Getrennt 2
Meine Muskeln schmerzten als ich meine lange Runde beendete und mit langsamen Schritten Romans Auffahrt hinaufging.
Die letzten drei Tage hatten Timo und ich jeden Abend telefoniert und ich hatte es über alle Maßen genossen zwanglos mit ihm zu sprechen. So angenehme Gespräche hatte wir lange nicht mehr geführt und es beruhigt mich sehr zu wissen, dass es immer noch möglich war.
Das hieß, dass zumindest nicht alles verloren war.
Das was zwischen uns war, hatten wir jedoch nie angesprochen.
Ich wollte nicht darüber reden und dass er es nicht anschnitt rechnete ich ihm hoch an.
Ich wusste, dass wir früher oder später nochmals darüber sprechen musste, aber momentan genoss ich einfach nur den Moment.
Heute ging Timo mit seinen Arbeitskollegen essen und auch, wenn es lediglich ein Geschäftsessen war, machte ich mir Sorgen.
Wir waren getrennt und dennoch hatte ich Angst, dass er wieder zu einem anderen Mann gehen würde.
Wie hoch standen die Chancen, dass er es machen würde?
Ich redete mir ein null, dass die Chance bei null lag, aber seit Roman mir den Floh ins Ohr gesetzt hatte, dass ich meine "Singlezeit" nutzen musste, hatte ich Angst, dass Timo genauso dachte.
Er hatte jetzt sozusagen den Freipass, dass er mit Gott und der Welt in die Kiste steigen konnte und ich war mir nicht sicher, ob er seine neu gewonnene Freiheit nicht doch ausnutzte.
Zwar war Timo schon älter als wir zusammenkamen und hatte eine recht wilde Jugend, aber dennoch war er die letzten zehn Jahre an eine Person gebunden. Vielleicht wollte er seinen Spaß haben bevor er wieder nur an mich gebunden war.
Übel nehmen konnte ich es ihm auch nicht. Wir waren getrennt. Er konnte tun und lassen was er wollte.
Meine Hände zitterten vor Kälte und Anstrengung als ich die Tür mit einem Ersatzschlüssel aufsperrte, den Roman mir gegeben hatte, und ins leere Haus trat.
Roman und seine Frau waren heute bei Freunden eingeladen und nachdem ich fast eine halbe Stunde mit meinem besten Freund diskutieren musste, konnte ich zuhause bleiben.
Roman wollte mich allen ernstes unangekündigt mit zu seinen Freunden nehmen, damit ich nicht alleine zuhause sitzen musste. Seiner Meinung nach, tat es mir nicht gut alleine zu sein. Ich müsste unter Menschen hatte er gesagt.
Ich war froh, dass ich mich da rausreden konnte.
Nach meinem Lauf, sehnte ich mich nach einer heißen Dusche und danach nach einer Tiefkühlpizza und einem Gläschen Wein dazu.
Gerade als ich mich bis auf die Boxershorts ausgezogen hatte und mit einem Fuß schon im Badezimmer stand, klingelte mein Handy und ohne auf den Anrufer zu achten, nahm ich das Gespräch, in der Hoffnung es schnell beenden zu können, entgegen.
»Hallo.«
»Hallo Simon. Hier ist Joni.«
»Um... hi.«, begrüßte ich Timos besten Freund zögerlich.
Seit er mir von Timos Seitensprung berichtet hatte, hatte wir keinen Kontakt mehr.
Warum auch? Wir hatten ohnehin nie Kontakt.
»Hey... Du, entschuldige, dass ich dich anrufe, aber ich hätte ein Anliegen. Timo ist morgen auf einer Fortbildung und kommt er spät nach Hause und ich habe morgen ganztägig einen Betriebsausflug und mein Hundesitter ist mir kurzfristig abgesprungen. Timo hat erzählt, dass du die Zeit mit Cricket genossen hast und sowieso überlegst, dir einen Hund anzuschaffen. Meinst du, du könntest morgen ein Auge auf ihn haben?«
Ich brachte nur ein weiteres »Uh.« über meine Lippen.
Ich hatte Urlaub also würde nichts dagegen sprechen, aber wollte ich auf Jonis Hund aufpassen?
»Ich weiß, dass es extrem kurzfristig ist und dass ich dich um viel bitte, aber ich weiß ehrlich nicht, was ich mit ihm tun soll. Ich will ihn nicht den ganzen Tag bis abends alleine lassen.«, erklärte Joni und klang dabei ehrlich verzweifelt.
Ich seufzte leise.
»Ja, ok.«, murmelte ich und fuhr mir durchs Gesicht. »Wann musst du los? Dann hole ich ihn morgen ab.«
»Ich kann ihn dir auch vorbeibringen. Ich fahre schon gegen sechs Uhr morgens. So früh will ich dich nicht aufsprengen.«
»Nein, passt schon. Ich hole ihn ab.«
Er brauchte ja nicht wissen, dass ich sowieso schon so früh wach war, um Timos "Guten Morgen"-Nachrichten beantworten zu können, bevor er in die Arbeit ging.
Das klang als wäre ich ein verliebter Schuljunge, aber ich wollte meinem Ex-Lebensgefährten einen schönen Tag wünschen und freute mich dabei über jedes "Guten Morgen" von ihm.
»Super! Vielen Dank! Du hast was gut bei mir, Simon.« Die Erleichterung war deutlich zu hören und lockte mir ein kleines Lächeln auf die Lippen.
Joni sorgte sich wirklich sehr um seinen Hund.
Der Gedanke an einen eigenen Hund keimte wieder auf. Wahrscheinlich würde ich ihm gegenüber dann genauso fühlen, wie Joni Cricket gegenüber.
Konnte man die Liebe zu einem Hund mit der Liebe zu einem Kind vergleichen?
Könnte ein Hund diese Lücke, erst jetzt realisierte ich wie groß diese Lücke war, füllen?
Ich brummte ein zustimmendes »Mhm.« und lächelte still in mich hinein.
Insgeheim freute ich mich jetzt doch irgendwie auf den Hund.
Außerdem würde mir etwas Zeitvertreib neben dem Sport ganz gut tun?
»Simon? Ich weiß, ich bin wahrscheinlich nicht in der Position Fragen zu stellen..., aber wie geht es dir?«, fragte Joni vorsichtig nach.
Ich konnte nur schwer ein Seufzen unterdrücken.
»Es ging schon besser.«, antwortete ich dann wage und verabschiedete mich gleich von ihm, ehe er noch etwas sagen konnte.
Ich legte auf und schmiss mein Handy aufs Bett.
»Wie geht es dir?«, äffte ich Jonis Frage nach.
Ich hasse diese Frage.
Wie sollte es mir schon gehen?
Super, natürlich.
Die Liebe meines Lebens ist mir nur fremd gegangen. Sonst ist nichts. Danke der Nachfrage.
Ich machte ein abwertendes Geräusch und stieg dann endlich in die Dusche.
Als ich nach entspannten Minuten wieder ins Schlafzimmer trat, sah ich gerade noch meinen Handybildschirm aufleuchten, ehe er wieder abdunkelte - jemand hatte mir eine Nachricht geschrieben.
Bevor ich sie jedoch las, zog ich mir bequeme Sachen an und machte mich auf den Weg in die Küche um meine Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben.
Erst dann nahm ich mein Handy zur Hand.
Hey Mon. Ich mache mich jetzt auf den Weg zum Essen. Ich weiß nicht, wann ich zurückkomme, aber ich würde dich dann anrufen, wenn du noch wach bist. ❤️
Das Timo an mich dachte und trotz seinem Essen noch plante mich abends anzurufen, lockte ein kleines Lächeln auf meine Lippen.
Das bedeutete ja, dass er wohl gleich nach dem Essen nach Hause kommen würde um mich anzurufen. Dann hatte er keine Zeit sich mit jemandem Fremden zu beglücken.
Ein ungemeines Glücksgefühl erfüllte meinen Körper und mit neuer Energie freute ich mich auf meine Pizza und auf Timos Anruf.
- - - -
Es war schon kurz vor Mitternacht und ich bereits im Bett als mein Handy doch noch klingelte.
Ehrlich gesagt hatte ich nicht mehr mit Timos Anruf gerechnet, immerhin war ich nicht davon ausgegangen, dass es bei einem einfachen Essen, das um 18 Uhr losgegangen war, so spät werden würde.
Es hatte mich mitgenommen und auch irgendwo verletzt und auch, wenn ich versucht hatte mir einzureden, dass es nicht weiter schlimm war, konnte ich nur schwer die vereinzelten Tränen zurückhalten.
Ich hatte andauernd das Bild von Timo mit einem anderen Mann im Kopf. Wie sie sich küssten, sich berührten, gegenseitig auszogen. Ich bekam die Bilder nicht aus meinen Kopf und auch nur deswegen war ich überhaupt noch wach.
Meine Hände zitterten als ich den Fernseher auf stumm stellte und den Anruf zögernd annahm.
»Hallo?«
»Hallo Simon. Puh, ich dachte, du schläfst schon. Tut mir wirklich leid, dass es so spät geworden ist. Habe ich dich geweckt?«
»Nein, alles gut.«, antwortete ich vielleicht etwas zu knapp, denn Timo am anderen Ende wurde kurz still.
»Sicher? Das hört sich nicht so an?«, fragte er dann zögerlich nach und ich hörte, wie im Hintergrund Türen geschlossen wurden.
»Bist du gerade erst heimgekommen?«, stellte ich eine andere Frage und hoffte, dass er damit seine Frage fallen ließ.
Meine Gedankengänge kamen mir schon wieder dumm vor.
»Ja. Ich habe dich gleich angerufen als ich aus dem Auto gestiegen bin.«, antwortete Timo ehrlich und ich hörte unverkennbar unsere Badtür, die schon seit Anfang an leise quietschte. »Also, was ist los, Simon?«
Ich seufzte leise. War ja klar, dass er es nicht fallen ließ.
»Egal, ich... ach, egal.«, murrte ich und ärgerte mich automatisch wieder über meine eigene Unschlüssigkeit. Sollte ich etwas sagen? Wie würde er es aufnehmen? Würde er sich darüber lustig machen? Wäre er vielleicht verletzt?
Am anderen Ende blieb es still, so als wollte Timo mir noch etwas Bedenkzeit geben, was mich aber als zum seufzen brachte.
»Ich habe Angst, dass du deine Freiheit ausnutzt.«, murmelte ich schlussendlich leise und biss mir danach fest auf die Zunge.
»Dass ich mit anderen Männern schlafe, weil wir getrennt sind?«, fragte Timo nach einigen weiteren Augenblicken Stille nach.
»Ja.«
»Darüber brauchst du dir wirklich keinen Kopf machen, Simon. Wirklich nicht. Ich werde keinen anderen Mann anfassen oder auch nur daran denken. Hörst du? Das werde ich nie wieder machen.« Seine Stimme klang kräftig und stark und versicherte mir damit, dass er die Wahrheit sagte.
»Okay.«, antwortete ich leise, während sich ein zufriedenes Lächeln auf meine Lippen schlich.
Timo würde zu keinem anderen Mann gehen. Ich glaubte ihm.
Ich vertraute ihm.
»Was hältst du davon, wenn ich schnell in die Dusche hüpfe und dich danach gleich wieder anrufe?«, fragte Timo und klang dabei leicht verunsichert.
Verunsichert?
Hatte er Angst, dass ich nicht mehr mit ihm telefonieren wollte, wenn er jetzt auflegte?
»Vielleicht per Videoanruf?«, hing er etwas leiser und deutlich unsicherer hinterher. »Ich würde dich gerne wieder sehen.«
»Ich sehe heute nicht gut aus.«, murmelte ich und fuhr mir gleichzeitig durch dir wirren Haare.
Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht sie zu stylen oder bloß zu kämmen. Spätestens morgen früh musste ich ohnehin wieder irgendwas damit machen, da sie morgens immer katastrophal aussahen.
Meinen Bart hatte ich auch schon etwas vernachlässigt. Ich hatte Urlaub und niemand außer Roman und seiner Frau mussten mich sehen, weshalb es mir auch egal war, wenn mein eher mangelhaft dichter Bart mal etwas länger war.
Dass Timo mich allerdings so sehen würde, versetzte mich unterbewusst in Stress.
Was wenn er plötzlich realisierte, dass es schönere Männer gab? Dass ich es überhaupt nicht wert war?
Er hatte schon einmal gesagt, dass ich nicht so hübsch war. Was also sollte seine Meinung ändern?
Mein momentanes Erscheinungsbild sicher nicht.
»Bullshit. Ich ruf dich in zehn Minuten per Videochat an, Mon.« Damit legte er auf.
Die nächsten zehn Minuten verbrachte ich damit, zu hadern, ob ich mich nicht noch schnell rasieren sollte, bevor er wieder anrief.
Bis ich jedoch für und wider abgewogen hatte, klingelte mein Telefon bereits.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals als ich den Videoanruf entgehen nahm und als Timo mich dann breit anlächelte, dachte ich mein Herz bleibt stehen.
Meine Augen begannen wieder verdächtig zu brennen als ich meinen Exfreund sah und am liebsten wäre ich sofort zu ihm gerannt und wäre ihm in die Arme gefallen.
»Gott, es ist so schön dich wieder zu sehen.«, murmelte Timo und ließ sich auf unser Bett fallen. Das zufriedene Grinsen weiterhin auf den Lippen.
Dass er noch Oberkörper frei war, fiel mir positiv auf und erst da realisierte ich, dass auch ich oben ohne war und das lediglich von der Bettdecke überdeckt wurde.
»Dito.«, lächelte ich und musterte seine schönen Gesichtszüge.
Timo war so ein schöner Mann.
»Dein Bart ist immer noch so ein Flickenteppich wie früher.«, schmunzelte mein gegenüber und brachte mich damit zum lachen.
»Daran wird sich auch nichts mehr ändern.«, antwortete ich lächelnd. »Selbst Opa hat kahle Stellen im Bart.«
»Du siehst trotzdem super aus, Simon.« Timo lächelte mir vertraut entgegen. »Das hätte ich dir viel öfter sagen müssen.«, hing er leise hinterher und wand kurz den Blick von mir ab.
Kurz kam eine seltsame Stimmung auf, weil ich nicht ganz wusste, was ich darauf antworten sollte, bis Timo sich leise räusperte.
»Erzähl mir von deinem Tag.«, lächelte er und zog sich die Bettdecke über den Körper.
Mit einem kleinen Lächeln konnte ich glücklich feststellen, dass Timo auf meiner Bettseite lag.
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