6. Dezember ☃️
Fandom: Die Bücherdiebin
Personen: Liesel & Max
Es war nach Ende des Krieges. Liesel war gerade im Laden von Rudys Vater und schwelgte in Erinnerungen, dachte sogar wie schon so viele Male an ihn. An den einzigen Menschen auf der Welt, der sie je verstanden hatte. An den Menschen, der ihre Herzensleidenschaft geteilt hatte.
Es war wie ein Traum. Die Tür ging auf und eine Erscheinung stand Liesel gegenüber. Es war er.
Auf einmal veränderte sich alles. Die Zeitlupe hörte auf, und alles passierte nun schneller als normalerweise.
Und dann stand er vor ihr. Noch immer wirkte er einerseits so ruhig, so geerdet, aber andererseits auch auf der Flucht; so, als wäre er nirgendwo zu Hause.
"Max?". Liesels Stimme zitterte so wie früher, als sie ein unsicheres Kind gewesen war.
Er fuhr sich durch die Haare. Damals war ihr noch nicht aufgefallen, wie attraktiv er war. Er lächelte und sah dabei irgendwie verloren aus. Verloren, aber auch standhaft. Er wusste genau, wer er war und was er wollte.
Max ging auf sie zu und schloss sie in die Arme. Er duftete noch so wie früher, nur dass der Duft damals noch überdeckt war; von Zurückhaltung und Unterdrückung; doch jetzt blühte der Duft auf, er hüllte Liesel ein, er beschützte sie.
Tränen liefen Liesels Wangen hinunter und sie lösten sich wieder voneinander.
„Max", sagte sie nochmal, diesmal mit Schluchzern.
„Es gibt so viel, was ich dir erzählen muss".
Sie gingen in die Wohnung, in der Liesel unter Aufsicht wohnte. Seit dem Krieg ist alles so durcheinander, es gibt viele Waisen und man konnte sich nicht um alle kümmern; außerdem war Liesel schon fast volljährig, nur noch eineinhalb Jahre.
„Du hast es – schön hier", sagte Max und schluckte.
„Du wirkst nicht Begeistert", meinte Liesel.
Er setzte sich auf einen schäbigen Sessel. Die Wohnung war eigentlich nur ein Zimmer. Es gab noch mehrere Räume, aber da wohnten andere Kinder wie Liesel.
„Es ist nur – alles hat sich so verändert". Max sah auf seine Hände. „Liesel, ich habe Geld. Ich habe seit Kriegsende meine Familie gesucht, doch...".
Er sah nicht auf.
Liesel setzte sich zu ihm. „Tut mir leid".
Nun schwiegen beide. Die Last der Erinnerungen legte sich über sie wie ein Vorhang mit Bleienden. Er erstickte sie, drückte sie zu Boden.
„Ich muss dir was zeigen", sagte Liesel. „Doch nicht hier".
Sie nahm Max' Hand, ganz so wie sie es früher gemacht hat, wenn sie ihm was zeigen wollte, und dennoch hatte es eine ganz andere Bedeutung. Es schickte ein Kribbeln in ihre Finger.
Er lief mit ihr aus dem Zimmer hinaus und etliche Treppen hinunter. „Wo bringst du mich hin?", fragte er, doch Liesel lächelte nur.
Eine schwere Tür verwehrte ihnen das weitergehen. Mit Leichtigkeit stieß Liesel sie auf.
Ein herabgekommener Raum bot sich ihnen. Doch irgendetwas daran war auch schön, heimelig. In einer Ecke war ein Schlafsack und eine Decke. Eine Waschmaschine stand an der Wand, doch sie war kaputt.
„Das ist ein alter Raum. Keiner kommt hier mehr her", meinte Liesel, „Außer mir. Ich bin gerne im Keller. Hier schreibe ich".
Max betrachtete alles sorgfältig. „Ich mag es hier", sagte er.
Liesel setzte sich auf ihren Schlafsack, ihr eingerichtetes Lager. Unter einem Kasten holte sie schon teilweise eingerissenes Papier hervor. Es sah so aus, als wäre es schon abgegriffen und es war gewellt.
„Darf ich es lesen?", fragte Max. Liesel war sich sicher: Er war die einzige Person auf der Erde, der das fragen konnte, ohne aufdringlich zu sein; ohne den Eindruck zu erwecken, dass Liesel es ihm zeigen MUSSTE. Es war zurückhaltend aber interessiert.
Liesel nahm sich einen Zettel der ganz nach hinten gerutscht war.
„Lieber Papa,
Ich weiß, du warst nicht mein leiblicher Papa. Aber für mich warst du ein Vater und vieles mehr.
Du hast mich gelehrt, das Leben zu leben. Meinen Träumen zu folgen. Du hast mich gelehrt, ein guter Mensch zu sein. Du hast mich gelehrt, die Farben des Lebens zu erkennen, in jeder kleinen Sache und in jedem Lebewesen. Du hast mich gelehrt, das richtige zu tun. Auch wenn ich nicht immer auf dich gehört habe, oder gerade deswegen bin ich nun wer ich bin.
Du warst die erste Person die mir Stabilität gegeben hat, und auch wenn du, so wie jeder andere Mensch den ich geliebt habe, nun nicht mehr bei mir bist, gibst du mir immer noch gewisse Stabilität. Denn du hast mich nicht alleine dastehen lassen. Du hast mir Wissen und vor allem Weisheit mitgegeben, an die ich mich nun klammere. Die ich in meinen Briefen und Texten auf Papier bringe und die ich niemals vergessen werde.
Danke, Papa. Danke für die schöne Zeit, danke dass du warst wer du warst. Danke, dass du mich zu dem gemacht hast wer ich bin.
Du warst mein Lieblingspapa. Ich hoffe es geht dir gut da oben.
Ich denke an dich.
Deine Liesel".
Als Liesel zu Ende war strömten Max Tränen die Wange hinunter. Sie liebte es an ihm, dass er so emotional war und es nicht zu verstecken versuchte.
Die ganze Nacht redeten die beiden, lasen Liesels Texte und teilten ihre Gefühle.
Endlich spürte Liesel wieder diese Vertrautheit, die Geborgenheit.
Sie redeten auch die nächsten Nächte und hörten nie wieder damit auf, beisammen zu sein und aus Worten Magie zu machen.
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