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21 - Schwindende Kräfte

Gegen fünf Uhr morgens fängt Paul an, im hohen Bogen zu spucken. Ich fahre aus dem Schlaf auf und halte ihm reflexartig eine Nierenschale hin, aber die Hälfte ist schon auf dem Boden gelandet und weit in die Gegend gespritzt. Ich piepse meine Eltern ran. Ich habe nichtmal Zeit zum Denken, ich kann nur noch reagieren. Mama wischt den Boden auf, macht die Wände, den Nachttisch und das Gestänge vom Bett sauber. Papa prüft Pauls Vitalwerte und dreht den Tropf wieder etwas hoch. Bevor die beiden damit fertig sind, kommt der nächste Schwall. 

DAS haben sie also gemeint.
Au Mann, ist mir schlecht.
Hoffentlich hört das bald wieder auf!

Eine halbe Stunde später ist schon längst nichts mehr drin. Und es bleibt auch nichts drin, nicht mal Wasser. Dass mein Vater ihm Blut abnimmt durch den Zugang, kriegt Paul überhaupt nicht mit.

Papa checkt im Schnelltest ein paar Werte, wechselt einen langen, stummen Blick mit Mama, holt entschlossen tief Luft, geht kurz nach nebenan - und hängt Paul dann irgend eine andere Infusion an den Zugang, damit der irgendwie wieder an Flüssigkeit kommt und uns nicht in die totale Unterzuckerung rutscht. Dann schafft er es, von Paul eine Urinprobe zu bekommen, die er sofort mit dem Taxi zum Krankenhaus ins Labor schickt. Er ordert einen Boten, der in den nächsten Stunden immer hin und her fahren soll. Ich fühle mich unwohl. Das alles klingt echt ernst.

Irgendwas stimmt nicht mit Papa. Ich habe ihn noch nie so ernst und unsicher erlebt. Das da ist nicht mehr der souveräne Profi, den ich sonst immer erlebe.
Aber die Fürsorge für Paul nimmt mich völlig in Anspruch, und so verlasse ich mich wie immer darauf, dass mein Vater weiß, was er tut. Papa legt einen Katheder, was Paul normalerweise mit blanker Panik quittiert hätte. Aber sein Körper spielt dermaßen verrückt und seine Sinne sind so überfordert, dass er das zum Glück nicht mehr spürt.

Irgendwann ist Paul so schwach, dass er sich nichtmal mehr alleine umdrehen kann zum Spucken. Er liegt nun so auf meinem Schoß, dass ich ihn beim ersten Anzeichen mit einem geübten Griff sofort rumdrehen kann. Seine Haare kleben an seiner Stirn, sein Schwanz hängt kraftlos herab, sein ganzer Körper ist verkrampft, er würgt nur noch, er hat keine Tränen mehr. Seine Augen sind zugekniffen, seine Lippen trocken und rissig, er will trinken gegen den ekligen Geschmack im Mund an, aber dann geht alles von vorne los.

Durst!
Das muss aufhören.
Bitte ... NICK!!!

Ich trockne ihm die Stirn, ich fette seine Lippen vorsichtig ein, Ich lasse ihn an einem feuchten Lappen lutschen, ich kraule sein Rückenfell. Ab und zu flüstert er meinen Namen, und ich halte und halte und halte ihn. Ich flüstere ihm liebevolle Worte zu, summe Schlaflieder in sein Ohr, knabbere zwischen den Attacken an seinen Fingern, und ich halte und halte und halte ihn.

Halt mich fest, Nick.
Ich halt das nicht mehr aus ...

Ich halte selbst das Zusehen am Ende kaum noch aus, muss all meine Kraft zusammen nehmen, nicht mit ihm zu weinen, muss meine Phantasie sehr im Zaum halten , um mir nicht in schrecklichen Bildern auszumalen, wie dieser Tag wohl weiter gehen wird.
Ich wollte das nie, nie wieder erleben! Was für eine furchtbare Qual.
Ich halte und halte und halte ihn.

Ich habe erst einmal in meiner Zeit als Sterbebegleiter erlebt, dass ein Körper sich auf so qualvolle Weise aus dem Leben gerissen hat. Das Leid war unvorstellbar gewesen. Und jetzt muss sich Paul da durchquälen. Mein geliebter, tapferer Paul, dem das Leben so viele Gaben und ein so wundervolles Wesen geschenkt hat – nur, um ihm nun vor der Zeit so elend alles wieder zu nehmen. Meine Gedanken fahren Karussell, und ich halte und halte und halte ihn. Und so geht es immer weiter, bis draußen gegen 8:00 Uhr die Sonne aufgeht. Dann ist der Spuk plötzlich wieder vorbei.

Paul sinkt zurück in den Schlaf der Erschöpfung. Am Schluss ist er für die Würgeattacken gar nicht mehr wach geworden, aber nun scheint die Quälerei wider Erwarten plötzlich ein Ende zu haben. Es ist zwar ungewöhnlich, dass nach der Kotzerei nochmal Entspannung eintritt, normalerweise geht dann die grausame Spirale immer weiter abwärts. Aber ich beschwere mich nicht.

Mein fragender Blick fliegt zu meinem Vater. Meine Eltern schauen besorgt und machen stumm Ordnung und sauber. Misstrauisch beobachten wir alle Paul, ob der Kampf nun wirklich vorbei ist. Und was das bedeuten könnte. Wieder schickt mein Vater Proben ins Labor. Und ich – halte und halte und halte ihn.
Paul? Bist du noch bei mir? Du musst das schaffen! So darfst du nicht gehen. Ich liebe dich.

Erst eine Stunde später, als die zweiten Werte aus dem Labor per Mail eintreffen, sehe ich an der Körperhaltung meines Vaters, dass er die Sorge etwas fahren lässt und sich entspannt.
Eine riesige Last scheint von seinen Schultern genommen zu sein.
Er hat in den zurückliegenden Stunden immer wieder hastig dokumentiert, was er gemacht hat. Erst jetzt setzt er sich an den kleinen Schreibtisch und schreibt systematisch alles auf, während er immer wieder die Ausdrucke mit den gemessenen Werten und Verlaufskurven studiert. Ab und zu schüttelt er den Kopf, scrollt vor und zurück in der Wertekurve. Schreibt etwas in eine separate Liste. Ich liebe ihn dafür, dass er so in dieser Arbeit aufgeht, dass er so sorgfältig und genau arbeitet, dass ihm das Wohl jedes einzelnen Patienten, und heute unseres Paulchens, so wichtig und wertvoll ist. Vorsichtig streife ich die Verspannungen von Pauls Rücken.
Schlaf, ruh dich aus. Ich bin da!

Meine Mutter war eine Weile verschwunden. Sie hat sich frisch gemacht, umgezogen und für uns alle ein Frühstück zubereitet. Nun kommt sie wieder runter, bringt uns was zu essen und löst mich ab, damit ich duschen und kurz abschalten kann. Ich hole mein Paulbuch, setze mich mit einer Tasse Tee im Wohnzimmer in meinen Lieblingssessel und schreibe ein bisschen auf – vom Skypen gestern, von dem Würgemarathon heute früh, von meinen Gefühlen in diesen endlosen Stunden der Qual. Ich schalte für eine halbe Stunde alle Geräusche aus und lasse los.

Meine Mutter lässt mir alle Zeit der Welt. Doch irgendwann werde ich innerlich unruhig und gehe wieder ins Krankenzimmer. Mein Vater sitzt inzwischen in der Medi-Kammer, kaut sein Müsli und beobachtet relativ entspannt die Monitore. Aber beide Türen sind offen, und er zwinkert mir über den Flur zu. Dann nehme ich Paul einfach wieder in die Arme, gebe ihm die Maus zurück, die wir wegen der Kotzerei in Sicherheit gebracht hatten – und knabbere an seiner Hand, bis er sich merklich entspannt und noch tiefer in den Schlaf rutscht.

Zwei Minuten später steht mein Vater plötzlich neben dem Bett.
„Was machst du da, Nick???"
Warum ist er so aufgeregt? Ich will ihn doch nur verwöhnen.
„Ich knabbere an seinen Fingern, Papa. Das beruhigt ihn. Kannst du dich erinnern? Nena hat das oft gemacht, wenn sie sich uns ganz zuwenden wollte."
Irritiert schaue ich ihn an.
„Mach weiter!"
Er flitzt wieder nach nebenan. Also nehme ich mein Verwöhnprogramm wieder auf.
„Hör kurz auf!"
Was hat der denn???
Ein paar Minuten gehen diese komischen Kommandos weiter. Dann steht mein Vater mit einem seltsamen Gesichtsausdruck vor mir und hält mir die Ausdrucke von heute Morgen unter die Nase.
„Schau dir die Werte an. Hier, hier ... und hier. Was ich eben auf den Monitoren gesehen habe, sah exakt so aus wie das. Hast du das auch heute Morgen schon gemacht?"
Ich nicke, bin viel zu irritiert und verblüfft, um gleich zu schalten.

Dann schaue ich genauer hin. Ich bin kein Arzt, aber ich bin schon in der Lage, an einer Kurve zu erkennen, wo der Normbereich für Puls, Blutdruck und Sauerstoffsättigung im Blut liegt, und ob ein Patient drüber, drunter oder genau richtig liegt. Sprachlos starre ich die Kurven auf den Papieren an. Während der ganzen Stunden waren Blutdruck und Puls mit schwankenden Werten zu hoch, die Sauerstoffsättigung dagegen zu niedrig. Aber von Zeit zu Zeit – immer kurz nach einer Würgeattacke – sind alle drei Kurven gleichzeitig Richtung Normbereich gesprungen und dort für eine, drei, fünf Minuten geblieben. Bis sie bei der nächsten Würgeattacke wieder verrutscht sind.

„Nick – Paul reagiert auf dich, auf dein Fingerkauen. Extrem! Und zwar extrem gut. Sobald du ihn berührst, geht es ihm messbar besser."
Wir schauen uns tief in die Augen. Lange. Ich sehe an seinen Augen, dass ihn die selbe Ahnung beschleicht wie mich. Aber wir bringen beide kein Wort über die Lippen.
Bin ich doch sein GEGENÜBER? War die ganze Quälerei umsonst? Wie kann das sonst sein? Aber wir haben noch nie vorher sowas beobachtet oder von anderen Ärzten gemeldet bekommen. Was passiert hier???

Ich wende mich Paul zu, wie er da völlig am Ende und viel zu klein in dem großen Bett liegt. Paul schläft. Und ich – stürze in abgrundtiefe Schwärze und Verunsicherung. ICH muss jetzt eine Entscheidung fällen, von der SEIN Leben abhängt. Aber ich bin wie gelähmt. Ich schaue auf seine Lippen. Seit zwei Tagen wünsche ich mir so sehnlich, dass ich es bin, der ihn küssen darf. Ich ringe mit mir, wie ich noch nie in meinem Leben gerungen habe. Und doch bleibe ich starr hinter ihm auf dem Bett sitzen und rühre mich nicht. Zu groß ist die Angst, dass ich ihm damit einen schmerzhaften Tod bereite.
Ich will ja. Aber ich kann nicht. ANGST! Was ist, wenn ... Hilfe, ich schaff das nicht.
Stumm akzeptiert mein Vater meine –tja – wohl Nicht-Entscheidung ... Paul schläft.

Alle halbe Stunde schaut mein Vater rein, prüft alle Werte und beobachtet Paul einen Moment lang, schraubt manchmal am Tropf und geht wieder, nachdem er mir versichert hat, dass Paul stabil ist und den Schlaf gut brauchen kann. Paul schläft. Mehrfach im Laufe des Vormittags nimmt Papa Blut ab, holt eine Urinprobe aus dem Kathederbeutel und schickt das beides mit dem Eilboten ins Labor der Klinik. Paul schläft. Manchmal dämmere ich selbst für ein paar Minuten fast weg. Wäre ich nicht so auf Paul fixiert und selbst so erschöpft, wäre mir vielleicht was daran aufgefallen. Aber ich vertraue meinem Vater zutiefst und lasse ihn machen. Paul schläft. Papa hängt den nächsten Beutel an den Infusionsständer. Paul schläft.

Gegen Mittag werde ich nervös.
„Papa,ist das normal, dass er sooo lang schläft? Und was ist bei den letzten Blut- und Urinwerten rausgekommen? Hoffentlich wacht er nochmal auf, damit wir uns ordentlich verabschieden können!"
Mein Vater schaut mich an und antwortet völlig ruhig.
"Mach dir keine Sorgen, mein Sohn. Wenn mein Verdacht richtig ist, ist er übern Berg, schläft grade die Erschöpfung weg und wird dann nochmal einige Stunden wach und klar sein. Die für die Nieren relevanten Werte sind jedenfalls seit heute früh konstant im Normbereich. Und das ist grade alles, was für mich zählt. Glaub mir, ich fühle mich seeeeehr erleichtert."

Nichts glaube ich dir lieber als das!
Ich wünsche Paul nach diesen tapferen, schweren letzten Tagen, dass er klar und mit sich im Reinen gehen darf. Das hatte ich heute früh schon fast aufgegeben. Aber das scheint nun wieder in Reichweite zu rücken. Und darüber bin ich unendlich glücklich. Ich ziehe den immer noch friedlich schlafenden Paul näher an mich und schlafe endlich selbst noch mal richtig ein.

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20.7.2019    -    25.9.2019    -    30.11.2019

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