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HOLLY
Den Morgen nach meiner sonderbaren kleinen Geburtstagsparty mit Freunden und Familie, stehe ich eher schlecht gelaunt, als gut gelaunt auf.
Ich bereue jeden kleinsten Schluck vom Alkohol, obwohl ich wusste, dass ich morgen früh fit und munter auf der Arbeit sein muss. Und ich bin alles andere als fit und munter.
Jay kann sich seine liebevoll gemeinten belustigten Sprüche mir gegenüber nicht verkneifen, als er mein sichtlich gerädertes Gesicht erblickt. „Die geliebte Dusche hat wohl auch nichts gebracht?", fragt er. Er stellt sich an die Kaffeemaschine und deutet auf diese.
Ich nicke. „Ich würde mir Kaffee jetzt gerade auch intravinös einflößen", murmle ich und setze mich zu Jackson an dem Tisch- dieser löffelt gerade wieder seine über alles geliebten Haferflocken mit Äpfeln, Bananen und Joghurt und blättert gleichzeitig in einem kleinen Buch herum, welches neben seiner noch heißgeliebteren Müslischale liegt.
"Hast du gut geschlafen, Jackson?", frage ich, um ein bisschen Smalltalk zu betreiben und mich hauptsächlich von den bescheuerten Kater abzulenken.
Er schaut kurz auf und nickt, dann blickt er wieder auf sein kleines Buch. „Du siehst kacke aus", bemerkt er trocken, wie die Wüstenlandschaft der Mojave.
Nicht nur ich werfe Jackson einen sichtlich erstaunten Blick zu, sondern auch Jay wendet sich von der Kaffeemaschine ab und schaut in Richtung seines Sohnes. „Kumpel, was hast du gesagt?", fragt er mit seiner strengen Vaterstimme, bei der Jackson schnell kleinbei gibt.
Jackson blickt erst zu Jay und dann wieder zu mir. „Entschuldigung. Du siehst müde aus."
Ich nicke und bedankte mich gleichzeitig bei Jay, der mir die Tasse Kaffee auf den Tisch stellt. „Ich bin gestern noch ein bisschen mit meinen Freundinnen unterwegs gewesen. Deshalb bin ich müde. Aber wer Feiern kann, kann auch Arbeiten. Merk dir das für die Zukunft, Jackson."
Er verengt die Augen und wirft mir einen hochkonzentrierten Blick zu. „Wer arbeitet kann feiern. Ok", nickt er und wendet sich wieder seinem Frühstück und seinem Buch zu.
Ich schneide eine kleine Grimasse und greife nach der Tasse. Jay lacht leise in die Kaffeetasse hinein.
„Willst du denn gar nichts Essen?", will Jay wissen und setzt sich ebenfalls zu uns an den Tisch. Besorgt liegen seine grünen Augen auf meinem Gesicht.
„Später. Jetzt will ich erstmal meinen Kaffee trinken und die Welt verfluchen... hauptsächlich mich und den Alkohol." Ich lasse meinen Kopf auf die kühle Tischplatte senken und gebe einen riesigen Seufzer von mir.
Ich hätte es bei einem Glas Wein belassen sollen. Beim besten Willen. Im Gegensatz zu sonst, habe ich gestern Abend im Mollys auf den kommenden Tag geschissen, auf die Arbeit, auf einen Teil der Arbeitskollegen und wie es mir morgen gehen würde.
Immerhin kann ich mich noch an den restlichen Abend erinnern. Gemeinsam mit April, Maggie, Nat und Erin sind wir nach dem Medici und nachdem mich Jay in die Nacht entlassen hat direkt mit dem Taxi zum Mollys gefahren.
Dort hat es auch reichlich zum Trinken gegeben, teils Alkoholisch. „Wir werden diesen Abend morgen auf der Arbeit so sehr bereuen", hat Natalie zu mir gesagt. Ich habe diesem lachend zugestimmt und den nächsten Tequila-Shot weggeext.
Hauptsache ich habe meinen Spaß gehabt. Ich hab mich von meinen Freundinnen feiern lassen, habe getanzt und mich zu einer rührenden Ballade mit Connie, die Sekretäterin von der Feuerwache 51, an der Karaokebar hinreißen lassen.
Entweder hat es April, oder Maggie gefilmt, oder sonst wer, aber einer muss es gefilmt haben. So etwas bleibt niemals ungefilmt.
Ich bin sogar auf Kelly Severide gestoßen, der mich umarmt und mich zu meinem Geburtstag und meiner Verlobung mit Jay beglückwünschte. Es ist merkwürdig gewesen, nicht, dass da noch etwas zwischen uns ist. Ist es nicht. Egal auf welcher Ebene.
Es ist einfach nur merkwürdig, den Exverlobten zu umarmen, mit dem man reinrethorisch so etwas wie eine vergiftete Beziehung geführt hat.
Ich bin glücklich und fast da, wo ich schon immer ankommen wollte und auch Kelly macht den Eindruck, als würde ihm sein Feuerwehrmann-Gigolo-Leben (hab da so einiges gehört) genießen.
Aber die merkwürdige Situation, die eigentlich gar nicht hätte merkwürdig sein können und dürfen, wurde, in meinen Augen, irgendwie getoppt.
Ich bin mir nicht sicher, ob mein Einschätzungsvermögen durch den Alkoholkonsum angeknackst gewesen war, aber manchmal rückte mir Erin, für meinen Geschmack, zu nah an die Pelle.
Hauptsächlich suchte sie das Gespräch zu mir, genau wie meine Nähe, sie flirterte mit mir, obwohl ich einfach nur nett gegenüber ihr gewesen bin, weil ich Erin eben als neu dazugewonnene Freundin sehe.
Oder habe ich mir ihre aufdrängliche Nähe, ihre kleinen Flirtereien einfach nur eingebildet und lasse mich durch irgendeine Geschichte, oder Serie, die ich mal geguckt haben muss, beeinflussen?
Als ich Jay lachen höre, schaue ich skeptisch auf. „Ich hab's dir gesagt. Übertreib es nicht, lass dich nicht abfüllen. Wie war das? Du kannst nein sagen und kennst deine Grenzen?"
Da ist das wieder. Jay kann es sich wieder nicht verkneifen mich zu ärgern und mich damit zum Schmunzeln zu bringen.
Bei jeder anderen Person würde ich wahrhaftig die Augen verdrehen, oder androhen Gewalt anzuwenden, wenn nicht augenblicklich die Klappe gehalten wird, aber bei Jay ist es anders.
Er darf das, ich lasse ihn mich ärgern, weil ich weiß, und dankbar bin, dass er meine Launen immer ertragen muss. So wie ich seine Launen ertragen muss.
Jay lehnt sich nach vorne und legt mir eine Hand auf den Nacken, die ist kalt, dass ist gut. Behutsam streichelt er mit seinen Daumen über meine warme Haut. „In zwei Tagen haben wir beide einen freien Tag unter der Woche."
Stimmt. Jay und ich haben uns vorgenommen mindestens einmal im Monat einen freien Tag unter der Woche zu nehmen, sobald die Arbeit nicht doch irgendwie dazwischen kommt und unzählige Urlaubstage haben wir ebenso noch frei.
„Wir überlegen uns was", entgegne ich und schließe unter den Berührungen von Jay meine Augen. Ich wäre auf der Stelle wieder eingeschlafen, aber Jay erinnert mich, dass ich mich für die Arbeit fertig machen muss.
***
Auf der Arbeit kommt mir eine sichtlich muntere Natalie entgegen, die sich natürlich keinen Spruch bei meiner Demotivation verkneifen kann.
Sie hält mir netterweise mehrere Schmerztabletten für meinen schmerzenden und dröhnenden Kopf hin. „Den Tag stehen wir schon gemeinsam durch", trällert sie zuversichtlich und lacht wieder, während ich fluchend und motzend die Tabletten mit Wasser runterspüle.
Dann wirft auch sie mir den Blick zu, der so viel bedeutet, dass sie es mir doch gesagt hat. „Trink nicht immer alles durcheinander, Holly!"
Diese Worte sollen mich noch den ganzen restlichen Arbeitstag begleiten. Und was soll ich sagen. Ich bin Natalie dankbar, dass sie mich daran erinnert viel Wasser zu trinken. In der Mittagspause und nach einem wirklich anstrengenden Morgen und Vormittag, kriege ich sogar die Burritos in der Cafeteria runter.
Besser geht's mir auch schon wieder. Natalie erzählt mir gerade von ihrer Schwiegermutter. „Ich habe sie zuletzt auf Jeffs Beerdigung gesehen, danach brauchten wir Abstand zu einander. Jetzt will sie unbedingt mit mir Kaffee trinken gehen und über irgendwas mit mir reden."
„Ihr habt euch doch sonst immer verstanden", sage ich und werde von meinem kurz klingelnden Handy abgelenkt. „Entschuldigung." Ich blicke auf den aufleuchtenden Bildschirm und sehe, dass ich eine Textnachricht erhalten habe. Von Erin.
Ich beschließe später auf Erins Nachricht, was auch immer sie mir geschrieben hat, zu antworten und wende mich wieder Natalie zu. „Wie gesagt, ihr habt euch doch schon immer sehr gut verstanden und ich kann verstehen, dass sie für eine Weile ihre Ruhe brauchte. Sie musste eines ihrer Kinder beisetzen lassen und du brauchtest auch deine Ruhe."
Nat nickt „Ja, ich weiß. Es wird nur so merkwürdig werden. Vor Jeffs Tod haben wir uns jeden Tag geschrieben, hauptsächlich, um zu wissen, dass man noch lebt, aber danach... es ist irgendwie komisch."
„Hört sich komisch an, aber ich stecke nicht in der Situation um mich da genau hineinversetzen zu können", murmle ich nachdenklich. „Wie du immer so schön sagst: hör auf deine Organe, sind die im Einklang, wird's wohl richtig sein."
„Wann hab ich das gesagt?", fragt Natalie mich laut lachend.
„Vor ein paar Jahren, als ich noch mit Kelly zusammen gewesen bin, Jay aus dem heiteren Himmel aufgetaucht ist und ich deswegen komplett durcheinander..." Wieder bringt mich eine Nachricht auf meinem Handy dazu den Faden zu verlieren.
„Holly, jetzt schau doch nach, wer uns hier auf den Zeiger geht", protestiert Natalie sichtlich genervt und wendet sich auch selbst ihrem Handy zu.
„Ausnahmsweise." Also greife ich nach meinem Handy, entsperre dieses und schaue nach den Nachrichten, die eingetrudelt sind. Die letzte ist von Jay, der wissen will, wie's mir geht und wie ich mich auf der Arbeit schlage.
Jay
Welch eine dumme Frage. Hättest du das Hexen-Zirkel von Arbeitskollegen ausgeräuchert, würde ich das schon in den Nachrichten lesen. Aber du lebst noch?
Holly
Mir geht's besser. Habe gerade mit Natalie eine Mittagspause. Wir essen was. Was machst du?
Jay
Mit vollster Motivation Berichte schreiben und mir trockene Froot-Loops einverleiben. Was gibt es denn zum Essen?
Holly
Burritos und Aspirin. Hast du schon eine Idee, was wir an unserem freien Tag machen werden?
Jay
Geile Kombination. Lass uns darüber heute Abend reden. Muss weiter arbeiten. Ich liebe dich.
Holly
Machen wir. Ich liebe dich.
Von Jay bekomme ich keine Antwort mehr, da er offline gegangen ist. Deshalb klicke ich die Nachricht von Erin an.
Erin
Hey, du, Nadia und ich wollen am Freitag im Ruths etwas trinken gehen. Wenn du Lust hast, kannst du gerne mitkommen. Wir wollen uns um sieben im Ruths in Old Town treffen.
Freitag ist Jays und mein freier Tag und den will ich selbst für ein paar Glas Weine in Old Town nicht hergeben. Also schreibe ich Erin, dass ich wann anderes mal mitkommen werde.
Erin
Kein Problem. Dann beim nächsten Mal.
Ich will gerade mein Handy wieder zurücklegen, da bekomme ich eine weitere Nachricht. Nicht von Jay und auch nicht von Erin. Tante Gloria beehrt mich über dem Nachrichtendienst mit ihrer Anwesenheit.
Gloria
Ha! Ich sehe du bist online! Ich bin noch eine Weile in Chicago und frage mal ganz lieb und mit Kulleraugen, ob du mit mir am Sonntag abhängen willst? Tante-Nichte-Brunch. Sag ja, oder ich bin sauer. Lieb dich.
Bei der Antwort brauche ich kein bisschen zögern, weshalb ich meiner Lieblingstante sofort zurückschreibe, dass ich gerne mit ihr den Sonntag verbringen will.
Den restlichen Arbeitstag passierte nichts Spannendes. Henrietta und ich gerieten im Schwesternzimmer wieder aneinander, weil sie in der Krankenakte eines Autounfall-Patienten die falsche Medikamente für die nachfolgende Spätschicht eingetragen hat und ich sie korrigieren musste.
Henrietta nahm mir den Eingriff in ihre Akten-Privatsphäre (um Gottes Willen) ziemlich übel und beleidigte mich aufs Schlimmste. Das ich dem Patienten und vor allen Dingen ihr den Hintern rettete, war in ihrem Augen egal gewesen, weshalb ich die motzende Trulla mit den Worten: „Du bist doch nicht mehr ganz reisefertig", stehen ließ und mich auf den Weg nach Hause machte.
***
Guten Morgen Ihr alle. 🌞🫶
Soooo langsam geht es dem Ende von Band 2 entgegen und damit wäre schon wieder ein Buch beendet. Heilige Scheiße.
Einschließlich mit diesem Kapitel wird es noch 5 (inklusive Epilog) geben und dann ist Schicht im Schacht.
Genießt den Tag, ich mache mich jetzt mit meinem Sohn auf die Suche nach richtigen Kastanienbäumen im Dorf- keine Esskastanien 🌰, auf gut Glück, welche zum Basteln finden zu können. 🙌🏻
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