Grund 17
Der Nachmittag bei meiner Familie war wirklich schön. Timo war tatsächlich relativ schnell nachgekommen und trug sogar einen Pullover, den er einst von Oma zu Weihnachten bekommen hat.
Oma hatte sich unglaublich darüber gefreut, dass Timo sich mal wieder blicken hat lassen und war ihm den gesamten Nachmittag am Rockzipfel gehangen. Da konnte ich glatt nachvollziehen warum er so selten mitkam.
Selbst nach mehrmaliger Aufforderung konnte Oma ihre Finger nicht von ihm lassen und man konnte richtig dabei zusehen wie Timos Stimmung immer tiefer in den Keller sank. Er versuchte dennoch stets höflich zu sein und lachte sogar über Omas schlechte Witze.
Irgendwann hatte Mama dann die grandiose Idee Spazieren zu gehen, was Timo etwas Auszeit von Oma gab, da diese nicht mitgehen wollte.
Der Spaziergang mit meiner Familie war wirklich angenehm und als Timo dann sogar noch nach meiner Hand gegriffen hatte und wir den gesamten Weg über Händchen hielten bis wir wieder zurück waren, machte den gesamten Tag erst wirklich perfekt.
Und als wir abends wirklich noch Burger machten und wir in der Küche an unserem Küchentisch aßen und uns dabei ausgiebig unterhielten, konnte der Tag gar nicht mehr besser werden.
Egal, wie schlecht er angefangen hatte.
»Morgen kommen Roman, Lene und Lenes Schwester mit ihrem Ehemann zum Brunch.«
Wir lagen im Bett. Timo blätterte auf seinem Tablett und laß einige Artikel, während ich die letzten Einzelheiten mit Roman per WhatsApp klärte.
»Okay.« »Bist du morgen auch da?«, fragte ich leicht hoffnungsvoll.
Timo zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich schon. Zumindest wüsste ich nicht, wo ich sonst sein sollte.«
Ich teilte Roman das noch kurz mit, legte mein Handy im Flugmodus beiseite und rollte zu Timo hinüber. Ungeniert rutschte ich unter seine Bettdecke und platzierte meinen Kopf auf seiner nackten Brust, während er weiterhin seinen Artikel laß.
Seine Brustbehaarung wurde offenbar vor Kurzem glatt rasiert und mittlerweile waren die Haare soweit nachgewachsen, dass sie unangenehm piecksten. Unbehaglich rutschte ich etwas weiter hinauf und drückte mein Gesicht in seine Halsbeuge.
Ich mochte es nicht, wenn er sich seine Brust rasierte. Erstens sah es behaart viel männlicher aus, zweitens kratzte es, wenn die Haare nachwuchsen.
Früher hatte er seine Brust nie rasiert, weil er selber auch sagte, dass ihm das zu viel Aufwand ist. Außerdem gefiel es mir, also hatte er nie einen Grund gehabt um es zu tun.
Warum er es sich jetzt doch angefangen hatte, wusste ich nicht.
Zaghaft platzierte ich kleine Küsse auf seinem Nacken und sog seinen verführerischen Duft ein. Ihm so nah zu sein löste ihn mir ungeahnte Gefühle aus.
Genießerisch brummte Timo.
Ich hörte wie er das Tablet beiseite legte und seine Nachttischlampe ausschaltete.
Fest legten sich seine Arme um meinen Körper und wohlig seufzte ich auf.
Sein Körper unter mir bewegte sich etwas als er die Bettdecke über uns legte wodurch seine nackte Brust an meinem ebenfalls nackten Oberkörper kratzte.
»Du kratzt.«, murmelte ich gegen seine Haut, während ich es sichtlich genoss mit ihm unter der Bettdecke zu kuscheln.
»Was?«, fragte er überrascht nach und drehte sich etwas wodurch wir nun beide auf der Seite lagen, die Gesichter einander zugewandt. Es war dunkel, weshalb ich ihn nicht erkennen konnte, aber an der Art und Weise wie er mich in den Armen hielt und sein gleichmäßiges atmen, deutete daraufhin, dass alles gut war.
»Du kratzt.«, wiederholte ich und strich zu Verdeutlichung mit der Hand über seine stoppelige Brust.
»Achso, das meinst du.« Mehr sagt er nicht. Stattdessen lehnte er sich zu mir und küsste mich sanft. Es war nur ein kurzer Kuss, dennoch zärtlich und liebevoll.
»Stört es dich?«, fragt er danach und schmiegte sein Wange an meine.
»Ein bisschen.«, antwortete ich zögerlich und rutschte etwas näher an ihn. »Du weißt, dass ich Brustbehaarung lieber mag.«
»Ich weiß.« Toll.
Und warum rasierst du dich dann?
Sein Griff um mich wurde wieder fester, drückte mich an seinen Körper und platzierte einen sanften Kuss auf meiner Stirn.
»Schlaf gut.« »Du auch, Timo.«
»Ich freu mich schon übermorgen mit dir Essen zu gehen.«, flüsterte Timo irgendwann und begann sanft durch meine Haare zu streichen. Diese Zärtlichkeit und seine Worte brachten mein Herz wieder dazu schneller zu schlagen.
»Ich mich auch.«, antwortete ich genauso leise und schob eines meiner Beine zwischen seine. Das war erstens viel bequemer und zweitens konnte ich ihm so noch näher kommen.
»Machen wir uns dafür schick?«
Seine Frage ließ mich leise lachen. »Das erwarte ich von dir.«
»Anzug?«, fragte er weiter und ich spürte wie er meinem Gesicht mit seinem wieder näher kam. Ich hauchte ein leises Ja, da mich die Nähe zu ihm und sein Atem auf meinem Gesicht ablenkte.
»Gut. Ich will dich wieder im Anzug sehen. Das sieht so heiß aus.« Seine Stimme sackte einige Tonlagen nach unten und kratzte tief in meinen Ohren. »Vor allem will ich ihn dir dann ausziehen.«, hauchte er an meine Lippen ehe er seine verlangend auf meine drückte.
- - - -
»Hey. Hallo.« Fröhlich begrüßte ich meine Gäste und schloss alle in eine freundschaftliche Umarmung.
»Ich hab in der Küche schon aufgedeckt.«, klärte ich die Vier auf und deutete in Richtung Küche.
Mit einem breiten Grinsen hielt Roman zwei Tüten vom Bäcker in die Luft und wackelte damit herum als wollte er sagen 'Schau was ich schönes mitgebracht habe'.
Lene und ihre Schwester waren in einem aufbrausenden Gespräch vertieft, während ich meine Gäste in die Küche lotste.
»Schön hast dus hier.«, lächelte Lenes Mann und sah sich weiterhin etwas um.
»Wir.«, kam es plötzlich von Timo, der gerade die Treppe herunter kam, »Wir haben es hier schön.« Seine Stimme war rau, immerhin war er gerade erst aufgestanden, und seinem genervten Blick nach zu urteilen, wollte er noch gar nicht wach sein. Zumindest hatte er sich ordentlich angezogen und kam nicht wie sonst morgens nur mit einer Boxershorts, maximal mit einem T-Shirt dazu, zum Frühstück.
Lenes Mann sah kurz von Timo zu mir, ehe er wieder nickte und sich selbst verbesserte, indem er seinen Satz wiederholte doch diesmal das du gegen ein ihr ersetzte.
Ohne weiter auf uns zu achten oder sich höflicherweise vorzustellen, ging Timo an uns vorbei in Richtung Küche.
»Ich hoffe, da ist irgendwas mit Körnern drinnen.«, brummte er zu Roman, deutete auf die Bäckertüten und verschwand ohne auf eine Antwort zu warten in der Küche.
»Mein Lebensgefährte Timo.«, stellte ich ihn Lenes Schwester und ihrem Ehemann vor, da beide ihn nicht kannten.
Mit einem schiefen Lächeln nickten beide nur. Offenbar hatten sie auch schon die ein oder andere Geschichte von ihm gehört. »Reizend wie eh und je.«, kam es grinsend von Roman und als ich zu ihm blickte verdrehte er die Augen.
Ich ahnte bereits, dass das wieder in einer tiefen Reflexion meiner Beziehung enden würde.
Nachdem jeder Platz genommen hatte und der Kaffee großzügig in die Tassen gegossen worden war, gingen die Gespräche schon wild durcheinander. Die Stimmung war ausgelassen und als Lene plötzlich eine Flasche Sekt hervorzauberte war das Geschnatter kaum mehr auszuhalten.
Nur Timo saß größtenteils teilnahmslos dabei und kaute still auf seinem Körnerbrötchen, während er weniger begeistert durch die Zeitung blätterte und uns weitestgehend ignorierte.
Nach wenigen Minuten musste Lene bereits die Sektgläser nachfüllen, was ihre Schwester kichernd kommentierte.
»Lene, macht Alkohol nicht dick?«, fragte Timo gleichgültig und nahm ausdruckslos einen Schluck von seinem Kaffee, während er die Frau meines besten Freundes über den Rand der Kaffeetasse hinweg musterte.
Lene zog ihre Augen zu schmalen Schlitzen und funkelte an. »Selbst wenn, was interessiert es dich? Du musst ja davon nichts trinken.«, giftete sie zurück und schenkte Timo einen abschätzigen Blick, welchen er nur mit einem genervten Brummen kommentierte. Griesgram.
Ohne Timo zu beachten, stießen wir unsere Sektgläser einander und das plirr Geräusch, das dabei entstand, ging in unseren Lachen unter. Roman begann fröhlich etwas zu erzählen, wodurch Timos unfreundliches Gehabe sofort in den Hintergrund rutschte.
»Das ist ja nicht auszuhalten.« Mit lautem Stuhl quietschen erhob sich mein Lebensgefährte einige Minuten später, ehe er genauso geräuschvoll sein Besteck verräumte.
»Timo, halt mal die Luft.«, kommentierte Roman das Ganze und erntete damit einen bösen Blick von Timo.
So etwas wie Freundschaft würde zwischen den Beiden nie entstehen.
»Pass lieber auf wie du in meinem Haus mit mir redest.«, kam es von Timo, der Roman gefährlich den Finger entgegen streckte.
»Was willst du machen? Hm? Mich rausschmeißen? Ich weiß nicht, ob das deinem Simon Schatzi so passen würde.«
Timo öffnete bereits wieder den Mund um Roman zu kontern, aber ich ging mit einem lauten Räuspern dazwischen. »Beruhigt euch. Timo, komm bitte mit.«
Der triumphierende Blick, den Roman Timo zuwarf, wären dieser bereits die Küche verließ, ließ mich genervt auf den Tisch klopfen. »Roman, du brauchst ihn nicht auch noch zu provozieren. Reiß dich zusammen.«
»Da hat Simon recht.«, steuerte Lene mir bei und gab ihrem Ehemann einen Klaps auf den Hinterkopf.
Als ich ins Wohnzimmer kam, tigerte Timo zwischen Fernseher und Sofa hin und her.
»Was soll das, Timo? Du kannst nicht so unfreundlich sein und dann auch noch meine Gäste anblaffen.«, zischte ich versucht leise, damit in der Küche niemand hiervon mitbekam.
Wobei dort das Gespräch bereits wieder so aufgelebt war, dass sie uns wahrscheinlich nicht einmal verstanden hätten, wenn wir uns anschreien täten.
»Mpfh.«
»Timo? Hallo?«
»Lass mich einfach in Ruhe, Simon. Ich gehe laufen.«
Timo drückte sich ohne mich zu berühren an mir vorbei und verschwand im ersten Stock.
Was war sein Problem? Wieso war er meinen Freunden gegenüber so unhöflich? Meine Freunde waren nett und zuvorkommend, lustig, aber nicht herablassend. Ganz im Gegensatz zu seinen Freunden. Die waren nichts von dem eben genannten.
Und dennoch war ich immer versucht nett zu sein und ihn nicht direkt unter die Nase zu reiben, wie wenig ich sie eigentlich mochte. Immerhin hatte ich sogar gute Gründe dafür sie nicht zu mögen.
Ich seufzte, rieb mir mit den Händen durchs Gesicht und versuchte eine einigermaßen positive Laune aufzusetzen als ich zurück in die Küche trat.
»Ärger im Paradies?«, grinste Roman frech und zwinkerte mir zu. »Ach, halt doch die Klappe.«
Natürlich machte er sich einen Spaß daraus, aber nur um mir wirklich zu zeigen, wie kaputt unsere Beziehung eigentlich war. Nicht, dass mir das nicht selber bewusst war, aber die Hoffnung würde ich nicht aufgeben, vor allem nach den Näherungsversuchen seinerseits in der letzten Zeit. Timo hatte mir gezeigt, dass ich und unsere Beziehung ihm nicht komplett egal waren und das allein lässt mich weiterkämpfen.
Auch, wenn es zugegebenermaßen beunruhigend war zu sehen, wie sehr sich mein Lebensgefährte mit der Zeit verändert hatte. Früher wäre er Gästen gegenüber nie so gewesen, weshalb es mich so verwunderte, dass er plötzlich so war. Das konnte nur an dem schlechten Einfluss seiner Freunde liegen.
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