16
Lockhart war ein furchtbarer Lehrer in Verteidigung gegen die Dunklen Künste gewesen, Lupin ein sehr guter. Professor Moody war... speziell. Wie er schon unter Beweis gestellt hatte, als er Malfoy in ein Frettchen verwandelt hatte, kümmerte er sich nicht um die Meinung anderer. Sei es um McGonagalls Hausregeln, sei es um den allgemeinen Lehrplan.
„Professor Lupin mag euch - im Hinblick auf magische Kreaturen, Grindelohs, Rotkappen und Irrwichte - ausgebildet haben, aber im Bereich der Flüche", das magische Auge, das die ganze Zeit über ziellos in seiner Höhle herum geirrt war stand plötzlich starr auf sie gerichtet, „aber im Bereich der Flüche seid ihr vor allem eins..." Moody holte tief Luft, dann hielt er binnen Sekunden seinen Zauberstab in der Hand und bevor auch nur jemand geblinzelt hatte, zerbarst das hohe Glasfenster hinter Dean Thomas mit einem lautem Knall in tausend Scherben.
„Unglaublich LANGSAM!"
Dean Thomas wimmerte erschrocken auf und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, aber da hatte Moody das Fenster schon mit einem weiteren Zauberstabschlenker zusammen gefügt.
Einen Augenblick lang war es still, der Klassenraum erfüllt vom gleichmäßigen Ausatmen der angestauten Luft und obwohl sie Verteidigung gegen die dunklen Künste in der ersten Stunde hatten, sah selbst Ron auf einmal wach aus.
„Also wenn ich euch nun etwas über magische Flüche erzähle", startete Moody und verschränkte die Arme hinter dem Rücken während er die Bankreihen durchquerte, „und ja, meine Damen und Herren - Miss Granger ich rede nicht mit Ihnen - jetzt wäre ein guter Zeitpunkt um Pergament und Feder zum Mitschreiben zu zücken, „wenn ich euch heute etwas über magische Flüche erzähle, dann geht es zuerst um Schnelligkeit."
Alle bis auf Hermine kramten in ihren Taschen und Rucksäcken nach Feder und Pergament, Lily fand einen halbwegs unzerknitterten Fetzen und strich ihn glatt.
„Mr. Finngean", Moody drehte sich um seine eigene Achse und stand plötzlich so sah vor Seamus Tisch, dass dieser erschrocken zurückwich, „wie viele Sekunden Vorsprung verschafft sich ein fähiger Zauberer idealerweise?"
Seamus Augen weiteten sich. „Ich, ich-" Moody brachte ihn mit einem Kopfschütteln zum Schweigen. „Schätzen Sie, na los!" „Eine", brachte Seamus schließlich hervor. Moody sah ihn bedauernd an.
„Einem fähigen Zauberer würde eine Sekunde genügen, in der Tat. Aber wie viel verschafft er sich?"
Er fragte noch mehr Leute, bis fast die gesamte Klasse irgendeine Zahl genannt hatte. Schließlich war es nicht Hermine, sondern Harry, der gegen Ende die richtige Antwort gab: „Unendlich, Sir", sagte er knapp und alle Köpfe drehten sich zu ihm hin.
Moody nickte langsam. „Erläutern Sie ihre Antwort, Mr. Potter." Harry zögerte. „Nur Mut, nur Mut, Sie haben Recht." Perplex räusperte Harry sich. „Die besten Chancen hat man doch, wenn man seinen Gegner unvorbereitet trifft", stellte er nüchtern fest und Hermine ließ ihre Hand langsam zurück auf den Tisch sinken.
Moody nickte wieder. „Na los, aufschreiben, aufschreiben", fuhr er sie an, danach war es das Klingeln zum Stundenende, dass das Kratzen ihrer Federn auf dem Pergament unterbrach.
Aber das plötzliche Zersprengen von Fensterglasscheiben war noch harmlos dem gegenüber, was Moody sonst noch für sie in petto hatte: Die Unverzeihlichen Flüche.
Lily saß in einer der vorderen Reihen am Rand neben Neville und während sie Professor Moody reden hörte, konnte sie nicht anders, als ihn mit Sev zu vergleichen.
Irgendetwas war es, in Moodys Ausstrahlung. Dasselbe Gefühl, das sie in den engen Gassen in Albaniens Hauptstadt überkommen war. Er war fasziniert von den dunklen Künsten, er verehrte sie auf eine Art und Weise, er liebte die Kontrolle, die Macht und das Gefühl-
„Miss Hollow, bleiben Sie bei uns?"
Professor Moody stand vor ihr, eine große Spinne ruhte auf seinem Handteller. Beide seiner Augen waren auf Lily gerichtet. Alles an ihrer Haltung verriet, dass sie im Stande gewesen war aufzustehen. Langsam rutschte sie auf ihrem Stuhl zurück und legte die Hände gefaltet in ihren Schoß.
Moody senkte zufrieden seinen Kopf und wandte sich wieder zur Klasse. Trotzdem hatte Lily in seinem Rücken das Gefühl, dass eines seiner Augen immer noch auf sie gerichtet blieb. In einer seiner ersten Stunden hatte Moody sich verstohlen darüber lustig gemacht, wie es denn möglich sei, dass sie eine Stufe übersprungen hatte und spätestens seitdem kam es ihr so vor, als hätte Moody sie auf dem Kieker.
Die meisten anderen jedoch schienen Lilys Unbehagen im Bezug auf Moody nicht zu teilen. Wenn er, so wie heute, über die Unverzeihlichen Flüche sprach und hier und da eine seiner Geschichten als Auror einfließen ließ, dann hing die gesamte Klasse an seinen Lippen.
Natürlich abgesehen davon, dass Ron sich vor den Spinnen ekelte, die Moody zu Demonstrationszwecken mitgenommen hatte, wie Lily langsam klar wurde. Lily ließ ihren Blick über die Köpfe der anderen hinweg schweifen. Seamus war es in der zweiten Stunde Zaubertränke nach den Ferien tatsächlich wieder gelungen, sich die Haarspitzen zu verkohlen. Sev hatte ihm so viele Punkte abgezogen, dass Neville am anderen Ende des Klassenraums nervös geworden war und seinen Trank in eine zähe nach Schweiß stinkende Masse verwandelt hatte.
Auch jetzt wirkte Neville irgendwie nervös. Er saß vor Lily und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Lily nahm Moodys Gerde über die Unverzeihlichen Flüche kaum noch wahr. Hermine meldete sich, sagte ebenfalls etwas. Lily starrte auf Nevilles Hinterkopf. Bildete sie es sich nur ein, oder schien er ein wenig zu zittern, nur ein klein wenig zu beben?
Nevilles Hände umklammerten die Tischplatte, Lily spürte, wie sich seine Rastlosigkeit auf sie übertrug. Ihre Gedanken rasten, sie wusste noch nicht mal um welches Thema. Ihr Herz schlug schneller, sie musste schlucken und blinzelte, um sich zu konzentrieren.
„Wer von Ihnen kann mir etwas über den zweiten unverzeihlichen Fluch erzählen?"
Moody schritt durch die Stuhlreihen, Lily achtete auf das Geräusch, das seine Schuhe auf den Dielen verursachten. Ein leises Knarren, ein Glucksen der Flüssigkeit, die Moody in einem Flachmann bei sich trug. Ein Arm, der sich vor ihr in die Luft hob. Neville.
Moody war nicht der einzige, dessen Augenbrauen in die Höhe wanderten. „Ja, Mr., Mr...?" Neville räusperte sich. „Longbottom, Sir." „Nun gut, Mr. Longbottom." Sein vernarbtes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, die wohl ein aufmunterndes Lächeln darstellen sollte. „Erzählen Sie uns vom zweiten unverzeihlichen Fluch."
„Der zweite", begann Neville stockend und senkte den Kopf unter all den Blicken, die plötzlich starrend auf ihm lasteten. „Der zweite unverzeihliche Fluch ist- ist- dder", er schluckte und hob den Kopf, „ist der Cruciatus-Fluch." Moody wurde ernst. „Der Cruciatus-Fluch", wiederholte er leise und richtete seinen Zauberstab auf die Spinne, die vor ihm über das Lehrerpult krabbelte.
Er musste unsagbare Zauber anwenden, jedenfalls wuchs die Spinne auf ein vielfaches ihrer Größe an, ohne, dass Moody auch nur ein Wort gesprochen hatte. Lily beobachtete Ron, der etwas grün im Gesicht schien.
Aber auch sie selbst bemerkte ein flaues Gefühl in der Magengrube, das nichts mit der Größe der Spinne zutun hatte. „Sie dürfen diese Zauber nicht verwenden, Sir", hörte sie sich plötzlich sagen, im selben Moment, wie auch Neville den Mund öffnete, ohne einen Ton hervor zu bringen.
Moody ließ die Spinne einige Zentimeter über der Tischplatte schweben. „Weder das Ministerium noch Dumbledore schätzen das Erlernen der unverzeihlichen Flüche." Die Spinne zuckte. „Aber zumindest Dumbledore ist sich sicher, dass ihr sie kennen müsst."
Lilys Bein begann zu zittern, sie ärgerte sich immer wieder mit ihm herum und fragte sich, ob Madam Pomfrey damals, als Oliver Wood es hier weggehext hatte, einen Fehler beim Anwachsen passiert war.
Dann, plötzlich und ohne Vorwarnung vollführte Moody eine stechende Bewegung in Richtung der Spinne. „Crucio!", schrie er und seine Stimme ließ Lily das Blut in den Adern gefrieren.
„Mum?" Er traute sich nicht, auf die Frau zuzugehen. Ihr Gesicht war so schmal, ihr Körper wirkte so zerbrechlich. „Dad?" Er machte ein paar Schritte auf den hageren Mann zu. Eine warme knöcherne Hand legte sich auf seine Schulter. Er sah zu seiner Großmutter hoch. Ihre Finger bohrten sich fest in seine Haut.
„Sie haben dich sehr geliebt, Schatz. Und ich bin mir sicher, dass sie dich irgendwo, ganz tief im Innern erkennen und sich an dich erinnern." Er schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. Seine Augen brannten.
Die wand sich lautlos unter Moodys Zauberstab. Sie verrenkte sich, ihre Beine zitterten und verdrehten sich ineinander. Hätte die Spinne eine Stimme gehabt, hätte sie geschrien.
Er ließ seine Hand in die Hosentasche gleiten. „Mum? Hier, schau mal." Er nahm sie wieder hervor und streckte seiner Mutter ein in Papier eingewickeltes Bonbon entgegen. „Das schmeckt ganz süß."
Er traute sich, näher zu treten. Die Fingerspitzen der Frau waren weich wie Federn, als sie seine Handflächen berührten um das Bonbon entgegen zunehmen.
Warum starb die Spinne nicht? Konnte sie nicht einfach sterben?
Es war dunkel um sie herum, auf einem kleinen Tisch standen zwei einsame Kerzen. „Geht es ihnen gut?" Seine Stimme, kaum zu hören. „Ich weiß es nicht." Ein Kopfschütteln. „Aber sie haben dich geliebt, aus tiefstem Herzen geliebt, Neville."
Lilys Kopf landete mit einem dumpfen Schlag auf der Tischplatte, im selben Augenblick sank die Spinne benommen zu Boden.
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