beine so heftig zusammengezogen, dass er ihm seine Knie beinahe ins Gesicht gerammt hätte.
Lloyds Lippen pressten sich zu einer dünnen Linie zusammen, als er sah, wer dort nun an der Tür stand, die Arme vor der Brust verschränkt. Der Erzähler trug nicht seine gewohnte Robe – wie könnte er auch. Sie war schließlich zu Asche zerfallen. Seine Robe jetzt war dunkelviolett, aber statt mit Gold bestickt verzierten Pfauenfedern die Schultern und Ärmel. Der Kragen des Oberteils, das er darunter trug, war schwarz und bis zum Kinn geschlossen.
Lloyd schnaubte, erhob sich und strich seine Kleidung glatt. „Murasaki." Seine Stimme trug Kälte und dafür musste er sich nicht einmal besondere Mühe geben. „Was führt Euch her?"
Der Erzähler löste seine Arme aus der Verschränkung und stieß sich von der Tür ab, blieb aber an Ort und Stelle stehen. Sein Blick wanderte zu Elliot, aber dann zurück zu Lloyd. „Ihr habt mich gerufen", sagte er.
„Das ist Stunden her", erwiderte Lloyd, klagte ihn sogar an.
Aber Murasaki ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er hob seine Schultern leicht und senkte sie wieder. „Ich war beschäftigt."
„Ihr habt mich zurückgelassen." Wenn Lloyd seine Frustration zuvor noch zurückgehalten, ließ er sie nun vollständig los. „Ich wäre beinahe umgekommen!"
„Wenn ich Euch daran erinnern darf", entgegnete Murasaki. „Ihr habt mich fortgeschickt. Zweimal, Sweetie."
„Hört auf mich so zu nennen!", fuhr Lloyd ihn an.
Das Lächeln, das sich stets auf Murasakis Gesicht abzeichnete, verschwand.
„Ich habe Euch gerufen und Ihr seid nicht aufgetaucht", sprach Lloyd weiter. „Ich war tagelang im Schnee. Tagelang! Wäre Elliot –" Er machte eine Handbewegung zu dem Drachen, der weiterhin unsicher auf der Bettkante saß. „– nicht aufgetaucht, dann wäre ich immer noch dort. Ich habe..." Lloyd brach ab. Die Worte, der er beinahe gesagt hätte, blieben ihm im Hals stecken. Er selbst war erschüttert, was fast aus seinem Mund gekommen wäre. Das Wort ‚Vertrauen' wollte er nicht für Murasaki aussprechen.
Den Gedanken vertrieb er mit einem Kopfschütteln. „Wie auch immer", murmelte er. „Wollt Ihr noch etwas oder könnt Ihr jetzt gehen?"
Murasaki schnaubte als Antwort. Ein Geräusch, das Lloyd durch Mark und Bein ging. Alle Leichtigkeit war verloren. „Sind wir mal ehrlich, Lloyd, Ihr bedeutet mir rein gar nichts."
Die Worten schnitten tief in Lloyds Herz ein. Er öffnete seinen Mund, um etwas zur Besänftigung zu erwidern, aber der Erzähler schnitt ihm das Wort ab.
„Ich für meinen Teil hatte erwartet, dass Ihr dort erfroren wärt", sagte er. „Glaubt nicht, dass ich nur zurückgekehrt bin, weil Ihr mich gerufen habt. Es gibt noch einen anderen Grund für mein Erscheinen." Er stockte, warf einen Blick auf Elliot und sah dann zurück. „Ach, verdammt", sagte er und wandte sich ab. Ohne nun den Grund für seine Rückkehr zu nennen, verließ er das Zimmer.
„Ich bin gleich wieder zurück", sagte Lloyd zu dem Drachen und eilte Murasaki hinterher.
Der Erzähler hatte den Flur gerade hinter sich gelassen und trat in die Eingangshalle. Lloyd hastete ihm nach, aber er machte sich keine Hoffnung, ihn noch einzuholen. Außerhalb des Palastes fand er sich nicht zurecht.
Doch zu seinem Erstaunen befand sich Murasaki noch in der Eingangshalle. Wie versteinert stand er vor der überlebensgroßen Statue des Gottes und starrte sie gebannt an. Nicht einmal als Lloyd an ihn herantrat, nahm er seinen Blick von Regna.
„Er steht immer noch hier...", murmelte Murasaki. Eine Furche grub sich zwischen seine Augenbrauen. Dann schüttelte er seinen Kopf und riss sich von dem Abbild los, um sich dem Elfen zuzuwenden. Die kurze Regung in seiner Miene wich nun Gleichgültigkeit und sogar Gefühlslosigkeit.
„Ich bin hier, um mir meine Robe zurückzuholen", sagte er.
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