𝐕𝐢𝐞𝐫
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Vollkommen wortlos legt ein Junge, dessen Gesicht durch eine Kapuze seines Umhangs versteckt ist, die verlangten fünf Silbertaler auf den Tresen und nimmt dann ein Paar Handschuhe an sich.
"Haben Sie Dank!", erfreut sich der Händler, mustert jedoch den Jungen vor sich. "Ich hätte eine Frage, junger Herr. Waren Sie nicht schon vor ein paar Wochen hier und brachten einige der wertvollen Smaragde dar? Oder irre ich mich? Gar unmöglich, dass ich mich irre! Wären Sie so frei und würden mir mitteilen, wie Sie an diese schwer zu erlangenden Edelsteine kamen?"
Der Angesprochene verweigert jegliche Antwort, stattdessen zieht er die dunkelbraune Kapuze weiter nach unten. Sie verdeckt sein von Natur aus rubinrotes Haar und sein eines in ein helles Rot getauchtes Auge, wobei sein zweites von einer schwarzen Augenhaut und einer weißen Iris geprägt ist. Er, Leslie Shedyn, ist einer der letzten Überlebenden, die die Magie des Blutes noch beherrschen. Alle anderen kamen vor fünf Jahren bei einem Angriff auf ihren Heimatort ums Leben, davongekommen sind ausschließlich Kinder. Seither ist Leslie auf der Flucht und wandert von einer Stadt zur nächsten.
Bevor der Mann weiterreden kann, verlässt Leslie das Handelshaus. Der Blutmagier hört den Händler noch hinter sich rufen, blendet jedoch seine Stimme aus. Es ist Nachmittag und der leuchtende Feuerball am Himmel beginnt schon unterzugehen. Noch immer fallen weiße Schneeflocken auf die Erde nieder und aufgrund der eisigen Temperaturen tauscht Leslie seine neuen Handschuhe gegen seine alten aus. Diese sind vollkommen abgenutzt und erfüllen kaum noch ihren Zweck.
Er steht nun am Rande des Marktplatzes, über welchen unzählige Bürger gehen und auf dem Händler ihre Verkaufsstände haben. Vorsichtig schaut der rothaarige Junge auf, um die Taverne zu sichten. Es ist wahr. Leslie hat die Smaragde dem Händler vor einigen Wochen beschafft, aber auch nur, weil Leslie die Taler brauchte. Auch diesmal wirft er einen Blick auf das hölzerne Brett mit mannigfachen Aufgabes. Sie hängen dort, da sich der Schwierigkeitsgrad als durchaus hoch erweist, denn auch das Besorgen dieser Smaragde hätte Leslie sein Leben kosten können.
Somit überquert er den Markt und geht bestmöglich den Bürgern dort aus dem Weg, um so unsichtbar wie nur möglich zu sein. Sobald er bei der gewaltigen Taverne steht, aus der bereits Musik und Stimmen dringen, greift er nach einem Zettel an dem Brett und schaut sich die Aufgabe an.
"Töten Sie das schneeweiße Monster, das zwischen den Bäumen lebt. Aber Vorsicht! Unterschätze nicht die magischen Kräfte. Als Belohnung sind 55 Goldtaler versprochen. Möget Ihr Glück haben", so steht es auf Papier geschrieben. Leslie hat noch nie von irgendeinem schneeweißen Monster gehört, dennoch entscheidet er sich dazu, diese Anfrage zu erfüllen.
Gerade, als er in die Taverne eintreten will, nimmt er plötzlich laute Rufe von der anderen Seite des Marktes wahr.
"Sehet! Es ist der Königssohn!" Eine Magd sieht verliebt zum jungen Prinzen auf seinem wunderschönen weißen Ross auf, da ist sie aber wahrhaftig nicht die einzige. Bei dem naturgoldenen Haaren und den atemberaubend grünen Augen, in denen sich jedes weibliche Geschöpf verlieren kann. Auch Leslie richtet seine Aufmerksamkeit auf den Prinzen, jedoch hat er nur Sicht auf die Hufe des Schimmels und drei weiteren Pferden. Rasch verschwindet der Junge in der Taverne, um den Prinzen und sein Gefolge zu meiden. Sobald er die Türen öffnet, kommt ihm eine stickige Luft entgegen mit einem Hauch von frischen Speisen und einer Note von Alkohol. Diese Taverne ist eher für den reicheren Stand gemacht. Ein einfacher Bauer könnte sich kein Mahl hier leisten. Leslie wäre vielleicht in der Lage, mal solch ein Gericht essen zu können, es wäre aber eine Verschwendung seiner Münzen. Zudem ist er auch nur hier, da er diese Aufgabe annehmen will. Der Magier schlängelt sich zwischen all den Menschen und Tischen hindurch, was ihm Herzklopfen bereitet. Es ist alles so eng, da wäre es nicht gerade unwahrscheinlich, dass seine Kapuze heruntergezogen und er entdeckt wird.
"Seid gegrüßt. Was kann ich für Sie tun?", schreit eine der Damen hinter der rustikalen Theke gegen die durch das ganze Gebäude hallende Musik an, sobald Leslie sicher sein Ziel erreicht. Der Junge reicht ihr den Zettel mit der Aufgabe mit verstummter Stimme, den sie entgegennimmt, auch wenn sie ihn mit einem absonderlichen Blick mustert.
"Sie müssen allemal ein wackerer Kämpfer sein, wenn Sie diese Aufgabe bestreiten wollen. Nun gut, wie Sie es sich wünschen." Das Fräulein signiert das Papier mit einem Stempel aus Kerzenwachs. "Mögen Sie doch bitte die Beute hierher zurückbringen, dann wollen Sie Ihre Belohnung bekommen", fügt sie noch hinzu.
Umdie versprochenen Taler zu erlangen, ist der Stempel dieser Taverne unumgänglich, da die Aufgaben schließlich von diesem Wirtshaus ausgehen. Leslie nimmt den Zettel wieder an sich und verstaut ihn dann rasch in der Tasche an der Hüfte, ehe er das unerträglich laute Gebäude wieder verlässt. Der Markt aber erweist sich auch nicht als ruhiger. Noch immer ist der Sohn des Königs dort, er muss auf der Suche nach etwas Besonderem sein, wie ein Schmuckstück oder ein wunderschönes Gewand. Denn am nächsten Morgen ist Azmaryl, ein Fest verbreitet unter dem Adel, um den Beginn eines neuen Jahres zu feiern. Natürlich ist das ein Grund für jedermann zu feiern, jedoch verschenken ausschließlich die Nobilisten etwas an deren Liebsten, einfach, weil sie genügend Vermögen besitzen.
Der junge Prinz, Nionell Lynxe, will wirklich etwas Wertvolles für seine Mutter finden, um einmal die Möglichkeit zu haben, der Königin seine Liebe zu ihr zu demonstrieren. Da kommt ihm etwas in den Sinn, er hatte doch den Händler sagen hören, er hätte überaus teures Geschmeide zu verkaufen, der Prinz solle ihn doch bei Gelegenheit besuchen kommen.
Sobald der Prinz den Laden des Händlers betritt, wird er mit strahlenden Augen und einer Verbeugung empfangen.
"Ich heiße Euch herzlich willkommen, Eure Majestät. Was führt Euch zu dieser Stund in meinen Laden?"
Der blondhaarige Junge, gefolgt von seinem Leibwächter und zwei anderen Rittern, tritt an den Tresen, stets mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. "Seid gegrüßt! Ich bedürfe Ihres Rats für eine Spendage. Die Königin solle für den morgigen Tage etwas Wertvolles bekommen. Finden Sie etwas Passendes?"
"Durchaus, mein Prinz! Ich war in der Lage, seltene Smaragde in eine Kette einzuarbeiten", teilt der Händler dem Königssohn mit, bevor er unter den Tresen greift und eine auf einem Kissen liegende Kette hervorholt. Die grünen Edelsteine verzieren die Kette, gefertigt aus reinem Gold. Sie sieht in den Augen des Prinzen atemberaubend aus.
"Das ist ein gar umwerfendes Stück", gibt der Junge sprachlos von sich. "Woher stammen diese Steine? Sie schauen wunderschön aus."
"Nun, ich bin mir unsicher. Ein unbekannter Herr brachte sie dar", gab der Händler unsicher von sich.
"Ein unbekannter Herr?"
Der Ladenbesitzer nickt.
"Er trug einen dunkelbraunen Umhang, die Kapuze als Bedeckung für sein ganzes Gesicht. Er erschien mir als ein Reisender. Aber der Junge muss mächtig sein, wenn er die umgebende Gefahr bei den Edelsteinen hat bewältigen können."
Nionell nickt verstehend. Auf irgendeine Weise weckt dieser Unbekannte sein Interesse, aber es mag auch daran liegen, dass im Königshaus kaum spannende Geschehen ablaufen. Auch die Stadt ist immer zu friedlich.
"Dieses Schmuckstück, was wünschen Sie für einen Preis?"
Der Händler schweigt, während er das Geschmeide vor sich, schlägt dem Prinzen dann eine Anzahl von eintausend Goldmünzen. Nach einer Einwilligung von Nionell überreicht er die gewünschte Anzahl an Münzen dem Händler und erhält dann die Kette mitsamt einer passenden Schatulle. Damit verlässt der Königssohn den Laden und kurz darauf kommt ihm dieser Unbekannte wieder in den Sinn, von welchem doch der Händler gesprochen hat. Seine glänzenden Augen fliegen über den Marktplatz und tatsächlich glaubt er den Herrn gefunden zu haben.
Leslie hat den Hunger schon vor ein paar Stunden gespürt, doch erst jetzt hat er sich dazu entschieden, sich etwas zu suchen. Fündig ist er bei einer Magd geworden, die kostengünstig Suppe an einem Stand verkauft. Andere sitzen bereits an den kleinen Tischen und genießen die warme Suppe an diesem kalten Wintertag.
"Möget ihr schon mal zurück zum Schloss gehen? Ich werde nachkommen", richtet sich Nionell an seinen Leibwächter und die zwei anderen Ritter.
"Aber Eure Majestät! Wir sind dazu verpflichtet, Euch zu folgen und zu beschützen!", wirft des Prinzen Leibwächter ein und schaut erschrocken.
"Dann Befreie ich Sie von dieser Verpflichtung. Ich bin allemal in der Lage, mich selber zu beschützen", lächelt der Junge überaus freundlich, ehe er sich umdreht, seine Wächter, die hin- und hergerissen sind, zurücklässt und diesen mysteriösen Jungen aufsuchen geht. Natürlich zieht er mit seiner königlichen Erscheinung alle Aufmerksamkeit auf sich. Die verzierten in weiß getunkten Stiefel, darüber die edle weiße Hose. Kombiniert mit einem ebenso weißen Hemd und einem knielangen und eng anliegenden Mantel, der von einem Saphirblau in ein dunkles Blau übergeht, unterstreichen die Kleidung die natürliche Schönheit des Königssohnes. Auch an silbernen Accessoires, wie ein Ring, den er über dem Stoff seiner Handschuhe trägt, wurde nicht gespart.
"Entschuldigen Sie die Störung der Herr, aber es gäbe da etwas, was mein Interesse geweckt hat Wenn Sie mir also erlauben würden, Ihnen eine Frage zu stellen, würde mich das äußerst erfreuen", beginnt Nionell zu sprechen, als er bei dem kleinen Essensstand angekommen ist und nun vor dem Blutmagier steht. Da Leslie gerade von dem Jungen aus dem Königshause angesprochen wurde, liegen verständlicherweise alle Augen auf den beiden.
Der Angesprochene starrt auf sein Essen und verweigert auch diesmal eine Antwort. Er hat aber das Gefühl, als würde dieser Junge ihn nicht in Ruhe lassen, ehe er ihm keine Antwort geben würde. Nach einem kleinen Seufzer von Leslies Seite aus, schlürft er noch das letzte bisschen von seiner Suppe auf, bevor er dann von der Holzbank aufsteht und dem Prinzen den Rücken zudreht, damit er gehen kann. Dieses Handeln lässt Nionell erschrecken, da so etwas ihm noch nie zuvor passiert ist.
"So warten Sie doch!" Der blondhaarige Junge holt den anderen ein und stellt sich ihm in den Weg.
Beinahe wäre Leslie in ihn hineingelaufen, aber gerade so hat er noch anhalten können.
"Sie können doch nicht einfach gehen, wenn ich mit Ihnen rede!", beschwert sich Nionell deutlich bei seinem Gegenüber, den es aber alles andere interessiert.
"Und ob ich das kann", murmelt Leslie mit einem genervten Unterton und geht an dem Prinzen vorbei, aber auch das hält den neugierigen Jungen nicht auf.
"Ich befehle Ihnen, auf der Stelle stehenzubleiben", versucht Nionell es auf eine härtere Weise, aber auch das hält den Rothaarigen nicht auf, das Einzige, woran er denkt, ist, dass er schleunigst von hier weg muss. Leider wird er nicht in Frieden gelassen, im Gegenteil. Der Prinz hält Leslie am dünnen Stoff seines Umhangs fest und stellt sich dann erneut vor ihn.
"Was für Manieren haben Sie denn, dass Sie vor einem Prinzen wegrennen? Das ist äußerst unerhört!" Nionell hat allemal genug von diesem Jungen vor ihm, besonders, weil es ihn gar nicht zu kümmern scheint.
"Es ist mir ganz gleich, ob Sie ein Prinz sind oder nicht und ich wünsche mir nur, von Ihnen in Ruhe gelassen zu werden", grummelt der Angesprochene nun sichtlich gereizt. Leslie hat sich noch nie damit anfreunden können, mit Menschen zu kommunizieren, aber dass dieser Junge nun auch noch meint, ihn anpacken zu dürfen, stört ihn maßgeblich. Auf sein Sagen hin erhält er empörte Blicke von seinem Gegenüber, auch wenn er diese durch die Kapuze nicht einmal sehen kann. Beide haben den Marktplatz verlassen und stehen gerade auf dem Seitenstreifen an einer Straße zwischen unterschiedlichen Wohngebäuden. Die Straße ist völlig leer, nicht allzu weit entfernt hängt ein junges Mädchen ein Tuch über die Fensterbank, um es trocken zu bekommen. Dabei entdeckt sie natürlich den Prinzen, was ihr sofort ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
"Eure Majestät! Wie erging es Euch in den letzten Tagen? Freut Ihr Euch schon auf das Fest? Und dieses Feuerwerk am Abend? Wie wunderschön es doch wird!", plappert das Kind darauf los.
Nionell liebt Kinder über alles, weswegen er nicht anders kann, als dem Mädchen sein schönstes Lächeln zu schenken. Als Leslie aber das Wort "Feuerwerk" zu hören bekommt, läuft ein kalter Schauer über seinen Rücken. Seit dem Vorfall vor fünf Jahren, wo all die Blutmagier auf grausame Art ermordet wurden, hat er panische Angst vor gewaltig lauten Geräuschen. Auslöser davon sind Donner- oder auch Blitzmagier. Aber er kann hier nicht eher weg, bevor er nicht die Aufgabe beendet hat.
"Ich liebe Feste und auch dieses Feuerwerk wird durchaus ein fantastischer Anblick, da gebe ich Ihnen recht, junge Dame", ruft Nionell dem Mädchen zu, dreht sich aber ziemlich direkt danach mit einem ernsten Ausdruck zu Leslie um.
"Sie weckten mein Interesse, da Sie es schafften, diese Smaragde dem Händler zu bringen und daraus habe ich schließen können, dass Sie ein begabter Magier sein müssen, andernfalls wäre es nicht möglich gewesen, den Ort überhaupt zu betreten. Sie könnten sich als nützlich erweisen auf dem königlichen Hof als Beispiel. Wäre das nicht weitaus angenehmer, als umher zu streifen?" Der Prinz legt seinen Kopf etwas schief und hat stetig das Verlangen, dem Jungen vor sich die Kapuze vom Kopf zu reißen, da es ihn stört, dass er seine Gesichtsausdrücke nicht erkennen kann.
"Niemals, da streife ich lieber umher", lehnt Leslie hastig ab. Wie könnte er auch jemals im Schloss für die Königsfamilie arbeiten?
"Wie bitte? Wie ist es nur möglich, so ein Angebot auszuschlagen?" Der Prinz ist verwirrt. Nicht jeder verneint so etwas, ohne überhaupt darüber nachzudenken, so hat er zumindest gedacht.
"Gibt es Grund dafür?", hakt Nionell nach. Er kommt nicht damit klar, dass Leslie abgelehnt hat. Jedoch erhält er ein sichtlich genervtes Seufzen von ihm und hätte er sein Gesicht gesehen, dann hätte er definitiv seine Augen verdreht.
"Auch wenn es einen gibt, geht es Ihnen nichts an." Leslie dreht sich um und setzt zum Gehen an, dennoch wirft der Prinz ihm noch etwas hinterher: "Schön! Gehen Sie nur. Aber glauben Sie nicht, dass ich so schnell aufgeben werde!" Damit verschwindet der Blutmagier in einer Gasse, aus Nionells Sichtfeld.
Da es bereits dunkel ist, hat Leslie sich am Rande der Stadt ein Zimmer für zwei Nächte in einem Gasthaus zu einem niedrigen Preis gemietet und Nionell ist zurück zum Schloss geritten, nachdem er sein Pferd beim Stall auf dem Marktplatz abgeholt hat, wo bereits sein Leibwächter auf ihn gewartet hat.
Am nächsten Tag ist es bereits früher Mittag, als Leslie aus seinem Schlaf erwacht. Es ist ihm erst spät in der Nacht gelungen, in einen tiefen Schlaf zu fallen. Eigentlich wollte er früh raus, weswegen er hektisch das Gasthaus verlässt. Da diese Einrichtung ausschließlich Zimmer zum Schlafen besitzt, ist er dazu verpflichtet, sich auf dem Markt etwas zum Essen zu besorgen und er geht davon aus, dass der Prinz da sein wird. Heute ist der Tag, an dem Azmaryl gefeiert wird und er hörte, dass die Königsfamilie immer höchstpersönlich in der Stadt ist, um die Beziehung zum Volk aufrechtzuerhalten. Demnach macht er sich hastig auf den Weg zum Marktplatz, um sich ein Brot zu besorgen. Beim Gehen zählt er seine übrigen Taler, welche sich als gar nicht mehr so viele herausstellen, aber es sollte noch für ein paar Tage genügend, wenn er sich zurückhält.
Als er beim Markt ankommt, hört er schon die festliche Musik und die freudigen Stimmen der Bürger. Wie sehr er doch solche Feste hasst ... Jedoch muss er da wohl durch.
Nachdem er für einen Moment still hält, entdeckt er einen Stand mit Gebäck. Er zwar auch in eine Bäckerei gehen, aber meistens sind die Preise dort höher heraus. Bisher hat er den Prinzen nicht finden können, weshalb er geschwind zu dem Verkäufer geht und sich ein kleines Brötchen kauft.
"Ich bedanke mich bei Ihnen, mein Herr! Auf dass Sie ein schönes Fest haben werden!" Der Verkäufe lacht ihn vergnügt an, aber da ist Leslie schon längst verschwunden. Gerade als er dabei ist, den Markt schleunigst zu verlassen, steht ein Junge mit einem Grinsen vor ihm, wobei er dieses nicht sieht. Es ist niemand geringeres als der Prinz, der soeben sein Versprechen vom letzten Tag einhält. Leslie versucht ihn zu umgehen, jedoch lässt der andere ihm da keine Möglichkeit.
"Also -"
"Nein", unterbrich Leslie seinen Gegenüber. "Ich ändere meine Meinung nicht." Zu Leslies Vorteil taucht wie aus dem Nichts dieses kleine Kind vom Vorabend auf.
"Eure Majestät", flüstert sie und streckt ihre zarte Hand, in der sie eine kleine Eisblume hält, zu dem Prinzen aus. So gutherzig wie der Prinz ist, nimmt er das Geschenk dankend an, als er sich zu ihr hinunter kniet. Das Mädchen macht einen kleinen Knicks und rennt dann mit einem Strahlen zurück zu ihrer Mutter. Als Nionell aber aufsieht, merkt er, dass der Magier verschwunden ist.
"Es hat wohl keinen Zweck", murmelt er zu sich selbst und entscheidet sich dann dazu, über den Markt zu laufen, bis das Fest am Abend offiziell beginnt. Die Blume des kleinen Mädchens ist nicht aus purem Eis. Es ist eine Art, die nur im Winter blüht und durch ihre hellblaue Blüte zu erkennen ist. Die ganze Zeit über behält Nionell sie in seiner Hand. Dennoch geht ihm dieser Junge nicht aus dem Kopf und fällt ihm auf, dass er nie nach seinem Namen gefragt hat, obwohl er ihm dies auch nie verraten würde, so vermutete es zumindest der Prinz. Und auch was er unter seiner Kapuze verbirgt, erweckt eine nur noch größere Neugier in ihm. Jedoch hat er keinen Schimmer, wie er ihn finden soll, schließlich könnte er überall sein. Seine Gedanken werden durch Jubeln und Rufe vor Freude unterbrochen und somit stellt sich heraus, dass seine Eltern im Stadtzentrum angekommen sind. Die Königin und der König sitzen beide in einer goldenen Kutsche, gefolgt von einigen Rittern, und beide tragen ein freundliches Lächeln auf ihren Lippen. Als beide aussteigen und sich zu dem Podest bewegen, wo bereits Thrönen ähnliche Sitzmöglichkeiten stehen, bahnt sich ihr Sohn ein Weg an den Menschen vorbei zu ihnen.
"Nionell, mein Sohn, da bist du ja!", begrüßt ihn seine Mutter erfreut, was er mit einer Verbeugung erwidert.
"Mutter? Wie spät soll das Feuerwerk anfangen?" Er ist dazu verpflichtet zumindest dann da zu sein, aber er würde gerne diesen Jungen noch finden, auch wenn er ihm jetzt schon auf die Nerven geht.
"Ich würde es begrüßen, wenn du bereits nach Sonnenuntergang bei deinem Vater und mir bist. Weshalb die Frage?" Die Königin setzt sich auf den gepolsterten und edlen Stuhl neben den König und schaut zu ihrem Sohn hoch.
"Es gibt da etwas, dem ich nachgehen wollte. Ich werde rechtzeitig da sein, versprochen!" Der Prinz verbeugt sich noch einmal vor dem Königspaar, ehe er den Marktplatz verlässt und in die Richtung geht, in welche wohl Leslie verschwunden ist. Leider wird er nicht so schnell fündig, wie es sich erhofft hat. Er geht bis an den Rand der Stadt und sucht die Seitengassen ab, aber auch dort kann er ihn nicht entdecken. Sobald er eine alte Dame die Straße entlang gehen sieht, erkundigt er sich, ob sie denn einen Jungen mit einem Umhang gesehen hätte, der sein Gesicht mit einer Kapuze verdeckt. Die Dame aber schüttelt mit dem Kopf, nachdem sie den Prinzen respektvoll gegrüßt hat. Enttäuscht sieht er sich weiter in der Stadt um, bis ihm etwas einfällt. Was, wenn er sich von vorhin an im Wald in der Nähe aufhält? Das Gebiet ist zwar groß, aber Nionell hat schon einen Einfall. Auch er ist ein geborener Magier, nur dass in ihm die Kraft der Pflanzen ruht und diese kann er sich jetzt zu Nutze machen. Durch die Berührung eines Baumes sieht er für Momente das, was vor den Bäumen liegt und sich bewegt.
"Hab dich", grinst er vor Freude und huscht in den Wald zu dem Ort, wo er Leslie hat stehen sehen. Es dauert eine kurze Zeit, bis er den Jungen eingeholt hat, aber sobald er ankommt, wird er auch bemerkt.
"Was suchen Sie hier?", gibt Leslie desinteressiert von sich und geht einfach weiter. Zugleich aber stellt er sich die Frage, wie er ihn so schnell hat finden können.
"Mir fiel ein, dass ich noch gar nicht nach Ihrem Namen gefragt habe. Also verraten Sie ihn mir?" Abermals verziert ein Lächeln Nionells Gesicht.
"Nein", antwortet der Blutmagier ohne Überlegung.
"Das ist wirklich sehr bedauernswert", schmollt der Prinz. "Dann kommen Sie doch wenigstens mit mir zurück zu dem Fest. Das Feuerwerk wird wirklich atemberaubend werden!" Nach dieser Aussage kommt Leslie zum Stehen, weswegen Nionell beinahe mit ihm zusammenstößt.
"Was ist denn nun?", fragt der Blondhaarige verwirrt, da der andere nichts erwidert.
"Unwichtig", beantwortet er des Prinzen Frage in einem Flüsterton, jedoch lässt der Königssohn das nicht auf sich ruhen. Er stellt sich ihm gegenüber und versucht unter seine Kapuze zu lugen, doch vergebens. Leslie hat den Stoff tiefer in sein Gesicht gezogen, was den anderen nur noch mehr dazu verleitet, sein Gesicht freizulegen. Es kann sich zwar als eine durchaus schlechte Idee herausstellen, da darauf wohl keine freundliche Reaktion folgen wird, wenn Nionell tatsächlich versuchen sollte, ihm die Kapuze abzunehmen. Gerade aber vergehen Minuten des Schweigens, unter denen Nionell den anderen einfach nur mustert.
"Lass uns einen Deal abmachen. Sie leisten mir bis zur Nacht Gesellschaft und danach lasse ich Sie gänzlich in Frieden. Wie hört sich das für Sie an? Sie haben des Königssohnes Ehrenwort!"
"Fein", stimmt Leslie letztendlich zu, auch wenn es die Gefahr entdeckt zu werden erhöht und auch dieses Feuerwerk erweckt diese Nervosität in ihm. Hoffentlich kann er seine Gefühle auch dann verstecken.
Nionell beginnt breit zu strahlen. Er hätte nicht gedacht, dass er doch zustimmen würde, aber desto mehr freut es ihn. Somit schleppt er den Blutmagier mit sich zurück zum Fest. Es dämmert bereits, aber das bedeutet auch, dass der Prinz rechtzeitig zurück sein wird, sogar früher als gedacht.
Das Zentrum der Stadt erstrahlt in den schönsten Lichtern und die Musiker erhellen die Stimmung noch zusätzlich. Es ist zwar eisig und noch immer rieselt der Schnee, aber noch nie hat es das Volk aufgehalten, dieses Fest nicht zu genießen. Alle tragen warme Gewänder, um auch nicht frieren zu müssen, und zusätzlich tanzen einige mit dem Partner über den Platz, während andere ein warmes Getränk genießen.
Die beiden ziehen bei ihrer Ankunft die Blicke maniger Bürger auf sich, weshalb Leslie hastig weiter in den Hintergrund rückt. Der Prinz bemerkt dies und führt ihn dann um die Menge herum zu einem Stand, an dem Nionell jedes Jahr Wein bestellt. Es ist einfach der schmackhafteste, den er je gekostet hat.
"Ich erbitte zwei Gläser Ihres besten Weines", bestellt der Prinz bei der üblichen Verkäuferin, die nur allzu gerne ein Glas oder auch zwei für ihn bereitstellt.
"Heute mit Begleitung, Eure Majestät?", beginnt die Dame ein Gespräch, während sie die rote Flüssigkeit in teure Kelche füllt. Der Prinz nickt zufrieden. Er hatte nicht darüber nachgedacht, den rothaarigen Jungen danach zu fragen, ob er denn überhaupt Wein mag, da er darauf wetten würde, dass dieser nur ablehnen würde. Genau das hatte Leslie auch vorgehabt, aber letztendlich spart er sich das Prozedere und schweigt.
"Lasset es Euch schmecken!"
"So habet Dank", erwidert Nionell, bezahlt den gewohnten Preis, sieht dann zu seinem Begleiter und reicht ihm den Kelch, der zögernd angenommen wird. Das Fräulein beobachtet die beiden Jungen, als diese sich entfernen. Dieser Herr neben dem Prinzen kommt ihr gar komisch vor. Wieso sollte sich denn auch jemand an so einem Feiertag verstecken? Es scheint ihr nicht als sinnvoll und ist er auch noch ein Gefolge des Prinzen. Aber nun gut, es liegt nicht in ihren Ermessen zu entscheiden, wer an der Seite des blonden Jungen ist.
"Verraten Sie mir nun Ihren Namen?", wiederholt Nionell seine Frage von eben, als er sich auf eine abgelegene Holzbank setzen, nachdem er den Schnee abgestrichen hat.
"Halten Sie es denn nicht für angemessen, den eigenen Namen erst preiszugeben, wenn Sie jemand anderen nach dessen fragen?"
"Oh, das ist mir wohl missfallen. Verzeihen Sie. Mein Name lautet Nionell." Wieder einmal kommt sein schönstes Lächeln zum Vorschein, aber leider bleibt dies dem anderen Jungen vorenthalten.
"Leslie", murmelt er, nur für den Prinzen hörbar und starrt währenddessen nieder in den Wein.
"Ich muss mich wohl bedanken, Leslie. Sie sind die erste Person, die mir bei dieser Feier Gesellschaft leistet." Nionell schaut hoch in den Himmel und beobachtet die hell leuchtenden Sterne. Er kann seine Dankbarkeit kaum ausdrücken, so sehr macht es glücklich, diesen Jungen neben sich zu haben, auch wenn er nicht die Augen unter dieser Kapuze hat sehen dürfen, aber irgendwann, da möchte er sie erblicken.
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