𝐇𝐞𝐢𝐥𝐢𝐠𝐚𝐛𝐞𝐧𝐝
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Tränen verschleierten die Sicht des jungen Mädchens. Ihr Füße trugen sie so schnell sie konnten weg. So weit weg, wie sie konnten. Sie hinterließ Spuren im frisch gefallenen Schnee. Normalerweise hätte sie sich über den Schnee gefreut, denn dieser Wunsch stand ganz oben auf ihrer Liste, die sie dem Christkind geschickt hatte. Schnee zu Weihnachten. Doch jetzt war es ihr egal. Weihnachten würde ohnehin nicht stattfinden. Er hatte alles kaputt gemacht.
Sie hatte das Ortsschild schon längst hinter sich gelassen und noch immer lief sie weiter. Schon längst war sie im Wald angekommen, durch den sich die Straße schlängelte. Sie war noch nie allein so weit von weg von zu Hause weg gewesen.
"Verdammte Weihnachten!", murmelte und verlangsamte ihre Schritte.
Ihr Vater hatte es früher immer ein Fest der Familie genannt.
"Pah, von wegen Familienfest!", sie trat in den Schnee und tausende Schneeflocken stoben durch die Luft. Im Schein der untergehenden Sonne glitzerten sie wie tausend Diamanten.
Sie seufzte leise.
"Ich wünschte mir, ich könnte Weihanchten mit meiner Familie verbringen", sagte sie.
Ein Windhauch wirbelte die Schneeflocken noch einmal in die Höhe und ließ sie wie Sternenstaub wirken.
"Warum kannst du Weihnachten nicht mit deiner Familie verbringen?", hörte das junge Mädchen eine Stimme im Wald. Erschrocken suchte sie nach ihrem Ursprung. Doch sie konnte niemanden finden.
"Hier bin ich."
Ihre Augen blieben bei einem kleinen Eichhörnchen hängen.
"Sprichst du mit mir?", fragte sie skeptisch.
"Na wer denn sonst?", antwortete das Eichhörnchen kichernd. "Noch nie mit einem Eichhörnchen gesprochen?"
"Ehrlich gesagt, nein", zögerte sie, aber rang sich zu einem Lächeln. Dabei strich sie sich die letzten Tränen aus den Augen.
"Dann wird es aber mal Zeit, wie heißt du eigentlich?", fragte das Eichhörnchen.
"Ich bin Maria. Hast du auch einen Namen?"
"Natürlich", kicherte das Eichhörnchen. "Ich heiße Sqimmi. Und jetzt erzähl schon, warum musst du Weihnachten alleine verbringen?"
"Meine Mutter arbeitet beim Grafen im Herrenhaus. Und er hatte ihr gesagt, dass sie heute frei kriegen würden um mit mir Weihnachten feiern zu können. Doch gestern hatte er ihr gesagt, dass er sie heute doch im Herrenhaus braucht. Sie hatte dann gefragt, ob ich wenigstens mitkommen dürfte, doch er hat abgelehnt. Meine Mutter sagte, er mag keine Kinder. Mein Vater ist vor ein paar Jahren gestorben und sonst ist da keiner mit dem ich Weihnachten verbringen kann", erzählte Maria und nun liefen doch wieder Tränen über ihre Wangen. Sie hasste den Grafen. Immerzu musste ihre Mutter länger arbeiten, sie hatte nie Zeit für sie, bekam aber auch nicht viel Geld für die viele Arbeit und jetzt verlangte er auch noch, dass sie an Weihnachten arbeitete.
"Der Graf ist ein einsamer Mann", sagte das Eichhörnchen leise.
"Doch jetzt bin ich einsam", sagte Maria traurig. In diesem Moment war es ihr egal, dass der Graf einsam war.
"Komm doch mit uns, wir feiern gemeinsam Weihnachten", schlug Sqimmi vor.
"Wer ist denn wir?", fragte Maria ein wenig skeptisch.
"Mit uns Tieren im Wald", rief Sqimmi aufgeregt. "Wir feiern auch Weihnachten!"
Für einen Moment zögerte Maria noch, doch dann folgte sie Sqimmi ins Unterholz.
Immer wieder hörte sie nun aufgeregte Stimmen, die ihr nie zuvor aufgefallen waren.
Maria ließ sich von der aufregenden Stimmung im Wald anstecken. Voller Vorfreude folgte sie nun Sqimmi und war überrascht über die vielen Tiere, die sie nun zu Gesicht bekam. Neben ihr lief ein Reh lang und warf ihr immer wieder neugierige Blicke zu.
"Hallo, wer bist du denn?", fragte es schließlich.
"Ich bin Maria", antwortete das junge Mädchen.
"Sie feiert Weihnachten mit uns, damit sie nicht allein ist", erklärte Sqimmi.
"Oh wie schön."
Schließlich kamen Sqimmi und Maria auf einer großen Lichtung an. Unzählige Tiere standen und saßen hier beisammen. Jeder hatte etwas mitgebracht. So hielt Sqimmi plötzlich ein paar Nüsse in der Hand. Ein junger Hirsch, der in ihrer Nähe stand trug ein wenig Heu in seinem Geweih. Er muss es aus einer der Futterkrippen mitgebracht haben.
Völlig faziniert beobachtete Maria das Geschehen. Die Tiere standen in Gruppen zusammen, teilten ihr mitgebrachtes Futter untereinander und unterhielten sich fröhlich. Obwohl es inzwischen Dunkel geworden war, konnte Maria alles sehen. Unzählige Glühwürmchen erhellten den Himmel und es sah als würden die Sterne selbst auf diese Lichtung herabgekommen sein um ein wunderschönes Weihnachten zu schenken.
"Es ist wunderschön hier", murmelte Maria zu sich selbst.
"Ja, nicht wahr?", antwortete Sqimmi und kletterte bei Maria auf die Schulter. Gemeinsam liefen sie über die Lichtung und wünschten den anderen Tieren eine schöne Wihnachtsnacht.
Schließlich blieb Maria vor einem Reh mit ihrem Kitz stehen. Das Kleine schlängelte sich um die Beine seiner Mutter. Diese stupste ihr Kitz mit ihren Kopf vorsichtig an und das Kleine schmiegte sich an seine Mutter. Maria blinzelte eine Träne weg. Auch wenn es hier bei den Tieren wunderschön war, vermisste sie ihre Mutter. Nun konnte sie überall nur noch kleine Tierkinder mit ihren Müttern sehen und schaffte es nicht mehr ihre Tränen zurück zu halten. Weihnachten war eben nicht Weihnachten ohne ihre Mutter.
"Weine nicht Maria, heute ist Weihnachten, da weint man nicht", Sqimmi wischte mit seiner kleinen Hand eine Träne von ihrer Wange.
"Ich habe eine Idee", sagte Sqimmi dann plötzlich und sprang von Marias Schulter. Er huschte zu einem kleinen Hasen und dann weiter zu einem anderen Eichhörnchen. Plötzlich begannen alle Tiere mit einander zu flüstern. Verwirrt sah sich Maria um. Als Sqimmi plötzlich wieder auf ihrer Schulter auftauchte, erschrack sie.
"Komm mit, wir wollen dir noch etwas zeigen."
Und sie zogen los. Alle zusammen durch den dunklen Wald. Die Glühwürmchen erhellten den Weg und in Maria steigerte sich die Anspannung. Was die Tiere ihr wohl zeigen wollten?
~~~
Lianne beeilte sich nach Hause zu kommen. Es war schon lange dunkel und es tat ihr so unendlich Leid, dass Maria diesen Abend allein hatte verbringen müssen, doch sie wollte und konnte diese Arbeit nicht verlieren. Seit ihr Mann vor einigen Jahren verstorben war, war es schwierig geworden jeden Monat alle Rechnungen zu bezahlen. Es hatte einige Zeit gebraucht, bis sie nach seinem Tod die Anstellung bei dem Grafen bekommen hatte, denn es war einfach nicht üblich das Frauen ohne Mann arbeiten ging. Bei dem Gedanken schüttelte sie den Kopf. Wie sollte denn eine Frau sonst für sich Sorgen und für eine erneute Heirat war sie einfach nicht bereit gewesen. So stemmte sie seit Jahren alles alleine. Es war nie leicht und doch wusste sie, dass es das Wert war, wenn Maria sie ansah, wenn sie die Liebe zu ihrer Tochter spürte. Sie sah ihrem Vater so ähnlich.
Aber ausgerechnet heute, den Tag den sie Maria versprochen hatte, hatte der Graf sie nicht gehen lassen. Ihr Herz schmerzte noch immer, wenn sie an Marias enttäuschtes Gesicht dachte.
Leise stoß sie die Tür auf, sie wollte Maria überraschen. In der Wohnung war es dunkel, Lianne ging leise in die Stube und fand diese leer vor. Nicht eines der Geschenke war geöffnet worden. Sie ging in Marias Zimmer, aber auch dort war ihre Tochter nicht. Die Angst kroch ihr den Rücken hoch. Wo war Maria?
Als sie Maria in der ganzen Wohnung nicht fand, hatte die Angst sie schon längst im Griff. Im Flur suchte sie nach ihrer Jacke und den Schuhen, doch sie fand sie nicht. Sie stürmte aus der Wohnung.
"Maria", rief sie, doch natürlich bekam sie keine Antwort.
Sie sah die Straße hoch und runter. In die eine Richtung ging es zurück zum Herrenhaus und in die andere Richtung aus der Stadt raus. Sie entschied sich zurück zum Herrenhasu zu gehen. Vielleicht wollte Maria sie ja abholen oder den Grafen überzeugen sie gehen zu lassen. Manchmal kam ihre Tochter auf die verrücktesten Ideen.
~~~
"Komm mit", Sqimmi saß am Waldrand und wartete auf Maria.
"Aber wir sind beim Grafen, das ist das Grundstück vom Grafen", stammelte Maria. Sie zögerte. Es war verboten das Grundstück des Grafen ohne seine Erlaubnis zu betreten. Es hatten mal ein paar Klassenkameraden sich einen Spaß aus dem Verbot gemacht und es bitter bereut. Sie schworen, der Graf hätte sie am liebsten an ihren Ohren aufgehangen, doch das glaubte Maria nicht. Ihre Mutter sagte zwar immer, dass er keine Kinder mochte und verbittert wäre, doch nie, dass er grausam wäre.
"Bitte komm mit, wir passen auch auf dich auf."
Neben ihr stand der junge Hirsch und auf der anderen Seite ging ein Fuchs lang. Sqimmi saß schon wieder auf ihrer Schulter. Maria wusste zwar, dass sie vermutlich besser wegkommen würde als die Tiere, wenn der Graf sein Gewähr in der Hand hielt, aber trotzdem fühlte sie sich jetzt gerade besser mit den Tieren an ihrer Seite. Langsam ging sie über die freie Wiesenfläche. Der Schnee knarzte unter ihren Schuhen und über ihr strahlte der Sternenhimmel.
Nach einigen Metern wies Sqimmi sie an stehen zu bleiben. Er hüpfte von der Schulter und auf einen zugeschneiten Stein zu. Mit seinem buschigen Schwanz versuchte er den Schnee weg zu wischen. Maria kniete sich daneben und half ihm.
Vorsichtig strichen ihr Finger über den glatten Stein.
"Da ist ja etwas eingraviert", sagte sie leise. Ein paar Glühwürmchen schwebten zu ihr, damit sie die Inschrift besser lesen konnte.
"In Frieden ruhen Magdalena von Hohenland und Leandra von Hohenland. Es bleibt in Trauer zurück Johannes von Hohenland", las Maria vor.
"Das waren seine Frau und Tochter oder?", fragte sie Sqimmi.
"Ja, sie sind vor einiger Zeit verunglückt. Seit dem ist er Graf so wie er jetzt ist. Er war vorher ein gütiger und freundlicher Mann."
"Magdalena von Hohenland 17. März 1845 - 23. Juni 1869 und Leandra von Hohenland 18. November 1864 - 23. Juni 1869", las Maria weiter vor. "Seine Tochter ist am gleichen Tag wie ich auf die Welt gekommen. Sie wäre so alt wie ich."
Maria empfand größtes Mitleid für den Grafen. Seine Frau und sein Kind zu verlieren. Sqimmi hatte recht gehabt, der Graf war ein sehr einsamer Mann.
"Und verbittert", murmlete Maria. Er gönnt mir und meiner Mutter nicht unser Weihnachtsfest.
"Er tut mir Leid", sagte Maria. "Ich kann verstehen, dass er keine Kinder in seiner Nähe erträgt."
Maria sah noch einmal zum Grab.
"Ich glaube, ich sollte jetzt nach Hause."
"Wir begleiten dich", sagte der junge Hirsch.
Sie schritten zusammen zum Wald zurück. Maria hing ihren Gedanken nach und erschrak als Sqimmi plötzlich auf ihrer Schulter herum hüpfte.
"Los komm, wir müssen uns beeilen."
Der Hirsch galoppierte los und Maria hatte Mühe hinterher zu kommen.
"Was ist denn los?", fragte sie, doch Sqimmi schwieg.
Plötzlich hörte Maria Stimmen in der Nähe.
~~~
"Haben Sie meine Tochter gesehen?", Lianne sah zu dem Grafen und die Panik in ihren Augen war die einer Mutter, die nicht wusste wo ihr Kind war.
"Nein, warum sollte ich", antwortete der Graf grimmig. Lianne war schockiert von seiner Gleichgültigkeit. Sie wusste ja, dass er keine Kinder mochte, aber dass es ihm so egal war, dass ihre Tochter verschwunden war, damit hatte sie nicht gerechnet. Sie drehte sich um und wollte weiter suchen, als sie wieder die Stimme des Grafen vernahm.
"Aber ich kann Ihnen suchen helfen", sagte er und zum ersten mal konnte sie den Anschein eines Lächelns in seinem Gesicht sehen.
Überrascht sah sie ihn an. Sie brachte kein Wort über die Lippen.
"Wir sollten gehen."
Lianne und der Graf folgten dem Weg vom Herrenhaus zurück zum Dorf.
"Wo könnte sich ihre Tochter denn sein? Bei Freunden oder Familie?", fragte der Graf.
"Wir haben keine Familie mehr. Wir waren nur mein Mann, meine Tochter und ich."
Der Graf schwieg und sie setzten nun in Stille den Weg fort.
"Es tur mir Leid", sagte der Graf plötzlich.
"Wie bitte?", verwirrt sah Maria zu dem Mann an ihrer Seite.
"Es tut mir Leid, dass ich Sie heute habe arbeiten lassen. Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass ihr Tochter dann heute alleine ist."
Maria sah in die dunklen Augen des Mannes, für den sie seit Jahren arbeitete. Heute kamen sie zum ersten Mal warm vor und sie konnte die wirkliche Reue erkennen, als Lianne plötzlich innehielt. Etwas im Wald zu ihrer Rechten hatte ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen.
"Mama!", Maria stürmte aus dem Wald auf ihre Mutter zu und fiel ihr in die Arme. Lianne zog ihre Tochter so eng an sich wie sie konnte. Sie hatte heute so große Angst um sie gehabt. Tränen liefen über ihre Wangen.
"Oh Maria, ich habe mir solche Sorgen gemacht."
"Es tut mir Leid, Mama."
"Schon gut mein Schatz, Hauptsache du bist wieder da."
Hinter Maria kamen die Tiere des Waldes hervor. Sqimmi hüpfte auf Marias Schulter.
"Ich wünsche dir eine schöne Weihnacht."
"Danke Sqimmi, ich danke dir."
Mit diesen Worten verschwanden die Tiere wieder so schnell wie sie gekommen waren.
"Was war das denn?", fragte Lianne ihre Tochter.
"Das war Sqimmi, er hat mir geholfen dich zu finden."
"Ah, Sqimmi, ein Eichhörnchen hat dir geholfen."
"Ja, er hat mit mir gesprochen", flüsterte Maria. "Das war ein Weihnachtszauber."
"Hauptsache du bist wieder hier. Wir sollten jetzt nach Hause gehen", sagte Lianne so laut, dass auch der Graf, der einige Schritte entfernt die Szene beobachtet, ihre Worte hörte.
"Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten", sagte Maria zu dem Grafen und ging dann mit ihrer Mutter den Weg zurück zum Dorf.
Dem Grafen war das Herz schwer geworden, als er sah, wie sich das kleine Mädchen in die Arme der Mutter geworfen hatte. Doch die Fröhlichkeit dieses Kindes hatte ihn auf eine seltsame Weise auch berührt, auf eine Art, bei der er nicht dachte sie noch einmal zu fühlen. Der Schmerz über den Verlust hatte sich für einen Moment weniger stark angefühlt.
"Wartet", rief der Graf ihnen nach. "Wollt, wollt ihr vielleicht mit mir zusammen Weihnachten feiern?", fragte er unsicher.
Noch bevor Lianne antworten konnte, sagte Maria: "Ja gerne."
Zusammen mit ihrer Mutter ging sie zurück. Als sie den Grafen erreichten griff Maria mit ihrer kleinen Hand nach der großen des Grafens. Für einen Moment versteifte sich der Mann, dann drückte er die kleine Hand leicht. Keiner sah die Träne, die über seine Wange lief. Doch das Herz begann zu heilen.
~~~
Maria bestaunte den großen Weihnachtsbaum, während ihre Mutter das Essen aus der Küche holte, dass sie für den Grafen gekocht hatte.
"Weißt du, dass du ein Weihnachtszauber bist?", fragte der Graf.
Maria lächelte, der wahre Weihnachtszauber waren die Tiere gewesen, die ihr Weihnachten gerettet hatten.
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