NIEMAND.
Es war einmal irgendwo am Arsch der Welt in irgendeinem kleinen, dunklen kalten Raum, welcher sich wiederum - höchstwahrscheinlich - in irgendeinem Gebäude befand. In Mitten dieses Raumes befand sich ein kleiner Stuhl aus hartem Metall - vermutlich Stahl - der mit Schrauben im Boden verankert war. Und auf diesem Stuhl saß, mit Handgelenken und Fußknöcheln daran festgenagelt, ein lebender Toter.
Ein Niemand.
Eine Person, die vor unendlich langer Zeit jegliches Bewusstsein in sich verloren hatte... oder war es doch nur wenige Sekunden hergewesen?
Der Niemand wusste es nicht.
Er wusste es nicht, da er die Fähigkeit, einen Gedanken zu kreieren, längst verloren hatte.
Denken - das was uns zu Menschen macht. Das was uns lebendig macht.
Der Niemand war nun nicht mehr in der Lage dazu, deswegen war er ein lebender Toter. Sein Verstand hatte sich, nach einer Unendlichkeit an Qualen, selbst zerstört. Überhitzt und durchgebrannt. Die Schmerzen waren zu groß gewesen als, dass sie eine Seele weiter hätte tragen können.
Der Niemand saß auf seinem Stuhl und atmete, doch den Gestank von Kod, Verwesung und vertrocknetem Blut, konnte er nicht mehr riechen. Die Schreie und Hilferufe des Mädchens, welches vor ihm auf dem flackernden Bildschirm des Fernsehers, wieder und wieder vergewaltigt, gefoltert und aufgeschlitzt wurde, hörte er nicht mehr. Das besagte Videoband, welches in Dauerschleife vor dem Niemand hoch und runter gespielt wurde - er musste die verstörenden Szenen nicht mehr sehen. Sie wurden von seinem Gehirn einfach nicht mehr aufgenommen. Wahrscheinlich wusste der Niemand nicht einmal mehr von seiner eigenen Existenz ....
Die Schrauben in seinen Gliedern, seine geschählte rote Haut, sein zugenähter Mund, die abgeschnittenen Finger und Fußzehen, sowie der Schmerz in seinem zahnlosen Kiefer - er spürte die Qualen nicht mehr. Das alles war zu seinem natürlichen Zustand geworden.
Er besaß kein Empfinden mehr und wusste weder wer er in diesem Moment war, noch wer er zuvor gewesen ist. Kein Zeitgefühl. Kein Tag. Keine Nacht. Er musste zu einem Lebenden Toten werden und in diesem Zustand als ein Niemand verkommen. Bis in alle Ewigkeit...
Ein tiefes, wohltönendes Lachen durchfuhr die tote Einöde im Kopf des Niemands. Sein Gehirn sollte doch nicht mehr in der Lage sein äußere Reize zu verarbeiten. Also wie kam es, dass er dieses Lachen hörte und diese wundervolle Stimme?
,,Willst du diesem Zustand entfliehen?"
Stille, gefolgt von einem leisen Lachen. ,,Wenn du willst, kann ich dich erlösen. Du musst nur denken."
Es dauerte. Äonen schienen im Kopf des Niemands zu vergehen, bis sich ein winziger elektrischer Impuls löste und dieser wiederum einen weiteren aktivierte, sodass eine Kette entstand. Allmählich gesellten sich weitere Signale hinzu und bildeten zusammen einen Gedankenstrom. Dieser eine Strom hatte seinen finalen Zustand allerdings noch nicht erreicht und begann sich weiter zu formen. Zunächst schien er unschlüssig, doch dann wurde daraus etwas bestimmtes, etwas bekanntes und greifbares. Der Niemand dachte ein Wort: ,,Ja."
Vor dem lebenden Toten begann sich etwas in der Dunkelheit zu materialisieren. Terartige schwarze Blasen fraßen sich durch die Mamorfliesen und türmten sich immer weiter auf, bis die undurchdringbare Masse wie auf Komando aufplatzte. Ein großer, Menschen ähnlicher Schatten stieg aus dem Boden empor. Ein Lächeln, so teuflisch, dass es nur Luzifer höchtspersönlich hätte lächeln können. Der Schatten streckte die Hand aus und fuhr damit langsam über die Brust des Niemands. Seine Haut fing an unter der zarten Berührung einzufallen und zu verätzen, doch er zuckte nicht einmal. Selbst als die Schattenhand langsam und genussvoll seine Rippen durchbrach und sich um sein pumpendes Herz legte, sodass es mit einem Ruck aus seinem Leib gerissen werden konnte, bewegte der Niemand sich keinen Millimeter. Die letzten Arterien zerfielen sinnlos, als wären sie es Leid gewesen länger ein Teil dieses Körpers zu sein.
Ein letzter Atemzug und er, der Niemand, verstarb, wie es sich für einen Menschen geziemte.
Abschätzig wog der Schatten das Herz des Toten in seinen Händen. Er begutachtete es, wie ein wunderschönes Kunstwerk aus Fleisch. Dann öffnete er sein riesiges Maul und ließ es in einen bodenlosen Schlund aus Millionen gepeinigter Seelen fallen.
,,Habe Dank für dein Leben, es war wirklich ausgesprochen köstlich. Besonders im Abgang." Und mit diesen Worten entschwand der Dämon zurück in sein Reich der Toten.
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