|| Kapitel 45 ||
|| Kapitel 45 ||
- May -
Ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Momentan einfach vor allem. Die ganze Werkstatt ging mir auf dem Keks, der ganze Haushalt ging mir auf den Keks, dass mein Mann momentan wieder Stress beim BVB hat und es an mir auflässt, das geht mir auch auf dem Keks. Selbst meine kleine Tochter ging mir mit ihrer aufmüpfigen und nervigen Art auf den Keks. Sie hatte gerade ihre Phase, wo sie alles ausprobierte, was sich im negativen Sinn ausartete. Dementsprechend baute sie nur noch Mist. Sei es im Kindergarten, wo sie ihre Kameraden verprügelt, oder zu Hause, wo sie Mina, Marco und mir auf dem Kopf herumtanzte. Ich dachte, dass sie ein bisschen entspannter zurückkommt, wenn sie bei ihren großen Bruder war. Aber die war nur noch schlimmer.
"Mama, spielen!", kreischte Aleyna schon seit einer Stunde herum. Mein Kopf dröhnte, als ob dort Atombombentests ausgeführt und eine Baustelle war. Ich hatte ihr zig mal erklärt, dass ich nicht kann, da ich die Abrechnung vom letzten Monat am machen war.
Aber jedes Mal, wenn sie nach mir schrie, musste ich wieder von vorne anfangen.
"Aleyna, gleich!", rief ich genervt zurück. "Du kannst mir ja gaaanz viel kochen."
Und mich für einen kurzen Augenblick einfach mal in Ruhe lassen. Ich wollte Aleyna schon bei ihren Großeltern abschieben, aber die hatten heute einfach keinen Bock auf ihre Enkelkinder. Da waren die mal wieder sehr direkt. Und sogar noch direkter. Es war Anfangs des Monats und da hat die Rente endlich mal wieder für eine neue Packung blauer Wunderpillen für Opa gereicht.
Nachdem ich die Zwischenrechnungen gemacht hatte, wollte ich gerade alles zusammenrechnen, als mein Handy aufklingelte. Genervt starrte ich das Ding an und blickte auf den Bildschirm. Es war Melanie gewesen, die anscheinend auch noch meine Nerven und Geduld missbrauchen möchte. Ich nahm das Gespräch an und stellte auf Lautsprecher, nachdem ich weiter herumgemotzt hatte.
"Reus", sagte ich.
"Aus dem falschen Loch gekackt?", fragte Mel mich.
"Alles okay. Was kann ich für dich tun?", stellte ich die Gegenfrage und haute mir immer wieder den Kugelschreiber an die Stirn. Mir scheißegal, ob ich jetzt zig blaue Striche auf der Stirn hatte. Mir war, wie ich bereits erwähnt habe alles gerade egal.
"Folgendes Problem", fing Meli an. "Ich hab heute ein Vorstellungsgespräch und naja, da Mia Hausarrest hat und Oma und Opa auf Potenzpillen durch die Lüfte des Koitus schweben, kannst du bitte ein Auge auf deine Nichte werfen."
"Nee."
"Wie nee?"
"Ich hab selbst zu tun. Also nee."
"Du hast doch aus dem falschen Loch gekackt."
"Hab ich nicht", zischte ich und versuchte ruhig zu bleiben.
"Du bist mir aber noch etwas schuldig."
"Melanie", fing ich an. "Ich kann nicht. Tut mir leid."
"Uhm, okay. Aber..."
Da klingelte es an der Tür. Ich stand mit dem Handy in der Hand auf und ging zur Haustür die ich aufriss.
"Bitte", sagte Melanie, die mit Mina vor mir stand.
"Ist das dein Ernst?", fragte ich und legte auf. "Ich kann heute wirklich nicht. Ich muss den Haushalt machen und die Abrechnung schreiben und sonstigen Kram. Das geht echt nicht."
"Tja, dann musst du mir doch vertrauen", sagte Mia und wandte zum Gehen an. Doch ihre Mutter zog sie zurück.
"May", sagte Melanie nur.
"Nein."
Und für das hätte ich Melanie jetzt eine verpassen können. Sie schubste Mia in meine Arme und flüchtete in Richtung ihres Wagens, um mit quietschenden Reifen wegzufahren.
"Die ist verrückt", sagte ich.
"Ja, kannst du Mittag machen? Mama hat es nicht geschafft, Essen zu machen."
"Nein, kann ich nicht", sagte ich und dann viel mir eine kleine Idee ein. "Wieso gehst du nicht mit Aleyna nach McDonalds. Sie freut sich immer über das Kinderparadies."
"Boah, Tante May. Mecces ist uncool. Nach Burger King ist cool."
"Zu."
"Nee, hat offen", sagte Mia. "Klar, mache ich was mit ihr. Hab schon lange nichts mehr mit ihr gemacht."
Die Freude wird dir bei deiner Cousine noch vergehen und wie sie dir vergehen wird.
"Aleyna, deine Cousine ist da und geht mir dir was Leckeres essen!", rief Mia.
Ich machte die Tür zu und lauschte. Das hier war viel zu ruhig. Viel zu viel ruhig.
Ich hoffte nur, dass Aleyna nichts angestellt hatte, sonst bin ich für heute für nichts mehr zu gebrauchen.
"Aleyna?", rief ich und ging die Treppen nach oben.
Und schon im Flur sah ich das absolute Chaos, als ich Hüfttief im Badeschaum stand, welches sich durch die Badezimmertür quetschte.
"Einfach schwimmen, schwimmen, einfach schwimmen", summte Aleyna vor sich hin.
"Ich glaub mein Schwein pfeift aus dem letzten Loch!", sagte ich und kämpfte mich durch den Schaum durch. Und da sah ich meine Tochter. Sie hatte einen meiner BH's auf ihren Kopf, trug eine Boxershorts von Marco als Einteiler und hatte sich auch noch seine VR-Brille aus Taucherbrille aufgesetzt. Oh nein! Die Brille war hin. Aleyna setzte sich auf den Rand der Badewanne, nachdem sie den Schaum weggeschlagen hatte und zählte bis fünf.
"Eins, zwei, fünf", sagte sie und dann ließ sie sich Rückwärts ins Wasser fallen. "Ah, da is Nemo!"
Auch wenn das ganze Badezimmer vermutlich auch noch mit Wasser geflutet war... was sollte ich machen? Das Kind hörte eh nicht mehr auf mich. Ich ließ mich an der Wand lehnten den Boden runter rutschen und seufzte, als ich die neuen Beats-Kopfhörer von Mina auf dem nassen Boden liegen sah. Ich ließ die Kopfhörer wieder fallen und nickte nur. War das hier die Hölle?
"Junge, was ist denn hier los?", hörte ich Mia fragen. "Oh mein Gott."
Sie blieb an der Tür stehen und blickte vom Chaos, zu Aleyna und dann zu mir. "May?"
"Jo?"
"Willst du da nichts machen?", fragte sie mich.
"Nö."
"Sie benutzt gerade einen roten Ordner mit irgendwelchen Unterlagen als Surf..."
"Sind nur die Abrechnungen meiner Werkstatt der letzten fünf Jahre..."
Der Ordner der eben noch unten in der Küche lag!
Aleyna rutschte vom Ordner weg und kicherte nur, als sie wieder im Wasser lag.
"Mami, guck, hab Nemo gefind!", rief sie mir rüber und ließ die VR-Brille von Marco in die Wanne fallen.
Ich stand auf, rutschte über den nassen Boden und schlug den ganzen Schaum weg. Dann haute ich auf den Wasserhahn, damit das Wasser ausging und schnappte mir die kreischende Aleyna. Mia reichte mir ein Handtuch, in dem ich Aleyna einwickelte und sie ins Zimmer trug, wo sie erstmal eine Ansage kassierte und ich von ihr mit ihrer kleinen Hand übers Gesicht.
"Aleyna, benimm dich gefälligst, oder ich stecke ich dich in ein Heim irgendwo in Gelsenkirchen."
Sie kreischte und schlug um sich. "Nicht Käsekuchen. Nein!"
Ich hielt die Kleine an den Handgelenken fest und blickte sie warnend an. "Ich hab gesagt, dass es reicht, Fräulein Schnürrschhuh. Ich bin deine Mutter."
"Nö."
"Doch, ob du es willst oder nicht. Ich glaub ich spinne. Was ist los mit dir? Wieso tanzt du Mama so auf der Nase herum?"
"Mag dich nicht."
"Ich dich auch nicht", gab ich zurück und trocknete Aleyna weiter ab. Dann zog ihr frische Klamotten an. "Jetzt nur noch Haare föhnen und dann lass ich dich auch schon in Ruhe."
"Plolizei, hilfe!", kreischte Aleyna und lief einfach aus das Zimmer.
Ich kann nicht mehr. Ich kann einfach nicht mehr mit dieser Göre.
Während ich Aleynas Chaos wegräumte, ließ sie sich von ihrer Cousine weiter fertig machen.
"Mama, gehe Burger King, kriegst nichts!", rief sie mir die ganze Zeit rüber.
"Du auch nichts zu Weihnachten!", rief ich ihr aus dem Badezimmer zurück.
Und dann ging es schon wieder los. Sie schrie wie am Spieß und beleidigte mich, dass ich dumm bin und alles. Normalerweise lässt mich ja so was kalt. Aber wenn dir dein eigenes Kind so blöd kommt, da kann man einfach nicht mehr.
Dementsprechend war ich für den Rest des Tages bedient. Während Aleyna und Mia weg waren hing ich heulend über den unbrauchbaren und nassen Abrechnungen.
"Mama, du hast mich vergessen...", sagte Mina und kam in die Küche, nachdem zwei Minuten zuvor, die Haustür zu ging und Sachen durch den Flur flogen.
"Wow, hast du so viel geweint?", fragte sie mich und hob die nassen Zettel hoch, die so aufgeweicht waren, dass sie einrissen.
"Nö", sagte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. "Deine Schwester hat den Ordner als Surfbrett missbraucht und... ich kauf dir neue Beatskopfhörer. Genau wie die neue VR-Brille deines Vaters."
"Was hat sie getan?", fragte Mina mich und riss die Augen auf.
"Das ganze Badezimmer oben unter Wasser und Schaum gesetzt."
"Hast du sie in einem Heim in Gelsenkirchen ausgesetzt, oder wo ist die?" Mina setzte sich neben mich und seufzte nur.
"Mit Mia unterwegs", sagte ich. "Endlich mal Ruhe. Du siehst ja selber wie der Satansbraten in letzter Zeit ist."
"Das muss doch aber einen Grund haben." Mina grübelte und starrte die Decke an. "Mich macht sie im Gegensatz zu Papa und dir nicht so an. Soll ich mal mit der Kleinen reden?"
"Wenn das was bringt. Und du bist nicht sauer, wegen deinen Kopfhörern?"
"Nein, ich hab mir die von Kane geliehen. Von daher sind es nicht mal meine."
"Na prima. Sorry, dass ich dich vergessen habe."
"Schon okay. Du siehst aus, als hättest du eine schlimme Allergie. Gut, dass du nicht Auto gefahren bist. Hast du davon noch Unterlagen im Computer gespeichert?"
"Auf der Arbeit, irgendwo."
"Dann druck das aus."
"Ausdrucken ist einfacher gesagt, als getan. Ich muss von den letzten fünf Jahren alles ausrechnen. Und das bis Freitag, da das Finanzamt das haben will."
"Ruf doch unseren Mathegenie an."
"Der Kane liegt doch mit Magen und Darm krank", winkte ich ab.
"Du fahre auf die Arbeit und druck das alles noch mal aus und dann versuche ich dir zu helfen."
"Musst du nicht."
"Mama, du bist alleinige Chefin von dem Laden und es war klar, dass dir irgendwann die Decke auf den Kopf fällt. Stell doch jemanden als Co-Chef ein, der dir unter die Arme greift."
"Ich kann und will nicht mit einen fremden meine Existenz führen."
"Was ist mit deinen Mechanikern?"
"Ganz ehrlich: zum schrauben sind die Jungs spitze, aber zum Chef sein nicht."
"Hm", machte Mina. "Wir finden da schon eine Lösung. Aber jetzt gehe ich erstmal mit Pua raus."
"Ach, wir haben ja noch einen Hund."
"Ja, den haben wir. 15 Uhr ist Hundezeit."
"Oder Ömer-Zeit", nuschelte ich.
"Was?", fragte Mina mich und kam zurück in die Küche.
"Was?", stellte ich die Gegenfrage und blickte meine Tochter an.
"Ich könnte schwören, dass du Ömer erwähnt hast", sagte sie und kniff ihre Augen leicht zusammen.
"Nein, hab ich nicht. Wieso hörst du Ömer raus?" Ich stellte mich extra dumm. Klar, hat mir Marco von seinem Verdacht erzählt, dass Mina vermutlich in Ömer verknallt war.
"Hat sich so angehört", rechtfertigte Mina sich mehr oder weniger und rief nach Pua, die aus dem Wohnzimmer gelaufen kam. "Bis gleich, Mama."
"Bis gleich", sagte ich und blickte wieder auf die Unterlagen. Dann ließ ich meinen Kopf drauf fallen und seufzte nur.
Als es an der Tür klingelte, dachte ich, dass Mina etwas vergessen hatte. Aber als ich in das unbekannte Gesicht vor mir blickte, runzelte ich nur die Stirn.
"Katzenhaarallergie?", fragte mich die dickliche und rothaarige Frau mittleren Alters.
"Nur ein paar Tränen die der Teufel höchstpersönlich ausgelöst hat."
"Ich dachte schon, die Zwiebel Ninjas, sind da", lachte sie.
"Jaaa", machte ich. "Wer sind Sie noch gleich. Ich habe Ihren Namen nicht gehört."
"Liegt daran, dass ich meinen Namen nicht gesagt habe."
"Okay."
"Sollte ich mich vorstellen?", fragte sie mich.
"Ja", nickte ich.
"Mein Name ist Bertha. Ihr Mann hat mich als neue Putze eingestellt."
"Ehrlich jetzt?", fragte ich.
"Besser als eine kriminelle, asoziale oder ein junges Ding, welches die Ehe gefährden könnte- was ich auch könnte, wenn ich wollte. Aber ich trenne Arbeit und Vergnügen."
"Aha. Okay."
"Sogesehen bin ich eine Überraschung."
"Fühlt sich auch so an."
"Darf ich reinkommen? Ich bin Bertha die Putzfee und nicht Gonzales der Gärtner."
"Klar." Ich trat bei Seite, um Bertha einzulassen.
"Obwohl", meinte sie. "Ich hab mal einen Tag ein Enthaarungsworkshop besucht. Da musst du genauso stutzen wie ein Gärtner es tut. Und als Gärtner hast du es mit normalen Ratten zu tun und keine Sackratten, oder einen derben und fauligen Geruch von Fisch und Käse."
"Okay?", fragte ich.
"Vagina-Fisch-Geruch und Eichelkäse-Duft?", fragte Bertha mich. "Auf welchem Planeten lebst du?"
"Das weiß ich gerade nicht", sagte ich.
"Ich hab schon mal für Ihren Mann gearbeitet, da war er mit dieser Caro zusammen. Ich hab das Weib gehasst. Die hat mich behandelt wie eine Abtrünnige. Hab ihr dann immer schön in den Kaffee gespuckt."
"Sie sind eingestellt", sagte ich.
"Weiß ich doch", nickte Bertha und klopfte mir auf die Schulter. "Zeigen Sie mir alles."
"Wir können uns duzen."
"Bertha."
"May"
"Weiß ich."
"Weiß ich auch. Dann folg mir mal."
"Alles klärchen."
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