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Etwas nervös blickte ich zu Noah, welcher neben meinen Füßen saß und an dem Schnabel seiner Ente lutschte. "Du weißt, dass es nicht gut für dein Gebiss ist?", fragte ich ihn und sah streng auf ihn hinab. Doch mein Neffe glubschte mich nur mit seinen kleinen Augen an, quietschte vergnügt und lutschte weiter.
"Du hast auch einen Schnuller... Wo ist der denn schon wieder gelandet? Heute Morgen hatte ich den aus einem ganz bestimmten Grund an dir festgebunden...", murmelte ich, ließ die Verpackung der Lichterkette ruhen und machte mich auf die Suchte nach dem Ersatzschnuller.
Den eigentlichen hatten wir bei einem Spaziergang durch die Stadt verloren.
Obwohl alles seine Ordnung hatte, fand ich gerade in dem Chaos, welches in den letzten 40 Minuten entstanden war, nichts wieder. Dabei war das alles Louis' Schuld. In der E-Mail von gestern meinte er, ich könnte ja ein wenig mit Noah dekorieren, er hätte gewiss Spaß an all dem Funkeln. Dabei verstand ich das nicht.
Ein Buch war doch viel interessanter als irgendein Funkeln einer Lichterkette...
Dabei fiel mir ein, dass ich noch mit ihm 'Die Entstehung aller Arten' weiterlesen wollte. Wir waren gerade erst bei dem Kapitel 'Variation beim Domestizieren' und der Definition über die Ursachen der Variabilität angekommen, doch Noah liebte das Buch bereits. Er kicherte glücklich, wenn ich ihm einen neuen Terminus beibrachte.
Ich schüttelte meinen Kopf leicht, erinnerte mich wieder daran, dass ich Noahs Schulter suchen wollte und wurde in der Wickeltasche fündig. Die kleine Box öffnete sich mit einem Klicken und mit dem Inhalt ging ich zurück zu meinem Neffen, welcher versuchte die Lichterkette, die aus der Box hing, hinunterzureißen.
"Das ist nichts für kleine Menschen. Du hast deine Sabberente, welche du gerne mit deinen Patschehändchen angrabbeln kannst, aber das ist meins", versuchte ich mit einem strengen Ton klar zu machen und war überfordert als Noah anfing zu weinen.
Ich nahm den kleinen Jungen hoch, hielt ihn mit leicht gebeugten Armen von mir und sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen prüfend an.
"Ich kann dir nichts beibringen, wenn du immer anfängst zu knatschen. In den ganzen Büchern steht, dass es nie früh genug ist mit der Erziehung anzufangen. Ich kann nichts dafür, dass Gemma ihr Auto gegen einen Baum gesetzt hat", sprach ich und merkte wie ich meine eigene Überforderung an dem kleinen Menschen in meinen Armen ausließ.
"Es tut mir leid", nuschelte ich und drückte meinen Neffen behutsam an meine Brust, nahm die Kuschelente vom Boden auf und stupste ihm mit dem Schnabel gegen sein Näschen. "Ich bin nur nicht wirklich gut in sowas", murrte ich leise und beobachtete Noah wie er nach seiner Ente griff.
"Vermutlich habe ich das von meiner Mama. Sie ist wahnsinnig", flüsterte ich und beobachtete Noahs Reaktion. "Ich bin es aber noch nicht. Ich werde regelmäßig getestet", sprach ich weiter und wiegte Noah in meinen Armen. Er wurde immer ruhiger und sah interessiert zu mir hoch.
"Vor ein paar Wochen wusste ich nicht mal etwas von dir", wisperte ich und sah auf den Jungen herab. Ich wusste immer noch nicht was ich fühlen sollte, wenn ich ihn in meinen Armen hielt? Stolz? Liebe? Ich kannte sowas nicht.
"Bevor du bei mir warst habe ich noch viel gearbeitet, in den vereinigten Staaten... In einer unglaublich schönen und großen Stadt. Bald kehren wir auch zurück. Schließlich möchte ich auch wieder nach Hause. Ich musste sogar immer mein kariertes Papier oder Liam bei mir haben. Jetzt kann ich schon vieles allein machen, ohne Unterstützung. Naja, bis auf Louis. Ohne Louis schaffte ich dann wohl doch nicht so viel. Aber du... du brauchst ihn am meisten...", erzählte ich leise und versank in meinen Gedanken.
Für einen Moment blieb ich mit Noah in den Armen stehen, dachte an Louis, wie er mir immer wieder mit Noah ausgeholfen hatte und eine so unglaubliche Geduld an den Tag legte, das ich gar nicht glauben konnte, dass es ihn wirklich gab.
Natürlich war er keine Einbildung, das wäre dann schon etwas verrückt und das war ich ja laut den Ärzten nicht, aber dennoch... So jemand nettes kannte ich gar nicht. Außer meinen besten Freund natürlich. Liam.
Seufzend löst ich mich von meinen Gedanken, setzte Noah auf den Boden ab und strich ihm kurz über den Kopf bevor ich mich wieder der Lichterkette widmete. Ich packte sie aus, entwirrte die Kabel und drehte mich zu der kleinen Nordmanntanne, welche dank Louis' Überredungskünsten in meinem Wohnzimmer stand.
"Aber eins kannst du mir glauben, Noah. Ich werde dir absolut gar nichts über die religiösen Hintergründe zu Weihnachten erzählen. Wenn du dir die Märchen anhören willst, dann musst du mit Liam sprechen. Ich finde es faszinierend, wie er seinen Glauben nach einem ollen bärtigen Mann richtet und dieses Buch? Da gibt es weitaus informativere und lehrreichere Enzyklopädien."
Noah brabbelte etwas, weshalb ich nickte. "Ganz genau. Völliger Blödsinn ist das. Naturwissenschaften sind das einzig Wahre. Kein Mann mit Bettlaken um der Hüfte könnte jemals etwas so lehrreiches publizieren wie Rutherford, Einstein oder Hawking. Faszinierende Männer, welche ich gerne kennengelernt hätte. Erst letztens wurden Einsteins Notizen versteigert. Ich konnte eines der Seiten ergattern", erzählte ich ihm stolz und widmete mich dem piksenden Tannenbaum.
Scheußliches Bäumchen.
Zwar hatte mich Liam beinahe umgebracht als er erfahren hatte wofür ich achtlos 1,56 Millionen Dollar ausgegeben hatte, aber er kaufte sich regelmäßig dämliche Uhren. Ich hatte noch meine aus der fünften Klasse. Das Armband wurde zwar erneuert, aber jeden Tag präsentierten mir die zwei rosanen Zeiger die Uhrzeit.
Da durfte ich doch mein Geld anders anlegen.
Ich war wieder in Gedanken, überlegte was falsch daran war Geld für Notizen auszugeben als es auf einmal an der Tür klingelte. Noah ließ daraufhin seine Ente fallen und krabbelte Richtung Flur. Ob das schon Louis war? Er wollte doch immer schreiben, wenn er sich auf den Weg machte... Damit ich vorbereitet war.
Plötzliche Veränderungen mochte ich nach wie vor nicht.
Ich legte die Kette auf den Tisch, ging Noah hinterher und nahm ihn an den Trägern seiner Latzhose hoch. "Du bist viel zu langsam, da deine Knochen und Bänder noch nicht dazu in der Lage sind. Außerdem sind deine motorischen Fähigkeiten nicht gerade sehr entwickelt. Du robbst über den Boden wie ein Würmchen", schmunzelte ich und legte mir Noah an die Schulter. "Ich bin schon was weiter und laufe, das ist effizienter. Habe ich deine Erlaubnis dich zu tragen?"
Noah quietschte leise und fand plötzlich Gefallen daran sich in mein Oberteil zu krallen und meine Schulter vergnügt anzuknabbern. "Ich nehme das mal als ein Ja." Ich spürte wie er versuchte in das Shirt zu beißen und schlussendlich an einem Stück des Stoffes herumlutsche, während ich die Wohnungstür öffnete.
Direkt erblickte ich Louis, welcher mich mit einem merkwürdigen Blick ansah. Ich wusste immer noch nicht, was es bedeutete, wenn er mich so musterte, doch er wollte das ich es selbst herausfand. Er könnte mir ja schließlich nicht alles erklären...
Was er auch gar nicht tat. Schließlich wusste ich eine Menge, was es schon nahezu unmöglich machte mir alles zu erklären.
"Na ihr beiden?", lächelte er und legte seine Hand an meine Taille, drückte leicht und blickte dann zu Noah, welcher sich dann doch lieber für Louis als für mein Oberteil interessierte. "Wie geht es euch?"
Ich brauchte einen Moment bis ich die Worte in meinem Kopf sortiert hatte. "Noah geht es soweit gut. Er hat all seine Fläschchen getrunken und bräuchte bald sein nächstes", erwiderte und ließ wie immer meinen Gemütszustand außen vor. Ich konnte nicht beschreiben wie es mir ging. Ich wusste nicht einmal was ich gerade fühlte.
Mein Bauch schmerzte komisch seitdem ich Louis anblickte und es war vorher nicht so.
Außerdem traute ich mich schlichtweg nicht etwas zu sagen. Was war, wenn Louis mich auslachte? Es gab schon so viele Menschen, welche mich ausgelacht hatten. Ich wusste das es vollkommen irrational war nach Gefühlen zu handeln, aber mir wurde schlichtweg schlecht, wenn ich daran dachte Louis von meinen herzinfaktähnlichen Symptomen zu erzählen, wenn er mich berührte.
Nachher dachte er noch, dass er komisch wäre. Das Gefühl wollte ich niemandem geben. Es reichte, wenn ich mich so fühlte.
"Hazza? Hey, was ist denn los?", fragte Louis und legte dabei seine Hand an eine Wange. Ich schreckte aus meinen Gedanken, blinzelte und schnappte nach Luft als mein Herz erneut anfing zu schmerzen.
"W-Was? W-Was hast du gesagt?", fragte ich mit zittriger Stimme und sah ihn mit großen Augen an. "Hazza... Wo bist du denn mit deinen Gedanken?", wollte er wissen und strich mit seinem Daumen über meine Wange.
Ich wollte ihn antworten, spürte aber, dass meine Stimme versagen würde und ließ es bleiben. Noah in meinen Armen fing an mit seinen Beinchen zu strampeln, jammerte leise und versuchte sich in meinen Armen zu drehen, weshalb ich mich von Louis löste und etwas zur Seite ging, damit er in die Wohnung kommen konnte.
"Ich versorge kurz Noah", wisperte ich, sah auf den Boden und wartete nicht auf Antwort, sondern kümmerte mich um meinen Neffen, wechselte seine Windel und bereitete seine Flasche zu. Ich hörte wie Louis währenddessen etwas im Wohnzimmer machte, konzentrierte mich aber wieder auf den kleinen Mann vor mir, da es in meiner Brust wieder so komisch zwickte.
Noah trank das ganze Fläschchen und wurde dann von Louis an die Schulter gelegt. "Ich hab' gesehen das du den Baum schmücken wolltest. Habe ich dich abgehalten?" Ich nickte leicht. "Fühlst du dich wohler, wenn du das zuerst beendest?" Wieder nickte ich und kehrte nachdem Louis meine Hand gedrückt hatte ins Wohnzimmer zurück.
Nach einer kleinen Pause steckte ich das Kabel in die Steckdose, seufzte als das leichte Kabelwirrwar in meinen Händen leuchtete und machte mich daran, dieses ordentlich im Baum zu verteilen. Ich wollte unten anfangen und mich nach oben hindurcharbeiten, bis mir auffiel, dass eine LED nicht leuchtete.
Fest biss ich mir auf die Lippe, sah die nicht funktionierende LED mit zusammengekniffenen Augen an und dachte sie würde gleich leuchten, doch das tat sie nicht. Mit mehreren tiefen Atemzügen und dem leisen Aufzählen der Elemente der 5. Periode versuchte ruhig zu bleiben.
Doch es ging nicht.
"Silber... Cadmium...Indium... Zinn", wisperte ich und wickelte mit zittrigen Händen die Lichterkette wieder ab, nahm sie vom Strom und legte sie auf den Esstisch, dort brachte ich sie wieder zum Leuchten und sah mir jede einzelne LED an. Insgesamt waren es 7 LEDs, welche bei der 1200er Kette nicht das taten, was sie sollten.
"Hazza, bist du fertig?", fragte Louis und kam gut gelaunt ins Wohnzimmer. Er hielt in seiner Bewegung inne als er mich erblickte und sah mich verwirrt an. "Ist alles in Ordnung?"
"Nein... Nein, es ist gar nicht in Ordnung. Die Lichterkette ist- Ich kann das nicht aufhängen", beschwerte ich mich und atmete laut aus. "Wo liegt denn das Problem?", wollte er wieder mit diesem komischen Gesichtsausdruck wissen und sah mich fragend an. Ich schüttelte meinen Kopf, seufzte und strich mir verzweifelt durch das Gesicht.
"0,583% der Lichterkette sind nicht funktionstüchtig. Das- Das geht nicht, Louis."
"Hazza, es ist doch nicht schlimm", erwiderte er, doch das regte mich noch mehr auf. "Nicht so schlimm", grummelte ich und zischte abschätzig. Ich konnte das einfach nicht. Als könnte ich sowas jemals ignorieren oder dämlich wegatmen.
Langsam stieg Panik in mir auf, betäubte meine Hände und auch meine Beine. "Ich-"
"Harry?", fragte Louis einfühlsam und wollte mir seine Hand auf die Schulter legen, doch ich zuckte zurück und schüttelte meinen Kopf. "Nein, nicht... nicht jetzt", wispertet ich mit zittriger Stimme.
Louis nickte langsam, nahm sein Handy von der Anrichte und schien plötzlich mit jemandem zu telefonieren, mehr als ein Flüstern konnte ich jedoch nicht wahrnehmen. Nach gefühlten Stunden tauchte Louis wieder auf, griff nach meinem Oberarm und deute mich auf das Sofa.
"Hier", sprach er mit sanfter Stimme, lächelte mich an und hielt mir ein Blatt mit Kästchen vor die Nase. Mit großen Augen betrachtete ich es, begann die Kästchen zu zählen und atmete erleichtert auf als ich feststellte, dass dieses ebenfalls um die 2478 Kästchen besaß.
Ich wollte es umdrehen und von vorne anfangen, da setzte sich Louis vor meine Beine und legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. Mit der anderen nahm er mir das karierte Blatt aus der Hand und legte es zur Seite. "Darf ich?"
Überfordert sah ich ihn an und atmete zittrig ein als er seinen Kopf auf meinen Schoß legte und mit seiner Hand über meinen Oberschenkel runter zu meinem Schienbein strich. Seine Hand blieb dort liegen, doch ich fühlte wie er mit dem Daumen kleine Kreise zeichnete.
Ich wollte fragen was das sollte, sah keinen Sinn darin das er sich so eng an mich presste und auch noch anfing eine Melodie zu singen, aber irgendwie... Ich spürte wie meine Atmung sich langsam beruhte, wie mein Herz nicht mehr in der Brust schmerzte und ich mich von allein zu ihm hinunterbeugte und mich an seinen Rücken schmiegte.
Louis brummte leise als ich es tat, summte anstatt zu singen und streichelte weiter über mein Schienbein.
"Louis?", fragte ich nach einer Weile, rieb meine Stirn an seinem Rücken und richtete mich langsam auf. "Ich fühle mich nicht so gut", sprach ich leise und räusperte mich. "Wegen der Lichterkette? Ich kann eine Zange holen und so viele LEDs abklemmen, bis es ein runder Prozentsatz ist, der nicht leuchtet."
"D-Das... Das würdest du tun?", fragte ich überrascht und sah zu der Lichterkette, welche noch auf dem Esstisch lag und mich allmählich wieder verrückt machte. Louis griff plötzlich nach meinem Kinn und zwang mich dazu ihn anzusehen.
"Natürlich würde ich das Harry, allerdings müsstest du mir sagen, welche ich abklemmen muss, wenn du eine bestimme Reihenfolge haben möchtest."
"Können wir einen binären Code einarbeiten? Irgendeinen Satz? Ich kann mir schnell einen ausdenken, welcher sogar die nicht leuchtenden beinhaltet."
Louis lachte leise, setzte sich auf und beugte sich zu mir hinunter. "Alles was du willst, Hazza. Wenn dir das hilft, dann machen wir das so." Er strich mir über die Wange, tippte auf meine Nase und hielt mir dann die Hand hin, welche ich nach einem kurzen Zögern annahm.
Während ich mir die Lichterkette nochmal genau ansah, mir die Positionen merkte bei denen die Lämpchen nicht leuchteten ging ich mit verschlossenen Augen all die Sätze durch, welche man mit 1200 LEDs codieren konnte.
Doch mir fiel nur eine einzige Sache ein, welche ich auf einmal loswerden wollte.
"Ich glaube ich brauche dich genauso sehr wie Noah es tut."
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Buch: unexpected fatherhood
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