EPILOG
JAY
Ich sitze müde nach einer langen Schicht auf der Arbeit in meinem Auto, während ich im Stau darauf warte, dass es endlich weiter geht.
Holly sitzt auf dem Beifahrersitz und rupft an ihrem mintgrünen Kleid herum, während sie genervt auf die Straße vor sich blickt.
„Was ist denn da vorne los?", fragt sie und rutscht im Sitz hin und her um einen Blick nach vorne zu erhaschen. Doch ein Transporter versperrt uns die Sicht.
„Wir stehen in mitten einer Baustelle", lasse ich sie wissen.
Die Straße ist zu einer Einbahnstraße umfunktioniert (wir stehen richtig), aber, wieso auch immer stehen wir im Stau- und wir sind schon spät dran.
„Ach was", murmelt Holly genervt.
Nicht, zur eigentlichen Hochzeit von Gordon und Heather, die ist erst in ein paar Stunden, aber Gordon will mich unbedingt sprechen.
Auf meine Frage, ob wir das auch nicht telefonisch besprechen können, verneinte er.
Er will mit mir von Angesicht zu Angesicht über irgendwas sprechen- keine Ahnung was.
Ich bin nicht nur genervt über den Stau, sondern auch deswegen, weil die Klimaanlage in meinem Auto nicht mehr funktioniert und dieser heutige Septembertag sich noch mal richtig von seiner guten Seite zeigen muss.
Klarer, hellblauer Himmel, kaum abkühlender Wind und selbst in den Morgenstunden zeigen sämtliche Apps auf dem Handy an, dass wir bereits die 25 Grad Celsius geknackt haben.
Außerdem bin ich genervt, weil Holly wieder genervt ist.
„Ist es wärmer geworden?", frage ich und fächere mir mit der Einladung vergeblich kühlere Luft zu.
Ich bin echt nicht für den Sommer gemacht und freue mich sehnsüchtig auf den Herbst und den Winter.
Fragend blicke ich zu Holly, die sich zurücklehnt und aus ihrer kleinen Handtasche ihr Handy hinauszieht. „Zehn Uhr und wir haben 29 Grad. Sollen heute bis zu 35 Grad werden."
Holly und ich stöhnen gleichzeitig genervt auf.
Ich schiele abermals zu ihr rüber, als sie ihr Handy wegsteckt und den Becher Eiskaffee noch immer ignoriert.
„Willst du den nicht? Sonst trinke ich den", sage ich, aber anstatt nach dem Becher zu greifen, lege ich meine Hand auf Hollys leicht gebräunter und nackten Schulter.
Mein Daumen fährt über die warme und leicht schwitzigen Haut, ehe ich seufze. „Ist dir wieder schlecht?"
Seit ein paar Tagen, genaugenommen, seit einer Woche, klagt Holly nun schön über Übelkeit und Erbrechen.
Die Stimmungsschwankungen und anderen Veränderungen an Holly lasse ich mal außer acht.
Für mich selbst steht fest, dass es da nur einen Grund für ihre Veränderung geben kann: ein Baby.
„Ich habe einfach nur nicht sonderliche Lust auf Kaffee", murmelte sie und blickt weiterhin aus dem Fenster hinaus.
Ich folge ihrem Blick. Der Transporter vor uns ist mit der Werbung eines Babyfachgeschäfts versehen und Holly starrt direkt auf das Gesicht eines zahnlosen und grinsenden Babys.
Dann blicke ich wieder zu ihr und seufze. „Auf dem Weg zum Standsamt liegt ein Wallgreens. Ich renne kurz rein, hole ein paar Tests und dann haben wir Gewissheit. Keine Widerrede."
„Das kann nicht sein. Ich hab mir vermutlich nur irgendwas eingefangen!", murrt sie herum. „Außerdem habe ich erst meine Tage gehabt."
„Und?", will ich wissen. „Es gibt Frauen die sind schwanger und haben trotzdem noch ihre Periode."
Holly dreht ihren Kopf zu mir und allein in ihrem Blick sehe ich, dass sie mich fragen will, was für einen Film ich schiebe.
„Ich habe das in sämtlichen Mütter-Foren gelesen... und selbst unter Medizinern wird darüber geredet. Das gibt es tatsächlich!"
Das ich mit Medizinern indirekt meinem Bruder meine, mit dem ich seit drei Monaten wieder in Kontakt stehe, lasse ich mal außer acht.
Aber die Ungewissheit macht mich regelrecht kirre. Ich will doch nur wissen, ob ich wieder Papa werde, oder nicht.
Ich wünsche mir das.
Holly zieht eine Augenbraue hoch. „Reden wir über einen Mediziner namens Halstead?"
Ich tippe auf dem Lenkrad herum. „Ich nenne keine Namen. Aber es kann wirklich so sein. Du erlebst doch auch immer merkwürdige Dinge in der Notaufnahme..."
Holly reibt sich die Schläfen. „Damit du endlich Ruhe gibst und ich dir sagen kann, ich hab's dir gesagt, werde ich einem Test machen. Ich hab vermutlich nur einen Infekt verschleppt."
„Ist gut", sage ich leise und zufrieden und nehme meine Hand von Hollys Schulter. „Kann ich noch was los werden?"
„Sag einfach, was du sagen willst."
„Falls sich meine Vermutung bestätigt... wir kriegen das schon hin. Wir haben Jackson bis jetzt gut gemeistert."
Ein weiteres Kind ist bei Holly und mir überhaupt nicht geplant gewesen... genau genommen ist es kein Thema seit unserer Verlobung gewesen.
Wir wollten uns auf Jackson und uns selbst konzentrieren, bis wir das zweite Kind in Angriff nehmen wollten.
Eigentlich ist alles so perfekt, wie es ist. Eigentlich will ich nicht, dass sich schon wieder unser Leben komplett umkrempelt.
Ich wollte erst in einigen Jahren, verheiratet, ein zweites Kind in die Welt setzen, wenn man Geld gesparrt und sich ein zweites Kind leisten kann.
Nicht jetzt. Nicht in ein paar Monaten, aber je mehr ich darüber nachdenke, dass in Hollys Bauch tatsächlich mein zweites Kind hockt, desto mehr sehne ich mich danach, dass der Test positiv anzeigt.
Auch wenn unser Leben wieder gehörig durcheinander geraten wird und wir sagten: in ein paar Jahren, bin ich irgendwie bereit und gespannt... sogar aufgeregt und ziemlich erfreut.
„Kein Wort mehr darüber, bis wir genau bescheid wissen. Bitte", fleht Holly und reibt sich genervt die Schläfen.
„Verstanden", nicke ich und muss mir mein dummes Grinsen wirklich vor Holly verstecken. Schnell wechsle ich das Thema. „Wie hast du herausgefunden, dass ich wieder Kontakt zu meinem Bruder habe?"
„Weil er bei mir im St. Bernards aufgetaucht ist, um mir zu sagen, dass er nach seiner Reise, durch, keine Ahnung wo, erstmal nach Chicago zurückkehren will."
„Hat er mir gar nichts von gesagt. Hast du ihn wieder in die Weichteile getreten?"
Holly seufzt. „Ich hab ihn lediglich den Nippel langgezogen... und gedreht", gesteht sie.
Ich reibe mir über die Brust und verziehe das Gesicht. „Richtig schön den Nippel zwischen den Fingernägeln, die sich übrigens auch noch hineingebohrt haben."
Ich gebe einen komischen Laut von mir. „Das ist ja grauenvoll", bemerke ich. „Aber. Er hat es verdient. Danke, Babe."
***
Kaum haben wir beiden das Standesamt betreten, kommt uns auch schon Gordon entgegen.
„Du wolltest doch früher da sein?", fragt Gordon mich völlig nervös und aufgeregt.
„Dir auch einen guten Morgen", entgegne ich und lasse die Hand von Holly los. „Was ist dein Problem?"
Gordon fährt sich nervös durchs Haar. „Ich kann das nicht!"
„Was?", fragt Holly, noch immer gereizt. Wieso auch immer sie gereizt ist, aber vermutlich liegt kein Grund vor und es liegt lediglich nur an den Hormonen.
Ich aber, durchlebe gerade irgendwie ein Déjà-vu.
Lydias und Lucas Hochzeit vor ein paar Jahren ging ja auch nicht wunderschön zu Ende. Sie konnte noch nicht mal anfangen, da Lydia mit einem anderen Typen am Tag der Hochzeit nach Kalifornien durchgebrannt ist.
„Ich kann das..."
„Was soll das heißen, du feiger Hund!", faucht Holly Gordon an. „Was soll das heißen, du kannst das nicht? Wieso ziehst du deinen Schwanz ein? Brennt dir der Hut!?"
Sie stellt sich wütend vor ihm hin und boxt ihn mehrmals mit der geballten Faust gegen den Oberarm. „Du hast doch den Arsch offen! Wie feige bist du, dass du am Tag der Hochzeit einen Rückzieher machen willst?"
Jedes Wort von Holly wurde mit einem Schlag gegen den Oberarm von Gordon untermalt. Dieser verzieht das Gesicht und fängt fast an zu heulen.
Ich starre Holly belustigt an, während Gordon seinen Kopf einzieht. „Genau das, wollte ich auch gerade fragen. Was ist los, Alter?", frage ich fassungslos.
„Ich kann es einfach nicht", nuschelt er.
„Nimm den Schwanz auf den Mund und rede vernünftig mit uns!", flucht Holly herum, während Gordon Abstand zu ihr nimmt und ihre geballte Faust mit seiner Hand abfängt.
„Ich kann's nicht."
„Wow, danke für deine weitere Information, Gordon. Soweit sind wir auch schon!"
„Wolltest du nicht auf die Toilette!", unterbreche ich Holly mit zischendem Unterton.
Meine eigentliche Frage klingt nicht so wie eine Frage, sondern eher wie ein Befehl.
Erstens will ich die Sache hier beschwichtigen, bevor Gordon gar nicht mehr mit der Sprache rausrückt und zweitens, verbanne ich Holly nicht grundlos in Richtung Toilette.
Mich juckt es dermaßen in den Fingern - positiv oder negativ.
Holly wendet sich zur mir und wirft mir genau den angepissten Gesichtsausdruck zu, den sie vorher Gordon zuwarf.
„Das hier wird ein Männergespräch!", sage ich klipp und klar, auch wenn ich weiß, dass ich meine Tonart nachher wieder bereuen werde.
„Ja, klar, ich sehe nicht, dass Gordon überhaupt Eier hat...", zischt Holly weiterhin genervt, sucht dann aber trotzdem das Weite.
Erleichtert atme ich aus und wende mich wieder Gordon zu, der ihr perplex hinter her blickt. Erst reibt er sich jaulend den Arm. „Die boxt ja wie ein Kerl."
„Die ist meine Verlobte und ja, sie hat ‚ne üble Rechte." Für einen kleinen Augenblick grinse ich stolz, ehe ich in Gordons nachdenkliches Gesicht blicke. Sofort versteinert sich wieder meine Miene. „Ja, und was ist jetzt? Willst du die Hochzeit abblasen? Verschieben?"
Er weicht meinen Blick aus und nickt. „Ja, ich glaube, dass ist nicht der richtige Zeitpunkt für Heather und mich... das ist... ach, verdammt!"
Gordon redet noch weiter, aber ich bin bereits mit meinen Gedanken komplett weggedriftet und mir überkommt eine Idee.
„Und du bist dir da ganz schön sicher?", frage ich, als Gordon mich schweigend betrachtet.
„Ich habe Heather bereits eine SMS geschrieben."
So wie Lydia damals Lucas.
„Aber eine andere steckt nicht dahinter, oder?"
Gordon schüttelt seinen Kopf. „Ich will einfach noch nicht heiraten. Ich will frei sein und mich nicht festlegen müssen. Ich will mir auch zu hundert Prozent sicher sein, dass meine Partnerin die Richtige ist. Und dieses Gefühl, das habe ich nicht bei Heather. Ich will sowas was du mit Holly hast."
„Das ist auch nicht immer Zuckerschlecken", gestehe ich.
„Habe ich gesehen."
„Sie ist nur wegen ihrer Arbeit genervt. Nichts, was ich schon kenne und Händeln kann."
Gordon nickt. „Das ist gut. Ist auch gut, wenn ihr glücklich seid. Aber ich sehe mich da nicht mit Heather. Ich weiß, es ist scheiße, dass ich heute die Entscheidung treffen werde, obwohl ich mir schon länger sicher bin."
„Wieso hast du ihr überhaupt einen Antrag gemacht?", werfe ich ein. „Du bist dir ja nicht sicher gewesen..."
„Frag meine anderen Exfreundinnen. Ich mache aus dem Nichts und aus dem Gefühl hinaus Anträge."
„Und jedes mal hast du es bereut", stelle ich fest.
Wieder nickt Gordon. „Irgendwie schon. Ich bin gerade hier, um den Termin sausen zu lassen und danach fliege ich wohl allein in die Flitterwochen nach Miami."
„Wow, wenn du dich damit besser fühlst, die Flitterwochen gesponsert von deinen Schwiegereltern allein zu nutzen."
„Das werde ich nicht. Sie haben mir schon die Flugtickets gegeben. Auf einem steht sogar mein Name. Ich mache drei Kreuze, wenn ich erstmal meine Ruhe habe."
„Verständlich. Aber du hättest doch wenigstens die Eier in der Hose haben und es Heather ins Gesicht sagen können."
„Wie Holly bereits sagte. Ich habe keine Eier. Da hat sie recht. Ich muss mich beeilen den Termin abzusagen, bevor irgendwer aus meiner oder Heathers Familie hier auftaucht."
„Klar, lass dich da nicht aufhalten..." Ich halte über meine plötzliche Idee inne und blicke zu Gordon. „Ich weiß, dass es jetzt ziemlich bescheuert kommt, aber ich hätte da eine Frage. Eine Bitte."
Gordon blickt mich verwirrt an. „Worauf willst du hinaus?"
Ich hoffe so sehr, dass ich mit der Idee nicht gegen die Wand laufe.
Ich brauche nur zwei Geburtsurkunden und zwei Ringe- und eine Verlobte die zu dieser sonderbaren spontanen Idee am besten zwei mal Ja sagt.
Wir haben uns doch schon von Anfang an gesagt... nein geschworen, dass wir im besten Fall für immer sind.
Wieso nicht jetzt? Das mit uns ist der beste Fall. Alles was ich mir jemals erträumt und gewünscht habe. Wir beide für immer.
Für immer. Forever. Forever Yours...
Fortsetzung folgt
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