14
Die Idylle, die Lily mit Jasper in der Krone des Königsbaums verspürt hatte, war jedoch nur von kurzer Dauer und endete mit dem Eintreffen der Posteulen.
Rita Kimmkorns neuster Artikel entrüstete sich in ungekannter Boshaftigkeit gegen „Arnold Weasley". Als Hillary mit steinerner Miene Ginny ihre Ausgabe des Tagespropheten reichte, wurde sie ganz blass unter ihren Sommersprossen.
„Ekelhaft, einfach nur ekelhaft", sagte sie und reichte ihre Schüssel Cornflakes wortlos an Madison weiter. Anscheinend war ihr der Appetit vergangen. Madison nahm die Schale dankend an, betrachtete Ginny aber mit einem warnenden Blick.
Sie bemerkten erst hinterher, dass Ginny im Vergleich zu ihren Brüdern noch äußerst besonnen reagiert hatte. Fred sagte man nach, er habe mit dem Buttermesser eine neue Kerbe im Haustisch der Gryffindors hinterlassen und auch Ron wirkte mehr als missmutig.
Was auch daran, lag, dass Draco keine freie Minute verschwendete, um den Artikel zu zitieren und interpretieren.
„Das ist einfach nur widerlich, beeindruckend, dass du mit dem überhaupt in einem Schlafsaal schlafen kannst", rutschte es Lily heraus, als sie am Abend Jasper in der Eingangshalle über den Weg lief. Jasper seufzte. „Hatten wir diese Diskussion nicht schon hundertmal in verschiedenen Varianten? Das ist Draco, so ist er eben. Und ja, ich finde das auch ätzend." Lily verzog das Gesicht und wollte zum nächsten Argument ansetzen, als Ron und Harry dicht gefolgt von Hermine ebenfalls die Halle betraten.
„Ich bin dann mal weg", verabschiedete Jasper sich hastig, aber noch bevor er einen Fuß in die Große Halle setzen konnte, trat ihm auch schon Malfoy entgegen. Lily schloss die Augen und wünschte sich an einen anderen Ort.
„Ach wen haben wir denn hier", begann Malfoy mit schleppender Stimme. „Den Sohn des berühmten Arnold Weasley. Was für eine schlechte Arbeit der im Ministerium leisten muss, wenn man noch nicht mal seinen richtigen Namen kennt. Liegt es daran, dass du dir schon wieder keinen vernünftigen Umhang leisten konntest, Weasley? Jemandem, der sich mit der Muggelpolizei prügelt, würde ich auch nicht vernünftig bezahlen, da haben sie schon recht."
Rons Miene erstarrte, Jasper verschmolz mit der steinernen Wand in seinem Rücken. „Halt den Mund, Malfoy", sagte Hermine giftig und bedachte Malfoy mit einem herabwürdigenden Blick. „Und sich noch dazu von einem halben Muggel verteidigen zu lassen ist mindestens genauso beeindruckend", fuhr Malfoy gehässig fort.
„Dass ihr euch überhaupt die Karten für die Weltmeisterschaft habt leisten können, unglaublich. Aber wären da ein paar Galeonen für Schulbücher, deren Buchrücken noch nicht auseinander fallen, nicht vielleicht angebrachter gewesen?"
Ron schnaubte, Harry hielt ihn mit einer Hand an seiner Schulter davon ab, etwas zurück zu geben. „Niemand interessieren deine Kommentare, armselig, wenn du das brauchst, um dein Selbstbewusstsein oben zu halten", sagte Harry kalt und kehrte ihm mit Ron den Rücken.
In den darauffolgenden Sekunden passierte so viel auf einmal, dass Lily Augen kaum hinterher kamen. Harry, Ron und Hermine passierten das Portal, im selben Moment zückte Malfoy seinen Zauberstab. Jasper entwich ein „lass den Mist, Draco" aber noch bevor Harry, Ron und Hermine sich zu ihnen umdrehen konnten, verwandelte sich Malfoy in ein weißes Frettchen.
Crabbe und Goyle, die als stumme Begleiter hinter Malfoy standen, gaben ein erschrockenes Quieken von sich, dann trat Moody aus dem Schatten der Steinmauern. Mit seinem Zauberstab ließ er das Frettchen in der Luft auf und ab tanzen, die dunklen Knopfaugen irrten im Raum herum. Der schmale Körper wand und drehte sich, ohne eine Möglichkeit zum Entkommen zu finden.
„Ist das- ist das...?", prustete Ron und Hermine, die die Situation als erste verstand, warf Moody einen überraschten Blick zu. Jaspers Augenbrauen wanderten in ungekannte Höhen. „Man", Moody ließ das Frettchen einen Salto in der Luft machen, „verzaubert", das Frettchen stand kopfüber, „keinen Gegner", das Frettchen zuckte, „der einem den Rücken zukehrt", schloss Moody und ließ das Frettchen bis über ihre Köpfe hinweg in die Luft steigen.
„Alastor?"
Professor McGonagalls Stimme hallte durch den Raum. Moody ließ das Frettchen zu Boden sinken. „Ist das etwa ein Schüler?" Ihre Stimme überschlug sich und übersprang in einem Satz mehrere Oktaven. „Hat der Schulleiter Ihnen nicht erklärt, dass Verwandlung niemals aber wirklich niemals zur Erziehung eingesetzt werden dürfen?" Lily konnte McGonagalls Kopf geradezu rauchen sehen.
Ihr Blick schwenkte über die Köpfe der Anwesenden, Jasper duckte sich unter ihm hinweg, Lily war überrascht, dass er nicht abwehrend die Hände hob. „Kommen Sie, Alastor, wir werden das in meinem Büro nochmals gemeinsam besprechen, Sie haben eine kleine Auffrischung nötig", sagte McGonagall würdevoll. Moody seufzte und mit einem Zauberstabschlenker verwandelte sich das Frettchen zurück in Malfoys Gestalt.
Sein weißblondes Haar stand zu allen Seiten ab und er rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht einen Ellenbogen. „Wenn das mein Vater hört, dann können Sie sich auf etwas gefasst machen!", stieß er erhitzt aus. Moody fuhr so schnell herum, dass Malfoy zusammen zuckte.
„Dein Vater, hm", knurrte er. „Lucius ist ein alter Bekannter, würde mich freuen, von dem nochmal etwas zu hören." Moodys rasselndes Lachen war noch lange im Gang zu hören, als er McGonagall zu ihrem Büro folgte.
„Herrlich", bemerkte Ron, als sie zum Gryffindortisch gingen und sich auf die letzen verbleibenden Plätze fallen ließen. „Es ist gut, dass McGongall eingeschritten ist", sagte Hermine leise. „Er hätte sich sonst wirklich verletzen können." Ron verdrehte die Augen, Harry zuckte nur mit den Schultern. „Es war ein wunderbarer Anblick", fügte er hinzu, dann belud er sich seinen Teller mit Schinkenbroten.
Ginny schnaubte. Lily dachte zunächst verwundert, sie teile die Sorge von Hermine um Draco, bis sie Begriff, dass es um etwas anderes ging. „-solltest dich nicht so leicht von ihm provozieren lassen, Ron", wies Ginny ihren Bruder zurecht. „Darauf legt er es doch an und letztendlich führt es zu nichts außer dem Verlust von Hauspunkten."
„Als ob dir die Hauspunkte so wichtig wären", nuschelte Ron zwischen zwei Bissen Abendbrot. „Findest du es etwa in Ordnung, wie er über Dad herzieht?" Ginny hob die Schultern. „Malfoy geht mir sonst wo vorbei, es ist eher diese Kimmkorn, die mir Sorgen bereitet", antwortete sie düster.
Harry nickte zustimmend und anders als sonst versank Ginny nicht in Schamröte, sondern sie schien seinen auf ihr lastenden Blick noch nicht mal wahrzunehmen. Vielleicht war Hermine das auch aufgefallen, jedenfalls war sie es, die auf dem Weg nach oben in den Schlafsaal plötzlich das Thema wechselte.
Hermine, Ginny und Lily waren hinter den anderen zurückgefallen, als Hermine auf einmal stehen blieb. „Du bist über Harry hinweg", stellte sie nüchtern fest. Ginny blieb ebenfalls stehen. „Harry?" Lily verdrehte die Augen. „Ja, na so viele Jungs bei deren Anblick du im Erdboden versunken wärst, gibt es doch nicht, oder?" Ginny schnaubte leise.
„Das freut mich ehrlich, Ginny", sagte Hermine. „Du bist ein viel zu tolles Mädchen, als dass du es verdient hättest, jemandem mit einem gewaltigen Brett vor dem Kopf hinterherzuschauen." Ginny lachte leise. „Danke, Hermine. Aber da ist er absolut nicht der einzige. Ron ist auch zu überhaupt gar nichts zu gebrauchen."
„Ron?", sagte Hermine und Lily glaubte zu hören, wie ihre Stimme leicht höher klang. „Ja, so wie der immer auf Malfoys Sprüche eingehen muss", sagte Ginny genervt und Lily musste sich ein Lachen vekneifen, als sie sah, wie Hermine erleichtert ausatmete.
Im Gemeinschaftsraum angekommen, ließen sie sich in eine der Sitzgruppen vor dem Kamin fallen. „Lily, sag mal erinnerst du dich noch daran, dass ich dich nach Abby gefragt habe? Der Hauselfe, die du kennst?", fragte Hermine, nachdem sie sich eine Weile über belangloses unterhalten hatten.
Lily wandte ihren Blick von den züngelnden Flammen im Kamin ab. „Ja, klar. Warum interessierst du dich so für sie?" Ginny verbarg ein halbes Grinsen, bevor Hermine tief Luft holte. Sie rückte näher zu ihr und senkte geheimnisvoll die Stimme.
„Es ist noch keine beschlossene Sache, ich befinde mich noch in der Planungsphase. Aber ich möchte für die Rechte der Hauselfen eintreten. Es ist so erschreckend, wie ignorant die Zaubererwelt sich gegenüber diesen Missständen zeigt!" Lily nickte vorsichtig. Sie wusste, wie die Arbeitsbedingungen für die Hauselfen aussahen, aber sie wusste auch, dass die meisten, zumindest hier unter Dumbledores Führung, ein zufriedenes Leben führten.
„Ich stehe noch ganz am Anfang und brauche vor allem Informationen und Unterstützung. Ich habe bereits Fred und George gefragt, aber die beiden wollen nicht damit rausrücken, wie man in die Küche gelangt. Also falls du die nächsten Tage Zeit hast... Das ist wirklich ein unterschätztes Thema, ich verstehe überhaupt nicht-"
Lilys Gedanken schweiften ab und sie sah, wie es Ginny ihr gegenüber ähnlich ging. „Was hältst du davon?", fragte Lily sie, als sie sich nach einer Weile gemeinsam auf den Weg in den Schlafsaal machten. „Ich halte es ähnlich wie Fred und George", sagte Ginny nach einer kurzen Denkpause.
„Sie sind glücklich in dem, was sie tun, sie wollen nicht, dass sich etwas verändert. Bei den Kobolden gab es Aufstände, sie wollten etwas an ihrer Situation verändern. Bei den Hauselfen bin ich mir da einfach nicht so sicher." Insgeheim musste Lily Ginny Recht geben, aber wahrhaftig schaden konnte es doch nicht, wenn sie Hermine den Weg in die Küche verriet.
Als Lily ein paar Tage später ohnehin vorhatte, für Claires Hundewelpen einige Leckerbissen zu organisieren, nahm sie Hermine kurzerhand mit zu dem großen Ölgemälde, das einem den Eingang zur Küche wies.
„Ich hab' ja schon vermutet, dass die Küche sich in der Nähe des Hufflepuff Gemeinschaftsraums befindet", murmelte Hermine in sich hinein und lugte interessiert über Lilys Schulter hinweg, als sie sich der Birne auf dem Obststillleben näherte.
„Du musst die Birne hier ein bisschen kitzeln", Lily strich vorsichtig über die Leinwand, bis ein leises Kichern erklang, „und dann-", es knirschte ein bisschen, „gibt sie den Weg in die Küche frei. Es ist ganz einfach."
Vor ihren Augen verwandelte sich die Birne in einen goldenen Türknauf, der ihnen prompt den Weg zur Küche freigab.
Es war kurz nach dem Mittagessen und in der Küche herrschte Hochbetrieb. Überall knallte und schepperte es, überall irrten Hauselfen herum. Dutzende aufeinander gestapelte Teller verschwanden auf einen Schlag, nur um in einem randvoll mit Wasser gefüllten Spülbecken wieder aufzutauchen.
Ein perfekt organisiertes Chaos. „Ich präsentiere", sagte Lily fast ein wenig stolz und breitete die Arme aus, „die Küche von Hogwarts in seiner ganzen Pracht."
Hermine schien vollkommen überwältigt von dem ganzen Trubel, ihr Mund stand einen Spalt breit offen und es hatte ihr die Sprache verschlagen. Lily versuchte, in dem Wimmelbild vor ihr Abby auszumachen. Es war unmöglich, vor allem, weil von einer Sekunde auf die andere immer gleich ein Haufen an Hauselfen dis- und apparierte.
„Diese ganze Arbeit hier", sagte Hermine leise, so als wäre sie gerade erst dabei ihre Stimme wieder zu entdecken, „das haben die jeden Tag?" Lily zuckte mit den Achseln. „Jeden Tag zwei Mal, das Frühstück ist etwas weniger arbeitsintensiv."
Früher, als sie noch im Schloss im Lichtkorridor gewohnt hatte und Abby auf sie Acht gegeben hatte, hatte sie häufig in der Küche gegessen und hinterher ein wenig mitgeholfen. In der Zeit, in der sie einen Teller spülte, hatte die Hauselfe neben ihr einen ganzen Stapel gesäubert, trocken gezaubert und in einem der riesigen Schränke verschwinden lassen. Sie hatten die Bewegungsläufe perfektioniert, waren zu unangefochtenen Meistern in ihrem Bereich geworden. Mit ihnen zu konkurrieren war ein Ding der Unmöglichkeit.
„Du, Hermine, ich schau mal, ob ich noch ein paar Essensreste", sie räusperte sich, „ähm noch etwas von dem leckeren Nachtisch für mich finde. Bleib am besten genauso stehen bis ich wieder komme, Besucher bringen die meisten Hauselfen hier noch ziemlich aus dem Konzept."
Hermine nickte nur, immer noch ganz perplex. Lily begann, sich durch das Getümmel zu schlängeln. Das, was sie gesagt hatte war keine Lüge gewesen, um Hermine daran zu hindern, dass sie sah, wie Lily hauptsächlich bereits angenagte Fleischknochen mitgehen ließ, sondern die Wahrheit. Hauselfen waren dermaßen erpicht darauf, es allen anderen Recht zu machen und ihnen Freundlichkeit entgegen zu bringen, dass sie ein plötzlich auftretendes unbekanntes Gesicht ziemlich aus der Bahn werfen konnte.
Vor allem, weil die Küche nicht so häufig Besuch bekam. Nur die Tatsache, dass sie einen Großteil ihrer Kindheit in der Küche verbracht hatte, ließ ihr die Freiheit, sich zu bewegen ohne dass ihr gleich die halbe Vorratskammer zum mitnehmen angeboten wurde.
Erst nachdem Lilys Tragetasche ordentlich schwer geworden war, begab sie sich zum Ausgangspunkt zurück. Hermine war nicht unentdeckt geblieben, um sie hatte sich eine kleine bis mittelgroße Traube an Elfen geschart, die alle aufgeregt in hohen Stimmen auf sie einredeten.
„Miss Granger ist eine Freundin von Mister Potter", piepste ein Elf aufgeregt und sein Satz wurde umgehend von mindestens fünf anderen Hauselfen aufgegriffen und wiederholt. Hermine schien erleichtert, dass Lily zurückkam.
„Miss Lily, schön, Sie wiederzusehen", kam es gleich von mehreren Seiten, als sie sich neben Hermine stellte. „Auf jeden Fall, Stify. Wie geht es dir, du hast ein schönes neues Tuch, oder?" Stify errötete geschmeichelt. „Schon seit einiger Zeit, Miss Lily war schon lange nicht mehr hier unten", sagte er und erntete von dem Elf neben ihm einen Ellenbogenhieb, weil sich sein Satz zu vorwurfsvoll angehört hatte.
„Stify hat Recht", drang mit einem Mal eine resolutere Elfenstimme zu Lily hindurch. „Abby!", rief Lily freudestrahlend und ging in die Hocke, um die kleine Hauselfe in eine halbe Umarmung zu ziehen. „Vorsicht, meine Schürze ist noch ganz feucht", protestierte Abby halbherzig, ließ aber trotzdem zu, dass Lily sie so fest an sich drückte, dass ihre spitzen Elfenohren sie am Hals kitzelten.
Nach dem Sommer, den sie mit Sev in Albanien verbracht hatte, nach allem, das vor den Ferien vorgefallen war, gab es kaum etwas, dass sich für Lily beruhigender anfühlte, als Abbys vertrauten Duft nach Waschstärke und Wärme in der Nase zu haben. „Abby hat dich auch vermisst, Lily", flüsterte sie leise, bestand dann aber darauf, wieder von ihr loszukommen.
Glücklicherweise, denn so wie Hermine aussah, versuchte sie bereits, sich auf das alles einen Reim zu machen. Lily hustete trocken. „Ich bin noch mit Jasper verabredet", sagte sie und packte die Tragetasche mit den Fleischresten fester, „aber ich denke es ist kein Problem, wenn du etwas alleine hier bleibst, oder?" Lily sah Abby fragend an.
„Überhaupt nicht, Miss Granger", sagte sie ohne zu Zögern. „Möchten Sie sich setzen? Wir haben etwas Tee aufgesetzt, als wir Sie ankommen gesehen haben." „Mögen Sie ihren Tee mit Zucker und mit Milch?" „Kurz oder lang gezogen?" „Wir haben grünen und schwarzen, ganz zu Ihren Wünschen!"
Die Überforderung stand Hermine ins Gesicht geschrieben, Lily grinste in sich hinein. Kurz bevor sie aus der Küche entwischte, sah sie, wie Hermine zu einer Bank gelotst wurde und dort ein Notizbuch hervor holte. „Stärkung der Elfenrechte", murmelte Lily kopfschüttelnd. Hermine hatte sich keine leichte Aufgabe ausgesucht, aber immerhin eine, die ihr die volle Bandbreite an kostenfreiem Essen in der Küche ermöglichte.
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