Grund 1
»Was soll das schon wieder?!«
»Was?« Mit müdem Blick sah er mich an.
»Das!«, wütend zeigte ich mit dem Finger auf den Wäschehaufen der Mitten im Flur lag.
»Ach das.« Er zuckte nur mit den Schultern und konzentrierte sich weiter auf seinen Laptop.
»Willst du das einfach so liegen lassen?«, empört über seine fehlende Anteilnahme stemmte ich meine Hände in die Hüften.
»Ich räume später schon auf. Mach dir nicht ins Hemd.«, murmelte er und drehte sich zu mir um. »Du stehst da wie ein aufgebrachtes Weib.«, belustigt betrachtete er mich.
Früher habe ich es geliebt, wenn er mich so angesehen hat. Mittlerweile regt es mich aber nur noch zunehmend auf. Vor allem, weil aus seinem einst liebevollen Blick, ein meist belustigter geworden ist.
Er machte sich über mich lustig.
»Du regst mich auf!«
Genervt verließ das Wohnzimmer.
Ich hörte ihn leise lachen und ich versuchte mich etwas zu beruhigen.
Ich werde ihm nicht mehr hinterher räumen, dass kam er ab heute schön selber machen.
Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Der wird schauen, wenn sein Schrank langsam aber sicher immer leerer wird, weil seine Wäsche nicht gewaschen wird. Wenn das Kaffeepulver plötzlich zu Ende ist, weil keiner neues kauft. Wenn das Katzenklo irgendwann bestialisch stinkt, weil es niemand ausleert. Er wollte unbedingt eine Katze, dann soll er sich auch darum kümmern.
Und ewig gehe ich alleine einkaufen.
Wir müssen beide essen und der Kühlschrank wird auch von uns beiden benutzt. Da kann er ruhig auch mal einkaufen gehen.
Ich habe die Nase gestrichen voll. Ich werde ihm nicht mehr hinterher räumen.
»Was gibt es heute eigentlich zum Abendessen?« Er trat hinter mir in unser Schlafzimmer und holte ein T-Shirt aus unserem gemeinsamen Schrank.
Ich zuckte mit den Schultern. Soll er sich halt selbst was machen.
»Hört sich ja nicht nach viel an.«, murmelte er und tauschte seine Hose gegen eine Jogginghose. »Ich geh laufen. Später kommt vielleicht Joni noch vorbei.«
Joni. Timo's bester Freund.
Die Beiden kannten sich schon ewig. Seit dem Kindergarten glaube ich.
So gut sich die Beiden verstanden, so schlecht verstanden wir uns. Jonathan oder halt Joni war von Anfang an gegen mich. Er verstand bis heute nicht wie Timo sich in mich verlieben konnte. Er mochte mich nicht und das ließ er mich jedes Mal spüren.
Ich nickte nur und sagte nichts weiter dazu.
Er verließ den Raum. Ich seufzte leise und setzte mich an die Bettkante unseres Bettes.
Ich vermisste die alten Zeiten als wir noch ein glückliches Paar waren. Als wir noch gemeinsam gekocht und gekuschelt haben. Uns mit dummen Kosenamen angesprochen haben und ich mir zu 100% sicher war, dass unsere Beziehung besonders war und für immer halten würde.
Mittlerweile war es soweit gekommen, dass wir uns nichts mehr zu erzählen hatten. Es gab keine Kosenamen mehr und der Abschiedskuss war auch Geschichte. Selbst Sex hatten wir keinen mehr.
Zumindest hatte ich keinen mehr. Ob er mir wirklich so treu war wie er immer beteuerte, glaubte ich schon lange nicht mehr.
Ich weiß nicht, wann es dazu gekommen ist. Meine Mutter meinte, dass jede Beziehung irgendwann einmal ein Tief hat und wenn die Liebe stark genug ist, überwindet man dieses Tief. Ist die Liebe jedoch nicht stark genug, zerbricht alles.
Und ich zweifelte langsam daran, dass unsere Liebe stark genug dafür war.
Ich gähnte. Es war Freitagnachmittag und ich war geschafft von der Arbeit. Ein kleiner Mittagsschlaf würde nicht schaden.
Erschöpft schüttelte ich meine Jeans von den Beinen und rutschte unter die Bettdecke. Ich zog die Decke bis zur Nase hinauf und drückte mein Gesicht in mein Kopfkissen.
Irgendwie konnte ich nicht einschlafen. Mein Geist war erschöpft, aber mein Körper war momentan wieder hell wach.
Müde rollte ich im Bett etwas hin und her, bis ich auf Timo's Seite zum Liegen kam. Ich drehte meinen Kopf etwas und sofort stieg mir sein unverwechselbarer Geruch in die Nase. Beinahe automatisch drehte ich mich auf den Bauch und vergrub meine Nase tief in seinem Kopfkissen.
Timo hatte einen unglaublich guten Eigengeruch. Er roch einfach nach Timo und ich fand das Timo gut roch.
Ich seufzte leise und merkte wie ich endlich einschlief.
- - - -
»Simon.«
Timo's Stimme drang an mein Ohr und ich spürte seine Hand an meiner Schulter.
»Mh?«
»Rutsch rüber, ich will auch ins Bett.«
Müde öffnete ich meine Augen und sah Timo vor mir stehen. Die Nachttischlampe leuchtete und die Jalousien waren anscheinend herunter gelassen.
Ich brummte nur und vergrub mein Gesicht wieder in seinem Kopfkissen.
»Simon!« Energischer schüttelte er meine Schulter und ich öffnete meine Augen wieder.
»Rutsch rüber.«, wiederholte er.
»Du kannst dich auch rüber legen. Ich will hier liegen bleiben.«
Er ging nicht darauf ein. »Jetzt hopp.«, brummte er gereizt.
Daraufhin setzte ich mich schlaftrunken auf und strich mir durch die wirren Haare.
»Geht doch.«, murmelte er und drückte mich etwas zur Seite. Ich rutschte rüber und brummte auf als ich die kalte Seite des Bettes erreichte. Ich zog die Bettdecke fester an mich und nickte sofort wieder weg.
Unterbewusst bekam ich noch mit wie Timo sich auf seine, von mir vorgewärmte Seite legte, sich zudeckte und das Licht ausschaltete.
»War Jonathan noch da?« Fragend drehte ich mich auf den Rücken und streckte mich kurz etwas. Plötzlich war ich wieder hellwach.
»Ne.«
Kurz überlegte ich, ob ich überhaupt fragen sollte, entschied mich dann aber dafür. »Warum nicht?«
Ich hörte ihn leise Seufzen und merkte wie er sich ebenfalls auf den Rücken drehte.
»Keine Ahnung. Er hat nur geschrieben, dass er nicht kommt.« Er gähnte. »Wieso willst du das überhaupt wissen?«
Er wusste, dass Joni und ich kein gutes Verhältnis hatten. Wirklich dafür interessiert hatte er sich aber noch nie. Früher hat er mich zwar immer vor ihm verteidigt, aber das tat er schon lange nicht mehr.
»Hat mich halt interessiert.«, murmelte ich und schob meine Arme unter mein Kopfkissen.
»Aha.« Er drehte mir wieder den Rücken zu. »Ich schlafe jetzt.«
Ich sagte nichts mehr und drehte ihm ebenfalls den Rücken zu.
Eigentlich würde ich gerne kuscheln, aber ich wollte ihn nicht nerven. Immerhin war er aus irgendeinem Grund schon ziemlich genervt.
Aber da es auf meiner Seite immer noch ziemlich kalt war überwand ich mich.
»Timo.«, flüsterte ich leise.
Es dauerte lange bis eine Antwort kam. Ich dachte schon, er wäre schon eingeschlafen.
»Was?«, antwortete er gereizt.
Okay. Heute wird eindeutig nicht gekuschelt.
»Egal. Passt schon. Gute Nacht.«, flüsterte ich und zog meine Decke höher.
»Jetzt sag schon.«, brummte er und ich hörte seine Bettdecke rascheln.
»Ne, schon okay. Schlaf gut.«, flüsterte ich und drückte mein Gesicht in mein Kissen.
»Gute Nacht.«
- - - -
Ich traute meinen Augen nicht als ich die Küche betrat.
Timo hatte vor etwa einer Stunde das Haus verlassen. Und bis eben konnte ich mich nicht aufraffen das Bett zu verlassen.
Er hatte gefrühstückt. Das konnte ich vorhin schon am Brummen der Kaffeemaschine und am Geschirr Geklapper hören.
Zusammen zu frühstücken ist auch schon längst Geschichte.
Als ich aber jetzt die Küche betrat und sah was für einen Saustall Timo hinterlassen hatte, merkte ich die Wut wieder aufkeimen.
Ich räume das ganz sicher nicht auf.
Er sollte lernen, dass ich nicht seine Putzfrau war.
Mir war der Appetit vergangen.
Kommentarlos ging ich an dem Wäschehaufen der noch immer im Flur lag vorbei und holte eine Wasserflasche aus der Speisekammer. Eine Runde Joggen wird mich beruhigen.
Ein Blick nach draußen hinderte jedoch mein Vorhaben. Es goss in Strömen.
Ich seufzte entnervt auf und schmiss mich auf die Couch. Hoffentlich lief wenigstens im Fernsehen was Gutes.
Der kleine Couchtisch war voll mit leeren Nudelboxen, Gläsern und Flaschen. Nicht ein einziges Mal kann er seine Sachen selbst aufräumen.
Ich schnaubte. Wenn er es stehen lässt, lasse ich es auch stehen. Sein Müll, nicht meiner.
Zwischen den Polstern zog ich die Fernbedienung heraus und zappte durch die Sender.
Irgendwann gesellte sich Gustav - Timo's Kater - zu mir.
Diesen Namen hatte sich Jonathan einfallen lassen und Timo war sofort begeistert davon. Ich fand zwar, dass der Namen nicht so der Hit war, aber gut, wenn es Timo gefiel.
Der Kater schmiegte sich an mich und wollte gekrault werden.
Vom Hunger geplagt, holte ich mein Handy und schrieb Timo eine Nachricht.
Simon (Sa. 13:34)
Ich hab Hunger
Nach einigen Minuten kam als Antwort ein Daumen nach oben und ich wusste, dass er den Wink verstanden hatte.
Hoffentlich würde er jetzt auch bald nach Hause kommen.
Tatsächlich kam er etwa eine halbe Stunde später nach Hause. Mit zwei McDonald's Tüten ließ er sich neben mich auf die Couch fallen. Er drückte mir eine davon in die Hand und öffnete seine.
»Hier sieht's aus wie im Saustall.«, nuschelt er plötzlich mit vollem Mund.
»Mh?«, machte ich nur, da ich selbst den Mund voll hatte.
»Wir dürfen mal wieder aufräumen. Heute Abend kommen die Jungs.«
Ich wusste genau was er mit "wir" meinte.
Ich. Ich sollte mal wieder aufräumen.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Du kannst ja aufräumen wenn du möchtest.«
Im Augenwinkel sah ich wie er mich dann wieder sein Essen ansah. »Ich dachte eher du kannst das machen. Ich muss dann noch mal weg.«, antwortete er als wäre es selbstverständlich.
Empört sah ich ihn an. »Warum ich? Ich räume immer auf.«
Er nickte. »Nächstes Mal räume ich dann auf.«
Daraufhin schüttelte ich nur den Kopf. »Würdest du dein Zeug sofort aufräumen, nachdem du es nicht mehr brauchst, hätten wir nicht so eine Unordnung.« Ich konnte es nicht verhindern etwas bissig zu klingen.
Überrascht zog er eine Augenbraue nach oben. »Willst du damit sagen, dass es nur wegen mir hier so aussieht?«
Ich nickte. Er nickte auch, aber mehr zu sich selbst als zu mir.
Danach wurde es still.
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