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JAY
Die erste Bombe ist um acht Uhr hochgegangen, die zweite haben wir in einem Mietwagen entdeckt und dieser steht noch im Parkhaus."
Während Chief Boden, der Chief vom 51ten Revier des CFDs redet, schaue ich mich eindringlich auf dem Gelände um und lausche nebenbei mit.
Feuerwehrleute suchen weiter in den Trümmern nach Überlebenden, oder Vermissten. Der Bereich wurde weiträumig abgesperrt.
Trümmer, Blut, Körperteile, Glasscheiben und ein ausgebranntes und deformiertes Autowrack vor dem Eingang der Notaufnahme erhaschen meine Aufmerksamkeit.
Ich schlucke schwer, als ich das riesige Loch in der Hauswand betrachte und stelle mir vor, wie meine Freundin dort am Arbeiten gewesen wäre.
Holly hätte sterben können und es glich für mich wie ein riesiges Wunder, dass sie nicht mal eine sichtbare Schramme abbekommen hat.
Mein Blick gleitet wieder über Sam, der mit Abstand zu mir stand zu Chief Wallace Boden steht, einem großgewachsenen, breiten Typ mit dunkler Hautfarbe, der so viel Autorität besitzt, dass einzig allein ein kurzer Blick reichen würde, um sich in die Hosen zu machen.
Ich habe noch nicht viel mit Boden zu tun gehabt, weiß aber, dass er wohl ein ziemlich korrekter Typ sein muss. Und ich habe Respekt vor ihm.
„Wer hat die Bombe entschärft?", frage ich.
„Mein Team", antwortet Boden und blickt kurz in meine Richtung.
Voight der neben Boden steht, wendet sich zu Sheldon Lee, unserem Technikspezialisten. „Checken Sie das, wenn Sie einen Hinweis finden, will ich das sofort wissen!"
Schweigend nickt Sheldon und geht.
„Wie viele Tote sind bisher bestätigt?", hakt Sam nach und scheint nachzudenken.
Angesäuert blicke ich ihn an. Ich sagte ihm, dass Holly heute hier sei und dass ihr hoffentlich nichts passiert sei, aber anstatt sich nach seiner kleinen Schwester zu erkundigen, kümmert er sich lieber um den Fall.
Arschloch.
Am liebsten würde ich Sam eine reinhauen.
„Achtzehn Tote, fünfzehn schweben in Lebensgefahr, drei Mitarbeiter sind unauffindbar. Die Anmeldung für den Spendenlauf war im vollen Gange, als die Bombe detoniert ist. Ob noch weitere Personen unter den Trümmern vergraben sind, können wir im Moment noch nicht sagen."
„Ich weiß, dass ist jetzt weit hergeholt", meint Erin „...aber Sams Schwester war heute hier. Wissen Sie zufälligerweise etwas darüber?"
Sam presst die Lippen aufeinander, während ich beleidigt die Arme vor der Brust verschränke.
Traurig genug, dass Sam den Mund nicht aufkriegt und nach seiner Schwester fragt. Das es Erin macht und Sam beleidigt wirkt... Ich fasse das nicht.
Das Verlangen Sam die Fresse zu polieren steigt rasant an und ich habe wirklich Mühe mich zurückzuhalten.
Boden schüttelt ahnungslos den Kopf. „Ich habe Holly nicht gesehen. Ich kann Severide darum bitten sich zu erkundigen."
„Ihr geht's gut. Sie hilft wo sie kann", werfe ich ein und lasse dabei Sam nicht aus dem Augen.
Keine Ahnung, ob ich mir das einbilde, aber er machte kurz den Anschein, als wäre er erleichtert.
Trotzdem sagt er nichts und wendet sich zu Adam Ruzek, welcher zu uns gelaufen kam. „Das FBI ruft alle Einsatzleiter für eine Besprechung zusammen."
„Dann gehen wir mal", fordert Voight eindringlich auf. „Antonio und ich gehen zu diesem Treffen. Ihr befragt die Überlebenden."
Und so finden wir uns wenig später in einem Raum voller Patienten und Helfer wieder.
Sofort springt mir Holly ins Auge, die sich um ein junges Mädchen kümmert.
„Wem befragen wir zuerst?", höre ich Ruzek fragen.
„Die die Reden können und am nächsten zum Geschehen waren", antwortet Alvin und macht sich an die Arbeit.
Ich will Holly befragen, aber Sam kommt mir zuvor und stellt sich neben ihr.
Was ist denn jetzt los?
Diese schaut ihn verwundert an und kommt aus der Hocke, um ihn fragend anzublicken.
Ich will wissen, was Sam zu sagen hat, weshalb ich mich anschleiche und mich hinter Sam Stelle.
Holly schildert bereits was passiert sei. „Nur einen Augenblick früher und ich wäre voll getroffen worden."
Er hat sie nur befragt, als sei sie nur eine Augenzeugin und nicht seine kleine Schwester, fragt sie nicht mal, ob es ihr gut geht.
Die Befragung von Holly und den anderen ergaben dieselben Anhaltspunkte und niemand schien etwas Großartiges gesehen zu haben.
Trotzdessen, dass immer wieder Leute nach Hause, oder auf Behandlungszimmer geschickt wurden, wurde der umorganisierte Warteraum für Angehörige nicht leerer.
Ich habe gerade den Raum verlassen, um mich mit den anwesenden Ärzten zu unterhalten, da ruft Holly nach mir.
„Hast du was vergessen?", frage ich verwundert.
„Du sagtest die andere Bombe wurde in einem Auto im Parkhaus gefunden?"
„Ja, wieso?"
„Also ich meine, wenn ich mich recht entsinne, drei Männer gesehen zu haben. Sie standen an einem weißen Leihwagen mit Milwaukee Kennzeichen, wirkten total fehl am Platz, der Jüngste hat mich sogar gegrüßt. Die anderen diskutiert."
Ich horche schon bei den Worten weißer Leihwagen mit Milwaukee Kennzeichen auf.
„Was genau für ein Wagen war das?", hake ich nach, wohlwissend das die zweite Bombe in einer weißen Toyota Limousine mit eben den Kennzeichen aus Milwaukee gefunden wurde.
„Limousine von Toyota."
Ich starre sie an. „Farbe?"
„Weiß."
Ein halber Volltreffer. Wenn Holly die ominösen Männer beschreiben kann, wären wir noch einen Schritt weiter.
„Jay?"
„Holly, in dem Auto wurde die zweite Bombe gefunden", lasse ich sie wissen. „Kannst du die Männer beschreiben?"
Ich hole mein Notizheft und Kugelschreiber heraus und warte geduldig auf eine Antwort meiner Freundin.
Diese versucht sich an der Beschreibung der drei Männer.
***
Für einen kleinen Augenblick, wurde der dringliche Fall für uns zur Seite gelegt und pausiert, als wir hörten, dass Kim Burgess Nichte bei dem Anschlag schwerverletzt und auf der Intensivstation liegt.
Holly bekam dieses wohl mit und will sich ebenfalls nach Zoe's Zustand erkundigen und auf dem Weg dorthin, erzählte sie mir, dass sie Kim und Zoe bereits kennengelernt habe.
Eine völlig fertige und weinende Kim sitzt im Besucherraum der Intensivstation und wird herzlich von Adam umarmt. „Was sagen sie?", will er wissen.
„Zoe braucht eine Spenderleber. Ihre Leber ist nicht mehr zu retten. Sie... es heißt sie kommt auf eine Liste. Sie suchen eine Spenderleber für sie."
Irgendwie fühle ich mich beschissen. Ein unschuldiges, neun Jahre altes Mädchen, welches um sein Überleben kämpft und hiermit gar nichts zu tun hatte- wie alle anderen auch.
Und auch im Hollys Blick sehe ich Mitgefühl. Aber gleichzeitig scheint sie ziemlich zu grübeln.
Ich lege eine Hand auf ihrem Rücken und denke ebenfalls nach.
„Hat sich denn schon jemand zu der Tat bekannt?", fragt Kim hoffnungsvoll.
Voight schüttelt seinen Kopf. „Wir sind dran. Das FBI. ATF. Es läuft alles auf Hochtouren."
„Hört mal", bemerkt Sheldon, als dieser in den Warteraum tritt. „An der Autobombe im Parkhaus haben wir einen Fingerabdruck gefunden. Er gehört einen gewissen Paul Watts. Er bewohnt ein Apartment, 2025 South Larremy." Er hält einen Zettel hoch. „Hiermit können wir rein, ohne anzuklopfen."
Paul Watts, hört sich nicht gerade fremd an, aber laut Beschreibung von Holly waren alle Täter nicht wirklich weiß, sondern vermutlich aus dem Gebiet rund um Syrien, Iran, Irak.
Südeuropäer wie Italiener und Spanier seien laut Holly ausgeschlossen gewesen, da diese wohl auf eine Sprache gesprochen haben, die sich nicht wie italienisch oder spanisch anhört.
Voight nickt. „Gut, geben Sie uns Vorsprung, bevor Sie das FBI informieren."
„Da wäre noch was", sagt Sheldon. „Die zweite Bombe wäre auf halb neun Programmiert. Abends. Irgendjemand hat da Mist gebaut."
Voight dachte nach und blickt Holly an. Gerade als Voight den Mund aufmacht, kommt ihm Holly zuvor. „Jaja, bin schon weg", tönt sie genervt.
„Das meine ich nicht!", pfiff er Holly genervt zurück.
Holly die schon halb aus der Tür raus ist, dreht sich um und zieht eine Augenbraue hoch. „Was?"
Hollys Unmut gegenüber Voight in diesem Moment ist wirklich an falscher Stelle und mahnend blicke ich sie an, aber sie ignoriert meinen Blick.
„Solange wir weg sind, hast du ein Auge auf Burgess."
Das klang nach keiner Bitte, sondern ein Befehl.
„Die brauchen noch sicherlich meine Hilfe..."
„Kümmer dich einfach um Burgess", verleiht Voight mit Nachdruck. „Du bist gerade die einzige der ich vertraue. Ich brauch mein ganzes Team."
Holly zieht ihr gespielt nettes Gesicht auf, dass bemerkt auch Sam, dann nickt sie und setzt sich, obwohl sie Voight am liebsten Widerstand geleistet hätte, neben Kim.
„Du rufst Jay an, wenn es etwas Neues gibt. Verstanden?"
„Geht das vielleicht in einem anderen Ton?", frage ich genervt und blicke Voight an.
„Wie bitte?"
„Sie haben mich schon verstanden", zische ich in seine Richtung. „Ist ja wohl nicht zu viel verlangt normal mit ihr zu reden."
Holly blickt mich mit weitaufgerissenen Augen an. Als würde ihr warnender Blick mich vor meiner großen Klappe stoppen können.
Voight beißt sich auf die Zähne, spannt dabei den Kiefer an, während er mich ziemlich wütend anstiert.
„Wir haben alle was zu tun. Auf geht's", murrt er sauer und stürzt regelrecht aus dem Warteraum der Intensivstation.
Sam wirft mir einen Blick zu und schüttelt den Kopf, während Alvin mir auf die Schulter klopft. „Piss ihn heute nicht noch mal ans Bein. Das überlebst du nicht."
Fassungslos blicke ich den anderen hinterher. Was soll das? Jetzt bin ich der Dumme, weil Voight es nicht geschissen bekommt in einem normalen Ton mit Holly zu reden?
Das kann er mit seinen Leuten aus seiner Unit machen, mit mir, aber nicht mit meiner Freundin, die eigentlich überhaupt nichts mit dieser Arbeit zu tun hat.
„Du hast Alvin gehört. Halt dich heute zurück", sagt Holly und blickt zu mir auf.
„Du findest den Tonfall also in Ordnung?"
„Das habe ich nicht gesagt, Schatz", flucht Holly und steht auf. Sie stellt sich vor mir und legt beide Hände auf meine Wange. „Voight steht mächtig unter Druck diesen Fall klären zu wollen... ihr alle. Da vergisst man schon mal wie man vernünftig mit Frauen redet."
Ich schließe kurz meine Augen, als Hollys Daumen über meine Bartstoppeln streicheln und blicke sie dann wieder an. „Ich find's trotzdem nicht in Ordnung."
Holly atmet tief durch. „Scheiß doch drauf. So wie ich auch. Heute ist echt eine Ausnahmesituation." Sie hält inne und schneidet eine Grimasse. „Hätte ihn echt eine verpassen können."
Ich grinse. „Nicht nur du. Ich will aber nicht schon wieder in der Nachrichtenzentrale landen."
„Dann zieh den Stock aus dem Arsch und lass den alten Mann rumtoben und rumtönen wie er will."
Ich nicke. „Ich halt mich zurück, klaro."
Holly stellt sich auf die Zehenspitzen und drückt mir einen Kuss auf den Mund.
„Bis nachher", entgegnet sie leise und setzt sich wieder neben Kim, die ihren Kopf traurig hängen lässt.
Ich sage nichts, sondern verlasse schnell den Warteraum um zurück zu den anderen zu gelangen.
Adam steht im Flur. Er hat auf mich gewartet.
„Du lehnst dich gegen Voight auf. Das ist mutig", bemerkt er. „Hast wohl Eier aus Stahl."
„Halt die Klappe", zische ich. „Findest du es in Ordnung, dass er wie ein Drill Instructor mit einer Frau redet..."
„Du regst dich nur darüber auf, weil es deine Frau ist..." Er räuspert sich. „Freundin. Zieh den Stock aus dem Arsch, Jay, du weißt wie Voight sein kann." Er klopft mit freundschaftlich auf den Rücken. „Konzentrier' dich auf den Fall. Wir brauchen dein Erbsenhirn."
„Du Adam?"
„Hm, was denn?"
„Ein Gehfehler kriegt jeder", sage ich, hole mit dem Fuß aus und trete Adam so gegen den Knöchel, dass dieser stolpert und längs auf den Boden landet.
Unbeeindruckt gehe ich weiter, hoffe aber, dass er sich nicht wehgetan hat.
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