Empfindsamkeit und Kernschmelze
"Wenn du auf einem Parkplatz, mitten in der Wüste von Nevada sitzt. Wenn du dabei einen Drachenumhang trägst und dir auf eine Klappstuhl, den dabei hast von einem Häftlig die Haare schneiden lässt, bis sie die Farbe ändern. Die Haare meine ich. Wenn der deutsche Gesundheitsminister mit dir Schlittschuh läuft und dein Zahnarzt dich nackt behandelt, gefesselt an einen Stuhl. Wenn du dich nicht mehr wehrst, wenn da Hände sind und Finger die deine Zähne und nicht nur das, sondern auch und ja, du weißt schon was antasten. Dinge, die dich nicht nur außen antasten, die dich so wirklich zu spüren bekommen und dir etwas nehmen, ohne vorher zu fragen. Tja, dann muss ich dir leider sagen, dass du total durchgedreht bist, irre, wahnsinnig, verrückt. Und dass du vermutlich morgen sterben könntest oder schlimmer, es nicht könntest.
Es tut mir so leid, ich wünschte, ich hätte es dir nicht sagen müssen."
Sage ich.
Der Raum ist leer, nur ein Fenster steht offen. Es geht kein Wind, die Luft steht fast wie die Zeit, nur etwas stiller und ich überlege krampfhaft, wann es begonnen hat so Winter zu werden. Auf diese Weise vermute ich noch nie Kälte gespürt zu haben.
Wir wählen die elegante französische Art zu sterben. Die abgehackten Gliedmaßen tragen wir mit uns herum, wie Trophäen. Wir warten auf die Tage, an denen wir den Kopf verlieren. Ich denke daran, wie sich irgendwo in Polen auf einem Bahnsteig Kinder um einen Dollarschein prügeln und dass das ziemlich absurd und irgendwie witzig ist, weil man in Polen nicht mit Dollar sondern mit Versprechen bezahlt, das weiß doch jeder.
Sie haben zu mir gesagt ich solle all die Dinge aufzählen, die ich an dem Morgen getan haben, bevor ich hierher kam. Jeden einzelnen Schritt. Ich solle keine Pause machen zwischen den Sätzen aber ich schaffte es nicht und verstand auch nicht, dass es ein Test war oder was für eine Art Test es war. Ein außerordentlich seltsamer Test für einen Alleinemensch wie ich einer bin. Ein Einsiedlerkrebs in seinem Muschelatomkraftwerk, wartend auf den Tag der Kernschmelze.
Wir können es alle spüren, wie es uns unter den Füßen vibriert. Manche macht es irre, manche high. Ich sehr Männer auf den Straßen tanzen, wenn ich nach draußen schaue, ich kenne Männer die sich darauf einen runterholen. Dieses innere Vibrieren das gespürt werden muss, dem jedes Gefühl, alle Empfindung zum Grund wird. Aber ich traue meinen Sinnen nicht mehr über den Weg. Es muss im Wasser sein und ich bin sicher, dass es der einzige Gegensatz zum Sein ist, der diesem Leben begegnen wird. Alles in mir ist gespannt.
Dann stoßen sie die Tür auf. Sie sind mehrere. Ich nicht.
Bevor ich hier her kam, bin ich aufgewacht, ich habe auf mein Handy geschaut, dass ich aus dem Bett geworfen habe, habe nicht verschlafen, 5:18 Uhr, stelle einen Wecker auf 5:40 Uhr, einen auf 5:45 Uhr, einen auf 5:50 Uhr, schlafe nochmal ein, verliere jedes Zeitgefühl, stelle alle Wecker aus, suche im Schrank nach schwarzen Klamotten,
Dann packen sie mich.
Gehe ins Bad, weil ich meine Unterwäsche vergessen habe, stelle die Heizung auf 5, ziehe mich aus, betrachte mich zu lange im Spiegel, wasche mich, putze Zähne, kaltes Wasser ins Gesicht,
Schleifen mich raus.
Ziehe mich an, erst Socken, Unterwäsche, Top, Hose, Pulli, binde meine Haare nach hinten, binde sie nochmal nach hinten, weil ich nicht zufrieden bin, stelle die Heizung auf Mond,
Dann mache ich die Pause und verliere.
Ich tue nichts, als sie mich raustragen.
Sie werden wohl wissen, was sie tun oder nicht. Ich weiß, was kommen wird, und ironischerweise kann ich es kaum erwarten.
Einbeinige laufen irgendwie seltener, als mehrbeinige Menschen.
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