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HOLLY
Immerhin gibt es eine kleine Einigung, da Erin noch viel zu müde und kaputt ist mit mir eine drei stündige Autofahrt durchzustehen: eine Nacht darf ich noch in meinem gewohnten und geliebten Bett schlafen und das neben Jay, während Sam auf der Couch hausiert, und Erin Jackson und mich in den frühen Morgenstunden abholen wird.
Die Koffer sind gepackt, sodass die Kleidung für zwei Wochen reichen wird, eine Waschmaschine und Trockner gibt es zwar, aber man kann nie genügend Wechselklamotten haben- vor allen Dingen Jackson.
Auch Dad weiß mittlerweile die komplette Wahrheit über die kaputte Tür. Er ist nicht allzu böse gewesen, weil er einen Einbruch eh schon vermutet hat.
Jay und ich liegen nebeneinander im Bett, schwiegen uns aber an, weil jeder in seinen eigenen Gedanken abgedriftet ist, oder Jay will mich nicht stören, als ich immer wieder vergeblich versuche die eine Seite in diesem Roman zu lesen.
Er liegt neben mir im Bett, scrollt genervt durch seine Facebook-Startseite und schaut zwischendurch zu mir rüber.
Ich lege das Lesezeichen ins Buch, klappe dieses zu und lege den Roman mit den Worten: „Ist doch bescheuert gerade", auf den Nachttisch.
Als ich mich wieder zu Jay drehe, rutscht er näher an mich heran und legt seinen Kopf auf meine Schulter.
„Ist es", entgegnet er leise und blickt wie ich zur Decke hinauf. „Das wird aber schnell vorbei gehen. Muss es."
„Das meine ich gar nicht", sage ich schnell. „Ich rede davon, dass uns nur diese Nacht bleibt... ein paar Stunden, bis wir uns keine Ahnung wie lange nicht mehr sehen werden und wir liegen hier voneinander entfernt im Bett..."
Jay setzt sich auf und auch ich setze mich nach einem kleinen Klappser auf den Oberschenkel auf. Wir lehnen uns an die Kopflehne an, unsere nackten Oberschenkel berühren einander unter der Decke und ich merke den Stoff der Boxershorts an meinem Bein.
Jay greift nach meiner Hand und verschränkt seine Finger in meine. „Jetzt sitzen wir nah beieinander und sagen nichts großartiges", kommentiert er mit einem kleinen belustigen Unterton in seiner Stimme.
Als ich zu ihm blicke, erwidert er den Blick sofort und wirft mir ein aufmunterndes Lächeln zu, was ich nur erwidern kann.
Auch wenn ich weiß, dass es in Jay gerade anders aussieht: so viele negativen Gedanken, Angst und so weiter, versucht er, dass ich mich ein bisschen besser fühle.
„Du hast Angst, hm?"
Jay blickt an mir vorbei, fixiert dann wieder meine Augen und nickt. „Ja, ich habe gewaltige Angst", gesteht er, was ich eigentlich schon weiß. „Ich hab diese Sache nie auf die leichte Schulter genommen, nie, ich wollte für die anderen nur cool wirken- wie immer, und nicht als Weichei abgestempelt werden."
„Hör auf dir Gedanken zu machen, was die anderen von dir denken und halten. Denk nicht, dass die nicht nicht respektieren würden, wenn du mal Angst zeigst, oder weinst und du mal den harten Typen zur Seite schiebst. Du siehst die Leute einen halben Tag, meistens sogar länger und das bis zu sieben Tage die Woche. Irgendwann werden die dir nicht mehr abkaufen, dass du nur eine harte Schale bist, sondern da drinnen..." Ich tippe auf seine nackte Brust, direkt da wo sein Herz sich befindet.
„...ein weicher Kern", unterbricht er mich. „Ich kann ein ziemlich verweichtlicher Kerl sein. Ich heule mehr als du."
„Das hast du wirklich schon immer", lache ich leise. „Aber das ist keine Schwäche. Das ist eine Stärke, weil du Gefühle zeigen kannst, naja, nur gegenüber mir."
„Liegt nicht daran, weil du meine Verlobte bist, sondern daran, weil du von Anfang an mein Comfortbuddy bist. Ich kann bei dir so sein, wie ich bin und du verurteilst mich nicht, wenn ich wie ein Baby wegen Kleinigkeiten weine oder wie Hulk ausflippe." Er denkt kurz nach. „Keine Ahnung, bei dir kann ich mich immer fallen lassen und die ganzen Gefühle die ich tagsüber auf der Arbeit angesammelt habe oder wegen meiner Familie, kann ich bei dir auslassen. Fühlt sich richtig an. Ich vertraue dir."
„Sollte man meinen", lache ich leise. „Ich meine, wir sind verlobt, da sollte man sich schon vertrauen können."
Jay stimmt leise mit ein und drückt meine Hand. „Ja, Dad hat gesagt, dass ich nicht herumsprinnen soll."
„Was? Wann?", frage ich verwirrt und blicke von meiner Hand mit dem Verlobungsring zu Jay.
„Vor ein paar Jahren. Ich hab mir fest vorgenommen, dich wieder zurückzugewinnen, weil ich ziemlich schnell gemerkt habe, dass die Gefühle nie weg waren."
„Hat funktioniert. Aber ja, ich weiß was du meinst. Hat einen wieder wie ein Schlag getroffen. Nur schlimmer."
„Schlimmer, weil wir erwachsener geworden sind, reifer nicht, aber zahlentechnisch erwachsener", entgegnet Jay.
„Ey, wir sind reifer geworden... erwachsen, ja. Gehen auf die dreißig zu."
„Noch sind wir siebenundzwanzig", korrigiert Jay mich. „Glaub ich. Warte." Er denkt nach. „Ja, siebenundzwanzig."
„Du musstest jetzt nicht gerade ausrechnen, wie alt wir sind und wie alt wir werden?", frage ich und kann mir das dämliche Gesicht nicht verkneifen.
„Doch", nickt er. „Die Zeit mit dir geht viel zu schnell um. Ich vergesse manchmal echt welches Jahr wir haben." Er blickt mich ernst an. „Hast du das nicht?"
„Manchmal schon. Gerade dann wenn die Zeit schneller als eigentlich verfliegt. Achtundzwanzig. Pah."
Jay seufzt. „Das wir dein Geburtstag nicht gemeinsam feiern können... ich könnte kotzen!", flucht er und wirft den Kopf in den Nacken.
„Feiern wir nach", sage ich trocken. „Aber nur wir beide. Auf eine große Feier habe ich absolut keinen Bock."
Er schielt zu mir rüber. „Also wie immer?"
„Ja", nicke ich. „Wie immer. Danke."
Wie immer heißt für mich einen ruhigen Tag nur mit Kuchen, Geschenke, Essen und vielleicht auch Natalie dazu. Mehr brauche ich nicht.
Ich bin absolut nicht der Fan davon im Mittelpunkt zu stehen, hasse es wenn Leute mir Happy Birthday singen und ich nicht weiß, was ich währenddessen machen soll.
Im Mittelpunkt stehen... Hochzeit, dass werden ich neben Jay definitiv, wenn das doch was Großes werden soll.
Eine Hochzeit ohne meine Eltern und meinen Bruder- die werden ausflippen, vor allen Dingen wenn ich nicht den Rest meiner Familie einladen werde.
„Über was denkst du nach?", fragt Jay und reißt mich somit aus meinen Gedanken.
„Eigentlich nur über die Sache und hoffe, dass es schnell vorbei geht."
Jay denkt kurz nach. „Wie wäre es, wenn wir erstmal aufhören darüber nachzudenken." Er haucht mir einen Kuss auf die Schulter. „Wenigstens bis zu den nächsten Morgenstunden."
Ein weiterer Kuss, der näher zu meinem Hals wandert, gefolgt von noch einem direkt an meinem Hals, an dieser einen Stelle, der sofort Gänsehaut auslöst.
Jay sieht die feinen stehenden Härchen an meinem Arm und streichelt über diesen drüber, ehe er mir wieder einen Kuss auf den Hals drückt.
Er nimmt die Hand von meinem Arm und schiebt diese unter die Decke, um diese auf meinem Oberschenkel zu legen.
Jay's sanfte aber deutliche Küsse sind bereits zu meiner Brust gewandert, seine Finger streicheln behutsam über die Innenschenkel, weshalb ich meine Beine spreizte, nach seinem Gesicht greife und ihn ungeduldig küsse.
Das Pochen in meiner Mitte und das Verlangen nach ihm ist gerade viel zu groß, weshalb Jay mich absichtlich bremst.
„Langsam, langsam", tadelt er mich mit einem verspielten Unterton in seiner Stimme, ehe er mir einen Kuss auf den Mund haucht.
Er zieht die Decke von uns runter, um diese vom Bett zu schmeißen und steht auf.
Ich beobachte ihn, wie er leise die Zimmertür abschließt und zurück zum Bett kommt.
Die verräterische Beule in seiner Boxershorts lässt mein Verlangen nur noch mehr steigen, aber was auch immer Jay mit mir vorhat, ich lass es liebend gerne über mich ergehen.
Er kniet sich aufs Bett, umfasst meine Fußknöchel, zieht mich mit einem Ruck runter, sodass ich auf dem Rücken liege und mein Hintern halb auf seinen Oberschenkeln ruht.
Dann greift er nach meinen Oberschenkeln und zieht mich noch mal ein Stück zu sich, sodass ich seine Verhärtung an meiner Pobacke merke.
Jay lehnt sich zu mir, ich dachte er würde mich küssen wollen, aber er drückt mir nur wieder langsam etliche Küsse auf den Hals und meinem Dekolleté, während seine Finger meinen Körper sanft berühren.
Ich will ihn ebenfalls berühren, aber Jay greift mit einer Hand nach meinen Handgelenken und hält diese grob fest, während er seine Lippen auf meine presst.
Ich erwidere den Kuss ungeduldig und gierig, während ich meinen Hintern provokant an seine harte Mitte reibe.
Jay entfährt ein kleines Stöhnen, dann wurde auch er plötzlich ungeduldig und kann es kaum erwarten mich aus meinem Negligee und Slip rauszuhaben, die er neben das Bett schmeißt.
Dann zieht er sich die Boxershorts aus und lässt sich zwischen meine gespreizten Beine gleiten. „Du versuchst es immer wieder", bemerke ich leise lachend. „Aber deine Ungeduld macht dir jedes Mal einen Strich durch die Rechnung."
„Ich bin geduldig", murrt er und haucht mir einen Kuss auf den Mund. „Nur nicht im Bezug auf das hier mit dir. Du machst mich wahnsinnig, Holly."
Er küsst mich etwas länger, während er seine Hüfte vorsichtig vor und zurück bewegt. „Siehst du, jetzt kann ich auch langsamer, geduldiger."
Er grinst frech, während er sich mit den Händen neben meinem Kopf abstützt um auf meinen nackten Körper hinabzusehen.
Dann schaut er wieder auf, schließt mit einem Schmunzeln auf den Lippen seine Augen und legt seine kühle Stirn an meine, während ich meine Beine um seine Hüfte schlinge, und wieder einmal falle.
***
Müde, aber dennoch mit den Gedanken an letzte Nacht versunken, sitze ich auf den Beifahrersitz meines Autos, während ich Erin die ersten eineinhalb Stunden Fahrt überlassen habe und starre mit einem Tunnelblick nach draußen.
„Schlecht geschlafen?", frage Erin mich.
Verwirrt komme ich zu mir und blicke zu ihr. „Hä?"
„Jay und du saht heute morgen aus, als hättet ihr die ganze Nacht wachgelegen. Ihr müsst euch keine Sorgen machen. Wird alles gut."
Wenn sie nur wüsste, dass wir uns höchstens eine Stunde über das Thema sorgen machten, bevor wir eine willkommene Abwechslung über Stunden und fehlenden Schlaf gefunden haben.
Aber Erin ist erwachsen, ich glaube zwei oder drei Jahre älter als meine Wenigkeit und wird das früher oder später trotzdem verstehen.
„Hoffentlich." Meine eigentlich guten Gedanken sind damit dann auch futsch.
Ich drehe mich zum Rücksitz um nach Jackson zu schauen, der tief und fest am schlafen ist. Dann drehe ich mich wieder um. „Konnte schon mal ein Täter ausfindig gemacht werden, was die Schießerei in Kelly's Tavern angeht?"
„Bisher noch nichts, aber die werden es mich schon wissen lassen", entgegnet Erin und blickt auf das Navigationssystem. „Sam ist sich sicher, dass er den Schützen getroffen hat?"
„Er behaart darauf", nicke ich. „Hast du was von der Besitzerin gehört?"
„Nein, noch nichts. Sam wird mich anrufen, sobald sie etwas über Kelly in Erfahrung bringen werden."
„Danke übrigens, dass du uns begleitest."
Sie lächelt mich kurz an, um dann wieder ernst auf die Straße zu schauen. „Absolut kein Problem. Ich bin froh für eine Weile aus Chicago raus zu sein."
„Das mit Voight und der Innenrevision?", hake ich nach.
Erin schenkt mir einen Blick, der so viel bedeutet wie woher ich das weiß. „Sam und Jay."
„Von wem auch sonst. Aber das hat sich eh schon rumgesprochen. Dein Vater ist übrigens auch nicht sonderlich begeistert darüber. Ich erst recht nicht." Sie hält inne. „Kennst du überhaupt mein Verhältnis zu Hank?"
„Meine mich an Sams Worte zu erinnern, dass deine Eltern absolute Vollkatastrophen sind und Voight dich damals aufgenommen hat."
Sie nickt und schmunzelt. „Mein Dad ist im Knast, meine Mom ist Drogenabhängig. Hank und Camille nahmen mich mit fünfzehn auf... Dreizehnter November... naja, er bestand darauf, dass ich ehrlich bin und alles auf den Tisch lege. Das tat ich, jahrelang, immer und immer wieder und jetzt, jetzt konnte er mir nicht mal dieses Geheimnis anvertrauen, obwohl er alles von mir kennt."
„Du bist eher enttäuscht als sauer, hm?"
„Und wie", nickt sie und tippt mit den Fingern auf das Lenkrad herum. „So richtig und das ist momentan ja noch nicht alles."
Abwartend blicke ich sie an, bis die weiterredet. „Meine Mom sucht den Kontakt zu mir. Ich ich will das nicht, weil sie mich schon so oft verletzt hat. Sie wird heiraten und will wieder Teil in meinem Leben sein."
„Wieso hast du ihr zugehört, wenn du nichts mehr von ihr wissen willst?"
„Damit ich selbst sehe, dass es immer wieder die leeren Versprechungen sind die aus ihrem Mund kommen."
„Mit Jay und seinem Dad ist es ähnlich. Jay wird dauerhaft von ihm enttäuscht, aber er hört zu, versucht noch den kleinsten Hauch von etwas Gutem zu sehen. Naja, mittlerweile ist da auch wieder komplette Funkstille. Von wegen, er will sich ändern, für Jay, für Jackson..."
„Was ist da das Problem?"
„Alkohol. Wir waren zum Essen verabredet, bei Jays Vater, er war nicht da, versetzt somit uns und Jackson, der ziemlich traurig darüber gewesen ist. Pat hat sich im Kelly's Tavern das ein oder andere Bier genehmigt, obwohl er bei den Anonymen ist... gewesen ist- offensichtlich. Und davor... hat er sich auch nicht sonderlich benommen. Ich meine, der hat mal seine Phasen, wo er Vater sein will und auch ist, aber kurz danach, bricht er Jay wieder das Herz." Ich seufze. „Ich hasse diese Wortwahl, aber Jay ist blind und dumm, wenn es um seinen Vater geht."
„Trotzdem liebt er ihn, deshalb lässt er sich immer wieder von seinem Dad verletzen, deshalb lasse ich mich immer von meiner Mom verletzen. Was ist mit Jay's Mom?"
Ich wundere mich nicht, dass Jay nichts von seiner Mom erzählt hat- es tut ihm schließlich immer noch weh, wenn er über sie redet.
„Sie starb vor einigen Jahren an einer Krebserkrankung. Ab da ging bei seiner Familie einiges Abwärts. Hat er nie darüber geredet?"
„Nein, er redet nie wirklich mit uns über Privates. Vielleicht quatscht er mal mit Trudy, Antonio oder Sam, aber aus denen ist auch nichts rauszubekommen. Oder es sei denn, er kann über Jackson reden. Antonio hat ihn deswegen mal auf die Stille Treppe gesetzt", lacht Erin.
„Wurde Antonio nicht deswegen von Voight daneben gesetzt, weil er wissen wollte, wie Jackson's Zusammentreffen mit dem Waschbären im Kindergarten geendet ist?"
„Genau. Ich kann nicht glauben, dass ein verwilderter Waschbär deinen Sohn nicht mal angegriffen hat, als er den in seinen Rucksack stopfen wollte."
„Jay und ich können es auch noch nicht glauben."
Erin wechselt das Thema. „Okay, vielleicht stehst du mir ja Rede und Antwort und ich weiß, es ist schon eine Ewigkeit her, aber wieso, sind Sam und Jay vor ein paar Jahren so aufeinander losgegangen?"
Neugierig blickt sie mich an, während ich mich räuspere. „Och, bei der Geschichte fällst du vom Glauben ab."
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