Morning coffee
„Anna.“
Gott, nein.
„Anna…“
Geh weg.
„Anna!“
„Was?“ schaffte ich zu murmeln, drehte mich um und blinzelte müde in das Gesicht meiner Mitbewohnerin. Sie stand über mir, Augen dick umrandet, ihre Lippen wie üblich mit Pfirsich Lipgloss überzogen und einen Becher heißen Kaffee zwischen ihren manikürten Fingern. Ich schaute hinter sie und blinzelte um die Uhr die auf meinem Regal stand besser sehen zu können. „Was zum Teufel, Paige? Es ist halb acht.“ Ich drehte mich wieder um und zog die Decke über meinen Kopf.
„Ich weiß, aber…“
„…Nichts.“ zischte ich unter der Decke. „Aber nichts. Es ist Samstag. Lass mich in ruhe schlafen, bitte.“
Paige seufzte und ich hörte wie sie von ihrem Becher nippte. „Es ist jemand hier.“
Ich blieb einen Moment regungslos liegen, dann schielte ich unter der Decke hervor. „….Was?“
„Ja.“ sie nickte und nahm erneut einen kleinen Schluck „Ein Kerl, er ist hier um dich zu sehen.“
„Was redest du da?“ ich stöhnte leise „Es ist halb acht in der früh, verdammt noch mal.“
Sie zuckte mit den Schultern „Er hat deine Brieftasche oder so.“ ein träges Lächeln streifte ihre Lippen „Und er ist verdammt heiß.“
„Meine Brieftasche?“ wiederholte ich und zog die Bettdecke von meinem Kopf „Du sagtest, meine Brieftasche?“
„Mm.“ sie nickte, drehte sich um, um zur Tür zu gehen „Und er sitzt nebenan, er will mit dir reden.“
„Warte….“ ich warf die Decke zurück und schwang meine Beine aus dem Bett „Warte eine Sekunde…“
Sie schaute über ihre Schulter hinweg zu mir, ihr blondes Haar glänzte im gedämpften Licht, das die Sonne durch die Blenden meines Fensters warf. Sie verzog verächtlich das Gesicht und nippte langsam von ihrem Becher „Vielleicht solltest du dein Haar kämen.“ schlug sie vor. „Wie ich bereits sagte, der Typ ist umwerfend.“
„Ist mir egal.“ fauchte ich, stand auf und streckte mich. Ich hatte kein Problem mit meiner üblichen Schlafkleidung – ein altes High School Shirt das verblassende Buchstaben aufgedruckt hatte und ein paar ausgeleierter Shorts.
„Du solltest…“ warnte sie und öffnete die Tür mit einem leisen Knarren „Jedenfalls, ich geh noch etwas mit im quatschen. Versuch dich vorzeigbar zu machen, ja?“
Ich rollte mit den Augen als sich die Tür leise hinter ihr schloss. Paige war so anders als ich; Ich lernte sie in meinem ersten Semester auf dem College im Fach kreatives Schreiben kennen. Sie war das typisch „perfekte“ Mädchen – trug immer die tollsten Klamotten, die ihren schlanken und gebräunten Körper gut zur Geltung brachten, und hatte immer Make-up das ihre hübschen Züge hervor hob. Sie war Stolz auf ihr Äußeres. Das war ich auch. Manchmal.
Ich schaute in den Spiegel und stöhnte innerlich. Meine Augen waren leicht gerötet – Ich hatte vergessen meine Kontaktlinsen rauszunehmen also waren sie trocken und das Make-up vom Vortag war unter den Augen verschmiert. Mein Haar war ein wirres, krauses durcheinander. Ich fuhr mit einer Hand grob durch die Strähnen und zuckte zusammen als sich meine Finger in den Knoten verfingen. Seufzend ließ ich meine Hand fallen.
Egal.
Als ich ins Wohnzimmer hinausging, konnte ich Paige’s Gelächter durch die Luft sprudeln hören. Oh, ja, dieser Typ musste sehr Attraktiv sein, weil ich hören konnte wie sie ihren Charme auf ihn versprühte. Ehrlich gesagt interessierte mich nicht wie er aussah, weil alles was mich beschäftigte die Tatsache war, das meine Brieftasche wieder in meinem Besitz sein würde – heil und unversehrt. Es waren nur drei Tage gewesen und ich hatte meine Kreditkarte gesperrt, aber meine Brieftasche wurde mir von meinen Eltern geschenkt, als sie nach Italien gereist waren. Sie hatten sie in einem Weingeschäft aufgestöbert und es war dieses reizende Ding mit einem unleugbaren Charme. Paige hatte sie schäbig genannt, als ich sie ihr zeigte, und ich schätze das war sie, wenn man sie mit ihrer hundert Dollar Coach Clutch verglich.
„Oh, das ist fantastisch. Ich hab auch einmal versucht Gitarre zu spielen – aber das tat meinen Fingern zu sehr weh.“
Noch mehr sprudelndes Gelächter.
Ich rieb meine Augen als ich hinein ging, und sah Paige auf dem Sessel sitzen, ihre Beine anmutig überkreuzt während sie die Gestalt die neben ihr auf der Couch saß anstrahlte. Sie schaute auf als sie mich reinkommen hörte, ihr Blick musterte mich Missbilligend. Nach einem kurzen Moment sprach sie.
„Anna…“ sie brach ab, ihr Blick traf meinen, und flehte mich an mich umzuziehen. Keine Chance. „Das ist….Tom.“
Ich schaute flüchtig in seine Richtung um einen Blick auf den Kerl zu bekommen. Ich wünschte das hätte ich nicht. Seine Kleidung war viel zu schlabberig für seine Figur und Rasse. Ein Bandana war um seinen Kopf gebunden und verdeckte wieder einen teil seiner Zöpfe. Oh, ja. Mister „du hast mein Auto beschädigt“ saß auf meiner Coach und redete mit meiner gern flirtenden Mitbewohnerin.
Na großartig.
Er sah zu mir auf, ein Grinsen zuckte an seinen vollen Lippen und sein Piercing schimmerte im Sonnenlicht das sich durch unsere dünnen Vorhänge filterte. Sein Blick hielt den meinen und ich wusste das ich tief in der klemme saß. Ich schluckte schwer und zwang mich, mich verdammt noch mal daran zu erinnern zu atmen.
„Hi.“ Sprach er mit dicken Akzent.
Meine Kehle war ausgetrocknet „…H-hi.“
Er hob seinen Arm und zwischen seinen langen Fingern hielt er meine Brieftasche. Er wedelte leicht damit, geradezu spöttisch. „Das hab ich gefunden.“ sagte er „In einer Gasse. Seltsamer Ort um eine Brieftasche zurück zu lassen, meinst du nicht auch?“
„Ich…“
„Eine Gasse?“ Paige runzelte die Stirn, schaute auf die Brieftasche und dann zu mir. „Warum warst du in einer Gasse?“
„Das war ich nicht.“ sagte ich schnell „Ich…ich meine…“
„Schon in Ordnung.“ unterbrach der Mann mit den Zöpfen, auch bekannt als Tom. Er zuckte mit den Schultern „Manchmal geschehen Dinge aus unbekannten Gründen.“
Paige die immer noch die Stirn runzelte schaute dann mit einem neckischen lächeln zu ihm „Und warum warst du in der Gasse?“
„Mein Auto war dort geparkt.“ antwortete er, sein Blick immer noch auf mir „Es scheint das jemand es Mutwillig beschädigte hat, während ich zu Abend aß!“
„Oh du verarscht mich doch.“ keuchte Paige. Ich fühlte mich zum Kotzen. Tom hielt den Blickkontakt.
„Ja, das ist eine Schande.“ seufzte er „Die Leute sind so Rücksichtslos.“
Ich trat dann einen Schritt vor „Nun…“ ich räusperte mich leise, fühlte mich unbehaglich „Danke für’s zurück geben.“
Er hielt sie mir hin, ich nahm sie und versuchte das brennende Gefühl das ich in meiner Brust spürte zu unterdrücken, weil ich wusste dass sein Blick immer noch auf mir ruhte. Ich nahm meine Brieftasche, hielt sie so fest dass meine Knöchel weiß wurden und trat schnell wieder einen Schritt zurück.
„Anna, Tom ist Musiker.“ Sagte Paige auf einmal und strahlte ihn an „Ist das nicht toll?“
„Ja, großartig.“ murmelte ich und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich schaute zu ihr „Paige, warum bietest du ihm nichts zu trinken an?“
„Was? Oh du meine Güte. Ich bin so unhöflich.“ ärgerte sie sich und stand auf „Möchtest du was trinken? Wir haben Kaffee….oder wenn du Orangensaft bevorzugst…“
Tom lächelte sie warm an „Kaffee wäre großartig.“
„Okay.“ sie nickte lächelnd „Möchtest du Milch oder Zucker?“
Tom schüttelte den Kopf, seine schwarzen Zöpfe bewegten sich dabei. „Nein, schon in Ordnung. Ich trinke meinen Kaffee Schwarz.“ Er schaute kurz zu mir „Ich genieße die Bitterkeit.“
„Ein schwarzer Kaffee, kommt sofort.“ sie zwinkerte ihn noch mal zu und machte sich dann auf den weg in die Küche. Ihre Hüften wiegten sich bewusst bei jedem Schritt. Als sie verschwand, blieb ich in unbehaglichem Schweigen mit dem Mann zurück, vor dem ich vor einigen Nächten davon gelaufen war. Einfach großartig.
„Du bist echt gerissen.“ bemerkte ich trocken und verschränkte meine Arme locker über der Brust „Tust so als würdest du mich nicht kennen. Und kommst zu so früher Morgenstunde zu meiner Wohnung.“
„Natürlich.“ kam es auch prompt von ihm „Ich wollte sehen, was für eine Schönheit du am Morgen bist.“
„Ach leck mich doch.“ zischte ich und schaute ihn finster an. Er lachte kurz auf.
„Hör zu.“ Er klopfte mit seinen Fingern auf der Armlehne rum „Du hast zwei Möglichkeiten – du kannst entweder meiner Forderung nachkommen, oder ich kann sobald ich gegangen bin die Behörden anrufen.“ Er zuckte mit den Schultern und lächelte mich hinterlistig an. „Die Wahl liegt bei dir.“
„Die Behören anrufen? Für was genau?“
„Deine Entscheidung mein Auto mutwillig zu demolieren und wegzulaufen.“
Ich rollte genervt mit den Augen „Du bist dramatisch. Aber was auch immer…“ Ich seufzte schwer und schaute zögernd in seine braunen Augen „Was willst du?“
„Ich denke nicht dass es angebracht ist hier darüber zu sprechen.“ sagte er „Also will ich, dass du mich heute Abend um sechs im Cafe triffst.“
„Im Cafe?“ ich lachte trocken und schüttelte den Kopf „Du weißt schon das wir hier in New York City sind, oder? Das es hier hunderte von Cafes gibt?“
„Ja, das weiß ich.“ Er grinste und zeigte auf meine Brieftasche „Ich hab die Adresse darein gelegt, also wenn du direktional nicht überfordert bist, solltest du keine Probleme haben es zu finden.“
„Also treffe ich dich zum…was? Reden?“
Er grinste erneut blöde „Verhandeln.“
„Und wenn ich nicht komme?“
Er seufzte „Bist du so Blöd? Hab ich dir nicht gesagt was deine Möglichkeiten sind?“
„Was auch immer.“ Ich schnaubte und erinnerte mich an seine Drohung die Polizei zu rufen. Ich trat von einem Fuß auf den anderen und spürte wie die Wut durch meine Adern strömte. Kurz darauf seufzte ich und stöhnte flüsternd „Gut. Meinetwegen.“
In diesen Moment kam Paige mit einem dampfenden Becher Kaffee reingetänzelt. Sie reichte ihm den Becher und verzog das Gesicht als er einen langen Schluck davon nahm „Ich kann nicht verstehen wie du das Zeug schwarz trinken kannst. – Ist ja widerlich.“
Er Leckte sich über die Lippen und seufzte schwer nachdem er den Becher abgesetzt hatte. „Mm. Ich mag ihn genau so.“ er zwinkerte ihr zu „Aber ich denke ich muss los.“
„Aw, jetzt schon?“ schmollte Paige „Aber du bist doch gerade erst gekommen.“
„Ich entschuldige mich.“ Er nahm erneut einen langen Schluck und stellte den Becher auf den Tisch „Ich hab einen langen Tag vor mir.“ Er sagte dass während er mich ansah und ich spürte noch mehr Wut durch meine Adern strömen.
Paige lächelte „Schon okay, lass mich dich wenigstens zu Türe bringen.“
„Natürlich.“ Er zwinkerte mir kurz zu, bevor er mit Paige zu Tür lief. Ich ließ mich in den Sessel fallen, schaute über meine Schulter und schäumte innerlich vor Wut beim Anblick von Paige die ihm ein Stück gefaltetes Papier in die Hand schob. Natürlich gibt sie ihm ihre Nummer. Selbstverständlich würde sie das tun. Er nahm den Zettel und grinste sie an, bevor er mir noch einen langen Blick zuwarf und dann verschwand. Paige kam zurück ins Zimmer geglitten, ein dämliches grinsen war auf ihrem hinreißenden kleinen Gesicht gepflastert.
„Oh, wow.“ Seufzte sie und presste eine Hand auf ihre Brust „Oh, wow, er ist umwerfend.“
„Das denke ich nicht.“
„Du machst Witze.“ sie lachte kurz auf „Hast du sein Gesicht gesehen?“
„Hast du seine Frisur gesehen?“ gab ich gereizt zurück.
„Oh, bitte.“ sie winkte ab „Du bist zu wählerisch. Jedenfalls hab ich ihm meine Nummer gegeben. Er hat gesagt das er mich Anruft. Ist das nicht toll?“
„Großartig.“
Paige seufzte „Hör auf die ganze Zeit so pessimistisch zu sein, Anna.“
Wie konnte ich das nicht sein? Im Wesentlichen wurde ich gegen meinen Willen gezwungen heute Abend dieses Arschloch in einem Cafe zu treffen, um zu „Verhandeln“, da ich nun offenbar für das hinterlassen eines mikroskopisch kleinen Kratzers auf irgendeines reichen Musikers Auto kriminell war.
Könnte mein Leben gerade schlimmer sein?
Ich stöhnte, lehnte meinen Kopf zurück und rieb sanft meine Augen.
Gott hilf mir.
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