Kapitel 5
Taehyungs Sicht:
Den ganzen Tag war Julia schon so komisch. Ich verstand nicht, warum dieses Mädchen nicht begriff, dass wir ihr nichts Böses wollten. Ja gut, sie kannte uns noch nicht lange - einen Tag... - aber um ehrlich zu sein, sie wirkte nicht so, als ob sie vorhatte, sich in der nächsten Zeit zu öffnen.
Auf dem Rückweg wollte ich eigentlich nur etwas Spaß machen und alberte mit Hobi rum. Dabei fiel mir auf, dass unsere neue Mitbewohnerin ziemlich in Gedanken versunken war. Jedenfalls sprach sie kein Wort und sah zu Boden. Ich wollte nicht, dass sie sich in irgendeiner Form ausgeschlossen fühlte, weshalb ich zu ihr flitze, um sie ein wenig durchzukitzeln. Naja... jedenfalls war das mein Plan gewesen. Aber kaum hatte ich sie am Oberarm gepackt, damit sie beim Kommenden nicht weglaufen konnte, zog sie diesen schnell zurück. Sie gab zwar keinen Ton von sich, doch für einen kurzen Moment konnte ich ihr schmerzverzehrtes Gesicht sehen, bevor sie sich schnell wegdrehte.
Mir fiel wieder unsere erste Begegnung ein. Wie sie aufgezischt hatte, als ich sie in den Arm genommen hatte, wie sie sich verkrampft hatte und wie sie danach so getan hatte, als sei alles in bester Ordnung. Warum hatte sie nur Schmerzen?
* * * * *
„Taehyung, du bleibst hier!" Ouh shit. Hobi nahm Julia blitzschnell am Arm und flüchtete mit ihr im Schlepptau in Richtung Treppe, während ich zu Jin sah, der mit verschränkten Armen in der Küche stand. „Du mein Lieber wirst mir heute beim Kochen helfen. Das bedeutet: Hop Hop, Hände waschen und dann Gemüse schneiden." Jin's strenger Blick duldete keinen Widerspruch. Das musste ich gar nicht erst versuchen. So verdrehte ich nur stumm die Augen und trottete zum Älteren in die Küche.
Julias Sicht:
Nachdem mich Hoseok die Treppe hochgezogen hatte, war ich ohne noch groß etwas zu sagen in meinem Zimmer verschwunden. Sobald ich die Tür geschlossen hatte, warf ich mich frustriert aufs Bett.
Ich war sauer.
Nicht auf die Jungs...
... sondern auf mich selber. Warum konnte ich es nicht schaffen so zu tun, als ob ich ein ganz NORMALES und GLÜCKLICHES Mädchen war um das man sich KEINE SORGEN machen musste?! Ich wollte nicht die Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Ich wollte nicht, dass ich für irgendeinen eine Belastung darstellte.
Aber genau das bist du!
Lass mich.
Schau dich an: nur einen Tag da und gleich bereitest du Probleme. Bevor du kamst waren sie glücklicher.
Ja, ich weiß.
Hast du gesehen, wie viel Spaß Taehyung und Hoseok OHNE dich vorhin hatten?
Ja.
Und was sagt uns das?
Ich bin unnötig, keiner braucht mich und ohne mich wäre die Welt ein Stückchen besser.
Du weißt, was du zu tun hast.
Wie in Trance ging ich ins Bad. Meine Hände wussten, was sie zu tun hatten, ohne, dass ich es ihnen Befehlen mussten. Sie kannten den Weg von ganz allein, sie waren ihn schließlich schon hunderte Male gegangen.
Komplett automatisch griff ich nach dem kleinen Kästchen, in dem SIE sich befanden. Mein Ausweg aus dieser Welt, mein meist gehüteter Schatz, meine Rettung - und gleichzeitig auch Bestrafung. Gerade wollte ich die Klingen an meinem Unterarm ansetzten, als...
„Essen!!!"
Dein Ernst Jin? Zwar hatte er mich gerade wahrscheinlich vor einer ziemlich großen Dummheit bewahrt, dass änderte allerdings nichts an der Tatsache, dass essen jetzt wirklich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehörte.
Ohne ihnen auch noch einen Augenblick Beachtung zu schenken, verstaute ich die Klingen dort, wo ich sie herhatte. Besser war es, wenn ich sie nicht sah, so wurde auch die Versuchung in mir kleiner und ich konnte mich auf mein neues Problem konzentrieren.
Ich wollte gerade nach unten gehen, als ich noch einen letzten Blick in den Spiegel warf. Okay Julia. Du bist ein glückliches Mädchen, um das sich keiner Sorgen machen muss, verstanden?! Tu einfach so, als ob alles okay wäre. Noch einmal tief ein und ausatmend, ging ich auf den Flur und die Treppe herunter.
Im Esszimmer angekommen, fehlten nur noch Jimin, Jin und Namjoon. Ich setze mich auf meinen Platz neben Taehyung und lächelte in die Runde. Sie mussten es mir einfach abkaufen...
Jin kam mit dem Essen und setzte sich zu uns. „Wo sind Namjoon und Jimin?" „Namjoon hat einen Termin in der Stadt und Jimin..." Mein Sitznachbar schien etwas in Erklährungsnot zu geraten „... hat auch was zu erledigen" beendete der blonde Junge, für welchen ich nun wirklich keinen Sitzplatz mehr in meinen Namensrängen frei gehabt hatte, den Satz, was Taehyung neben mir nicht zu stören schien, da er sich einfach wieder seinem Essen widmete.
Mit Mr.Platzkartenlos hatte ich bis jetzt noch so gut wie- okay nicht so gut wie war deutlich übertrieben, wir hatten noch NIE mit einander gesprochen. Wie hieß er nochmal, verdammt?
Um es mir einfacher zu machen, hatte ich mir nicht sehr viel auf den Teller getan, aber trotzdem genug, sodass es nicht auffallen sollte. Anfangs klappte das Essen sogar erstaunlich gut, doch mit der Zeit konnte ich nicht mehr und zu dem Zeitpunkt hatte gerade mal die Hälfte gegessen. Ich zwang mich, mir weiter die Gabel in den Hals zu stecken, aber merkte schnell, dass es einfach nicht mehr ging.
„Und, wie findest du unsere Schule so?" OMG Danke Jin, du bist meine Rettung! Für diese Ablenkung hätte ich gerade aufspringen können und ihn umarmen, denn durch diese Frage konnte ich kurz aufhören zu essen und mich zudem auf etwas anderes konzentrieren. „Schön. Es sieht alles sehr modern aus, obwohl es ja von außen ... naja ... nicht so wirkt." „Ja, von außen ist der Kasten schon ein bisschen in die Jahre gekommen, aber was die Räume und deren Technik angeht, kann man sich echt nicht beschweren", pflichtete mir der, wie ich herausgefunden hatte, Älteste, bei. Was definitiv zu seiner Ausstrahlung passte.
„Ich freu mich schon auf morgen", versuchte ich das Gespräch am laufenden zu halten. Doch auf einmal begann der namenlose Blonde wie verrückt zu husten und nachdem er sich wieder beruhigt hatte, sah er mich nur entgeistert an.
Ich versuchte es zu unterdrücken. Wirklich. Aber ich merkte, wie meine Nervosität unter seinem Blick wuchs. Was war denn so schlimm an der Aussage gewesen...? Hatte ich denn etwas Falsches gesagt...? "Sag mal bist du bescheuert?! Morgen ist der erste Schultag, das weißt du schon?!" Sein entgeisterter Blick brannte sich förmlich in meine Haut, weshalb ich es nicht schaffte auch nur einen Muskel zu bewegen. Und ehe ich meinen Körper in den Griff bekommen hatte, hatte der Junge seinen Redefluss auch schon fortgesetzt. „Hallo??? Schule!!! Wie kannst du dich darauf bitte freuen???" Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte einfach nicht mit so einer Aussage gerechnet.
Zu meinem Glück nahmen Hobi und Taehyung mir die schwierige Entscheidung der Reaktion ab, indem sie einfach anfingen zu lachen. „Ach Yoongi, du bist und bleibst der Faulste von uns!" Ahhh das war also sein Name... Yoongi. - Danke Hobi. Auch Jin fing an zu grinsen und als sogar Jungkook, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte, lachen musste, entspannte sich auch mein Körper wieder und ich stimmte leicht mit ein.
Ich musste sagen, es hatte gut getan mal wieder so richtig zu lachen. Um die Situation weiterhin so positiv zu halten, hatte ich Jin dann auch noch zugestimmt, dass ich ihm beim Abräumen helfen könnte, sodass ich zudem verstecken konnte, dass ich nicht richtig aufgegessen hatte.
Erwachsen wie der Junge einfach war, schickte mich der Schwarzhaarige danach auch ins Bett. Über seine Begründung, ich solle morgen fit für meinen ersten Schultag sein, hatte ich beim Hochgehen leicht schmunzeln müssen. Es war schon süß, wie er sich um jeden und alles kümmerte.
Auch wenn ich nicht wusste, wie ich das geschafft hatte, aber tatsächlich hatte ich beinahe den ganzen Abend gelächelt, was die Jungs sichtlich gefreut hatte. Doch kaum war ich in meinem Zimmer angekommen brach das Lächeln in meinem Gesicht zusammen und in den Spiegel schaute wie immer ein Mädchen ohne Selbstbewusstsein, ohne Freude am Leben, welches es nicht verdient hatte glücklich zu sein.
Meine Rede.
Ach halt's Maul. Ich habe jetzt keinen Nerv für dich.
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