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Harper
„Hey mein Schatz", sagt er in sein Handy und geht wieder in Richtung Haupthaus.
Mein Schatz?
Ich glaube es gibt doch etwas, was Henry zu erzählen hat. Hat er tatsächlich eine Freundin?
Er ist ein freier Mann, vielleicht hat er auch eine Affäre... Mich hat er nie Schatz genannt... Ich muss diese Gedanken abstellen und mich auf meinen Text konzentrieren.
Nach etwa zwei Stunden reinem Textlesen, brauche ich dringend etwas zu trinken. Meine eigene Flasche ist schon leer, also mache ich mich auf den Weg zum Haus. Vorhin habe ich gesehen, dass Henry scheinbar auch einen kleinen Hofladen eröffnet hat. Vielleicht kann ich mir da etwas Gemüse kaufen. Um sonst will ich es mir auf keinen Fall nehmen.
„Hallo, magst du etwas kaufen?", fragt mich ein kleines Mädchen, welches nun im besagten Hofladen steht. Ich schätze sie auf höchstens sechs Jahre. In ihren braunen, lockigen Haaren steckt ein bunter Haarreif mit einer großen Schleife.
„Hey, verbringst du hier deine Ferien?", frage ich und sehe mich um. Überall liegt frisches Gemüse und es duftet so herrlich.
„Nein, ich bin jetzt fünf Jahre und komme nach dem Sommer in die Schule. Dann habe ich richtige Ferien", antwortet sie und kichert. „Achso ist das, also wenn du mich schon so nett fragst, ich hätte gerne ein paar Weintrauben und eine Gurke bitte", sage ich und sehe wie sie routiniert zu einer Tüte greift und meine Sachen einfüllt. „Bist du hier Gast?", fragt sie und tippt etwas in die große alte Kasse. „Nicht wirklich, ich wohne gerade bei meinen Eltern, drüben im Dorf. Hast du auch etwas zum Trinken im Angebot?", frage ich und schnappe mir mein Portmonee aus der Tasche. „Hier wird nur Wein verkauft, aber ich könnte dir einen Kaffee machen", sagt sie und deutet auf die große Maschine hinter ihr.
Ich nicke und drehe mich zum Haupthaus um. Vor der Tür stehen allerhand Stiefel und Schuhe. Scheinbar sind die Mitarbeiter gerade alle beim Mittagessen.
Als ich mich wieder zu ihr drehe, reicht sie mir schon die gepackte Papiertüte. „Ich bin im übrigen Harper", sage ich und reiche ihr das Geld.
„Hey Harper, ich bin...."
„Bella, willst du wirklich nichts essen?" Plötzlich steht Henry neben mir und stützt sich an einem Holzbalken ab.
„Nein, außerdem habe ich zu tun. Ich habe eine Kundin, wie du siehst", sagt sie und reicht mir meinen Kaffee. „Vielen Dank... Bella". Ich lächel ihr zu. „Ist eine gute Idee mit dem Hofladen".
„Das war meine Idee", sagt Bella und hüpft nun vor uns beiden auf und ab.
Scheinbar verbringt Bella sehr viel Zeit hier auf dem Hof.
„Ja das stimmt, Schatz. Und Harper hat recht, es war eine sehr gute Idee", meint er grinsend und umarmt sie.
Warte... was? Nicht die Umarmung bringt mich etwas aus dem Konzept sondern eher der Spitzname Schatz.
„Tja Dad, ich bin einfach schlau", meint Bella und rennt dann zu den Pferdeställen.
Ich sehe meinen Exfreund mit großen Augen an.
„Wow... Dad?", frage ich und versuche das zu realisieren. Henry hat eine Tochter? „Hör mal Harper..." Ich schüttel den Kopf und wehre alle weiteren Wörter mit den Händen ab.
„Ist schon gut", ich stoße ein Geräusch aus, welches nicht wirklich als Lacher gelten wird. „Du bist mir keine Erklärung schuldig, Henry. Ähm danke, dass ich hier sein durfte. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag". Bevor er noch irgendwas sagen kann, steige ich in mein Auto und fahre weg.
Wieso hat er mich angelogen? Beim Barbecue meinte er doch er hätte keine Freundin oder Ehefrau... Wieso hat er nichts von seiner Tochter erwähnt... Warum hat meine Familie dieses Detail fünf Jahre nicht ein einziges Mal erwähnt?
„Du meinst das Ernst? Er hat eine Tochter? Das ist ja krass. Aber warte mal, Haper...? Hast du etwa noch immer Hoffnung auf ein Comeback zwischen euch? Also ja, er ist schon sehr attraktiv zumindest was ich so auf seiner Homepage gesehen habe. Aber ihr habt euch zehn Jahre nicht gesehen", höre ich Jess sagen. Bevor ich zurück zu meinen Eltern fahren kann, musste ich sie unbedingt anrufen.
„Was? Nein... Ich meine... Ach ich weiß es nicht. Jess, es ist komisch ihn wieder zu sehen. Teilweise denke ich, es ist noch immer der Henry von damals und meine Gefühle kommen wieder hoch. Auf der anderen Seite ist er auch ein völlig anderer".
„Wieso hat mir niemand gesagt, dass Henry eine Tochter hat? Ich komme mir wirklich blöd vor. Das ihr es mir die letzten fünf Jahre verschwiegen habt, geschenkt. Aber wenigstens heute Morgen? Mom, du wusstest das ich heute auf den Hof gehe. Zum Glück bin ich nicht seiner Frau begegnet", sage ich und leere mein Weinglas. Der Wein ist auch noch so furchtbar lecker. Einer von Henry's Flaschen. Toll.
„Kleines, du wolltest nie über ihn sprechen. Das haben wir respektiert. Und irgendwann haben wir einfach den Zeitpunkt verpasst. Ben hätte es dir gerne sofort gesagt, aber auch er wollte dich damit in Ruhe lassen. Bella ist so eine süße", schwärmt Mom und fängt an zu strahlen. „Moment.. Heißt das ihr sehr Bella häufiger?" Was kommt denn noch alles.
„Klar, sie ist das Patenkind deines Bruders", erzählt Dad und zuckt mit den Achseln.
Es wird ja immer besser. Natürlich ist mein Bruder der Patenonkel. Vermutlich machen sich er und Henry regelmäßig über mich lustig.
„Rede einfach nochmal mit Henry. Es ist nicht alles so wie du denkst", fügt Mom hinzu und geht in die Küche.
Am nächsten Tag muss ich mich tatsächlich nochmal bei Henry zeigen. Ich habe gestern meine Textbücher bei ihm liegen lassen.
„Hey Harper. Du bist wieder da. Komm Daddy ist bei den Pferden", meint Bella und zieht mich zu den Ställen. Dort stehen zwei Männer- das trifft sich gut, denn mit einem von ihnen habe ich noch etwas zu klären.
„Hey Ben", sage ich und presse meine Lippen aufeinander. „Oh hey... Harper". Mein Bruder sieht sehr begeistert aus mich zu sehen.
„Ja, hey. Ich denke wir haben einiges zu bereden", füge ich an und deute mit dem Kinn auf Bella.
„Du kennst meinen Onkel Ben?", fragt diese und sieht uns drei Erwachsene interessiert an.
„Ja, leider", sage ich leise zu ihr. „Er ist mein großer Bruder". „Oh cool. Dann bist du die Schauspielerin. Ben und Dad erzählen mir oft von dir", meint sie und wirkt ganz aufgeregt.
„Sweety, komm wir bringen dein Pony auf die Koppel", sagt mein Bruder und streckt ihr seine Hand entgegen.
„Also du hast eine Tochter", sage ich als wir wieder in der Laube sitzen. Von hier aus kann man Bella und meinen Bruder dabei beobachten, wie sie die Pferde auf Koppel streicheln.
„Ja, es tut mit leid das du es jetzt so erfahren hast. Wenn ich ehrlich bin dachte ich, dass du es schon wüsstest. Ich hab da nie ein Geheimnis gemacht. Aber Ben sagte mir vorhin, dass du es erst gestern hier erfahren hast".
„Henry, ich hab dir gestern gesagt, das du mir keine Rechenschaft schuldig bist. Wir sind seit zehn Jahren getrennt. Es war klar, das du mir nicht lange nachtrauern wirst", sage ich ehrlich und schließe die Augen.
„Harps... Ich habe Jahre gewartet, dass du zurück kommst. Außerdem habe ich den Abend nicht gelogen. Ich bin weder verheiratet noch habe ich eine Freundin. Die Mom von Isabella ist abgehauen. Direkt nach der Geburt. Es war eine kurze Affäre zwischen uns. Dann wurde sie schwanger. Aber es waren nie irgendwelche Gefühle zwischen uns vorhanden". Er fährt sich mit der Hand über die kurzen Haare am Kinn.
„Das tut mir leid, Henry", sage ich ehrlich. Ich weiß wie das ist, wenn die eigene Mom einen nicht will.
„Ach wir kommen klar. An manchen Tagen ist es schwer als alleinerziehender Vater, aber wir bekommen das hin. Bella- ihr richtiger Name ist Isabella hat einen engen Draht zu ihren Großeltern. Und obwohl ihre Tochter und ich nie ein Paar waren, unterstützen die beiden mich wo sie nur können. Da sie im Nachbarort leben, ist Bella oft bei ihnen", erzählt er mir.
„Du scheinst das auch gut zu machen. Deine Tochter ist ein fröhliches und freundliches Kind".
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