Neues Leben 2
Um meinem trostlosen Leben ein Ende zu setzen, hatte ich mich nach reichlichem hin und her spekulieren, dazu entschieden mir einen Hund zu kaufen. Beziehungsweise aus dem Heim zu retten.
Zwar gefiel mir die Vorstellung einen kleinen Welpen schon sehr, andererseits taten mir die herrenlosen Tiere im Tierheim einfach nur leid, weshalb ich mich dafür entschieden hatte einen Hund zu adoptieren.
Ursprünglich war ich mit der Vorstellung einen jungen Hund mit nach Hause zu nehmen dort hin gegangen, aber nachdem ich drei Mal dort war und mich dabei von Mal zu Mal mehr in die verschmuste Dalmatinerhündin Poncanna verliebt hatte, wusste ich, dass ich sie mitnehmen musste.
Die sieben Jahre alte Hündin war immer noch sehr fit, aber weniger energiegeladen wie ein junger Hund und damit eher auf meinen Lebensstil ausgelegt. Laut Steckbrief des Tierheims war Poncanna eine liebreizende Diva, die weiß, wen sie mag und die auf ihre abendlichen Kuscheleinheiten nicht verzichten kann.
Poncanna hieß übrigens vom Irischen übersetzt Pünktchen und traf damit perfekt auf die getupfte Hündin zu.
Nachdem ich sie dann nach Hause geholt und erstmal Startschwierigkeiten mit ihr hatte, denn sie war wirklich eine Diva, hatten wir uns nach gut drei Wochen aneinander gewohnt und konnten mit den Launen des jeweils anderen umgehen. Wir hatten unseren Rhythmus gefunden und dass ich den ganzen Tag im Home Office war, spielte der verschmusten Maus sehr in die Karten, die ihren Charme viel zu oft an mir testete.
So drehten wir mehrmals täglich eine Runde durch den städtischen Park und kuschelten dann ausführlich.
Sie liebte Stöckchen werfen und der Garten von Lukas bot sich perfekt zum buddeln an. Selbst meine Nichte Ella war absolut begeistert von dem getupften Tier und zeigte trotz ihres jungen Alters schon große Interesse an ihr.
Meine Eltern waren anfangs natürlich wieder skeptisch, ob ich mir so eine Verantwortung antun sollte, aber nachdem sie Poncanna dann kennengelernt hatten und Mum sie gleich mit Hundeguttis bestochen hatte, sodass Ponca - wie Mum sie liebevoll getauft hatte - sie jetzt wirklich liebte, war es fast schwer meine Eltern davon abzuhalten, meinen Hund ganz für sich zu behalten.
Sogar Oma war ganz angetan von der aufgeweckten Hündin und hatte mich seit dem schon wieder einige Male angerufen. Anscheinend hatte sie den Verlust von Timo langsam verkraftet. Ponca war dabei offenbar eine gute Hilfe.
An dem heutigen faulen Samstag lagen Poncanna und ich dösend auf dem Sofa - sie hatte ein Alter erreicht, in dem sie in Ausnahmefällen auch auf die Couch durfte - als plötzlich mein Handy klingelte und mein Hund dies gleich mit lautem Bellen kund tun musste.
Ich strich ihr beruhigend über das Fell, während ich mein Handy aus der Hosentasche kramte und überrascht feststelle, dass es Roman war, der mich anrief.
Seit Wochen hatten wir lediglich geschäftlich miteinander zu tun und kommunizierten ausschließlich über E-Mail. Das er mich jetzt anrief, erschien mir merkwürdig.
Genau deswegen haderte ich auch keinen Moment um das Telefonat anzunehmen.
"Roman?", fragte ich und hörte die Sorge dabei selbst in meiner Stimme mitschwingen.
"Simon! Ein Glück, dass du drangehst." Roman klang außer Atem und irritiert setzte ich mich gerade auf. Auch Ponca merkte, dass etwas im Busch war und spitzte neugierig die Ohren.
"Ist etwas passiert?", fragte ich ehrlich besorgt und biss mir nervös auf die Unterlippe.
Was würde gleich kommen?
"Ja... nein, also doch, aber etwas Gutes! Etwas sehr Gutes!", plapperte Roman und erst da realisierte ich, dass er auf positive Weise völlig durch den Wind war und sich kaum zusammenreißen konnte und ich das im ersten Moment lediglich falsch interpretiert hatte.
"Und zwar?", fragte ich von seiner Freude angetan mit einem sanften Lächeln. Es tat gut seine Stimme wieder zu hören und dass er so glücklich klang, beruhigte mich irgendwie.
"Lene ist schwanger! Ich werde Vater!", rief mein ehemals bester Freund mit ohrenbetäubender Lautstärke ins Telefon und setzte ein freudiges Quietschen hinterher.
"Glückwunsch!", gratulierte ich ihm und freute mich dabei wirklich. Roman hatte es mehr als nur verdient glücklich zu werden, auch wenn ich nicht gutheißen konnte, was er getan hatte. Er war dennoch eine lange Zeit mein bester Freund gewesen und allein deswegen wünschte ich ihm alles erdenklich Gute.
Eine eigene Familie war genau das, was er sich so lange gewünscht hatte.
"Gott, Simon! Ich freue mich so. Ich könnte platzen.", flötete er und ich konnte mich nur lachend in die Polster fallen lassen. Ponca rutschte sofort wieder näher zu mir und legte ihren Kopf auf meinem Bauch ab. Ich begann beiläufig sanft zwischen ihren Ohren zu kraulen, sodass ihr bald schon wieder die Augen zuklappten.
"Das glaube ich dir. Wie geht es Lene? Freut sie sich auch so?"
"Oh ja! Sie will schon lauter Babysachen einkaufen und hat mich dazu gezwungen, dass Gästezimmer auszuräumen, damit das Kinderzimmer dann dort einziehen kann." Er lachte leise. "Ich kann es kaum glauben.", murmelte er und ich hörte ihn zufrieden seufzen.
"Aber bitte sag es noch niemanden. Wir haben es selber gerade erst herausgefunden und wollen erst noch abwarten bis sicher nichts mehr schiefgehen kann.", erklärte Roman mit ernster Stimme und ließ mich damit sofort aufhorchen.
Sie hatten es selbst gerade erst erfahren? Und dann war ich eine der ersten Personen, die er kontaktierte, wenn nicht sogar der erste? Obwohl wir über Monate hinweg keinen richtigen Kontakt hatten?
"Mach ich nicht. Keine Sorge.", beruhigte ich ihn und senkte meinen Blick auf Poncanna, die eingeschlafen war und leise schnarchte. Das schlechte Gewissen überkam mich wieder und ich schluckte schwerfällig.
Vielleicht war es doch an der Zeit ihm zu verzeihen.
"Wie geht es dir?", fragte Roman zögerlich nach und ich wusste, dass es ihm unangenehm war so offen nachzufragen. Er wusste, dass ich noch nicht wirklich so weit war um mich mit ihm zu unterhalten, sonst wäre ich schon auf ihn zugekommen.
"Ich habe mir einen Hund gekauft.", antwortete ich nach einigen Augenblicken Stille um der eigentlichen Frage aus dem Weg gehen zu können.
"Ah.", lachte Roman, auch wenn es kein so ehrliches war, wie zuvor. "Welche Rasse? Einen Welpen?"
"Einen Dalmatiner und nein. Ich habe sie aus dem Tierheim geholt. Sie ist schon sieben und damit fast eine Oma.", erklärte ich ohne meinen Blick von meinem einzigen Lichtblick zu nehmen. Ponca hatte mir wieder etwas Freude gebracht und mein tristes Leben mit ihrer Anwesenheit wirklich bereichert.
"Wie lebt es sich in der neuen Wohnung?", fragte Roman und klang dabei ehrlich interessiert, auch wenn er auch Ponca nicht wirklich eingegangen war.
"Gut.", antwortete ich knapp, da ich das wirklich nicht weiter ausführen wollte. "Da ist jemand an der Tür, Roman. Ich muss auflegen. Tschüss." Und ohne auf eine Antwort zu warten, drückte ich ihn einfach weg und warf mein Handy mit einem leisen Grummeln zum anderen Ende des Sofas. Doch kaum hatte ich mich entkräftet zurückgelehnt und meine Augen geschlossen, klingelte es wirklich an der Tür, wodurch meine Lüge weniger verlogen wurde.
Poncanna wurde von dem schrillen Ton natürlich aus dem Schlaf gerissen, sodass sie mit lautem Bellen vom Sofa sprang und der Haustür erzählte, wie sehr sie dieses Geräusch hasste.
Ich tätschelte sie sanft, wodurch sie sich gleich beruhigte und als ich sie zu ihrem Korb schickte, ging sie mit einem letzten bösen Blick zur Haustür brav zu diesem und ließ sich mit einem Brummen hineinfallen. Dabei hatte sie mir vielsagend den Hintern zugedreht.
Diva.
Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, wie brav meine Hündin doch war, öffnete ich meinem unangekündigten Gast die Wohnungstür und hätte sie im nächsten Moment fast wieder zugeschlagen.
Ich zuckte überrascht zusammen und spürte, wie mein Herz sofort anfing einen Marathon zu laufen. Meine Hand klammerte sich beinahe Halt suchend an die Türklinke, während ich das Gefühl hatte meine Knie würden gleich unter meinem Gewicht nachgeben. Meine Atmung setzte einen kurzen Moment aus und innerhalb weniger Augenblicken begann meine Lunge schmerzhaft zu brennen.
Timo stand vor mir.
Ich konnte meinen Augen kaum trauen. Ich blinzelte mehrmals, versuchte zu realisieren, was hier vor sich ging und schüttelte kaum merklich den Kopf.
Timo stand vor mir.
Seine Haare lagen platt und leicht nass - es regnete draußen in Strömen - auf seinem Kopf. Seine Regenjacke tropfte und um seine Schuhe hatte sich bereits eine kleine Pfütze gebildet.
Wie lange stand er schon dort?
In der Hand hielt er zwei Pizzakartons, deren Deckel von den starken Tropfen bereits leicht angeweicht war, und unter den Arm hatte er eine Weinflasche gezwickt.
Ein vorsichtiges Lächeln lag auf seinen schönen Lippen und seine sonst so funkelnden Augen sahen mir matt entgegen.
Für mich würde Timo immer einer der schönsten Menschen überhaupt sein, aber obwohl er gut aussah, fehlte ihm die gewisse Aura, die ich sonst immer so anziehend gefunden hatte.
Er sah besser aus den je, aber irgendetwas an ihm wirkte schon fast... kaputt.
Der Mann vor mir hatte überraschend wenig Ähnlichkeit zu dem Timo, den ich vor einigen Monaten zu letzt gesehen hatte.
"Hey...", lächelte er und schluckte sichtbar. Er war eindeutig nervös und das einer seiner Finger anfing, an der Verpackung zu fiesen, konnte ich sehen, dass er mehr als nur ein bisschen nervös war.
Ob sein Herz gerade genauso schnell schlug wie meins? Durchlebte er gerade die selbe Gefühlsachterbahn wie ich in diesem Moment?
Sein Blick wanderte kurz an meinem Körper hinunter, ehe er mir wieder in die Augen sah und vorsichtig die Pizzen in seinen Händen etwas hoch hob. "Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob sie noch warm sind. Ich stehe hier schon eine ganze Weile.", murmelte er mit einem vorsichtigen Lächeln und obwohl er eindeutig versuchte kräftig zu klingen, hörte ich den matten Tonfall deutlich heraus.
Nur, weil wir uns einige Monate nicht gesehen hatten, hieß das nicht, dass ich ihn nicht mehr kannte.
"Ich habe einen Ofen.", antwortete ich mit leiser Stimme, sehr wohl wissend, wie sehr das nach einer Einladung klang, und öffnete die Tür etwas weiter, sodass er eintreten konnte.
Timo wirkte im ersten Moment überrascht, dass ich ihn ohne weiteres herein ließ, und schenkte mir im nächsten Moment ein breites Lächeln, das schon viel eher an meinen Timo erinnerte.
"Danke.", säuselte er und senkte beinahe schüchtern den Blick, ehe er meine Wohnung betrat und gleich aus seinen triefenden Schuhen steig, die er vor der Tür auf dem Fußabstreifer stehen ließ.
Ich nahm ihm den Wein und die Pizzen ab, damit er seine Jacke ausziehen konnte und kaum hatte er sie aufgehängt, schlich Poncanna sich aus ihrem Körbchen um unseren Gast zu begrüßen. Mit vorsichtigen Schritten näherte sie sich dem fremden Mann, der es wagte, in unser Reich einzudringen, und beschnüffelte ihn eindringlich.
"Oh. Dein Hund?", fragte Timo und lehnte sich schon etwas zu ihr hinunter, haderte jedoch offensichtlich damit, ob er sie streicheln sollte oder nicht.
"Ja. Sie ist lieb. Du kannst sie streicheln.", gab ich ihm das OK, auf das er wohl gewartet hatte. Denn kaum hatte ich es ausgesprochen, streckte er ihr vorsichtig seine Hand entgegen, damit sie sie erst beschnüffeln konnte und strich ihr dann mit zarten Bewegungen durch das gepunktete Fell.
"Poncanna, Timo. Timo, Poncanna.", machte ich die Beiden bekannt und beobachtete mit einem sanften Lächeln, wie Ponca zu wedeln begann. Das war schon mal ein gutes Zeichen.
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