Kapitel 4
Jin's Sicht
„Musste das jetzt sein?" Ich konnte nicht glauben, dass dieser Junge es wirklich so weit getrieben hatte. Jimin interessierte sich offensichtlich nicht für meine Frage, denn er zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Jimin, ich meine es ernst! Du weißt wie schlimm es ist eine Personen zu vermissen, die man liebt", mein mahnender Blick richtete sich gezielt auf meinen gleichgültigen Gesprächspartner, „Julia ist erst einen Tag hier, gib ihr Zeit und mach es ihr nicht noch unnötig schwer!" „Sie hat aber gelogen!" Bevor ich dem Jüngeren antworten konnte, mischte sich auch Namjoon ein. „Er hat recht, Jin, sie hat gelogen, was allerdings nur bedeutet, dass sie wegen etwas anderem traurig sein muss." Dass Namjoon wusste, wenn jemand log, war ja verständlich. Aber wie Jimin es erfahren hatte interessierte mich schon.
„Mich auch."
Ich schaute Namjoon mit einem strafenden Blick an. Ich hasste es, wenn er in meinen Gedanken herumschnüffelte. Doch dieser sah nur zu Jimin. „Es könnte sein, dass ich unbemerkt in ihrem Zimmer war, als sie telefoniert hat." Der Kleinste unserer Gruppe zuckte ein weiteres Mal desinteressiert mit den Schultern. „Das hast du nicht gemacht...", Ich drehte mich zu Namjoon, welcher seinen Todesblick auf Jimin gerichtet hatte, „Jimin, wir hatten uns darauf geeinigt, solche Spielchen zu lassen." Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. „Du hast gegen die Regeln verstoßen!" Der Schwarzhaarige lachte nur ein weiteres Mal. „Nur ein bisschen." „Nichts bisschen! Wir hatten das ein für alle Mal besprochen. NICHTS, absolut garnichts Übernatürliches in Julias Nähe. Also bleib gefälligst für alle SICHTBAR. Und zwar IMMER!" Der Jüngere verdrehte zwar die Augen, sagte ansonsten allerdings nichts mehr. Wirklich bei ihm angekommen schien meine Ansage allerdings trotzdem nicht.
„Warum hast du das getan?" Ich verstand ihn einfach nicht. Wieso? Was hatte er für einen Grund gehabt?! Ohne mir zu antworten stand der Schwarzhaarige auf. Es schien dem werten Herr wohl genug zu sein.
Gerade, als er den Raum verlassen wollte, drehte er sich dann aber doch noch einmal um. „Ich weiß, was ich gehört habe und ich trau ihr einfach nicht. Irgendetwas ist komisch an ihr und ich will wissen, was sie uns verschweigt." Mit diesen Worten verschwand er innerhalb von Millisekunden aus meinem Sichtfeld - ob er trotzdem noch im Raum war, war eine andere Frage.
„Ich denke ich schaue mal nach Julia. Vielleicht redet sie ja mit mir oder Tae, wenn wir ihr die Schule zeigen..." Hoseok hatte die ganze Zeit schweigend der Diskussion zugehört, aber ich musste sagen, ich fand seinen Vorschlag gut. Für einen Moment senkte ich meinen Blick, wodurch dieser auf Julias Müsli fiel. Sie hatte beinahe nichts gegessen...
„Hobi, warte!", schrie ich dem Jüngeren hinterher, der schon auf dem Weg nach oben war. „Was ist?" „Wenn ihr geht, nehmt ihr bitte etwas zu Essen mit, Julia hat kaum gefrühstückt." „Wird gemacht", hörte ich ihn von der Treppe aus schreien. Kurz sah ich nochmals zu Namjoon, doch er schien mehr in seinen eigenen Gedanken, als dass er meinen Blick bemerkte.
Ich machte mir Sorgen um Julia. Ich glaubte den beiden zwar, dass das Mädchen log, doch warum tat sie das? Ich konnte nur hoffen, dass Hobis Idee aufgehen würde und er und Tae tatsächlich näher an sie herankamen. Irgendwie konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass sie in irgendeiner Form gefährlich war, sondern wollte ihr nur gerne helfen.
„Da bin ich ganz deiner Meinung." Ohne mich anzusehen verschwand nun auch der Silberhaarige und lies somit mich und vor allem meine Gedanken alleine - wobei letzteres definitiv auch angenehme Vorteile mit sich brachte.
Julias Sicht
Im Spiegel meines Bades beobachtete ich meine noch leicht rötlichen Augen und mein viel zu blasses Gesicht, als könnte ich in einem Zeitraffer erkennen, wie sie wieder normaler wurden. Ich hatte meinen Nervenzusammenbruch überstanden wodurch jetzt wieder Platz für anderes in meinem Gehirn war. Und den brauchte ich auch... Ich bekam eine Frage nicht mehr aus dem Kopf: Woher wusste er, dass ich mit einer Freundin telefoniert hatte? Ich meine... so dünn waren die Wände ja auch wieder nicht...
Ein Klicken riss mich aus meinen Gedanken. Ich ging schwer davon aus, dass einer der Jungs in mein Zimmer gekommen war, was mich daran erinnerte, dass ich mich ja nicht ewig verstecken konnte. Irgendwann müsste ich wieder raus. Raus, aus meiner Save-Zone und rein in das Getümmel aus all den Sachen, vor denen ich versuchte, mich zu verstecken.
Um wenigstens halbwegs normal auszusehen, klatsche ich mir schnell eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht, bevor ich meine komplett zerzausten Haare von ihren Knoten befreite und die Tür zu meinem Zimmer öffnete. In diesem erblickte ich Taehyung und Hoseok, welche auf meinem Bett saßen und meine schwarze Fotomappe in der Hand hielten, die dort wohl noch vom Auspacken gelegen haben musste.
Kaum hatte ich den Raum betreten, sahen beide Jungs auf. Hoseok strahlte wie immer mit seinem wärmsten Lächeln, doch schaffte ich einfach nicht dieses zu erwidern. Es war ja schon schwer genug, hier, vor den beiden zu stehen.
„Was macht ihr da?" „Ist das eine deiner Freundinnen auf den Bilder?" Ohne meine Frage zu beantworten hatte Taehyung auf eines der Bilder gezeigt. Ich musste gar nicht auf das Foto schauen, denn wenn eine andere Person mit darauf war, konnte es nur Emily sein. Also nickte ich stumm.
Die beiden blätterten noch ein wenig weiter, sagten allerdings nichts mehr zu den Bildern, sondern betrachteten diese einfach stumm. Ich hatte mich in der Zwischenzeit überwunden, von meinem Platz zu weichen und hatte mich zu ihnen gesetzt.
„Die Bilder sind wunderschön." Hoseok schlug das Buch zu, als wir auf der letzten Seite ankamen und legte es beiseite. „Meine beste Freundin hat es mir geschenkt, bevor ich gefahren bin. Sie meinte, damit ich mich an sie und unsere besten und lustigsten Momente erinnern kann." „Awwww wie süß. Das erklärt dann auch, warum auf keinem der Bilder deine Eltern sind." Auch wenn ich wusste, dass Taehyung nur ein Scherz machen wollte, konnte ich nicht darüber lachen. Also nickte ich wieder nur stumm. „Na du bist ja heute gesprächig", lachte der Braunhaarige woraufhin sich auch der Orangenkopf einmischte. „So und jetzt ziehst du dir deine Schuhe an und kommst mit uns raus." „Ja, wir wollten dir das Gelände zeigen." Mit diesen Worten zog mich Taehyung mit Leichtigkeit aus der Tür, sobald ich meine Sneaker anhatte.
* * * * *
„Also hier ist der Hintereingang der Schule." Gemeinsam waren wir den Weg vom Haus in Richtung Hauptgebäude gegangen, bis wir schließlich an dessen Rückseite angekommen waren. Nun hielt mir Taehyung die Tür auf, sodass wir alle eintreten konnten. Zuerst gingen wir zum Sekretariat, in welchem, wie ich erfuhr auch in den Ferien und samstags jemand da war. Dort holten wir schon einmal meine Bücher, sowie meinen Stundenplan ab.
„Gib mal her." Der Braunhaarige rupfte mir meinen Stundenplan aus der Hand, sobald wir das Büro verlassen hatten und studierte diesen, wie ein Professor die Hausarbeit seines Schülers. „Alsoooo... montags haben wir zusammen Mathe und Geschichte. Dienstags nichts, dafür am Mittwoch Musik, Kunst mit Kookie und wieder Mathe. Donnerstag dann Deutsch. Freitag bist du dann mit mir, Jimin und Jungkook sowohl in Deutsch, als auch Politik. Ich glaube Sport hast du mit Jimin und Jungkook dürftest du ein weiteres Mal in Geographie treffen. Aber was die beiden angeht, bin ich mir nicht sicher..."
Lächelnd gab er mir das Papier wieder. Viel hatte ich mir zwar nicht von seinem professorischen Vortrag merken können, doch dass ich die ein oder andere Stunde mit ihm hatte, hatte sogar mein Gehirn bei seiner Redegeschwindigkeit aufschnappen können. Zwar freute ich mich auf unsere gemeinsamen Stunden - da Taehyung mich bislang schon mal nicht zu hassen schien - aber gleichzeitig hatte ich Angst. Zum einen, dass er mich doch nicht mögen könnte und zum anderen vor den Stunden mit Jimin und Jungkook. Vor allem vor Jimin... Also lächelte ich einfach ihm zu Liebe schwach zurück, was ihn sichtlich freute, da sein Grinsen noch breiter wurde - wenn das überhaupt möglich war... Also langsam machte ER der Grinsekatze erhebliche Konkurrenz.
* * * * *
Die Jungs zeigten mir noch meine Klassenräume, wobei wir die Bücher glücklicherweise im Spinnt abgelegt hatten. „Hoseok?" „Hmm?" „In welcher Stufe bist du eigentlich?" „Ich bin mit den anderen drei, also Namjoon, Jin und Yoongi, eine Stufe über euch, also in der 12. Nenn mich übrigens lieber Hobi, mag ich mehr." Ich nickte nur.
Die Schulführung war damit auch beendet. Sie hatten mir noch viel über die Lehrer, das Essen und natürlich Schulregeln erzählt, wobei schnell klar wurde, wie sehr sich alle hier an diese hielten...
Um aus dem Gebäude zu kommen, nahmen wir dieses Mal den Haupteingang der Schule, aus dem am Vortag auch Herr Ernst stolziert war. Die Sonne schien und es war ziemlich warm gewordenen, was durch meinen Pulli natürlich nicht gerade begünstigt wurde...
Wir steuerten den angrenzenden Park der Schule an, über welchen ich mich schon bei meiner Ankunft gefreut hatte. Wir hatten Glück, denn dieser war trotz des schönen Wetters ziemlich leer, was auch an den bis heute dauernden Ferien liegen konnte.
Unter einen der vielen Bäume ließen wir uns schließlich im Schatten nieder. „Ah, das hätte ich beinahe vergessen" Hobi kramte in seiner Tasche, bis er einen Apfel und einen Riegel in der Hand hatte. Bevor ich reagieren konnte, wurde mir von ihm beides in die Hand gedrückt. „Befehl von Jinnie: Du sollst noch was Essen." Äußerlich lächelte, innerlich weinte ich.
„Ey, warum kümmert sich Jin sich nicht um mich, ich hab auch Hunger." Mit dem Hintergedanken, so weniger essen zu müssen, hielt ich dem schmollenden Tae den Riegel hin, doch Hoseok drückte diesen direkt wieder weg. „Nichts da. Du hast im Vergleich zum Vielfraß hier kaum was gefrühstückt, also iss." „Aber..." „Nichts aber! Außerdem wäre Jin doch nicht Jin, wenn er für uns nichts eingepackt hätte."
Wenige Sekunden später hatten auch die anderen beiden einen Apfel in der Hand. In der Hoffnung, es würde so leichter gehen, biss ich immer nur ganz kleine Stücke ab. Und tatsächlich: Es funktionierte. Naja... mehr oder weniger... So kam es nämlich, dass die Jungs schon fertig waren, als ich noch nicht einmal die Hälfte gegessen hatte. Aber Hauptsache ich aß irgendwie.
Hoseoks Sicht
Ich beobachtete Julia dabei, wie sie den Apfel aß oder besser gesagt an ihm knabberte. Jimin hatte schon recht, irgendetwas verschwieg sie uns und ich wollte zu gern wissen, was es war. War ich vielleicht ein bisschen neugierig... Vermutlich. Aber das war mir egal.
Und trotz dessen, dass da irgendetwas an ihr war, dass mich stutzig werden ließ, mochte ich schüchterne Mädchen und hoffte, dass sie sich uns bald auch mehr öffnen würde. Ich würde sie gerne kennenlernen. So richtig. Wahrscheinlich mussten wir ihr nur etwas Zeit geben. Sie war ja schließlich erst einen Tag bei uns.
„Sag mal, ist dir nicht heiß?" Tae lachte, doch auch ich hatte mich schon gefragt, wie Julia Langärmelig und dann noch in einem Pulli rumlaufen konnte. Doch diese schüttelte nur den Kopf. Seit dem kleinen „Streit" heute morgen mit Jimin hatte sie kaum noch geredet, was mir ganz schön zu schaffen machte. Ich wollte, dass sie wusste, dass sie uns vertrauen konnte, dass wir ihr nichts Böses wollten.
„Juliiiiiii?!" Fragend hob sie eine Augenbraue. „Mein neuer Spitzname für dich", lachte ich. Sie schmunzelte leicht, aber schaute mich nicht an. „Emily nennt mich manchmal Julchen." „Emily?" „Meine beste Freundin" „Das Mädchen von den Fotos?", fragte nun auch Tae interessiert. Ein Nicken ihrerseits. „Wie lange kennt ihr euch denn schon?" Sie schien kurz zu überlegen, bevor sie antwortete. „Ungefähr 12 Jahre. Seit ich 4 bin sehen wir uns jeden Tag... oder besser gesagt sahen..." Zum Ende hin wurde sie immer leiser. Sie schien dieses Mädchen wirklich sehr zu vermissen. Aber so oft, wie sie sich anscheinend normalerweise gesehen hatten, konnte ich das auch gut nachvollziehen.
Tae krabbelte zu ihr rüber um sie ganz leicht in den Arm zu nehmen. „Sie kann uns bestimmt mal in den Ferien besuchen kommen." So vorsichtig kannte ich den aufgedrehten Tae gar nicht, aber bei Juli mussten wir wohl alle etwas geduldiger und vor allem ruhiger sein.
Der Gedanke daran, dass ihr Freundin sie besuchen konnte, ließ das Mädchen tatsächlich etwas strahlen. Es war schön sie so zu sehen. Es stand ihr.
„Und deine Eltern kannst du auch theoretisch jedes Wochenende besuchen", versuchte ich sie weiter aufzumuntern. Ich wollte alles versuchen, um sie weiterhin mit dem Lächeln im Gesicht zu sehen, doch anders als ich erwartet hatte, brach ihr Lächeln in sich zusammen und sie wirkte so kalt und traurig wie vorher. Sie schüttelte ganz leicht den Kopf. „Warum nicht?" „Es geht nicht." „Warum." Sie zuckte mit den Schultern, aber dieses Mal hatte ich mir vorgenommen, nicht lockerzulassen. Sie sollte mit uns reden, wenn es ihr nicht gut ging. Dafür hatte man doch seine Mitbewohner... und eigentlich auch seine Freunde... doch ob sie uns schon als diese ansah, wagte ich zu bezweifeln.
„Du kannst mir uns reden, wenn irgendetwas ist, okay?", erklärte ich meinen Gedanken auch der Braunhaarigen. „Mir geht's gut." „Mach's dir doch selber nicht so schwer. Jeder kann sehen, dass es etwas gibt, worüber du dir Gedanken machst und weswegen du traurig bist", versuchte ich sie doch noch umzustimmen, was gewaltig nach hinten losging. „Tut mir leid." Jetzt verstand ich nichts mehr. Was sollte ihr Leid tun. Ich schaute zu Tae, welcher die ganze Zeit geschwiegen hatte, doch auch er zuckte hilflos mit den Schultern. Ich nahm ihre Hand in meine und sie schaute mich an. Ich konnte spüren, wie sie sich fühlte: Trauer, Einsamkeit, Hass, aber vor allem Angst.
„Du musst keine Angst haben." Überrascht blickte sie auf. Ja, damit haste wohl nicht gerechnet, hm. "Versprichst du mir, dass du mit einem von uns redest, sobald du kannst?" Einen Moment schien sie noch zu überlegen, doch schließlich nickte sie zu meiner Erleichterung.
Wir saßen noch eine ganze Zeit im Park und unterhielten uns. Okay, Tae und ich redeten. Julia hörte zu und gab nur hin und wieder einen Kommentar dazu. Doch auch sie wirkte wirklich nicht mehr so angespannt wie vorher, wobei ich da gaaaanz vielleicht ein winziges bisschen nachgeholfen hatte.
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