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JAY
Keine Ahnung, wem ich am liebsten meine Gabel in die Augen gerammt hätte: Sally, Beca oder Abel, oder am besten alle, die diese Situation immer mehr aufheizen.
Ich habe Sam gesagt, dass der weiteste Abstand am Tisch nichts bringen wird, dass sich diese oben erwähnten Personen, so oder so, an die Gurgel springen werden und es Gefahr läuft Hollys Geburtstagsessen zu ruinieren.
Und da sind wir jetzt gerade angelangt.
Aus einem harmlosen Gespräch über Kleinigkeiten zwischen Beca und Tante Gloria, entfachte eine hitzige Diskussion- ausgelöst, wie soll es anders sein, durch Sally, die sich irgendwie provoziert fühlt.
Als sei sie eifersüchtig, dass Gloria sie kaum beachtet, sondern sich eher für die neue Freundin ihres jüngeren Bruders interessiert.
Im Ernst. Das ist normal. Beca ist neu in unser aller Leben und da ist es wohl klar, dass man mehr über die Neue an Abels Seite erfahren möchte.
„Ich fühle mich abgeschoben! Muss hier in der Ecke sitzen!", flucht Sally rum und schmeißt die Serviette auf den Tisch. „Wieso kann ich nicht bei meiner Tochter sitzen?"
„Weil ich hier sitze und auf der anderen Seite der Verlobte deiner Tochter. Wann sehe ich meine Lieblingsnichte schon, hm?"
Unbeeindruckt spießt Gloria eine Tortellini auf und schiebt sie sich in den Mund.
„Wann sehe ich meine Tochter überhaupt mal?", stellt Sally die Gegenfrage und blickt nun von Gloria zu Holly.
„Muss jetzt darüber diskutiert werden?", fragt Sam in die Runde. „Falls ihr es noch nicht mitbekommen habt, wir sind in einem öffentlichen Restaurant, hier sind noch andere Gäste. Wir feiern den Geburtstag meiner kleinen Schwester!"
„Das interessiert mich recht wenig", flucht Sally herum. Wie bitte? Was? „Wie lange wollt ihr beiden Kröten eigentlich noch eingeschnappt sein?"
Ich wiederhole mich. Wie bitte? Was?
Sally funkelt wütend zwischen Sam und Holly hin und her. Natalie die zwischen Sam und Sally sitzt, greift nach dem Glas Wein und ext den Inhalt weg.
„Wir reden wann anders darüber!", knurrt Sam genervt. „Kannst du dich nicht einmal zusammenreißen. Verfluchte Scheiße!"
„Jetzt bin ich die Schuldige?!", ruft Sally entsetzt.
Aus den Augenwinkeln sehe ich einige andere Gäste in Richtung unseres Tisches blicken.
Mir reicht es. Ich schmeiße so wütend die Gabel auf meinem Teller mit der Lasagne, dass Sally zusammenzuckt und ein wenig Bolognesesoße über die weiße Tischdecke sprenkelt.
Immerhin hält Sally den Mund und widmet sich nun mir.
Ich starre sie wütend an. „Raus!"
Sally scheint nicht zu kapieren, was ich will.
„Raus! Jetzt!", fauche ich sie an und deute in Richtung Tür. „Oder ich schmeiß dich hier raus! Und das wird unschön, weil du bis nach Hause fliegen wirst!"
„Das ist doch lächerlich. Meine Tochter hat Geburtstag. Ich gehe nicht."
„Ja, Ihre Tochter hat Geburtstag. Schön, dass Sie das auch mal kapieren. Entweder gehen Sie, oder halten für den Rest des Abends Ihre Klappe! Reden nur dann, wenn man etwas von Ihnen verlangt!"
Sally blickt zu Maggie, die das Machtwort gesprochen hat und verdreht die Augen.
„Ich bin hier ja nicht erwünscht", brummt sie, schiebt mit ihrem Hintern den Stuhl weg und steht auf.
„Eigentlich warst du erwünscht", stellt Holly klar. „Bis zu dem Zeitpunkt an dem dein Mundwerk wieder schneller war, als dein Gehirn."
Sally greift seufzend nach ihrer Handtasche. „Hab's verstanden, Holly. Feier noch schön."
***
Seitdem Sally vor eineinhalb Stunden ihren dramatischen Abgang hinter sich gebracht hat, kehrt glücklicherweise wieder Ruhe ein.
Beca entschuldigt sich bei Holly und erklärt, dass sie sich nicht immer so schnell von Sally provozieren lassen sollte.
„Ich will heute Abend kein Wort mehr darüber verlieren. Einfach. Kein. Einziges. Wort", bittet Holly und blickt irritiert zum Kellner, der ihr ein Glas Wein hinhält.
„Ich habe keinen Rotwein bestellt", sagt sie höflich.
„Aber Ihr Verlobter schon", entgegnet der Kellner und stellt ihr das Glas auf den Tisch.
Holly blickt dankend zu mir und bedankt sich gleichzeitig beim Kellner, der bei den anderen Gästen nach dem Rechten fragt.
„Danke", bemerkt Holly. „Davon kann ich jetzt einiges gebrauchen. Frühschicht morgen hin oder her."
Ich lehne mich zu ihr und hauche ihr einen Kuss auf die Wange. „Ja, aber nicht übertreiben."
Sie nickt und greift nach dem Weinglas. „Ich kenne meine Grenzen. Das weißt du."
Ich will gerade etwas antworten, als jemand an meinem Hemd zerrt. „Daaaad?"
Jackson steht neben mir und hat sich an meinem Arm angelehnt. Er wirkt gelangweilt und müde und seufzt. „Was los, Großer?", will ich wissen und ziehe ihn zu mir auf den Schoß.
Sofort legt er seinen Kopf auf meiner Schulter ab. „Ich bin müde."
Ich streichle über seinen Rücken. „Wir fahren gleich nach Hause. Ein bisschen musst du noch. Ich weiß, dass du das schaffst."
Dann lehne ich mich zu Holly rüber. „Ich hau gleich mit dem Kleinen ab, du kannst ja noch bleiben und etwas mit deiner Freundinnen machen."
Stirnrunzelnd blickt Holly zu mir. „Ich bin eigentlich kaputt", flüstert sie.
„Sag das nicht vor Maggie. Du warst schon Ewigkeiten nicht mehr mit den Mädels unterwegs. Musst ja auch nicht lange machen, aber genieße den Abend. Deine Geschenke landen schon sicher zu Hause."
Holly verengt die Augen. „Willst du mich los werden?"
Kopfschüttelnd verneine ich. „Nein, ich bin mir nur zu hundert Prozent sicher, dass dir ein Abend mit deinen Freundinnen gut tun wird und dich von der bescheuerten Arbeit ablenkt."
Holly setzt weiter zur Widerrede an, aber ich deute an, dass sie gar nicht mit mir diskutieren braucht.
Sie presst die Lippen aufeinander und nickt. „Ausnahmsweise", murmelt sie. „Ich mach aber nicht lange. Reicht schon, dass ich morgen wieder Arbeiten muss."
Zufrieden blicke ich Holly an und drücke ihr einen Kuss auf die Schläfe.
***
Verspätet und um acht anstatt um sieben Uhr am Abend, liegt Jackson in seinem Bett und schläft tief und fest, während ich auf der Couch sitze und auf meiner Konsole spiele.
Ich bin so vertieft in das Rockstar-Spiel über Polizisten in den 40er Jahren in Los Angeles, dass ich gar nicht mitbekomme, wie Holly die Wohnung betreten hat.
Erst, als sie sich neben mich auf die Couch fallen lässt, schrecke ich hoch und halte mir die Hand vor meinem aufgeregt pochenden Herzen.
„Hey", sagt Holly und schlüpft aus ihren überteuerten Absatzschuhen raus, die sie zwischen Couchtisch und Couch auf den Boden fallen lässt.
Dann sinkt sie in die vielen Couchkissen zurück und gähnt müde.
„Na du", entgegne ich und pausiere das Spiel, um sie zu spöttisch zu mustern. „Siehst fertig aus. Hast du noch viel getrunken?"
„Einige Gläser Wein, andere Getränke, in dem ein kleines bisschen Alkohol gewesen ist. Waren danach im Molly's. Ich will einfach nur noch schlafen."
Holly's Augen fallen zu und sie gibt kein Wort mehr von sich.
Also lege ich den Controller zur Seite und lehne mich zu ihr. „Lass uns ins Bett gehen. Da schläft es sich besser", schlage ich vor und streiche ihr einige lange Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich aus ihrem unordentlichen Pferdeschwanz gelöst haben.
„Hm-mm", gibt sie müde von sich und blickt zu mir, zeigt aber in Richtung Fernseher. „Speichern nicht vergessen. Sonst weinst du wieder, weil du die Mission von vorne machen kannst."
Leise lachend nicke ich. „Verstanden, Boss. Ab ins Bett. Bin ich müde." Müde gähne ich, schalte über den Controller meine Konsole aus. Toll. Ich hab vergessen zu speichern. Hat Holly ja nicht gerade gesagt. Ich lasse mir nichts anmerken und schalte mit der Fernbedienung den Fernseher aus, ehe ich Controller und Fernbedienung auf den Couchtisch lege.
Holly sitzt mittlerweile neben mir und bindet sich ihren Pferdeschwanz eher unordentlich, als ordentlich zusammen. Ihre Augen sind gerötet und glasig. "Du hättest doch schon längst schlafen können."
Eigentlich hätte auch ich bereits schlafen können, aber das geht nie. Nie ohne Holly.
Ich weiß, es ist kitschig, überromantisch und irgendwie lächerlich, dass ich nicht ohne meine Verlobte einschlafen kann, aber es ist meine Gewohnheit geworden: ich kann nur schlafen, wenn ich weiß, dass es Holly gut geht, oder sie neben mir im Bett liegt.
Als wir nebeneinander im Bett liegen, ist Holly nach wenigen Minuten bereits weggetreten, aber trotzdem streichle ich noch mit meinen Fingerspitzen über ihren nackten Rücken, um ihre Nähe und Wärme zu spüren.
Die Müdigkeit ergreift nach einiger Zeit immer mehr Besitz von mir und so dauert es nicht lange, bis auch ich in einem wirklich tiefen Schlaf drifte.
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