Merry Christmas ❤
Das ist Zouis von mir :)
(Louis)
Ich lief die verlassenen, verschneiten Straßen entlang und ging zielstrebig auf ein kleines Cafe zu. Es war bunt geschmückt und sah mit seinen vielen flauschigen Dekos furchtbar einladend aus. Es war in einer dunklen Gasse, in die niemand auch nur einen Schritt wagte. Warum das Geschäft hier war, wusste niemand. Die Kirchenglocke läutete. Es war anscheinend schon halb neun. Eine gute Zeit, um langsam auf den Markt zu gehen. Ich würde heute wieder nicht viel bekommen, wie auch? Es war Winter, der kälteste, den es jemals gab, der Schnee war einen halben Meter hoch und es war Weihnachten. Keiner wäre hier, um die flauschigen Schafe oder die kleinen Verkaufsstände zu betrachten. Hin und wieder ertönte ein Bellen, doch ich ließ mich nicht beirren und öffnete die Tür des Cafes.
Warme Luft schlug mir entgegen, ich zitterte. Meine Augen schlossen sich automatisch, krampfhaft hielt ich sie offen. Ich durfte nicht einschlafen. Es würde ihm gar nicht gefallen. Ich öffnete sie wieder und sah ihn durch einen klitzekleinen Spalt hindurch in der Tür stehen. Sein Gesicht war diesmal weder wütend, noch hasserfüllt, sondern strahlte Freude aus. Das hatte ich noch nie an ihm gesehen. Was war es, das ihn zum Strahlen brachte? Sein Cafe, sein Gewinn, sein Ruhm? Oder seine Familie und die Tatsache, dass es Weihnachten war und er bald Schluss haben würde? Bei diesen Gedanken zog sich meine Brust schmerzhaft zusammen und ich atmete zitternd aus.
Ich musste stark sein. Was würde er denn denken? Ohne mich zu bewegen, kam er auf mich zu und ich öffnete widerwillig meine Augen.
Ich wollte nicht. Nicht schon wieder. Es tat so weh. Wie ein Splitter, der tief in meinem Herzen steckte und der für ein Leben lang darin bleiben würde, bis ich alt und grau war. Wenn es dazu kam. Seine braunen Haare standen ihm vom Kopf ab, wie immer waren seine Augen gefühlskalt und seine Stimme erst recht.
"Hallo Louis. Ich werde jetzt bald aufhören und nach Hause fahren. Heute werden wir nicht miteinander spielen, so leid es mir tut. Ich würde ja gerne, aber meine Familie wartet... Naja, auf jeden Fall bringst du heute 50 mit, verstanden? Und die liegen dann bis morgen in meinem Tresor, verstanden? Wenn nicht...weißt du ja, was ist!", bedrohlich zwinkerte mir zu und streifte im Vorbeigehen noch meinen Arm. "Ach ja, Louis? Frohe Weihnachten und feier schön! Alleine ist es bestimmt interessant!", er wusste genau, wie weh er mir damit tat. Warum konnte er nicht damit aufhören?
Mein Herz war doch schon wegen ihm gespalten, warum zeriss er es dann noch mehr? Ich schaffte das alles nicht mehr. 50 Euro?! Ist das sein Ernst? Wo sollte ich das denn herbekommen? Ich fühlte mich einfach nur leer. Wie immer nach jedem verdammten Auftrag. Und schon kamen mir wieder diese sechs Wörter in den Sinn, die so in meinem Herzen schmerzten.
Alleine ist es bestimmt interessant.
Meine Kehle zog sich schmerzhaft zusammen, vergelblich versuchte ich, den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken. Wie erwartet half es nichts. Unbeirrt rollten mir die Tränen über die Wangen und hinterließen eine feuchte Spur der Trauer in meinem Gesicht.
Wütend knallte ich die Tür hinter mir zu. Warum musste mein Leben auch nur so sein? Warum? Ich meine, ich bin 19, habe nichts, stehe seelisch vor einem riesen Abgrund und warte nur so auf mienen Tod. Warum tat ich das? Genau: Weil ich muss. Ohne Spider konnte ich nicht leben, er versorgte mich. Naja, wenn man schlagen, vergewaltigen und verhöhnen als versorgen bezeichnen wollte.
Wie erwartet war der Christkindlmarkt wie leer gefegt und alles war still. Ab und zu war ein Kinderlachen zu hören, sonst war der ganze Hauptplatz verlassen. Was sollte ich denn jetzt tun? Niemls würde ich fünfzig Euro herbekommen, wo keine Leute waren. Aber Spider war das ja egal. Ihm war alles egal. Meine Gesundheit, Gefühle, Ängste.
Eine weitere Träne rollte meine Wange hinunter. Ich schluckte. Mein Leben war ein Scherbenhaufen, von Anfang an schon.
Ziellos trottete ich auf dem Platz herum, mittlerweile hatte ich es aufgegeben, wie ein Verrückter durch die Straßen Münchens zu laufen und setzte mich auf eine nahegelegene Bank. Mir war schwindlig und eine leichte Übelkeit stieg in mir hoch.
Meine Sicht verschwand für einen Augenblick, es wurde alles schwarz. Doch gleich danach war wieder alles normal und ich kehrte in die schmerzhafte Realität zurück. Meine Augen waren geschlossen. Ich hörte, wie Kinder glücklich aufkreischten, wie sich die Eltern freuten, weil ihre Kinder die Geschenke wunderbar fanden. Es tat so weh. Die ganzen Menschen hatten eine Familie. Hatten Freude. Freunde. Fröhlichkeit, sie bekamen Liebe. Sie waren füreinander da, wenn es jemandem schlecht ging. Und ich?
Ich war alleine, verzweifelt, hatte keinen Schimmer Fröhlichkeit in mir und war kriminell. Niemand schenkte mir etwas, niemand beachtete mich. Jeder, der mich sah, warf mir Worte zu, die mich innerlich zerstörten. Was macht ein Fettsack hier in München? Geh in eine Ecke und schäm dich! Du hast es nicht verdient, zu leben!
Solche Dinge waren Alltag für mich, und doch war ich noch nicht darüber hinweggekommen. Es traf mich immer wieder in der Brust, so etwas zu hören. Egal wie freundlich die Leute schienen, sie waren innen immer grausam und gefühlskalt. Immer.
Wieder rollte eine Träne meine Wange hinab, diesmal konnte ich ein Schluchzen nicht verbergen. Es würde sowieso keinen interessieren. Sie würden an mir vorbeigehen, mich nicht beachten und sich denken: Was ist das denn für ein Schwuchtel, der alleine auf ner Bank sitzt und heult?!
Ja, ich war diese Dinge gewohnt. "Warum weinst du?", ich erschrak. Geschockt rutschte ich benommen von der Bank und landete auf meinem Hintern. Durch die Dunkelheit konnte ich einen gut gebauten, schwarzhaarigen Jungen erkennen, der mich skeptisch musterte.
Er sah verdammt gut aus. Doch ich durfte mich nicht auf ihn einlassen, und so lief ich so schnell ich konnte in die entgegengesetzte Richtung. Weit kam ich allerdings nicht.
"Hey, warte! Wo willst du denn hin?", meine Tränen hatten nicht aufgehört zu fließen.
Ich lief immer weiter, immer weiter weg von diesem Jungen. Äußerlich mochte er nett sein, doch innerlich war er wie alle anderen: Verdammt gemein und gefühlskalt. Er hielt mich am Ellenbogen fest, seine Atmung war zu schnell. Schnurstracks stand ich vor ihm und musste in seine braunen Augen sehen. Sie fesselten mich, gaben meine Augen nicht mehr freu. Verzweifelt versuchte ich, mich loszureißen, in den Augen spiegelten sich die unterschiedlichsten Gefühle. Hass, Verzweiflung, Skepsis, Ratlosigkeit, Verwirrung, Liebe. Das war das, was ich am Wenigsten erwartet hatte. Genauso wie Ratlosigkeit.
"Was ist los? Warum bist du weggerannt?", seine Stimme war tief, sie hörte sich an wie ein sprudelnder Wasserfall, der nie aufhören würde, Wasser zu spenden und alle Lebewesen um sich herum zu versorgen. Ich schluckte und konnte mich endlich von seinen Augen losreißen. Als Antwort schüttelte ich nur mit dem Kopf und wollte mich losreißen. Aber natürlich ließ er mich nicht los.
Angst machte sich in mir breit, ich konnte nicht mehr richtig atmen. Sie bereitete sich in jeder Zelle, in jede Kapillare meines Körpers aus. In jedem Gewebe, in jedem Glied war sie zu spüren. Meine Unterlippe begann zu zittern und ich befürchtete, gleich wieder weinen zu müssen.
"Sieh mich an!", als ich es nicht tat, umfasste der Unbekannte mein Kinn und hob es sanft hoch. "Komm, ich nehme dich mit zu mir!" Nein. Nein, das wollte ich nicht! DURFTE ich nicht. Was würde Spider davon halten? Er würde mich umso mehr schlagen, weil ich mit dem Typ weggegangen bin. Zusätzlich zu der Strafe, die ich bekommen würde, weil ich das Geld nicht liefern konnte. Allein das bereitete mir schon Bauchschmerzen.
Panik spiegelte sich in meinen Augen, ich schüttelte verzweifelt den Kopf. Seufzend hob er mich hoch, als ob ich nur zehn Kilo wiegen würde. Verdammt, ich musste hier weg!
Egal, wie viel ich zappelte, er ließ sich nicht davon beirren und trug mich zu einem Auto, das er nur antippte. Sofort sprang die hintere Tür auf und er ließ mich hineinplumpsen. Die Autotür schlug zu und bevor ich realisierte, was er tat, war er auch schon auf dem Fahrersitz und lenkte den Wagen aus der Parklücke.
Vor Verzweiflung geprägt atmete ich tief durch. Meine Angst wuchs mit jeder Minute mehr. Unbehaglich wurden meine Hände von kaltem Schweiß befeuchtet.
Was würde er mit mir machen? Mich vergewaltigen? Schlagen? Mir Dinge an den Kopf werfen, mit denen ich jeden Tag zu kämpfen hatte? Ich hoffte es nicht, mein Herz würde es diesmal nicht verkraften.
Als der Wagen hielt, zitterte ich am ganzen Leib. Geschockt stand Unbekannt in der Autotür und versuchte, diesen Anblick zu verarbeiten. "Was ist nur mit dir los?", wieder hob er mich hoch, doch diesmal sanft und vorsichtig. So als ob ich aus Glas wäre, das jeden Moment zerspringen könnte.
Das Haus war riesig, ich fühlte mich unwohl. Er trug mich in ein Zimmer, das anscheinend das Wohnzimmer sein sollte, denn in der Ecke stand ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum. Schweigend verließ er den Raum und kam einen Moment später mit einer Tasse wieder, die er mir in die Hand drückte. Dazu legte er mir eine Decke um die Schultern und setzte sich mir gegenüber.
Mein Blick war auf meine Hände gerichtet, der Dampf des Tees schlug mir ins Gesicht und vermischte sich mit meinem Angstschweiß.
"Also, warum bist du weggelaufen und hast geweint? Was ist los?", ich bemerkte, wie erneut eine Träne meine Wange hinabkullerte.
"Hey, nicht schon wieder weinen, bitte! Habe ich was falsches gesagt -", verzerrt lächlend sah ich ihn an und sprach das erste Mal an diesem Tag.
"Warum willst du es wissen?", meine Stimme war schwach, glich einem Flüstern.
Nachdenklich sah er mir in die Augen. Seine waren so unglaublich schön braun. Sie gaben mir die Bestätigung, dass er mir helfen wollte. Aber wieso? Wieso tat er das?
"Ich weiß nicht...mir scheint es bloß ungewöhnlich, einen Jungen Menschen an Weihnachten alleine draußen zu sehen.", wir schwiegen. Dann fing ich endlich an zu erzählen, so wie er es wollte. Dabei wand ich meinen Blick nicht von meinen Händen.
"Ich bin in einem ärmeren Stadtviertel aufgewachsen, meine Eltern hatten Probleme, mich zu versorgen. Mit der Zeit wurde es leichter, da ich größer wurde und selbst Geld aufsuchen konnte. Als ich acht Jahre alt war, starben sie. Es war wahrscheinlich besser. Aber es war so, als hätten sie einen Teil meines Herzens mitgenommen und dieser hört nie auf zu bluten. In den nächsten Monaten ging es mir schlechter als je zuvor. Ich wurde alkoholabhängig, ging in Kasinos, klaute und dealte. Als es fast zu meinem Tod kam, fand mich ein Junge. Er war in meinem Alter und kümmerte sich eine Zeit lang um mich. Ich hatte damals keine Gefühle mehr, nahm nur noch den Schmerz wahr. Doch er hat mich wieder aufgebaut und mir gezeit, was leben heißt. Über die Zeit hinweg merkte ich nicht, wie ich mich in ihn verliebte. Ich war so naiv und glaubte ihm sein Geständnis, weil ich ihm vertraute. Doch nach und nach erkannte ich sein wahres Gesicht und es stellte sich heraus, dass er nur mit mir spielen wollte und kein Bisschen für mich empfand. Ich wollte weglaufen, doch er sperrte mich tagelang ohne Licht, Essen, Trinken und Wärme ein und drohte mir, mich zur Polizei zu bringen, wo ich dann sicher verhaftet werden würde. Also habe ich nachgegeben und muss bis jetzt Geld für ihn stehlen, weil er seine Drohung sonst wahr macht. Wenn ich das nicht tue, schlägt und vergewaltigt er mich. Jeden Tag werden mir Beleidigungen an den Kopf geworfen, obwohl ich so schon nicht mit meinem Leben klar komme. Momentan bin ich in einer Starre, aus der ich nicht mehr herauskomme. Weißt du, wie es ist, keine Familie zu haben und andere Menschen glücklich zu sehen? Wie sie sich an Weihnachten freuen und Spaß haben? Wie sie Liebe von anderen Menschen bekommen? Wahrscheinlich nicht. Und du willst es auch gar nicht wissen. Es ist etwas, mit dem man erst umgehen muss. Es ist wie ein riesiger Splitter im Herzen, der sich immer tiefer hineinbohrt und einfach nicht herausgehen will. Innerlich zerreißt man immer mehr, doch nach außen hin ist man stark und tut auf selbstbewussten Mann. Man muss sich damit abfinden. Und ich habe es getan. Es ist mein Schicksal."
Als ich endete, sagte er nichts. Ich wusste nicht, warum ich ihm das erzählte. Niemand wusste von meiner Vergangenheit. Ich sah auf. In seinen Augen standen Tränen, eine kullerte seine Wange hinab. Entsetzt betrachtete ich, wie sie eine salzige Spur auf seiner makellosen Haut hinterließ. Warum weinte er um mich? Ich war doch ein Niemand. Jemand, den keiner beachtete. Ein Nichtsnutz.
"Bitte nicht...", ich konnte nur flüstern. Er hob den Blick und in seinen Augen lag so eine Verletztheit, dass auch ich gleich in Tränen ausbrechen könnte.
"Es tut mir so leid... Ich - ich wusste das nicht, ich hätte nichts sagen dürfen!"
"Nein, es ist okay...Du wusstest es nicht. Niemand tut das. Mach dir bitte wegen mir keine Vorwürfe, ja? Du bist der erste Mensch, dem ich das erzähle und ich will kein Mitleid, bitte!" Nun war ich den Tränen wirklich nahe und biss mir vor Verzweiflung auf die Unterlippe. Er antwortete nicht, nahm mich nur in den Arm und legte seinen Kopf auf meine Schulter. Mein Oberteil wurde nass, jetzt konnte ich es nicht mehr verhindern. Ungehintert liefen mir Tränen die Wangen hinab und ich schloss die Augen.
Der Unbekannte drückte mich auf Armlänge von sich und lächelte leicht.
"Du bleibst bei mir! Ich werde mich um dich kümmern und du wirst glücklich werden! Und übrigens heiße ich Zayn!" Ich glaubte nicht, was er da sagte, es kam mir zu nett vor. Gegen die Vernunft sagte ich gleich darauf:
"Okay. Ich bin Louis!"
Leicht lächelte Zayn mich an und zog mich in eine innige Umarmung.
"Merry Christmas, Louis!"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro